• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Kreditkarte

Schlagwortarchiv für: Kreditkarte

Dr. Lena Bleckmann

LG Koblenz zum Erstattungsanspruch bei Online-Banking-Betrug

Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Nicht selten erhalten Online-Banking-Kunden Hinweise ihrer Bank auf aktuelle Betrugsmaschen im Internet. Dabei wird versucht, Kenntnis von den Zugangsdaten der Kontonutzer und damit Zugang zu ihrem Kontoguthaben zu erlangen. Oft sind die Versuche recht plump und leicht erkennbar, einige Maschen zeigen jedoch höhere Kreativität und damit auch ein gesteigertes Gefahrenpotential.

Mit einem Betrugsvorgang, der auf der Skala irgendwo zwischen völlig offensichtlich und gut gemacht, aber dennoch erkennbar rangieren dürfte, hatte sich nun das LG Koblenz zu befassen. Mit Urteil vom 1.6.2022, Az. 3 O 378/21, welches das Gericht zur „Entscheidung des Monats“ gekürt hat, wurde ein Erstattungsanspruch der betroffenen Kundin gegen die Bank abgelehnt. Derartige Konstellationen tauchen zuweilen auch in zivilrechtlichen Klausuren auf und sind damit für fortgeschrittene Studierende und Examenskandidaten überaus relevant. Die ausführlichen Entscheidungsgründe liegen noch nicht vor, hier jedoch bereits ein Überblick über die relevanten Rechtsgrundlagen.

I. Worum es geht

Die Klägerin nutze das Online-Banking-Angebot ihrer Bank. Um online Überweisungen zu tätigen, muss dabei jede einzelne Überweisung durch eine Sicherheitsnummer (TAN) bestätigt werden. Die Sicherheitsnummer erhält die Bankkundin mittels eines TAN-Generators.

Als sich die Klägerin nun eines Tages im Online-Banking einloggte, öffnete sich ein Fenster, dass sie zu einer „Demoüberweisung“ in Höhe von 10.000 € an eine gewissen Herrn Mustermann aufforderte. Hierbei handelte es sich tatsächlich nicht um eine Aufforderung der Bank, vielmehr wurde sie aufgrund eines Virenprogramm auf dem Computer der Klägerin angezeigt. Sie startete den Anmeldevorgang erneut, wurde aber wieder mit der Aufforderung konfrontiert. Dieser kam die Klägerin nun nach – sie gab die selbst generierte TAN-Nummer in das Fenster ein. Diese Nummer wurde durch das Virenprogramm sodann für eine echte Überweisung in Höhe von 9.847,78 € von dem Konto der Klägerin genutzt.

Die Klägerin verlangt von ihrer Bank Erstattung dieses abgebuchten Betrags.

II. Was ist zu prüfen?

Wenn es um Rückabwicklungs- und Erstattungsansprüche in Mehrpersonenverhältnissen im Kontext von Banküberweisungen geht, mag der Klausurkandidat zunächst an eine bereicherungsrechtliche Lösung denken, Stichwort Anweisungsfälle. Vertragliche Ansprüche sind allerdings vorrangig zu prüfen. Solche können vorliegend aus einem Zahlungsdienstevertrag folgen. Es handelt sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der die Erbringung von Zahlungsdiensten zum Gegenstand hat, vgl. § 675c Abs. 1 BGB. Dieser Vertragstyp ist in Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien (zur Entwicklung siehe MüKoBGB/Casper, 8. Aufl. 2020, Vorbem. zu §§ 675c – 676c, Rn. 1) in den §§ 675c ff. BGB geregelt. Die sehr spezielle Materie sollte in der Klausur nicht übersehen werden, nicht zuletzt, weil einzelne Normen abschließende Regelungen treffen, siehe § 675z S. 1 BGB.

Giroverträge, auf deren Grundlage das klassische Girokonto geführt wird, sind Zahlungsdiensterahmenverträge i.S.d. § 675f Abs. 2 BGB (BGH NJW 2019, 1451 Rn. 11). Die Vorschriften über Zahlungsdienste sind daher anzuwenden. Fordert der Kontonutzer von seiner Bank nun Erstattung eines abgebuchten Vertrags, wie es in oben geschildertem Fall erfolgt ist, kommt als Anspruchsgrundlage § 675u S. 2 BGB in Betracht. Danach ist der Zahlungsdienstleister (die Bank) gegenüber dem Zahler (dem Kontoinhaber) im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs verpflichtet, den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte.

Zur Klärung der Begrifflichkeiten ist ein Blick in die vorangehenden Vorschriften erforderlich. Ein Zahlungsvorgang ist nach § 675f Abs. 4 BGB jede Bereitstellung, Übermittlung oder Abhebung eines Geldbetrags, unabhängig von der zugrunde liegenden Rechtsbeziehung zwischen Zahler und Zahlungsempfänger. Eine Legaldefinition der Autorisierung findet sich in § 675j Abs. 1 BGB: Sie liegt nur vor, wenn der Zahler dem Zahlungsvorgang zugestimmt hat. Nur dann ist der Zahlungsvorgang gegenüber dem Zahler wirksam.

Im Fall des LG Koblenz hat die Klägerin den „Demo-Überweisungsträger“ für eine Überweisung in Höhe von 10.000 € selbst ausgefüllt und ihre TAN-Nummer generiert und angegeben. Es ließe sich daher hinterfragen, ob sie damit nicht die Zustimmung zu dem später erfolgten Zahlungsvorgang erteilt hat und die erste Voraussetzung des § 675u S. 2 BGB – ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang – bereits nicht vorliegt. Das ist jedoch eindeutig zu verneinen. Denn: Der eigentliche Zahlungsvorgang fand nicht durch die „Demo-Überweisung“ statt, sondern vielmehr erst danach mittels der von der Klägerin zur Verfügung gestellten Daten. Anschaulich dargestellt wurde die Abgrenzung zwischen autorisierten und nicht autorisierten Zahlungsvorgängen in Betrugsfällen vom LG Karlsruhe, Urt. v. 23.5.2014 – 20 O 23/13. Dort heißt es:

„Dies führt zwar dazu, dass in den Fällen, in denen der Bankkunde infolge einer Täuschung seine personalisierten Sicherheitsmerkmale an den Schädiger bekannt gibt (sog. „Phishing“ bzw. „Pharming“) und dieser eine Überweisung ausführt, ein nicht autorisierter Zahlungsvorgang vorliegt, bei dem der Bankkunde nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit haftet (§ 675v Abs. 2 BGB), während der Bankkunde, der täuschungsbedingt die Überweisung selbst vornimmt auch dann haftet, wenn ihm keine Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Vielmehr muss er in diesen Fällen eine Pflichtverletzung der Bank nachweisen, was ihm in der Regel nicht gelingen wird (vgl. hierzu Zahrte a.a.O.). Die gesetzgeberische Wertung, dass die Bank nach § 675u BGB lediglich das Fälschungsrisiko trägt (vgl. Hopt in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 36. Aufl., (7) BankGesch, C/50), nicht aber das Risiko eines täuschungsbedingten Irrtums des Berechtigten, ist allerdings hinzunehmen.“

