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Schlagwortarchiv für: Kündigungsschutzklage

Gastautor

BAG zur Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge

Arbeitsrecht, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Ansgar Kalle veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn, Lehrstuhl Prof. Dr. Stefan Greiner.
 
Die hier zu besprechende Entscheidung (BAG, Urt. v. 11.6.2020 – 2 AZR 374/19 = NJW 2020, 2824) betrifft das Kündigungsrecht, also einen der klausurrelevantesten Bereiche des Arbeitsrechts. Im Mittelpunkt des Falls steht die rechtliche Einordnung der Kündigung von GmbH-Geschäftsführern. Verträge mit GmbH-Geschäftsführern provozieren einige Abgrenzungsfragen zwischen dem allgemeinen Dienstrecht und dem Arbeitsrecht, die sich gut in eine Examensklausur integrieren lassen. Im Schwerpunkt erörtert das BAG, welche Kündigungsfrist bei GmbH-Geschäftsführern zur Anwendung kommt.
1. Sachverhalt (verkürzt und vereinfacht)
Die Klägerin wurde auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags als Geschäftsführerin der beklagten GmbH beschäftigt. Der Vertrag sah eine monatsweise auszuzahlende Jahresvergütung iHv. 100.000 € vor. Als die Alleineigentümerin der GmbH nach acht Jahren der Zusammenarbeit zunehmend aufgrund fachlicher Differenzen mit der Klägerin in Konflikt geriet, mahnte sie die Klägerin ab, entzog ihr die Alleinvertretungsbefugnis und bestellte einen zusätzlichen Geschäftsführer. Da dies die Differenzen nicht beilegte, ließ die Eigentümerin die Klägerin ordentlich kündigen und als Geschäftsführerin abberufen. Die Kündigung wurde der Klägerin am 28.2.2018 zugestellt und beendet das Arbeitsverhältnis „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, dem 31.5.2018.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Feststellung, dass der Anstellungsvertrag nicht durch die Kündigung beendet wurde. Sie hält die Kündigung wegen der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist für unwirksam. Zudem hätte man ihr nicht kündigen dürfen, weil sie nebenbei als ehrenamtliche Richterin arbeitete und daher besonderen Kündigungsschutz genoss. Ist die Kündigungsschutzklage begründet?
2. Entscheidung
Die Klage ist begründet, wenn der Anstellungsvertrag nicht durch die Kündigung beendet worden ist. An der Wirksamkeit der Kündigung kann aus drei Gründen gezweifelt werden: Dem besonderen Kündigungsschutz ehrenamtlicher Richter, dem allgemeinen Kündigungsschutz nach dem KSchG und der Kündigungsfrist.
a. Besonderer Kündigungsschutz
aa. § 45 Abs. 1a S. 3 DRiG
Die Kündigung könnte bereits deshalb unwirksam sein, weil die Klägerin als ehrenamtliche Richterin tätig war. Gemäß § 45 Abs. 1a S. 3 DRiG darf der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer nicht wegen der Aufnahme oder Ausübung der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter kündigen. Dieser Kündigungsschutz ist also nur dann einschlägig, wenn eine Kausalität zwischen Ehrenamt und Kündigung besteht. Eine solche konnte die Klägerin nicht darlegen. Daher ist die Kündigung nicht nach § 134 BGB iVm. § 45 Abs. 1a S. 3 DRiG unwirksam.
bb. Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf
Möglicherweise verstößt die Kündigung allerdings gegen Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf. Hiernach darf ehrenamtlichen Richtern nur gekündigt werden, „wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber oder Dienstherren zur fristlosen Kündigung berechtigen.“ Weitergehender als § 45 Abs. 1a S. 3 DRiG verzichtet diese Vorschrift also auf eine kausale Verknüpfung zwischen Ehrenamt und Kündigung.
(1) Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin
Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf adressiert ausdrücklich Arbeitgeber. Daher stellt sich die Frage, ob die Klägerin Arbeitnehmerin der Beklagten war. Arbeitnehmer ist gemäß § 611a Abs. 1 S. 1 BGB, wer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.
Die Gesellschafter können den Geschäftsführer durch Beschluss (§ 47 GmbHG) jederzeit zu einem bestimmten Verhalten anweisen, § 37 Abs. 1 GmbHG. Sie sind ihm gegenüber also weisungsbefugt. Hieraus kann jedoch nicht ohne Weiteres auf ein Weisungsrecht iSv. § 611a Abs. 1 S. 1 BGB geschlossen werden. Da der GmbH-Geschäftsführer ein Organ seiner Gesellschaft ist, ist zwischen der Organstellung und dem zugrundeliegenden Beschäftigungsverhältnis zu unterscheiden. Erstere betrifft die Befugnisse des Geschäftsführers als Organ der GmbH, letzteres die Beziehungen zum Geschäftsführer als Person. Nur wenn die Weisungsbefugnis gegenüber dem Geschäftsführer als Person besteht, also über eine gesellschaftsrechtliche Kompetenzabgrenzung hinausgeht, kann dieser als Arbeitnehmer angesehen werden.
§ 37 Abs. 1 GmbH trifft lediglich eine Aussage zur Organstellung des Geschäftsführers. Er regelt das Kompetenzverhältnis zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Geschäftsführer als Person enthält die Norm nicht. Daher lässt sich aus § 37 Abs. 1 GmbHG nicht auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses schließen.
Es bedarf deshalb anderer Anhaltspunkte für die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin. Solche sah das BAG nicht; es erblickte in der Klägerin eine typische GmbH-Geschäftsführerin. Der typische GmbH-Geschäftsführer arbeitet weitgehend eigenständig und eigenverantwortlich, vertritt die GmbH kraft Gesetzes im Rechtsverkehr (§ 35 Abs. 1 S. 1 GmbHG) und beteiligt sich an deren Willensbildung. Daher hat er weit mehr mit einem Dienstverpflichteten iSv. § 611 BGB gemeinsam als mit einem Arbeitnehmer iSv. § 611a BGB. Folglich hielt das BAG die Klägerin nicht für eine Arbeitnehmerin, sondern für eine Dienstverpflichtete.
(2) Anwendung des Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf auf Dienstverpflichtete
Fraglich ist, ob sich die Klägerin dennoch auf den Schutz des Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf berufen kann. Dies wäre der Fall, wenn die Norm neben abhängig Beschäftigten auch Dienstverpflichtete schützt.
Hiergegen spricht jedoch bereits, dass die Norm ausdrücklich Arbeitgeber und Dienstherren anspricht. Keine Erwähnung findet demgegenüber der Dienstberechtigte, wie der Gläubiger der Dienstleistung im Dienstvertragsrecht bezeichnet wird (§§ 615 S. 1, 617, 618, 619, 627, 629 BGB).
