Wir freuen uns einen Gastbeitrag von Julia Stinner veröffentlichen zu können. Sie hat in Bonn studiert und wählte den Schwerpunkt „Staat und Verfassung im Prozess der Internationalisierung“. Sie ist derzeit als studentische Mitarbeiterin am Strafrechtlichen Institut der Universität Bonn bei Prof. Dr. Kindhäuser tätig. Ihr Artikel befasst sich mit der Problematik des neu eingeführten pauschalen Rundfunkbeitrags, dessen Pflicht zur Entrichtung nicht mehr an die tatsächliche Rundfunkteilnahme, sondern generell an das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines nicht lediglich privat genutzten Fahrzeugs gekoppelt ist.
Zur Diskussion über die Rundfunkabgabe
Viel diskutiert, berichtet und gestritten wird aktuell über den Rundfunkbeitrag, der seit Anfang des Jahres die Gebühr zur Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ablöste. Mit einem Streifzug durch das Abgabensystem, einer kurzen Darstellung der finanzverfassungsrechtlichen Hintergründen und einem Aufzeigen der angebrachten Kritik soll vorliegend das Thema insoweit behandelt werden, dass auch ohne Spezialwissen die Problematik erkannt und nachvollzogen werden kann.
I. Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Bürger
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt neben einem Grundversorgungsauftrag für eine unabhängige, demokratische und pluralistische Meinungsbildung vor allem eine bedeutende historische Funktion als dezentrale Einrichtung der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg zu. Auf Initiative der damaligen Besatzungsmächte wurden erst sechs, später neun Landesrundfunkanstalten gegründet, die bis heute existieren.[1] Dabei umfasst der Begriff des Rundfunks sowohl Hörfunk- als auch Fernsehprogramme.
Weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk staatsfern finanziert werden sollte, um Unabhängigkeit zu wahren und staatlichen Einfluss zu verhindern (anders als in der Weimarer Republik), fand die Finanzierung bis zum 31.12.2012 über eine Rundfunkgebühr statt. Alle zahlungspflichtigen Bürger ermöglichten mit den aus der Gebühr zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln die Basis der Arbeit und Programme von ARD, ZDF und beispielsweise des Deutschlandradios. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Rundfunkurteilen wiederholt darauf hingewiesen, dass der Rundfunk elementar für eine öffentliche und individuelle Meinungsbildung sei und dass ein Mindestmaß an inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegenseitiger Achtung aller gesellschaftlich relevanten Kräfte gewährleistet werden muss.[2]
II. Finanzverfassungsrechtliche Möglichkeiten der Abgabenerhebung
Aus diesem Grundauftrag, der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukommt, folgt aber nicht zwingend eine Finanzierung über Gebühren, wie sie jahrelang erfolgte. Für die Forderung von Abgaben ist zunächst primär das Grundgesetz mit seinen finanzverfassungsrechtlichen Regelungen der Art. 104a ff. GG Maßstab. Vorgesehen ist dort in erster Linie die Finanzierung allgemeiner Aufgaben durch Steuern, die in klaren und verbindlichen Grenzen von den Bürgern erhoben werden dürfen (sog. Steuerstaatsprinzip).
Dass das Grundgesetz strikte und grundsätzlich abschließende Regelungen zu Fragen der Einführungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenz für steuerliche Abgaben enthält, kommt vor allem auch den Bürgern zugute, die dadurch vor weiteren außerplanmäßigen Belastungen und finanziellen Eingriffen geschützt werden sollen. Die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben soll die Schutzfunktion, die freiheits- und gleichheitsschützend neben den staatsorganisationsrechtlichen Inhalt der Finanzverfassung tritt, nicht aushebeln.
Nichtsteuerliche Abgaben sind Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben.
Zur Abgrenzung sei daher jeweils ein Definitionsansatz der verschiedenen Abgabentypen erlaubt:
1) Eine Steuer ist eine Zahlungspflicht des Bürgers an den Staat, die ohne konkrete Gegenleistung erfolgt und der Finanzierung allgemeiner Aufgaben dient; siehe auch die Legaldefinition in § 3 I Hs 1 AO.
2) Gebühren und Beiträge hingegen sind sogenannte Vorzugslasten, die dem Bürger für einen vom Staat gewährten Vorteil auferlegt werden. Die Gebühr stellt dabei auf die tatsächliche Inanspruchnahme einer Leistung ab, während der Beitrag die reine Möglichkeit des infrastrukturellen Zugangs genügen lässt (Bsp: Rückmeldegebühr an der Uni – Sozialversicherungsbeiträge).