Nimmt der Bankkunde die Überweisung also willentlich selbst vor, aus welchen Motiven auch immer, liegt i.d.R. ein autorisierter Zahlungsvorgang vor, § 675u BGB kommt nicht zur Anwendung. Gelangen Dritte allerdings lediglich an die für die Überweisung notwendigen Daten des Bankkunden und wird die Überweisung durch eben diese Dritten, nicht durch den Bankkunden ausgeführt, fehlt es an einer Zustimmung zu dem konkreten Zahlungsvorgang – er ist nicht autorisiert, § 675u BGB kann Anwendung finden. So liegt es auch hier: Von der eigentlichen Überweisung hat die Klägerin nichts gewusst. Die Anforderungen des Erstattungsanspruchs nach § 675u S. 2 BGB liegen damit vor.

Hinweis: Hätte bereits die Demo-Überweisung zu einer tatsächlichen Abbuchung geführt, müsste der Klausurkandidat sich mit der Wirksamkeit der Willenserklärung im Lichte des Irrglaubens, es werde tatsächlich keine Abbuchung durchgeführt, auseinandersetzen.

Das heißt jedoch nicht, dass die Bank in jedem Fall die Kosten eines sog. Phishing- bzw. Pharming-Angriffs tragen muss. Zwar setzt § 675u S. 2 BGB allein das Vorliegen eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs voraus, um den Erstattungsanspruch gegen die Bank zu begründen und ist damit ausgesprochen weit gefasst. Eine Einschränkung dieser einseitigen Risikoverteilung folgt allerdings aus § 675v BGB, dort insbesondere Abs. 3.

Achtung: Es handelt sich hierbei gesetzestechnisch nicht um eine einschränkende Voraussetzung des Erstattungsanspruchs nach § 675u S. 2 BGB. Vielmehr besteht der Erstattungsanspruch bei nicht autorisierten Zahlungsvorgängen ungeachtet des Verhaltens des Bankkunden. Kommt allerdings nach § 675v BGB wegen vorwerfbaren Verhaltens des Bankkundens ein Schadensersatzanspruch der Bank in Betracht, kann sie mit diesem gegen den Erstattungsanspruch aufrechnen.

Hier kommt ein grob fahrlässiger Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten aus § 675l Abs. 1 BGB in Betracht, d.h. ein Schadensersatzanspruch aus § 675v Abs. 3 Nr. 2 lit a) i.V.m. § 675l Abs. 1 BGB. § 675l Abs. 1 BGB verpflichtet den Zahlungsdienstnutzer, nach Erhalt eines Zahlungsinstruments alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Personalisierte Sicherheitsmerkmale sind personalisierte Merkmale, die der Zahlungsdienstleister dem Zahlungsdienstnutzer zum Zwecke der Authentifizierung bereitstellt – hierzu gehören neben PIN und Passwörtern auch TAN (BeckOK BGB/Schmalenbach, 62. Ed., § 675l BGB Rn. 3), wie sie hier verwendet wurden. Ohne hier allzu sehr ins Detail zu gehen – insoweit sei auf die Kommentarliteratur verwiesen – lässt sich allgemein feststellen: Der Zahlungsdienstnutzer muss die personalisierten Sicherheitsmerkmale vor unbefugtem Zugriff durch Dritte schützen; zu diesem Zweck muss er auch bei wahrnehmbaren Abweichungen von regulären Abläufen aufmerksam werden und den Zahlungsvorgang ggf. abbrechen (so MüKoBGB/Jungmann, 8. Aufl. 2020, § 675l Rn. 28).

Die Klägerin hatte im Fall des LG Koblenz bemerkt, dass die Aufforderung zur Demo-Überweisung unüblich war und aus diesem Grund auch versucht, den Anmeldevorgang erneut zu starten. Dann hat sie gleichwohl ihre Zahlungsdaten inkl. TAN eingegeben. Hierzu führt das LG Koblenz in der Zusammenfassung der Entscheidung aus:

„Die Klägerin habe nämlich „in grob fahrlässiger Weise ihre Sorgfaltspflichten verletzt“, als sie die „Demoüberweisung“ mit einer echten Transaktionsnummer durchgeführt habe. Sie habe ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen. Von einem durchschnittlichen Computer-Nutzer könne erwartet werden, dass er die Nutzung des Online-Bankings einstellt, wenn die Umstände sehr zweifelhaft sind und auf ein fragwürdiges Geschehen hindeuten. Das – so führte das Gericht weiter aus – sei hier der Fall gewesen. Es sei nämlich sehr ungewöhnlich, dass eine echte TAN einzugeben sei, obwohl keine reale Überweisung ausgeführt werden solle. Dies habe die Klägerin misstrauisch machen müssen. Auch die in der „Demoüberweisung“ genannte hohe Summe habe Anlass zu besonderer Vorsicht geben müssen.“

Indem sie trotz wahrnehmbarer Abweichungen im Anmeldevorgang diesen nicht abbrach, hat die Klägerin ihre Pflichten aus § 675l Abs. 1 BGB verletzt. Das war für die missbräuchliche Verwendung der Zahlungsdaten auch kausal (haftungsbegründende Kausalität). Wie das Gericht überzeugend ausführt ist aufgrund der konkreten Umstände, insbesondere auch der Höhe der Zahlung, auch von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Der haftungsbegründende Tatbestand des § 675v Abs. 3 Nr. 2 lit. a) i.V.m. § 675l Abs. 1 BGB ist daher erfüllt.

Hinweis: Da der Angriff von einem Virenprogramm auf dem Computer der Klägerin ausgeführt wurde, könnte ein Ansatzpunkt für einen Sorgfaltspflichtverstoß auch eine fehlende technische Sicherung des Computers sein (siehe zum Sorgfaltsmaßstab insoweit MüKoBGB/Jungmann, 8. Aufl. 2020, § 675l BGB Rn. 42 ff.). Die Klägerin hat hier allerdings angegeben, ein Virenprogramm genutzt zu haben. Ob das ausreichend war, war im konkreten Fall nicht entscheidend.

Ein Mitverschulden der Bank ist nicht ersichtlich. Der finanzielle Schaden der Bank besteht jedenfalls in Höhe der Erstattungspflicht nach § 675u S. 2 BGB.