Auch bei teleologischer Betrachtung bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vorschrift auch auf freie Dienstverhältnisse Anwendung finden will. Das BAG geht davon aus, dass die Vorschrift den allgemeinen Kündigungsschutz verschärfen will, indem sie über § 1 KSchG hinausgehend einen wichtigen Grund fordert. Sie wolle verhindern, dass der allgemeine Kündigungsschutz durch vorgeschobene Kündigungsgründe umgangen wird. Beim Dienstverhältnis besteht eine solche Gefahr nicht, weil dieses ohne Grund beendet werden kann. Daher passt Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf auch seinem Zweck nach nicht auf allgemeine Dienstverhältnisse.
Deshalb findet Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf auf Dienstverhältnisse keine Anwendung.
(3) Anwendung des Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf auf arbeitnehmerähnliche Personen
Etwas anderes könnte sich allerdings aus der Figur der arbeitnehmerähnlichen Person ergeben. Arbeitnehmerähnlich ist gemäß § 12a Abs. 1 Nr. 1 TVG, wer sich trotz geringer persönlicher Abhängigkeit in einer ausgeprägten wirtschaftlichen Abhängigkeit zum Dienstverpflichteten befindet und sozial ähnlich schutzbedürftig wie ein Arbeitnehmer ist. Man könnte erwägen, Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf auf Arbeitnehmerähnliche anzuwenden.
Ob dies möglich ist, kann jedoch offenbleiben, wenn die Klägerin keine arbeitnehmerähnliche Person ist. Wie bereits beschrieben unterscheidet sich die Beschäftigung eines GmbH-Geschäftsführers deutlich von der eines herkömmlichen Arbeitnehmers. Daher befindet sich ein GmbH-Geschäftsführer regelmäßig nicht in einer ähnlichen sozialen Stellung wie ein Arbeitnehmer.
In Bezug auf den Sachverhalt ging das BAG davon aus, dass die Klägerin ungeachtet der Beschränkung ihrer Vertretungsmacht im Innenverhältnis bis zu ihrer Abberufung die GmbH nach außen hin vertrat. Die nach außen hin nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse des GmbH-Geschäftsführers stellten aus Sicht des BAG den entscheidenden Unterschied zwischen der Klägerin und anderen leitenden Angestellten dar. Folglich hielt das Gericht die Klägerin nicht für eine arbeitnehmerähnliche Person.
(4) Zwischenergebnis
Art. 110 Abs. 1 S. 2 BbgVerf steht der Kündigung der Klägerin nicht entgegen.
b. Allgemeiner Kündigungsschutz
Mit der Feststellung, dass die Klägerin keine Arbeitnehmerin war (s.o.), ist zugleich geklärt, dass § 1 KSchG keine Anwendung findet. Überdies hätte die Vorschrift selbst dann, wenn die Klägerin Arbeitnehmerin gewesen wäre, gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG keine Anwendung gefunden. Schließlich war die Klägerin bei Zugang der Kündigung als Geschäftsführerin das gesetzliche Vertretungsorgan der GmbH. Dass ihre Vertretungsbefugnisse bereits zuvor begrenzt worden waren, änderte hieran nichts. Daher steht auch § 1 KSchG ihrer Kündigung nicht entgegen.
c. Kündigungsfrist
Fraglich ist schließlich, ob die Kündigung fristgerecht erklärt wurde.
aa. Prüfungsmaßstab
Das BGB enthält mit §§ 621, 622 BGB zwei unterschiedliche Fristenkataloge: § 621 BGB findet Anwendung auf allgemeine Dienstverträge, § 622 BGB hingegen auf Arbeitsverhältnisse. Während § 621 BGB die Frist anhand der zeitlichen Bemessung der Vergütung bestimmt, stellt § 622 BGB auf die Dauer des Vertragsverhältnisses ab. Da bereits ermittelt wurde, dass die Klägerin keine Arbeitnehmerin war, liegt es nah, § 621 BGB anzuwenden. Dies ist jedoch umstritten.
Der BGH hatte vor einiger Zeit in mehreren Entscheidungen festgestellt, dass § 622 BGB jedenfalls auf die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers analog anzuwenden ist, der kein Mehrheitsgesellschafter ist. Zwar sei ein solcher Geschäftsführer kein Arbeitnehmer, er sei jedoch mit einem Arbeitnehmer vergleichbar, weil er seine Arbeitskraft der GmbH hauptberuflich zur Verfügung stellt. Durch die Ausrichtung seiner Tätigkeit auf lediglich einen Vertragspartner, die GmbH, benötige er einen hinreichenden Zeitraum, um eine neue hauptberufliche Tätigkeit zu finden. Diesen verschaffen ihm die Fristen des § 622 BGB. Längere Kündigungsfristen seien aber auch aus Sicht der Gesellschaft interessengerecht, die einen größeres Zeitfenster erhält, um nach Nachfolgern für den Gekündigten zu suchen (BGHZ 79, 291; BGHZ 91, 217; BGH NJW 1987, 2073).
Anders entschied nun das BAG. Es liege bereits keine planwidrige Regelungslücke vor, da das Gesetz bezüglich der Kündigungsfristen ausdrücklich zwischen Arbeits- und Dienstverhältnissen unterscheidet. Überdies wurde § 622 BGB seit den Entscheidungen des BGH mehrfach geändert. Hätte der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BGH anerkennen wollen, hätte er dies im Gesetz klargestellt. Dies ist indessen nicht geschehen. Schließlich gelte § 622 BGB nicht einmal für arbeitnehmerähnliche Personen (BAG, Urt. v. 8.5.2007 – 9 AZR 777/06 = AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 15 Rn. 19-24). Seine Anwendung auf einen weniger schutzbedürftigen GmbH-Geschäftsführer wäre daher ein Wertungswiderspruch.
Deshalb ging das BAG davon aus, dass sich die Frist zur Kündigung der Klägerin nicht nach § 622 BGB bestimmte, sondern nach § 621 BGB. Es kam also nicht auf die Dauer des Vertragsverhältnisses an, sondern auf die Art und Weise der Vergütungszahlung. Da diese jahresweise bemessen wurde, war § 621 Nr. 4 BGB einschlägig.
bb. Einhaltung der Frist
Die Kündigung ist dem Kläger am 28.2.2018 zugegangen und sprach die Kündigung zum 31.5.2018 aus. Nach § 621 Nr. 4 BGB beträgt die Kündigungsfrist sechs Wochen zum Ende eines Quartals. Daher war die Kündigung frühestens zum 30.6.2018 möglich. Die Kündigung kann daher nur dann als fristgerecht angesehen werden, wenn sie sich als Kündigung zum 30.6.2018 auslegen lässt. Hiervon ging das BAG aus: Die Kündigung sollte ihrem Wortlaut nach „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ erfolgen. Diese Formulierung sei dahingehend auszulegen, dass das Vertragsverhältnis zum frühesten rechtlich zulässigen Zeitpunkt erfolgen sollte (krit. zu dieser Auslegungspraxis des zweiten Senats BAG, Urt. v. 1.9.2010 – 5 AZR 700/09 BAGE 135, 255 Rn. 23 ff). Dies war der 30.6.2018. Die Angabe des falschen Datums im Kündigungsschreiben hielt das BAG also für unerheblich.
4. Zusammenfassung
GmbH-Geschäftsführer sind in aller Regel keine Arbeitnehmer (eingehend hierzu Boemke RdA 2018, 1 ff.). Daher richtet sich die Frist zur Kündigung ihrer Anstellungsverträge nach § 621 BGB. Eine Analogie zu § 622 lässt sich aus schlüssig begründeter Sicht des BAG methodisch nicht begründen, weil es an der planwidrigen Lücke fehlt und sogar bei den sozial schutzbedürftigeren arbeitnehmerähnlichen Personen die Fristen des § 621 BGB Anwendung finden.