3) Sonderabgaben schließlich richten sich an eine homogene und klar abgrenzbare Gruppe von Personen, die zur Finanzierung eines konkreten außerfiskalischen Zwecks belastet werden, weil sie eine besondere Sachnähe zu diesem Zweck aufweisen. Ein zulässiges Beispiel ist etwa die Abgabe deutscher Banken zur Finanzierung der Aufsichtstätigkeit der BaFin (zur finanzverfassungsrechtlichen Zulässigkeit parafiskalischer Sonderabgaben siehe in diesem Zusammenhang bereits hier).
III. Unterschied der Gebühren- und Beitragsfinanzierung des Rundfunks
Die alte Rundfunkgebühr knüpfte ihrer Definition nach an der tatsächlichen Nutzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an. Dies war historisch jedenfalls insofern gerechtfertigt, als der Rundfunk ursprünglich der Reichspost zugeordnet war und es keine anderen Möglichkeiten der Inanspruchnahme gab. Diese Legitimation ist jedoch mit Einführung eines dualen Rundfunksystems, also dem Nebeneinander von privatem und öffentlich-rechtlichem Rundfunk entfallen. Der Gebühr kam daher zum Teil bereits faktische Beitragswirkung zu, weil nicht mehr auf die tatsächliche Inanspruchnahme des Rundfunks, sondern größtenteils auf eine potentielle Nutzungsmöglichkeit abgestellt wurde.
Der nun eingeführte Beitrag knüpft jedoch nicht an die Nutzungsmöglichkeit an sich an, sondern rückt vielmehr die sogenannten Raumeinheiten in den Fokus. In der Einleitung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages der Länder (RBStV) heißt es dazu: „Jetzt ist Anknüpfungspunkt der Beitragspflicht allein das Innehaben einer Wohnung, einer Betriebsstätte oder eines nicht lediglich privat genutzten Fahrzeugs.“ Weil in den meisten Fällen der Haushalt Konnexitätspunkt geworden ist, titelten schon kurz darauf viele Medien mit der neuen Haushaltsabgabe. Ob überhaupt ein Empfangsgerät vorhanden ist, ist nunmehr irrelevant. Hauptunterschied der Systeme ist also der Ansatzpunkt zur Abgabenpflicht.
IV. Kritik am derzeitigen Beitragssystem
Eben dieser Hauptunterschied ist Nährboden für Kritik. Die Anknüpfung am Haushalt auszurichten, kommt in der Wirkung nahezu einer Steuer gleich. Diese Finanzierungsmöglichkeit findet durchaus Fürsprecher mit der Überlegung, dass die Rundfunkgrundversorgung als öffentliche Aufgabe eben auch von der Gesamtbevölkerung nach steuerrechtlichen Prinzipien zu tragen sei.[3] Eine Steuer wäre jedoch bereits formell verfassungswidrig, weil es den Ländern an einer Gesetzgebungskompetenz fehlt.[4] Den Rundfunkanstalten fehlt, anders als etwa den Kirchen als öffentlich-rechtliche Körperschaft, die Kompetenz des Steuerertrages.[5] Zudem erscheint problematisch, dass die Rundfunkabgabe zweckgebunden ist und damit dem Wesen einer Steuer widersprechen würde.[6]
Scheidet eine steuerbasierte Finanzierung demnach aus, stehen dem Beitragsmodell weitere, nicht von der Hand zu weisende, kritische Argumente entgegen: Ausgangspunkt der Reformüberlegungen war zunächst, dass der technischen Entwicklung Rechnung getragen werden sollte. Auch neuartige Empfangsgeräte sollten von der Abgabenpflicht umfasst, die steigenden Vollzugs- und Erhebungsprobleme vermieden und so für mehr Gerechtigkeit unter den Abgabenschuldnern gesorgt werden. Problematisch erscheint nun allerdings, dass die Beitragspflicht von der Rundfunkteilnahme vollständig entkoppelt wurde.[7] Jeder, der mit einer Wohnung gemeldet ist, eine Betriebsstätte oder ein gewerblich genutztes Kfz unterhält, zahlt 17,98 Euro pro Monat. Ein reduzierter Betrag, wie für die frühere Nutzung etwa nur eines Radios, ist entfallen. Ein solch einheitlicher Beitrag dürfte indes als eine zulässige Typisierung bei massentypischen Vorgängen angesehen werden – fraglich ist aber, wo die Grenze des Zulässigen liegt.[8] Paul Kirchhof, der die Grundlage für dieses System mit seinem Gutachten legte, zieht bei dieser Typisierung folgenden Vergleich: „Belastet werden die Menschen, die eine Leistung üblicherweise nutzen. Das ist vergleichbar einer Kurtaxe, die jeder Urlauber zahlt, auch wenn er nie in den Kurpark geht, oder einem Anliegerbeitrag für neue Straßen, auch wenn der Anlieger kein Auto fährt“[9]. Dagegen kann eingewendet werden, dass die Begünstigung einer mediengestützten Informationskultur nicht den für eine Vorzugslast erforderlichen Vorteil begründe und dass es an einem individuell zurechenbaren Vorteil fehle.[10] Die Unwiderlegbarkeit der Vermutung, dass jeder Haushalt den Rundfunk nutzt, sprengt daher wohl die Grenze des Zulässigen.