Mit erklärter Aufrechnung (§ 389 BGB) ist daher der Erstattungsanspruch der Klägerin aus § 675u S. 2 BGB erloschen. Sie kann keine Erstattung in Höhe des abgebuchten Betrags verlangen.

III. Ausblick

Der Zahlungsdienstevertrag zählt nicht zu den klassischen Vertragstypen, die Studierenden regelmäßig in Klausuren begegnen. Hin und wieder sind die §§ 675c ff. BGB dennoch Prüfungsgegenstand und bieten Prüflingen die Möglichkeit, den sicheren Umgang mit dem Gesetz unter Beweis zu stellen. Genaue Lektüre des Gesetzes in der Prüfungssituation hilft dabei schon sehr – es kann aber sicherlich nicht schaden, sich bereits vorab einmal mit den wichtigsten Regelungen vertraut zu machen.

15.07.2022/0 Kommentare/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2022-07-15 09:33:002022-08-03 08:27:40LG Koblenz zum Erstattungsanspruch bei Online-Banking-Betrug
Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Strafbarkeit bei kontaktloser Zahlung ohne PIN durch den Nichtberechtigten

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Mit Beschluss vom 07.04.2020 (Az.: 4 RVs 12/20) hat sich das OLG Hamm mit einer neuen Konstellation aus dem Bereich der extrem klausur- und examensrelevanten EC-Karten-Fälle, namentlich der Strafbarkeit bei der Verwendung einer EC-Karte im Wege kontaktloser Zahlung ohne PIN-Abfrage durch den Nichtberechtigten, befasst. Angesichts der Vielzahl der zu prüfenden Delikte und der sie betreffenden Streitigkeiten sowie der Erforderlichkeit exakter Subsumtion unter zumeist schwer greifbare Definitionen ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Thematik für jeden Examenskandidaten ohnehin ein Muss. Kommen aktuelle Entscheidungen mit neuen Problemen – wie der Behandlung kontaktloser Zahlungsvorgänge – hinzu, ist der Einzug der Problematik in Klausuren und mündliche Prüfungen umso wahrscheinlicher. Die Entscheidung soll daher im Rahmen des nachfolgenden Beitrags ausführlich besprochen werden.
 
Anmerkung: Für eine ausführliche Übersicht verschiedener EC-Karten-Konstellationen ist auf unseren Grundlagenbeitrag zu verweisen.
 
A) Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Der O verlor in der Stadt sein Portemonnaie, worin sich unter anderem seine EC-Karte befand. Noch am gleichen Tag gelangte der T in den Besitz des Portemonnaies und begab sich – in dem Wissen, dass ihm die Karte nicht gehörte und er zur Nutzung nicht berechtigt war – sogleich zum Supermarkt S. Dort tätigte er an der Kasse beim Mitarbeiter M nacheinander verschiedene Einkäufe, indem er die zuvor aufgefundene EC-Karte auf das Kartenlesegerät zur Bezahlung auflegte. Da alle Einkäufe jeweils einen Warenwert von unter 25,00 Euro aufwiesen, war die Eingabe der PIN nicht erforderlich, was dem T bekannt war und von diesem bewusst ausgenutzt wurde. Die bei den Einkäufen erhaltenen Waren beabsichtigte er für sich zu behalten.
Strafbarkeit des T nach dem StGB?
 
B) Rechtsausführungen
I. Betrug, §§ 263 Abs. 1, 4, 248a StGB
In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß §§ 263 Abs. 1, 4, 248a StGB.  
1. Dies erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine Täuschung über Tatsachen, die kausal einen Irrtum auf Seiten Vermögensverfügenden erregt oder aufrechterhalten hat. Vorliegend könnte der T den Mitarbeiter M konkludent über seine Berechtigung zur Zahlung mit der EC-Karte getäuscht haben, sodass dieser den T irrig für den berechtigten Karteninhaber hielt. Eine Täuschung liegt in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Dabei genügt jedes Verhalten, durch das im Wege einer Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen eine Fehlvorstellung über die Realitäten erregt oder unterhalten werden kann (Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 6). Dieses Verhalten müsste kausal zu einem Irrtum, also einem Widerspruch zwischen subjektiver Vorstellung und der Wirklichkeit, geführt haben (BeckOK StGB/Beukelmann, 46. Ed. (Stand: 01.05.2020), StGB § 263 Rn. 23). Nicht ausreichend ist hierfür der Fall, dass sich der Getäuschte überhaupt keine Gedanken macht; dagegen genügt sogenanntes sachgedankliches Mitbewusstsein in Form eines ständigen Begleitwissens (exemplarisch BGH, Urt. v. 09.06.2009 – 5 StR 394/08, NJW 2009, 2900, 2901, Rn. 17; BeckOK StGB/Beukelmann, 46. Ed. (Stand: 01.05.2020), StGB § 263 Rn. 25). Im vorliegenden Fall hat das OLG Hamm indes sowohl das Vorliegen einer Täuschung als auch eines Irrtums vor dem Hintergrund der besonderen Modalität des kontaktlosen Bezahlens ohne PIN-Abfrage verneint:

„Die Berechtigung […] zur Verwendung der ec-Karte war aus der objektiven Perspektive des an den Zahlungsvorgängen beteiligten Betreibers des H-Marktes bzw. den in seinem Lager stehenden Kassenmitarbeitern bei der kontaktlosen ec-Zahlung ohne PIN-Abfrage ohne rechtliche Relevanz, weil der Zahlungsausgleich des Händlers unabhängig von der Berechtigung des Angeklagten durch die [Bank] garantiert war. […] Anders als bei der herkömmlichen Bezahlung im POS-Verfahren, bei welcher die ec-Karte durch ein Lesegerät gezogen wird, muss bei der kontaktlosen Bezahlung mittels near field communication-Technologie („NFC“) die Karte nicht in das Kartenlesegerät eingesteckt, sondern nur in dessen Nähe gehalten werden, um den elektronischen Zahlungsvorgang auszulösen. Zudem kann die kartenausgebende Bank […] bei kontaktlos ausgelösten Transaktionen unter bestimmten Voraussetzungen davon absehen, eine starke Kundenauthentifizierung zu verlangen […]. Das bedeutet, dass die Bank darauf verzichten kann, die zu der ec-Karte gehörige PIN (personal identification number) abzufragen. […] Wird mit einer ec-Karte kontaktlos ein Zahlungsvorgang ausgelöst, werden die Zahlungsdaten an die Autorisierungszentrale der kartenausgebenden Bank übermittelt. Dort überprüft ein Computer der kartenausgebenden Bank, ob die verwendete ec-Karte in keine Sperrdatei eingetragen ist, der Verfügungsrahmen nicht überschritten wird und ob die Voraussetzungen für das Absehen von einer PIN-Abfrage im konkreten Fall vorliegen (vgl. Altenhain JZ 1997, 752). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erteilt der Bankencomputer eine elektronische Autorisierung des Umsatzes, die dem am Zahlvorgang beteiligten Händler […] übermittelt wird. Mit der positiven Autorisierung gibt das kartenausgebende Kreditinstitut zugleich die Erklärung gegenüber dem Händler ab, dass es die Forderung in Höhe des am ec-Terminal autorisierten Betrages begleichen werde (vgl. Nr. 5 der Händlerbedingungen für die Teilnahme am electronic cash-System der deutschen Kreditwirtschaft, Stand Oktober 2016).“ (Rn. 10 ff.)