04.05.2021/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2021-05-04 09:00:102021-05-04 09:00:10BAG zur Kündigungsfrist für Geschäftsführerdienstverträge
Redaktion

Zivilrecht III – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen

Arbeitsrecht, Examensreport, Examensvorbereitung, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Zivilrecht

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur Zivilrecht III, 1. Staatsexamen, NRW, April 2019. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
 
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
 
Fall:
Der A ist seit 2012 als Erzieherbei der KiTa GmbH beschäftigt. Die Geschäftsführerin der GmbH ist die G. Neben dem A arbeiten noch vier Erzieherinnen und ein weiterer Erzieher bei der KiTa GmbH. Im November 2018 tauchen auf der Plattform „Instaphoto“ Bilder von einem nackten Mann in den Räumlichkeiten der KiTa auf. Um welche Person es sich handelt, kann auf den ersten Blick nicht eindeutig festgestellt werden. Der Statur nach kann es sich um den A handeln, nicht jedoch um den anderen männlichen Erzieher. In dem Zeitraum, in dem das Foto entstanden sein muss, fanden ebenfalls Bauarbeiten in der KiTa statt. Bauarbeiter hätten entsprechend auch zu jeder Tages- und Nachtzeit Zutritt zu den Räumen gehabt. Allein der A steht jedoch unter Verdacht. Die G leitet sofort Ermittlungen ein und stellt den A zunächst zum 15.11.2018 von der Arbeit frei. Er soll so lange zuhause bleiben, bis sich der Verdacht aufgelöst hat. Die Eltern der Kinder sind jedoch mit diesem Vorgehen nicht einverstanden. Die Hälfte der Eltern kündigen an, ihre Kinder von der KiTa abzumelden, sollte der A nicht unverzüglich gekündigt werden. Auch die übrigen ErzieherInnen kündigen an, dass ihnen der Stress bzgl. des Fotos so sehr zu Gemüte schlage, dass die G mit einer Erkrankung ihrerseits zu rechnen habe. Ohne dem A eine Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben zu haben, bringt die G am 30.11.2019 ein Kündigungsschreiben in das Büro der Ehefrau des A. Die Ehefrau übergibt dem A das Schreiben noch am Abend desselben Tages. In dem Schreiben kündigt die G den A fristlos zum 1.12.2019. Hiergegen möchte der A vorgehen. Er erhebt form- und fristgemäß eine Kündigungsschutzklage.
 
Frage 1: Wie wird das zuständige Arbeitsgericht entscheiden (Die Zulässigkeit ist nicht zu prüfen)?
 
Frage 2: Es sei anzunehmen, dass die Kündigung unwirksam war. Dies entscheidet das Gericht am 28.2.2019. Hat der A Anspruch auf Lohn vom 1.12.2018 bis zum 28.2.2019, wenn anzunehmen ist, dass der A der KiTa während der ganzen Zeit ferngeblieben ist?
 
Fallfortsetzung:
Dem A wird nicht gekündigt. Er wird jedoch ebenfalls am 15.11.2018 freigestellt. Die G fordert den A auf, den Schlüssel für die KiTa-Räumlichkeiten unverzüglich in der KiTa abzugeben. Hiermit ist der A jedoch nicht einverstanden. Zwar geht er davon aus, dass er zur Herausgabe des Schlüssels verpflichtet ist, er sieht es jedoch nicht ein, hierfür zur KiTa zu fahren. Vielmehr ist er der Meinung, dass die G den Schlüssel bei ihm abholen müsse. Die G fordert den A am 20.11.2018 erneut auf, ihr den Schlüssel in die KiTa zu bringen. Der A weigert sich erneut. Die G spielt mit dem Gedanken die Schließanlage der KiTa auszutauschen. Hierbei hätte sie Kosten i.H.v. 2000 EUR. Schlussendlich entscheidet sie sich jedoch gegen den Austausch. Die 2000 EUR soll der A jedoch trotzdem zahlen.
 
Frage 3: Hat die KiTa GmbH, vertreten durch die G, einen Anspruch i.H.v. 2000 EUR?
 