Befürworter des Beitrags führen dagegen ins Feld, dass es statistisch bewiesen sei, dass nahezu 100% der Haushalte über irgendein Gerät verfügten, mit dem Rundfunkempfang möglich und daher eine Beitragspflicht geboten und billig sei. Bei einer solch hohen Ausstattungsquote sei es zulässig, die Abgabenpflicht nicht mehr an die Rundfunkempfangsgeräte selbst anzuknüpfen, sondern an solche Raumeinheiten, in denen die Geräte typischerweise stünden, eingebaut seien bzw. genutzt würden.[11] Die jeweils hinter den Raumeinheiten stehenden sozialen Gruppen seien durch diese Zuordnung hinreichend eingegrenzt und könnten daher auch nach § 2 III 1 RBStV i.V.m. § 44 AO gesamtschuldnerisch herangezogen werden. Die Rechtfertigung wird nach diesem Ansatz wohl auf das unvermeidbare Phänomen von solidarischen Finanzierungsmodellen gestützt.
Stichhaltiger dürfte jedoch die Position der Kritiker sein, die insbesondere auch auf einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 I GG abstellt. In Verbindung mit der Beitragspflicht betrieblich genutzter Kfz ist höchst fraglich, warum diese abgabenpflichtig sein sollen, privat genutzte dagegen nicht. Degenhart spricht von einer „signifikanten Ungleichbehandlung gegenüber dem privaten Bereich“[12]. Darüber hinaus ist in der Erfassung betrieblich genutzter Kfz faktisch die Wiedereinführung einer (systemwidrigen) gerätebezogenen Gebühr zu erblicken, mit der sich der Gesetzgeber vom Erfordernis des auf die Person konzentrierten Abgabenbestandes entfernt.[13]
Ein weiterer Streitpunkt ist schließlich die Aufkommensneutralität: Während die Rundfunkanstalten weitestgehend dementieren, dass sie mehr Geld in Zukunft zur Verfügung haben, weil ein etwaig erhöhtes Beitragsaufkommen auf folgende Zeiträume angerechnet würde, steht dem jedoch entgegen, dass durch insgesamt höhere Zahlungsverpflichtungen und dafür nun nicht mehr vorhandene Vollzugsdefizite die Mehreinnahmen so beträchtlich sein dürften, dass sie über das „Maß des Funktionsnotwendigen“[14] hinausgehen.
V. Ausblick
Davon ausgehend, dass selbst Kritiker wie Degenhart ein Beitragsmodell für grundsätzlich realisierbar halten[15] und dass von einer ebenso grundsätzlichen Verfassungskonformität einer beitragsartigen Finanzierung[16] ausgegangen werden kann, ist die konkrete Ausgestaltung des jetzigen Systems jedoch höchst zweifelhaft. Noch sind erste Entscheidungen offen, aber zweifelsfrei werden sich die Gerichte mit der Loslösung der Zahlungspflicht vom tatsächlichen Rundfunkempfang, den näheren Ausgestaltungen für die Betriebe und der Beitragspflicht für gewerblich genutzte Kfz- im Gegensatz zu privat genutzten – auseinander setzen müssen. Die Diskussion um den Rundfunkbeitrag ist daher wohl noch lange nicht abgeschlossen.
[16] Vgl. Hartstein/Ring/Kreile/Dörr/Stettner, Rundfunkstaatsvertrag Kommentar, Stand: 2005, § 13 RfStV, Rn. 7.