Kurz zusammengefasst erlangt der Händler bei der kontaktlosen Bezahlung ohne PIN-Abfrage also nach erfolgreicher Autorisierung unmittelbar eine einredefreie Forderung gegen die Bank, sodass für die Entstehung des Zahlungsanspruchs die Berechtigung des kartenvorlegenden Kunden unerheblich ist. Angesichts dessen besteht kein Anlass für die Mitarbeiter, sich Gedanken über die Berechtigung zur Kartenverwendung zu machen. Ebenfalls besteht sowohl für den Betreiber des Supermarktes als auch für die Mitarbeiter keine Pflicht, die Berechtigung des Kunden auf andere Weise – etwa durch Ausweiskontrolle – zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund „fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, dass der Angeklagte als Kunde seine Berechtigung zur Kartennutzung nach der Verkehrsanschauung fälschlich konkludent erklärt hätte und dass die Kassenmitarbeiter wenigstens im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins einer entsprechenden irrigen Vorstellung unterlegen wären.“ (Rn. 14)
2. Mangels Täuschung und korrespondierenden Irrtums der im Lager des Supermarktinhabers stehenden Angestellten scheidet eine Strafbarkeit wegen Betrugs mithin aus.
 
Merke: Eine relevante Täuschung bzw. ein Irrtum fehlen immer dann, wenn sich der Kartenaussteller gegenüber dem Händler verpflichtet, den Rechnungsbetrag zu begleichen, denn dann muss sich der Händler bzw. sein Mitarbeiter keine Gedanken über die Berechtigung des Kartenverwenders machen. Das ist stets der Fall im sog. Drei-Parteien-System bei der Verwendung von Kreditkarten, aber auch in dem angesprochenen Point-of-Sales-Verfahren (POS-Banking, auch electronic cash-System genannt), das hier in Form des kontaktlosen Zahlens ohne PIN-Abfrage vorliegt. Anderes gilt dagegen für das Lastschriftverfahren, denn hier garantiert die Bank nicht die Begleichung der Forderung; vielmehr trägt hier der Händler das Risiko der Lastschriftrückgabe, sodass bei einer Verwendung durch den Nichtberechtigten eine Strafbarkeit nach § 263 StGB in Betracht kommt (Lackner/Kühl/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 263 Rn. 11; Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2019, StGB § 263 Rn. 30).
 
II. Computerbetrug, §§ 263a Abs. 1, 2, 263 Abs. 4, 248a StGB
Zu prüfen ist ferner eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß §§ 263a Abs. 1, 2, 263 Abs. 4, 248a StGB.
1. Hierfür ist im Rahmen des objektiven Tatbestandes erforderlich, dass durch unrichtige Gestaltung des Programms, die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, die unbefugte Verwendung von Daten oder durch sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst wird. In Betracht kommt vorliegend allein eine unbefugte Verwendung von Daten i.S.v. Var. 3 durch das kontaktlose Zahlen ohne Berechtigung des Verwendenden. Durch das Halten der Karte in die Nähe des Kartenlesegeräts hat T elektronisch den Zahlungsvorgang ausgelöst; eine Verwendung von Daten liegt also vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln. Wie das Merkmal unbefugt zu bestimmen ist, ist in Rechtsprechung und Lehre umstritten.
a) Nach der subjektiven Auslegung ist hierunter das Verwenden gegen den Willen des Berechtigten zu verstehen (so etwa BayOLG, NJW 1991, 438, 440). Unabhängig davon, ob man die kartenausstellende Bank oder den ursprünglichen Karteninhaber O als Berechtigten erachtet, widerspricht eine Zahlung durch einen Nichtberechtigten in jedem Fall dem Willen des Berechtigten. Eine unbefugte Verwendung wäre nach dieser Ansicht gegeben.
b) Nach der computerspezifischen Auslegung ist ein unbefugtes Verwenden dagegen nur dann zu bejahen, „wenn der durch Täterhandeln verletzte Wille in der konkreten Programmgestaltung hinreichend Niederschlag gefunden hat. Aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden werden mit diesem Ansatz insbesondere die Fälle, in denen der Täter den elektronisch gesteuerten Automaten ordnungsgemäß bedient“ (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a  45). Da T den Zahlungsvorgang aus objektiver Perspektive ordnungsgemäß ausgelöst hat – die fehlende Berechtigung also in der Programmgestaltung keinen Niederschlag gefunden hat –, handelt es sich nach der computerspezifischen Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung.
c) Nach der überwiegend in Rechtsprechung und Literatur vertretenen betrugsspezifischen oder auch täuschungsäquivalenten Auslegung ist entscheidend, ob die Handlung gegenüber einem Menschen eine Täuschung i.S.v.  263 StGB darstellen würde (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 44). Das ist dann der Fall, wenn der Täter jedenfalls konkludent seine Berechtigung zur Inanspruchnahme der Leistung vorspiegelt. Legt man – wie auch das OLG Hamm in der vorliegenden Entscheidung – die betrugsspezifische Auslegung zugrunde, ist die Verwendung ebenfalls nicht als unbefugt zu werten:

„Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es bei den hier vorliegenden kontaktlosen Einsätzen einer ec-Karte im POS-Verfahren, bei denen die PIN bei der Bezahlung gerade nicht abgefragt wird, an der Betrugsähnlichkeit. Denn anders als in den Fällen, in denen der Bankcomputer die PIN vom Kartenverwender abfragt, wird hierbei die Berechtigung desjenigen, der den elektronischen Zahlungsvorgang durch Vorhalten der Karte vor das Lesegerät auslöst, gerade nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 2 ZAG überprüft. […] Gegenüber einem an die Stelle des Bankcomputers in der Autorisierungszentrale tretenden Bankangestellten würden also auch nur die Einhaltung des Verfügungsrahmens, die Nicht-Eintragung in eine Sperrdatei und das Vorliegen der Voraussetzungen für das Absehen von der starken Kundenauthentifizierung erklärt. Nicht erklärt würde hingegen, dass die Voraussetzungen zur vollen Überprüfung der materiellen Berechtigung zur Kartennutzung vorliegen. Damit aber würde ein fiktiver menschlicher Bankangestellter an Stelle des Bankcomputers auch keinem dahingehenden Irrtum bezüglich der Berechtigung unterliegen, womit es an der für die Unbefugtheit erforderlichen Betrugsähnlichkeit fehlt.“ (Rn. 22)