Fallfortsetzung:
Im Streit um die Kündigung vor dem zuständigen Arbeitsgericht, wird am 28.2.2019 ein Vergleich geschlossen. In dem wird festgehalten, dass der A bis zum 15.4.2019 nicht zur Arbeit erscheinen solle, weiterhin jedoch für diesen Zeitraum den Lohn erhalte. Er dürfe in der Zwischenzeit keine andere Tätigkeit wahrnehmen, solle jedoch gerade die Zeit nutzen, um eine neue Stelle zu finden. Sollte er eine Stelle vor dem 15.4.2019 gefunden haben, sei dies der KiTa GmbH fünf Tage vor dem neuen Arbeitsbeginn mitzuteilen. Die Lohnzahlung werde dann entsprechend eingestellt. Am 7.3.2019 findet der A tatsächlich eine geeignete Stelle, bewirbt sich und erklärt der G, er werde zum 15.3.2019 einer neuen Tätigkeit nachgehen. Am 10.3.2019 erhält der A jedoch für ihn sehr unerwartet eine Absage. Daraufhin möchte er von der KiTa GmbH auch weiterhin seinen Lohn erhalten. Dieser könne durch seine Ankündigung einen neuen Arbeitgeber gefunden zu haben, nicht erloschen sein. Sein Anspruch bestehe weiterhin, da der geschlossene Vergleich ohnehin unwirksam sei. Die angeführte „Ankündigungsfrist“ stehe im Widerspruch mit den gesetzlichen Kündigungsfristen. Er wendet sich an die Rechtsanwälten R mit der Bitte um Rat, da er davon ausgeht einen Anspruch auf Zahlung seines Lohns vom 15.3.2019 bis zum 15.4.2019 zu haben.
 
Frage 4: Was wird die R ihm mitteilen?
 
 

17.05.2019/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-05-17 09:30:102019-05-17 09:30:10Zivilrecht III – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen
Redaktion

Kündigungsschutzklage und Arbeitnehmerbegriff

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Startseite, Verschiedenes


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Kündigungsschutzklage und Arbeitnehmerbegriff im gutachterlichen Fallaufbau – ein unlösbares Problem?” von Prof. Dr. Stefan Greiner

befasst sich mit der examenstypischen arbeitsgerichtlichen Klageart. Die Kündigungsschutzklage ist in beiden Examina von großer Bedeutung. Ihre Grundzüge und die Standardprobleme sollten deshalb unbedingt bekannt sein. Der vorliegende Beitrag behandelt in komprimierter Form den Arbeitnehmerbegriff und seine Bedeutung für die Rechtswegeröffnung. In diesem Zusammenhang sind die Kategorien sic-non, et-et und aut-aut von besonderer Bedeutung.
Den Beitrag findet Ihr hier.
 

27.03.2015/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2015-03-27 09:00:032015-03-27 09:00:03Kündigungsschutzklage und Arbeitnehmerbegriff
Nicolas Hohn-Hein

ArbG Krefeld: Silvesterknaller im Dixi-Klo ist Kündigungsgrund

Arbeitsrecht, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Im Nachklang zum Jahreswechsel wollen wir noch kurz auf eine kuriose Entscheidung des Arbeitsgerichts Krefeld (Urteil v. 30.11.2012 – Az. 2 Ca 2010/12) hinweisen. Darin ging es darum, ob ein Kündigungsgrund gegeben ist, wenn ein Arbeitnehmer einen Kollegen, der gerade eine Baustellen-Toilette („Dixi-Klo“) benutzt, mit einem Silvesterknaller traktiert.
Für den Sachverhalt sei auf die offizielle Pressemitteilung verwiesen. Darin hieß es:

Der 41 Jahre alte Kläger war bereits seit 1997 bei der Beklagten als Gerüstbauer und Vorabeiter beschäftigt. Am 07.08.2012 brachte er auf einer Baustelle einen Feuerwerkskörper („Böller“) in einem Dixi-Klo zur Explosion, während sich dort sein Arbeitskollege aufhielt. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob er den Böller von oben in die Toilettenkabine geworfen hat, wie es ihm die Beklagte vorwirft, oder ob er den Böller an der Tür des Klos angebracht hat, von wo er sich – von dem Kläger ungeplant – gelöst hat und dann in die Kabine hineingerutscht und dort zur Explosion gekommen ist, wie es der Kläger darstellt. Der in der Toilette befindliche Kollege des Klägers zog sich aufgrund der Explosion Verbrennungen am Oberschenkel, im Genitalbereich und an der Leiste zu und war in der Folge drei Wochen arbeitsunfähig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers wegen dieses Vorfalls mit Schreiben vom 10.08.2012 fristlos.

Der Schädiger richtete sich im Wege der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung mit der Begründung, dass der Umgangston auf dem Bau immer schon „ruppiger“ gewesen sei und „Scherze unter Kollegen“ zum Alltag gehörten. Solche Scherze – auch mit Feuerwerkskörpern – hätten schon des Öfteren als „Stimmungsaufheller“ gedient.
Dies sah das Arbeitsgericht anders. Ob der Böller von oben in die Toilettenkabine hineingeworfen oder aber an der Tür befestigt worden war, von wo er sich aus Versehen löste und dann in der Kabine explodierte, war für die Entscheidung unerheblich, denn nach Ansicht des Gerichts

[liegt] [i]n beiden Fällen […] ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen vor, bei dem mit erheblichen Verletzungen des Kollegen zu rechnen war. Bereits darin liegt ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Dass der nicht sachgerechte Umgang mit Feuerwerkskörpern zu schweren Verletzungen führen kann, ist allgemein bekannt. Das gilt erst recht, wenn wie hier in einer Weise damit hantiert wird, dass dem Betroffenen keinerlei Reaktions- und Fluchtmöglichkeit eröffnet ist. Einer vorhergehenden Abmahnung bedurfte es angesichts der Umstände des Falles nicht.

Obwohl rechtlich nicht anspruchsvoll, könnte der Fall im Prüfungsgespräch des ersten oder zweiten Staatsexamens als „humorvoller“ Einstieg in weiterführende arbeitsrechtliche Fragestellungen dienen. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Kündigungsschutzklage (mehr) und das Prüfungsschema zur verhaltensbedingten Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG (mehr) sollten bekannt sein.

03.01.2013/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-01-03 12:16:052013-01-03 12:16:05ArbG Krefeld: Silvesterknaller im Dixi-Klo ist Kündigungsgrund
Dr. Christoph Werkmeister

BAG: Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung

Arbeitsrecht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Zivilrecht

Das BAG hatte kürzlich darüber zu entscheiden, inwiefern sexuelle Belästigung einen außerordentlichen Kündigungsgrund i.S.d. § 626 BGB darstellen kann (Urt. v. 9. 6. 2011, Az. 2 AZR 323/10).
Für eine solche Konstellation muss der Examenskandidat wissen, dass der Begriff der sexuellen Belästigung in § 3 Abs. 4 AGG legaldefiniert ist. Das BAG hatte ausgehend von dieser Definition eine weitere Vielzahl an Fragestellungen zur Definition der sexuellen Belästigung als Kündigungsgrund zu beantworten.
Die Kernvorgaben zu diesem Thema wurden vom BAG als Orientierungssätze prägnant zusammengefasst (vgl. NJW 2012, 407). Wer sich diese Vorgaben vor Augen führt, sollte mit sexueller Belästigung (zumindest in Klausursachverhalten) keine Probleme mehr haben:

