Das Gericht führte hierzu aus, das Zitiergebot solle den Gesetzgeber immer dann warnen, wenn es um freiheitsverkürzende Gesetze gehe. Die Rechtsprechung des BVerfG, wonach das bundesrechtliche Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG bei der Berufsfreiheit nicht anwendbar sei, sei auf Eingriffe in die Berufsfreiheit aus Art. 49 Abs. 1 der brandenburgischen Landesverfassung nicht übertragbar. Eine derartige Auslegung verwundert, da der Wortlaut der fraglichen Norm des § 5 Abs. 2 S. 3 der Landesverfassung von Brandenburg mit dem des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG quasi identisch ist. Andererseits hat die sehr restriktive Auslegung des BVerfG des verfassungsrechtlichen Zitiergebots einiges an Kritik erfahren (siehe dazu auch hier), so dass eine divergierende Auslegung auf landesrechtlicher Ebene zumindest plausibel erscheint.
Verstoß gegen das Homogenitätsgebot?
Rechtstechnisch möglich ist eine derartige divergierende Auslegung von bundes- und landesverfassungsrechtlichen Rechtstermini jedenfalls. Dies ergibt sich aus der Regelung des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG, wonach die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern nur den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muss. Es besteht insofern keine Pflicht zu einem Gleichlauf der Regelungen von Bundes- und Landesverfassung (Stichwort: „Keine Pflicht zur Uniformität“). Das Grundgesetz fordert lediglich eine Homogenität zwischen Bundes- und Landesverfassung. Diese Homogenität ist im Falle einer extensiveren Anwendung des Zitiergebots ohne Weiteres gewahrt. Dies stellt insofern nämlich keinen Widerspruch zu den bundesverfassungsrechtlichen Demokratiegrundsätzen dar, sondern eher noch eine Erweiterung im Sinne von effektiverem Grundrechtsschutz.
Mit Beschluss vom 19.10.2012 (Az.: VfGBbg 31/11) entschied das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg über die Vereinbarkeit einer kommunalrechtlichen Regelung mit der respektiven Landesverfassung. Das Gericht stellte fest, dass die infrage stehende Norm des § 23 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot aus Art. 5 Abs. 2 S. 3 der Landesverfassung nichtig sei.
Divergierende Auslegung auf Landesebene
Interessant – und deshalb insbesondere relevant für anstehende mündliche Prüfungen – ist das Urteil deshalb, weil das brandenburgische Verfassungsgericht das landesverfassungsrechtliche Zitiergebot entgegen den althergebrachten Vorgaben auf bundesrechtlicher Ebene auslegte (siehe umfassender zum verfassungsrechtlichen Zitiergebot hier). Im zu entscheidenden Fall ging es nämlich um einen Verstoß gegen das Zitiergebot aufgrund von möglichen Eingriffen in die Berufsfreiheit (siehe zur Prüfung der Berufsfreiheit umfassend hier). Entsprechend den Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG müssen von einem Gesetz ausgehende mögliche Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nämlich in keiner Weise in ebendiesem Gesetz kenntlich gemacht werden. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg ging dementgegen – zumindest auf landesverfassungsrechtlicher Ebene – davon aus, dass derartige Grundrechtseinschränkungen in einem Gesetz kenntlich zu machen seien.