Anmerkung: Das ist also gerade der Unterschied zu dem Fall, dass der Nichtberechtigte ohne Wissen und Wollen des Karteninhabers Zugang zur PIN erhalten hat und bei der Kartenzahlung ebendiese – sich unberechtigt verschaffte – PIN eingibt. Dieser Fall ist nahezu unstreitig von § 263a StGB erfasst (Lackner/Kühl/Heger, StGB, 29. Aufl. 2018, § 263a Rn. 14 m.w.N.; MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, § 263a Rn. 57).
 
d) Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss der Streit entschieden werden. Vorzugswürdig erscheint die betrugsspezifische Auslegung, da nur diese den Sinn und Zweck des  263a StGB, einen Auffangtatbestand für die Fälle zu bilden, in denen gerade kein Mensch getäuscht wird, widerspiegelt. Zudem würde etwa die subjektive Auslegung einen Wertungswiderspruch zu § 266b StGB bedeuten. Denn dieser kennt zum einen keine Versuchsstrafbarkeit, zum anderen hat er einen geringeren Strafrahmen als § 263a StGB. Durch die Anwendung des § 263a StGB auf den berechtigten Karteninhaber würden diese bewussten Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen werden. Damit handelt es sich nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
2. Auch nach § 263a StGB hat sich T nicht strafbar gemacht.
 
III. Fälschung beweiserheblicher Daten, §§ 269 Abs. 1, 270 StGB
Weiter hat das OLG Hamm eine Strafbarkeit wegen Fälschung beweiserheblicher Daten gemäß §§ 269 Abs. 1, 270 StGB geprüft.
1. Die Strafbarkeit setzt im objektiven Tatbestand zunächst voraus, dass eine Datenurkunde vorliegt. Bereits dies hat das Gericht verneint:

„Ein Speichern oder Verändern beweiserheblicher Daten gemäß § 269 Abs. 1 StGB erfordert nämlich, dass beweiserhebliche Daten so manipuliert werden, dass im Falle ihrer visuellen Wahrnehmbarkeit im Sinne des § 267 StGB eine unechte oder verfälschte Urkunde vorliegen würde (Fischer StGB, 67. Aufl. 2020, § 269 Rn. 5; Heger in Lackner/Kühl-StGB, 29. Aufl. 2018, § 269 Rn. 2). Die betroffenen Daten müssen also bis auf das Erfordernis der visuellen Wahrnehmbarkeit alle Merkmale des Urkundenbegriffs aufweisen. Die hier insofern allein in Frage kommenden Transaktionsdaten erfüllen aber nicht alle Urkundenvoraussetzungen. Zwar werden bei dem Einsatz einer ec-Karte im POS-Verfahren am Kartenlesegerät die Transaktionsdaten (z.B. Kontonummer und Gültigkeitsdatum der ec-Karte) als Gedankenerklärung in das Autorisierungssystem eingelesen. Allerdings ist in Bezug auf die Transaktionsdaten bei den hier vorliegenden kontaktlosen Zahlungen mittels ec-Karte ohne PIN-Abfrage die Garantiefunktion des Urkundenbegriffs nicht erfüllt. Diese erfordert, dass der vermeintliche Aussteller der Gedankenerklärung erkennbar ist. An einer solchen eindeutigen Identifikationsmöglichkeit fehlt es aber mangels PIN-Abfrage.“ (Rn. 26 f.)

Anders die Eingabe der PIN, die nur dem berechtigten Karteninhaber mitgeteilt wird, erlaube der kontaktlose Bezahlvorgang ohne PIN-Eingabe also keinen Rückschluss darauf, dass der Verwender der berechtigte Karteninhaber sei. Der bloße unmittelbare Besitz könne hierfür nicht genügen. Insofern fehle es an einer Zuordnung der Gedankenerklärung zu dem berechtigten Karteninhaber als Aussteller.
2. Mangels Datenurkunde scheitert also auch eine Strafbarkeit nach §§ 269 Abs. 1, 270 StGB.
 
IV. Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b Abs. 1 StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b Abs. 1 StGB kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
V. Ausspähen von Daten, § 202a Abs. 1 StGB
Ebenso wenig ergibt sich eine Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten gemäß § 202a Abs. 1 StGB. Denn hierfür ist erforderlich, dass sich der Täter die auf der Karte gespeicherten Daten unter Überwindung einer Zugangssicherung verschafft (hierzu Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl. 2018, StGB, § 202a Rn. 5). Zum einen sind die Daten indes schon nicht besonders gesichert, soweit sie auf der ec-Karte mittels herkömmlichen Lesegeräts auslesbar sind. Jedenfalls hat sich der T aber keinen Zugang zu etwaig gesicherten Daten unter Überwindung einer Sperre verschafft.
 
VI. Urkundenunterdrückung, § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB
Bleibt als letzter Straftatbestand die Unterdrückung beweiserheblicher Daten als Unterfall der Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB zu prüfen.
1. Vorliegen müssen dafür beweiserhebliche Daten, über die der Täter nicht ausschließlich verfügen darf. Entsprechend der Legaldefinition in § 202a Abs. 2 StGB werden ausschließlich elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherte oder übermittelte Daten erfasst (Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl. 2019, StGB, § 274 Rn. 22c m.w.N.). Hier bestehen die beweiserheblichen Daten nach den Ausführungen des OLG Hamm in der Höhe des Verfügungsrahmens sowie den Umständen der bisherigen Karteneinsätze seit der letzten PIN-Abfrage (Anzahl der bisherigen Einsätze im kontaktlosen Bezahlverfahren ohne PIN-Abfrage und Höhe der jeweiligen Zahlbeträge nach den Vorgaben von Art. 11 lit. b), c) der Technischen Regulierungsstandards), die im Computer der Autorisierungszentrale bzw. auf dem Chip der ec-Karte gespeichert werden.
 