 1. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG stellt nach § 7 Abs. 3 AGG eine Verletzung vertraglicher Pflichten dar. Sie ist „an sich“ als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB geeignet. Ob die sexuelle Belästigung im Einzelfall zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, ist abhängig von den Umständen des Einzelfalls, unter anderem von ihrem Umfang und ihrer Intensität.
2. Eine sexuelle Belästigung i.S.v. § 3 Abs. 4 AGG liegt vor, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Vorsätzliches Verhalten der für dieses Ergebnis objektiv verantwortlichen Person ist nicht erforderlich.
3. Das Tatbestandsmerkmal der Unerwünschtheit in § 3 Abs. 4 AGG erfordert […] nicht, dass die betroffene Person ihre ablehnende Einstellung zu den fraglichen Verhaltensweisen aktiv verdeutlicht hat. Maßgeblich ist allein, ob die Unerwünschtheit der Verhaltensweise objektiv erkennbar war.
4. Die nach § 626 Abs. 1 BGB erforderliche Interessenabwägung hat unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen. Dabei ist nicht erforderlich, dass es sich um identische Pflichtverletzungen handelt. Es reicht aus, dass die jeweiligen Pflichtwidrigkeiten aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen. Ein solcher innerer Zusammenhang besteht zwischen sexuellen Belästigungen durch körperliche Berührung und solchen verbaler Art.
5. Den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisiert auch § 12 Abs. 3 AGG. Danach hat der Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, zu denen sexuelle Belästigungen […] gehören, im Einzelfall die geeigneten, erforderlichen und angemessenen arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Geeignet in diesem Sinne sind nur Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber annehmen darf, dass sie die Benachteiligung für die Zukunft abstellen, d. h. eine Wiederholungsgefahr ausschließen.

 
 

06.02.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-02-06 19:25:402012-02-06 19:25:40BAG: Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung
Nicolas Hohn-Hein

Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Herford (Az. 2 Ca 1394/10 – Urteil vom 18.02.2011) beschäftigt sich mit der Frage, ob einem Arbeitnehmer gekündigt werden kann, wenn dieser einen Roman veröffentlicht, der starke Bezüge zum Büro-Alltag des Autors aufweist. Der Fall wird im Folgenden anhand des typischen Aufbaus einer Kündigungsschutzklage dargestellt entsprechend einer möglichen Fallstellung in einer Examensklausur.
Sachverhalt
K ist Angestellter der Küchenmöbel-Firma B. Ende Oktober 2010 hatte K ein Buch mit dem Titel „Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“ veröffentlicht. Darin beschreibt der fiktive Ich-Erzähler „Jockel Beck“ seine Erfahrungen als Angestellter in einem ebenfalls fiktiven Unternehmen, das zumindest ähnliche Unternehmensstrukturen wie die der B aufweist. Die Erlebnisse und Gespräche des Erzählers mit den Angehörigen des Unternehmens, sowie deren besonderen Eigenheiten sind Gegenstand zahlreicher satirisch überspitzter Darstellungen und sollen den Leser unterhalten. Die Geschäftsleitung der B erfährt am 29.10.2010 von dem Roman und dessen Inhalt.
Der Vorgesetzte (V) ist erbost und kündigt dem K – nach erfolgter Anhörung und mit Zustimmung des Betriebsrats am 08.11.2010 – fristlos mit Schreiben vom 10.11.2010, welches ihm noch am selben Tag zugeht. Als Begründung heißt es später, das Buch sei unmittelbar eine reale Beschreibung seines Büroalltags. Zahlreiche Angestellte würden eindeutig lächerlich gemacht und diskriminiert. Bezüglich einer bestimmten Mitarbeiterin – im Betrieb von Kollegen und im Buch als „Fatma“ bezeichnet – ließe sich eine der Romanfiguren eins zu eins übertragen. Im Übrigen habe K durch sein Werk für erhebliche Unruhe und Aufregung in der Belegschaft gesorgt. Man befürchte einen regelrechten „Aufstand“ unter einigen Mitarbeitern im betrieblichen Umfeld des K, wenn dieser auch weiterhin weiterbeschäftigt werden würde. Konkrete Anhaltspunkt habe man hierfür nicht, jedoch spreche die „allgemeine Stimmunglage“ stark dafür. Viele Angestellte fühlten sich in ihren Gefühlen verletzt. Im Ergebnis seien die Darstellungen des Klägers in dem Buch als ausländerfeindlich, ehrverletzend, beleidigend und sexistisch einzustufen. Nicht nur der Wiederherstellung des Betriebsklimas, sondern auch der Abwendung einer Rufschädigung des Unternehmens sei es geschuldet, dem K eine Weiterbeschäftigung zu versagen.
K kann die ganze Aufregung nicht verstehen. In dem Buch werde explizit im Vorwort darauf hingewiesen, dass sämtliche beschriebene Personen, deren Namen und die jeweiligen Situationen frei erfunden und damit nicht identifizierbar seien. Es handele sich gerade nicht um ein Sachbuch mit einem realen Hintergrund. Überdies habe K das Buch in seiner Freizeit verfasst, sodass schon kein ausreichender Bezug zu seiner Stellung als Arbeitnehmer bestehe. Außerdem stimme die Beschreibung der besagten Angestellten mit der realen Person nicht überein. Es gebe zwar in der Tat eine Angestellte, die in seinem Büroalltag despektierlich „Fatma“ genannt werde, für diese Äußerungen sei K jedoch nicht verantwortlich. Was den Betriebsfrieden angehe, so habe V gezielt „Stimmung“ gegen K gemacht, indem dieser – was zutrifft – mit Auszügen aus dem Buch durch den Betrieb gelaufen sei und die Angestellten dazu befragt hat, ob sie sich in dem Roman wiederfinden und ggf. beleidigt fühlten. Insgesamt beruft sich K auf sein Grundrecht aus Art.5 Abs.3 GG.
K legt fristgemäß Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht ein. Von der Zulässigkeit der Klage ist auszugehen. Hat die Klage des K Erfolg?
Der folgende Lösungsvorschlag erhebt keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit.
Lösungvorschlag
Die Kündigungsschutzklage des K müsste begründet sein.
I. Zugang einer schriftlichen Kündigung, § 623 BGB.
Dem K ist am 10.11.2011 ein Schreiben der B zugegangen (§ 130 Abs.1 BGB), in dem zum Ausdruck kommt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen K und B enden soll. Damit ist eine schriftliche Kündigung gegeben. (Der Arbeitnehmerstatus des Betroffenen nach § 5 ArbGG ist in der Regel unproblematisch)
II. Keine Präklusion, §§ 4, 7 KSchG
Da K noch am Folgetag nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Gericht erhoben hat, ist die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4, 7 KSchG nicht eingetreten.
III. Wirksamkeit der Kündigung nach den allgemeinen Regeln des BGB
Ferner müssten die allgemeinen Regeln des BGB über die Wirksamkeit von Willenserklärungen eingehalten worden sein. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist hiervon vorliegend auszugehen. (Andere Unwirksamkeitsgründe: Stellvertretung, Bedingungsfeindlichkeit, Geschäftsfähigkeit etc.)
IV. Sonderkündigungsschutz
Der Betrieb der B verfügt über einen Betriebsrat. Nach §§ 102, 103 Abs.1 BetrVG ist der Betriebsrat vor Aussprache einer außerordentlichen Kündigung anzuhören und seine Zustimmung einzuholen. Ansonsten wäre die Kündigung unwirksam und B müsste einen entsprechenden Antrag nach § 103 Abs.2 BetrVG beim Arbeitsgericht stellen. Hier wurde der Betriebsrat rechtzeitig am 08.11.2010 angehört und dessen Zustimmung abgewartet. Die Voraussetzungen für die Beteiligung des Betriebsrats sind damit erfüllt. (Andere Schutzmöglichkeiten: MuSchG, AGG, BEEG, § 613a IV 1 BGB, §§ 85, 91 SGB IX)
V. Materielle Voraussetzungen der Kündigung
(Die weitere Prüfung richtet sich danach, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche, fristlose Kündigung handelt. Hier: Außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 BGB)
1. Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs.2 BGB
Die zweiwöchige Kündigungsfrist müsste eingehalten worden sein. Die Geschäftsleitung hat am 29.10.2010 von dem Buch und dessen Inhalt Kenntnis erlangt. Gemäß § 187 Abs.1 BGB beginnt die Frist am darauf folgenden Tag, dem 30.10.2010. Fristende ist damit der Ablauf des 12.11.2010 um 23:59, § 188 Abs.2 BGB (siehe auch unten in den Kommentaren). Vorliegend ist dem K das Schreiben am 10.11.2010 und damit noch innerhalb der Frist zugegangen.
2. „Wichtiger Grundes“ nach § 626 Abs.1 BGB
Damit die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ist, ist ein „wichtiger Grund“ gemäß § 626 Abs.1 BGB erforderlich. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein bestimmter Sachverhalt muss zunächst objektiv geeignet sein, die Beendigung des Dienstverhältnisses zu begründen. Sodann ist zu klären, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (Zwei-Schritt-Prüfung).
a) Grund: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Angestellten
Ein Kündigungsgrund könnte darin liegen, dass K das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG verletzt haben könnte. Das wäre der Fall, wenn der Betroffene erkennbar Gegenstand einer medialen Darstellung gemacht wird.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Esra-Fall (ein autobiographischer Liebesroman von Maxim Biller) ist bei der Abwägung mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG auf die mögliche Erkennbarkeit der realen Person in der Gestalt des im Roman fiktionalen Protagonisten abzustellen. Erst wenn bei solchen Biographien ohne wesentliche Abweichung von der Wirklichkeit eine Darstellung einer real existierenden Person erzielt wird, liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Dabei ist zu beachten, dass die Kunstfreiheit das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit positiv mit einschließt – so ausdrücklich das BVerfG).
Für den Fall, dass Persönlichkeitsrechte betroffen sind, ist zu fragen, ob der hohe Stellenwert der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten im Wege der Wechselwirkung möglicherweise rechtfertigt. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht eine kunstspezifische Betrachtungsweise angelegt, um einen etwaigen Wirklichkeitsbezug des Romans zu ermitteln. Das Bundesverfassungsgericht vermutet dabei zugunsten des Autors eine Fiktionalität des Werkes. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Romanautor einen Faktizitätsanspruch selbst erhebt; […]
Kann dabei ein objektiv besonnener und verständiger Leser erkennen, dass sich der Romantext nicht in einer reportagenhaften Schilderung einer realexistierenden Person und von realen Ereignissen erschöpft, sondern vielmehr auf einer dahinterliegenden Ebene spielt, so können Persönlichkeitsrechte nach der oben benannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht betroffen sein.

Gerade einem Satire-Roman ist es zu eigen, dass er Sachverhalte überspitzt und bewusst übertrieben darstellt und den Leser auf bestimmte Themen hinweist, indem er ihn zum Lachen bringt. Ob sie dem guten Geschmack entspricht, ist aufgrund von Art. 5 Abs.3 GG nicht Gegenstand der Beurteilung.
Im vorliegenden Fall hat K im Vorwort des Buches ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Roman um eine reine Fiktion handelt.

Es fehlt eine substantielle Darlegung, dass die der Romanfigur (als Ich-Erzähler) zuzuschreibenden Verhaltensauffälligkeiten (incl. der vermeintlichen Erfüllung von Straftatbeständen) irgendeinen tatsächlichen Bezug und Wahrheitsgehalt zu real existierenden Personen im Betrieb der Beklagten hat. Nach der Logik der Beklagten hätten dann noch zahlreiche weitere Kündigung angedacht werden müssen. Aber die Beklagte erkennt dieses Dilemma im Kernpunkt selbst, als sie in ihrer Begründung der Kündigung die Vermischung von Realität und Fantasie immer wieder selbst feststellt.Weiterhin lassen reicht eine allgemeine Ähnlichkeit mit dem Unternehmen der B nicht aus, um einen entsprechenden direkten Bezug herzustellen.Die Beklagte übersieht, dass sich die im Buch aufgegriffenen Betriebsstrukturen auch in anderen Betrieben wieder finden lassen: Geschäftsführer, Betriebsrat, Buchhaltungsabteilung, Verkaufsabteilung, Einkaufsabteillung usw. sind den meisten Firmenstrukturen immanent. In vielen Firmen werden sich auch Mitarbeiter anderer Nationalitäten als der Deutschen finden lassen; es wird auch des Öfteren Mitarbeiter mit Haarzöpfen geben.

Auch reichen nur teilweise Übereinstimmungen zu realen Personen nicht aus. Vielmehr muss die Romanfigur im Ganzen der realen Person entsprechen. Sowohl innere, als auch äußere Merkmale müssen sich dabei im Roman niedergeschlagen haben. Dies ist bei der als „Fatma“ betitlten Mitarbeiterin aber nicht erkennbar geworden.