Anmerkung: Ob die Daten wie i.R.d. § 269 StGB urkundengleich sein müssen, hat das OLG Hamm offen gelassen; nach seinen Ausführungen ist hier Urkundengleichheit jedenfalls anzunehmen, denn der Verfügungsrahmen sowie die Umstände der bisherigen Kartennutzung seit der letzten PIN-Abfrage würden Gedankenerklärungen darstellen, die durch die Speicherung hinreichend perpetuiert seien. Weiterhin seien diese Daten beweiserheblich, weil sie für die Autorisierung weiterer Bezahlvorgänge mit der Karte Relevanz erlangen würden. Im Gegensatz zu den Transaktionsdaten (s.o.) ergebe sich eindeutig die kartenausstellende Bank als Aussteller der Daten, sodass auch die Garantiefunktion gegeben sei (ausführlich Rn. 37).
 
2. Mit der Verwendung der Karte hat der T diese Daten überschrieben, also gelöscht bzw. verändert i.S.d. Norm, sodass der objektive Tatbestand vorliegt.
3. T handelte auch wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich. Darüber hinaus handelte er nach den Feststellungen des Gerichts auch in dem Bewusstsein, dass die notwendige Folge seines Handels der Nachteil des Berechtigten ist, mit der Urkunde keinen Beweis mehr erbringen zu können (s. hierzu auch BGH, Urt. v. 08.10.1953 – 4 StR 395/53, NJW 1953, 1924).
4. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
5. T hat sich nach § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht.
 
Anmerkung: Ebenfalls schuldig gemacht hat sich der T wegen Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB. Die Datenveränderung tritt aber im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter dem ebenfalls verwirklichten § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB zurück (Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl. 2019, § 303a Rn. 14).
 
C) Fazit
Kurz zusammengefasst gilt nach der Entscheidung des OLG Hamm also:

  • Wer als Nichtberechtigter mit einer EC-Karte kontaktlos ohne PIN-Abfrage bezahlt, der macht sich mangels Täuschung und Irrtums nicht nach § 263 StGB und mangels unbefugten Verwendens auch nicht nach § 263a StGB strafbar. Denn anders als in Fällen, in denen die PIN abgefragt wird, wird bei der kontaktlosen Zahlung die Berechtigung des Kunden nicht durch Anwendung einer starken Kundenauthentifizierung überprüft – und damit fehlt es in dieser Konstellation an der Betrugsähnlichkeit.
  • Ebenso scheitert eine Strafbarkeit nach § 269 Abs. 1, 270 StGB sowie nach § 266b Abs. 1 StGB.
  • Ein solches Verhalten kann aber als Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB sowie nachrangig als Datenveränderung gemäß § 303a Abs. 1 StGB strafbar sein.

 

14.09.2020/3 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-09-14 08:30:052020-09-14 08:30:05OLG Hamm: Strafbarkeit bei kontaktloser Zahlung ohne PIN durch den Nichtberechtigten
Dr. Melanie Jänsch

Klassiker des Strafrechts: EC-Karten-Fälle

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT, Verschiedenes

EC-Karten-Fälle sind absolute Klassiker, die von jedem Examenskandidaten beherrscht werden sollten. Die Thematik stellt viele Studierende vor Probleme, was nicht zuletzt an der Vielgestaltigkeit der Konstellationen, der Vielzahl der zu prüfenden Delikte und der unterschiedlichen strafrechtlichen Bewertung einzelner – auf den ersten Blick ähnlich erscheinender –  Handlungen liegt. So kommen als zu prüfende Delikte regelmäßig Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB), Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) in Betracht. Insbesondere die Tatbestände des Computerbetrugs gemäß § 263a StGB und des Kreditkartenmissbrauchs gemäß § 266b StGB, die regelmäßig den Schwerpunkt der Prüfung bilden werden, vermögen aufgrund der teilweise sehr technisch formulierten Definitionen und verschiedener Streitigkeiten schwer greifbar zu sein. Im Rahmen dieses Beitrags soll die Thematik besser handhabbar gemacht werden, indem typische Problemfelder – illustriert anhand von Beispielsfällen – dargestellt und problemorientiert aufgeschlüsselt werden. Freilich kann hier nicht jeder mögliche Fall nachgezeichnet werden. Sofern man sich aber mit den gängigsten Konstellationen auseinandersetzt, fördert dies die Entwicklung eines Grundverständnisses, mit dessen Hilfe auch unbekannte Konstellationen in den Griff gekriegt werden können.
 
A) Anknüpfungspunkte
Zur (gedanklichen) Ordnung der vorzunehmenden Prüfung sollte sich vor Augen geführt werden, dass Unterschiede der einzelnen Konstellationen – die dann auch zu einer unterschiedlichen strafrechtlichen Beurteilung führen – nur in zweierlei Hinsicht bestehen können: Zum einen in Bezug auf die Person des Handelnden und zum anderen in zeitlicher Hinsicht. Hinsichtlich der Person des Handelnden ist zu unterscheiden zwischen

  • Dem Karteninhaber
  • Dem Nichtberechtigten

Für die strafrechtliche Bewertung in zeitlicher Hinsicht bestehen drei Anknüpfungspunkte:

  • Die Erlangung der Karte
  • Die Verwendung der Karte
  • Die Erlangung des Geldes

Es sind selbstverständlich nicht stets alle Anknüpfungspunkte problematisch und daher anzusprechen. Es kann aber im Rahmen der Erstellung der Gliederung hilfreich sein, sich an den einzelnen Elementen „entlang zu hangeln“, um sich die klassischen Problemfelder ins Gedächtnis zu rufen.
 
B) Typische Fallkonstellationen
Für die nachfolgende Betrachtung soll zur Systematisierung also zuerst auf zwei typische strafrechtlich relevante Handlungen des Karteninhabers, sodann auf Handlungen des Nichtberechtigten abgestellt werden, um die Unterschiede aufzuzeigen.  
 
I. Karteninhaber als Täter
Die Erlangung der Karte durch den späteren Karteninhaber ist regelmäßig nicht strafrechtlich relevant. Die klassischen Probleme betreffen die Verwendung der Karte und die Erlangung des Geldes.
Ausgangssituation: Das Konto des A bei der B-Bank weist eine erhebliche Unterdeckung auf. Ein Mitarbeiter der B-Bank hat dem A auch bereits mitgeteilt, dass er vor weiteren Abhebungen sein Konto auffüllen müsse. Insbesondere dürfe er – so stehe es in den AGB der Bank – seine EC-Karte nicht über seinen Dispokreditrahmen hinaus benutzen.
 