Wie bereits oben darauf hingewiesen ist der Umstand, dass Teile der Arbeitnehmerschaft der Beklagten Romanfiguren auf das äußere Erscheinungsbild und in einem Fall zusätzlich auf die Nationalität reduzieren, ohne die Gesamtperson und Handlungen aus der Realität dabei im Auge zu behalten, ist ein Defizit im Ausgangspunkt zur Aussprache und Vorbereitung der außerordentlichen Kündigung vom 10.11.2010. Nach Art der „Rosinen-Theorie“ werden nur solche vermeintliche Übereinstimmungen aus dem Buch mit der Lebenswirklichkeit herausgepickt, die für sich einen ersten Rückschluss auf eine mögliche Person im Betrieb zulassen. Dabei wird beklagtenseitig das äußere Erscheinungsbild der Person von dem inneren Erscheinungsbild (Charakter, Psyche, usw.) völlig losgelöst beurteilt. Statt ein Gesamtbild der im Roman dargestellten Persönlichkeiten wahrzunehmen, wird auf ein paar krass ins Auge springender Einzelheiten reduziert. Erst diese Reduzierung und die anschließende, darauf basierende Gleichschaltung von Romanfigur zu möglicherweise real existierenden Personen kann das Vorgehen der Kollegen und der Beklagten erklären, rechtfertig aber keine außerordentliche Kündigung.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angestellten wurde folglich nicht verletzt. Ein entsprechender Kündigungsgrund ist nicht gegeben.
b) Grund: Nebenpflichtverletzung des K
K könnte eine Nebenpflicht nach § 241 Abs.2 BGB verletzt haben, indem nach der Romanveröffentlichung zu „Unruhen“ unter der Belegschaft gekommen ist.

Üblicher Weise werden unter dem Begriff Betriebsfrieden Störungen eines Arbeitnehmers gezählt, der Arbeitskollegen zu oppositionellen Verhalten gegen den Arbeitgeber, zum Vertragsbruch etc. aufwiegelt und versucht, bewusst den Betriebsfrieden zu stören. In einer solchen Situation wäre die Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitskollegen verpflichtet. Er hat die Privatsphäre von Arbeitgeber und Arbeitskollegen zu beachten. Private Konflikte dürfen nicht in den Betrieb übertragen werden. Wird der Betriebsfrieden durch aktive Handlungen gestört, die das friedliche Zusammenarbeiten der Arbeitnehmerschaft untereinander und mit dem Arbeitgeber erschüttern oder nachhaltig beeinträchtigen und nachteilige betriebliche Auswirkungen etwa durch eine Störung des Betriebsablaufs haben, kann eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.
Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass das Verhalten dem Arbeitnehmer als Vertragspflichtverletzung vorwerfbar ist. Auch dürfen die Grundrechte des Arbeitnehmers insbesondere seine Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Eine außerordentliche Kündigung kommt wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erst bei schwerwiegenden Störungen des Betriebsfriedens oder des Arbeitsablaufs in Betracht. Im Übrigen trifft den Arbeitgeber bei Streitigkeiten unter Arbeitnehmern, die einen geordneten Betriebsablauf gefährden können, eine besondere Vermittlungspflicht.

Folglich fehlt es auch in dieser Hinsicht an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs.1 BGB.
c) Grund: sog. Druck-Kündigung
Es könnte ein Fall der Druck-Kündigung vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber gezwungen sieht, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, da ansonsten mit erheblichen Konsequenzen seitens der Belegschaft, des Betriebsrats oder Kunden des Arbeitgebers (Kündigung, Verweigerung der Zusammenarbeit, Abbruch der Geschäftsbeziehungen) zu rechnen wäre. Hierbei wird zwischen der unechten Druck-Kündigung und der (echten) Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen unterschieden. Während bei der ersten Variante das Entlassungsbegehren objektiv aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen nach § 1 Abs.2 S.1 KSchG gerechtfertigt ist, basiert die betriebsbedingte Druck-Kündigung auf außer- oder innerbetrieblichen Umständen.
Eine unechte Druckkündigung kommt hier nicht in Betracht, da im Verhalten oder in der Person des K keine Pflichtverletzungen zu erkennen sind (s.o.). K kann sich dahingehend auf sein Recht aus Art. 5 Abs.3 GG berufen.
Es könnte sich jedoch um eine betriebsbedingte Druck-Kündigung handeln.

Die Fälle einer betriebsbedingten Druck-Kündigung sind dagegen selten und werden teilweise sogar ganz abgelehnt. […] Letzteres vor allem vor dem Hintergrund, dass das Recht nicht dem Unrecht weichen muss. Die Frage die sich bei betriebsbedingten Druck-Kündigungen auftut ist, ob bei rechtswidrigen Drohungen es dem Arbeitgeber zumutbar sein kann, den Eintritt erheblicher Schäden zu riskieren, wenn ein milderes Mittel als die Kündigung fehlt.[…] Weitere Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druck-Kündigung ist, dass der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt und alle zumutbaren Mittel einsetzt, um die Belegschaft und die Person, von denen der Druck ausgeht, von ihrer Drohung abzubringen. Konkrete Darlegungen hierzu lassen die Betriebsratsanhörung und der Prozessvortrag vermissen.
Sollten hinter dem (Druck-)Kündigungsbegehren gar diskriminierende Motive des Arbeitnehmers stehen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die ihm gem. § 12 AGG gegenüber Arbeitnehmern und nach § 19 AGG gegenüber Geschäftspartnern zustehenden Abwehrmöglichkeiten auszuschöpfen. Nur wenn trotz allem ein bestimmtes angedrohtes Verhalten nicht zu verhindern ist und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Beeinträchtigungen drohen würden, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei muss die Kündigung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit das Einzige in Betracht kommende Mittel sein, um etwaige Schäden abzuwenden.
[…]Die Berufung des Beklagten darauf, dass nach Aussage aller Abteilungsleiter es im Fall einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zu einem „Aufstand“ kommen würde, ist kein ausreichender Sachvortrag für die Annahme, dass eine außerordentliche Druck-Kündigung unumgänglich gewesen ist am 10.11.2010.

Ergebnis: Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs.1 BGB ist nicht gegeben. Die außerordentliche fristlose Kündigung der B ist damit unwirksam. Die Klage des K ist begründet. (Zur Möglichkeit einer Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung, siehe unten)
Fazit
Die Kündigungsschutzklage sollte man kennen. Sobald der gängige Aufbau einmal verinnerlicht wurde, wird der Schwerpunkt der Prüfung regelmäßig in der Behandlung der möglichen Kündigungsgründe liegen. Dabei handelt es sich meist um eine Abwägungsentscheidung, die stets in zwei Schritten zu prüfen ist: Ist der Kündigungsgrund objektiv geeignet, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen? Wenn ja, gilt dies auch für den konkreten Einzelfall unter Abwägung der jeweiligen Interessen der Vertragspartner? Geht die außerordentliche fristlose Kündigung nicht durch, sollte man die Möglichkeit einer Umdeutung (§ 140 BGB) in eine vorsorgliche fristwahrende ordentliche Kündigung im Hinterkopf behalten. Dies wird in der Regel möglich und von der Zustimmung des Betriebsrats – wenn vorhanden – gedeckt sein (da ein „minus“ zur außerordentlichen fristlosen Kündigung; umgekehrt dagegen nicht, vgl. auch HK-ArbR/Braasch § 626 Rz. 43f).
Um den Rahmen des Beitrags nicht zu sprengen und da die Umdeutungsmöglichkeit in der Entscheidung nicht in Erscheinung tritt, wurde von einer Prüfung abgesehen. Nach allgemeiner Ansicht darf das Arbeitsgericht eine solche Umdeutung jedenfalls nicht von Amts wegen vornehmen. In der Regel werden entsprechende Hinweise im Sachverhalt anzutreffen sein.
Der Fall eignet sich gut für eine Examensklausur, da typische Probleme des Arbeitsrechts mit grundrechtlichen Überlegungen (APR, Kunstfreiheit) verknüpft werden.

08.04.2011/2 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-04-08 00:00:522011-04-08 00:00:52Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer
Samuel Ju

BAG: Kündigung wegen mehrjähriger Freiheitsstrafe gerechtfertigt

Arbeitsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Urteil vom 24.03.2011 (2 AZR 790/09) entschieden, dass die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe grundsätzlich geeignet ist, eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.
Sachverhalt
AN war bei AG seit 1992 als Industriemechaniker beschäftigt. Im November 2006 wurde er in Untersuchungshaft genommen. Im Mai 2007 wurde er – bei fortbestehender Inhaftierung – zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sieben Monaten verurteilt. Gleichzeitig wurde die zur Bewährung erfolgte Aussetzung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten widerrufen. Laut Vollzugsplan war die Möglichkeit eines offenen Vollzugs zunächst nicht vorgesehen. Eine dahingehende Prüfung sollte erstmals im Dezember 2008 erfolgen. Die Beklagte besetzte den Arbeitsplatz des AN dauerhaft mit einem anderen Arbeitnehmer und kündigte das Arbeitsverhältnis im Februar 2008 ordentlich. Hiergegen legte AN Kündigungsschutzklage ein.
Entscheidung des BAG
Das BAG hat die Kündigungsschutzklage des AN abgewiesen.
Verbüßen mehrjähriger Freiheitsstrafe als Kündigungsgrund für eine personenbedingte Kündigung
Die Verbüßung einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ist grundsätzlich geeignet, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Haben die der strafgerichtlichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis, kommt regelmäßig nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht.
Leistungsunmöglichkeit und Vertretenmüssen des AN
Sowohl bei den Anforderungen an den Kündigungsgrund als auch bei der einzelfallbezogenen Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsunmöglichkeit und die damit einhergehende Störung des Arbeitsverhältnisses selbst zu vertreten hat. Dem Arbeitgeber sind deshalb zur Überbrückung der Fehlzeit typischerweise geringere Anstrengungen und Belastungen zuzumuten als bei einer Verhinderung des Arbeitnehmers etwa wegen Krankheit. Zudem ist auf die voraussichtliche Dauer der Leistungsunmöglichkeit Bedacht zu nehmen.
Arbeitgeber kann bei Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren Arbeitsplatz dauerhaft neu besetzen
Jedenfalls dann, wenn gegen den Arbeitnehmer rechtskräftig eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt worden ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitsplatz in der Regel dauerhaft neu besetzen.
Quelle: Pressemitteilung des BAG

28.03.2011/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-03-28 08:19:512011-03-28 08:19:51BAG: Kündigung wegen mehrjähriger Freiheitsstrafe gerechtfertigt
Samuel Ju

Bundesarbeitsgericht: Dreiwochenfrist für Kündigungsschutzklage trotz Verstoßes gegen Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG bei befristetem Arbeitsverhältnis erforderlich

Arbeitsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.7.2010 (6 AZR 480/09) entschieden, dass die Klagefrist des § 4 KSchG auch dann eingehalten werden muss, wenn die ordentliche Kündigung gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG verstößt.
Sachverhalt
Ein Arbeitgeber hatte ein befristetes Arbeitsverhältnis noch vor dem vereinbarten Befristungsende ordentlich gekündigt. Nach § 15 Abs. 3 TzBfG darf ein befristetes Arbeitsverhältnis nur dann ordentlich gekündigt werden kann, wenn im Vertrag oder in einem anwendbaren Tarifvertrag eine solche Möglichkeit vorgesehen ist. In vorliegenden Fall war jedoch die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag nicht vereinbart.
Urteil des BAG
Das BAG hat entschieden, dass die Kündigung trotz Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG volle Rechtswirksamkeit erlangt, wenn der Arbeitnehmer nicht rechtzeitig Klage erhebt. Grundlage sei auch hier die Fiktionswirkung des § 7 KSchG, der festlege, dass eine Kündigung als von Anfang an wirksam anzusehen sei, wenn nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG Klage gegen die Kündigung erhoben werde. Das folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Der Gesetzgeber wollte im Interesse einer raschen Klärung der Frage, ob eine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe oder nicht, für die Geltendmachung aller Unwirksamkeitsgründe eine einheitliche Klagefrist von drei Wochen vorsehen. Dadurch sollte die Ungewissheit, wann das Recht zur Erhebung der Kündigungsschutzklage im Einzelfall verwirkt ist, beendet werden. Dies gelte auch bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung, da dies letztlich nur vom Gericht abschließend entschieden werden könne.

11.10.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-11 21:54:122010-10-11 21:54:12Bundesarbeitsgericht: Dreiwochenfrist für Kündigungsschutzklage trotz Verstoßes gegen Kündigungsverbot des § 15 Abs. 3 TzBfG bei befristetem Arbeitsverhältnis erforderlich

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