Fall 1:
Obwohl der A nur noch 1,27 Euro auf seinem Konto hat, bezahlt er im Laden des C mit seiner EC-Karte einen Betrag von 50 Euro im Wege des Lastschriftverfahrens mittels Unterschrift. Ohne Eingabe der PIN wird ein Lastschriftbeleg produziert, den der C dann bei der B-Bank einreichen will. Diese weist die Lastschrift allerdings wegen fehlender Kontodeckung zurück. Strafbarkeit des A?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
A könnte sich wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB strafbar gemacht haben.
a) Als berechtigter Karteninhaber ist A tauglicher Täter.
b) Es müsste sich bei der EC-Karte aber auch um ein taugliches Tatobjekt handeln. Dem ausdrücklichen Wortlaut nach sind jedoch nur Scheck- und Kreditkarten erfasst.
aa) Nach einer Ansicht kommen daher EC-Karten grundsätzlich nicht als taugliches Tatobjekt in Betracht (Wessels/Hillenkamp, StrafR BT 2, Rn. 795), sodass eine Strafbarkeit nach § 266b StGB von vornherein ausscheiden würde.
bb) Nach anderer Ansicht ist eine Subsumtion unter den Begriff der Scheckkarte trotz fehlender Beziehung zum Scheckverkehr möglich (Fischer, § 266b StGB, Rn. 6a f.), sodass auch eine EC-Karte hierunter fallen könnte.
cc) Jedoch muss der Streit nicht entschieden werden, wenn die Strafbarkeit aus einem anderen Grund scheitert: Denn die ganz herrschende Meinung verlangt, dass die Zahlungskarte – damit sie einer Kreditkarte in der Bewertung gleichkommt – eine Garantiefunktion aufweisen muss. Dies bedeutet, dass mit der Ausgabe der Karte an den Karteninhaber eine Garantie der Bank gegenüber einem Dritten übernommen wird. Vorausgesetzt wird ein Drei-Partner-System, in dem der Aussteller der Karte dem Dritten, dessen Leistungen der Inhaber der Karte in Anspruch nimmt, Erfüllung garantiert (BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 160/01, BGHSt 47, 160). Dies ist aber beim Elektronischen Lastschriftverfahren gerade nicht der Fall, da die B-Bank die Lastschrift zurückweisen kann; insofern trägt allein C das Risiko. Mangels Garantiefunktion handelt es sich bei der EC-Karte also nicht um ein taugliches Tatobjekt, sodass eine Strafbarkeit nach § 266b I StGB ausscheidet.
 
2.Computerbetrug, § 263a I StGB
In Betracht kommt zudem eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263a I StGB zu Lasten der B-Bank.
 

Anmerkung: Da offensichtlich kein menschliches Gegenüber getäuscht wurde, wäre es hier verfehlt, einen Betrug gegenüber und zu Lasten der B-Bank zu prüfen.

 
a) Hierfür ist im Rahmen des objektiven Tatbestandes erforderlich, dass durch unrichtige Gestaltung des Programms, die Verwendung unrichtiger oder unvollständiger Daten, die unbefugte Verwendung von Daten oder durch sonstige unbefugte Einwirkung auf den Ablauf das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst wird.
b) Fraglich erscheint hier insbesondere, ob über das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs beeinflusst und insofern eine Vermögensschädigung wurde. Dies ist dann der Fall, wenn Täter in einer Weise auf den Computer einwirkt, dass das Resultat der dort vollzogenen Verwertung von Daten geändert wird und hierdurch eine vermögensrelevante Disposition verursacht wird (Fischer, § 263a StGB, Rn. 20). Vorliegend konnte die B-Bank aber die Lastschrift zurückgeben, sodass durch die bloße Produktion des Lastschriftbelegs keine vermögensrelevante Disposition getroffen wurde. Mithin ist A auch nicht nach § 263a StGB strafbar.
 
3. Betrug, § 263 I StGB
In Betracht kommt jedoch eine Strafbarkeit wegen Betrugs gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C.
a) Indem der A die Lastschriftermächtigung erteilt hat, hat er konkludent seine Kontodeckung erklärt und somit den C über Tatsachen getäuscht. Der C unterlag auch hinsichtlich der Kontodeckung einer Fehlvorstellung, mithin einem Irrtum, auf dem die Vermögensverfügung – die Aushändigung der Kaufgegenstände – beruhte. Dies wurde mangels Zahlung des A auch nicht durch ein wirtschaftliches Äquivalent ausgeglichen, sodass der C auch einen Schaden erlitten hat. Der objektive Tatbestand ist mithin gegeben.
b) Dies wusste und wollte A auch, handelte also vorsätzlich. Zudem handelte er in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.
c) Er handelte rechtswidrig und schuldhaft.
d) A hat sich wegen Betrugs gemäß § 263 I StGB gegenüber und zu Lasten des C strafbar gemacht.
 
Fall 2:
Obwohl der A nur noch 1,27 Euro auf seinem Konto hat, versucht er, an einem Geldautomaten der D-Bank unter Verwendung seiner EC-Karte und seiner PIN 100 Euro abzuheben. Da die D-Bank keine Onlineprüfung seiner Kontodeckung vornimmt, gelingt dies. Strafbarkeit des A?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Fraglich ist, ob A sich durch diese Handlung wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266 I StGB strafbar gemacht hat.
a) Als berechtigter Karteninhaber ist er tauglicher Täter.
b) Die EC-Karte müsste ein taugliches Tatobjekt darstellen, was – wie oben dargelegt – nur dann der Fall sein kann, wenn mit ihr eine Garantiefunktion verbunden ist.
aa) Das ist nach einer Ansicht beim Abheben am Geldautomaten ohnehin nie der Fall, da die Karte lediglich als „Schlüssel“ für das Konto verwendet wird (so etwa Bernsau, Der Scheck- oder Kreditkartenmissbrauch durch den berechtigten Karteninhaber, 1990, S. 154 ff.).
bb) Die herrschende Meinung differenziert hierbei danach, ob die Abhebung an einem institutseigenen oder institutsfremden Bankautomaten vorgenommen wird. Hebt der Täter an einem Automaten des Kartenausstellers Geld ab, ist hier das für die Garantiefunktion erforderliche Drei-Partner-System gerade nicht gegeben. Handelt es sich dagegen um einen institutsfremden Automaten, ist die Garantiefunktion zu bejahen, da die kartenausstellende Bank (hier: die B-Bank) aufgrund der zwischen den Banken bestehenden „Vereinbarungen über das deutsche Geldautomatensystem“ verpflichtet ist, der anderen Bank (hier: der D-Bank) den Betrag zu erstatten (s. hierzu auch BGH v. 21.11.2001 – 2 StR 160/01, BGHSt 47, 160). Vorliegend hat der A das Geld an einem Automaten der D-Bank, also einem institutsfremden Geldautomaten, abgehoben, sodass die erforderliche Drei-Partner-Konstruktion vorliegt.
c) Hierdurch hat der A auch die ihm eingeräumte Möglichkeit, die B-Bank zu einer Zahlung zu veranlassen, missbraucht und diese dadurch geschädigt.
d) Dies tat er auch vorsätzlich. Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
e) A hat sich wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB strafbar gemacht.
 
2. Computerbetrug, § 263a I StGB
Überdies kommt eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs gemäß § 263a I StGB in Betracht.
a) Dies erfordert im objektiven Tatbestand zunächst eine taugliche Tathandlung. A könnte durch die Abhebung an dem Automaten der D-Bank unbefugt Daten verwendet A hat die PIN eingegeben und der Magnetstreifen wurde eingelesen, eine Verwendung von Daten liegt mithin vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln. Wie das Merkmal unbefugt zu bestimmen ist, ist umstritten.
aa) Nach einer subjektiven Auslegung ist hierunter das Verwenden gegen den Willen des Berechtigten zu verstehen, wobei als Berechtigter die kartenausstellende Bank anzusehen ist (so etwa BayOLG, NJW 1991, 438, 440). Da es dem Willen der B-Bank widerspricht – so steht es auch ausdrücklich in den AGB –, wenn der Karteninhaber sein Konto überzieht, ist eine unbefugte Verwendung nach dieser Ansicht zu bejahen.
bb) Nach der computerspezifischen Auslegung ist ein unbefugtes Verwenden dagegen nur dann zu bejahen, „wenn der durch Täterhandeln verletzte Wille in der konkreten Programmgestaltung hinreichend Niederschlag gefunden hat. Aus dem Anwendungsbereich der Norm ausgeschieden werden mit diesem Ansatz insbesondere die Fälle, in denen der Täter den elektronisch gesteuerten Automaten ordnungsgemäß bedient“ (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 45). Da die Überprüfung der Kontodeckung allerdings in der Programmgestaltung gerade keinen Niederschlag gefunden hat, handelt es nach der computerspezifischen Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung.
cc) Nach einer dritten Ansicht, der betrugsspezifischen oder auch täuschungsäquivalenten Auslegung, ist entscheidend, ob die Handlung gegenüber einem Menschen eine Täuschung i.S.v. § 263 StGB darstellen würde (MüKoStGB/Mühlbauer, 3. Aufl. 2019, StGB § 263a Rn. 44). Das ist dann der Fall, wenn der Täter jedenfalls konkludent seine Berechtigung zur Inanspruchnahme der Leistung vorspiegelt. Fraglich ist, ob dies vorliegend der Fall ist.
(1) Man könnte annehmen, dass der Kontoinhaber auch einen Bankangestellten durch eine Zahlungsanfrage konkludent darüber täuschen würde, dass sich der auszuzahlende Betrag noch innerhalb seines Kreditrahmens befindet.
(2) Überzeugender erscheint es jedoch, anzunehmen, dass ein Bankangestellter die Bonität gerade nicht prüfen würde. Vielmehr ist es als ausreichend zu erachten, wenn dem berechtigten Karteninhaber die Karte samt PIN zur Benutzung überlassen wurde; über mehr braucht sich ein Bankangestellter keine Gedanken zu machen – gleiches muss für den Prüfungsumfang des Geldautomaten gelten. Damit handelt es sich auch nach der täuschungsäquivalenten Auslegung nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
dd) Da die Meinungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, muss der Streit entschieden werden. Vorzugswürdig erscheint die betrugsspezifische Auslegung, da nur diese den Sinn und Zweck des § 263a StGB, einen Auffangtatbestand für die Fälle zu bilden, in denen gerade kein Mensch getäuscht wird, widerspiegelt. Zudem würde etwa die subjektive Auslegung einen Wertungswiderspruch zu § 266b StGB bedeuten. Denn dieser kennt zum einen keine Versuchsstrafbarkeit, zum anderen hat er einen geringeren Strafrahmen als § 263a StGB. Durch die Anwendung des § 263a StGB auf den berechtigten Karteninhaber würden diese bewussten Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen werden. Damit handelt es sich nicht um eine unbefugte Verwendung von Daten.
b) A hat sich nicht nach § 263a I StGB strafbar gemacht.
 
3.Erschleichen von Leistungen, § 265a I StGB
Jedoch könnte sich A möglicherweise wegen Erschleichens von Leistungen gemäß § 265a I StGB strafbar gemacht haben.
a) Dies setzt im objektiven Tatbestand ein Erschleichen voraus. Hierfür ist aber nach richtiger herrschender Meinung erforderlich, dass der Automat objektiv ordnungswidrig bedient wird. Das ist aber gerade nicht der Fall, da A den Geldautomaten funktionsgemäß verwendet hat.

Anmerkung: Die Bestimmung des Merkmals Erschleichen ist wiederum umstritten, soll im Rahmen dieses Beitrags allerdings nicht weiter thematisiert werden. Ein ausführlicher Überblick über die verschiedenen Ansichten findet sich in MüKoStGB/Hefendehl, 3. Aufl. 2019, StGB § 265a Rn. 106 ff.

b) Mangels Tathandlung scheitert auch eine Strafbarkeit nach § 265a StGB.
 
4.Untreue, § 266 I StGB
In Betracht kommt jedoch eine Strafbarkeit des A wegen Untreue gemäß § 266 I StGB.
a) Damit der Missbrauchstatbestand (Alt. 1) einschlägig ist, müsste eine rechtsgeschäftliche Verfügungsmacht bestehen. Aufgrund einer solchen Verfügungsmacht könnten die einzelnen Buchungen vorgenommen worden sind. Jedoch ist dies abzulehnen: Denn die Möglichkeit, Geld abzuheben, wurden bereits mit der Einrichtung des Kontos geschaffen. Insofern sind einzelne Abbuchungen nicht als eigene Verfügungen i.S.v. § 266 I Alt. 1 StGB zu kategorisieren.
b) Möglicherweise hat A jedoch die Treubruchsvariante (Alt. 2) verwirklicht. Dafür müsste eine Vermögensbetreuungspflicht bestehen, die der A verletzt hat. Unter den Begriff der Vermögensbetreuungspflicht fällt nicht schon jede vertragliche Verpflichtung, das Vermögen eines anderen nicht zu schädigen. Vielmehr ist eine Fürsorgepflicht von einiger Bedeutung erforderlich, die anhand der Kriterien des Grades der Selbständigkeit, der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit und der Verantwortlichkeit des Verpflichteten ermittelt wird. Zudem darf es sich bei der Vermögensbetreuungspflicht nicht um eine beiläufige Nebenpflicht handeln. Im Gegenteil muss sie eine Hauptpflicht darstellen (MüKoStGB/Dierlamm, 3. Aufl. 2019, StGB § 266 Rn. 45). Hiervon ausgehend kann eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber der Bank aber nicht angenommen werden.
c) A hat sich nicht nach § 266 I StGB strafbar gemacht.
 
5.Diebstahl, § 242 I StGB
Dadurch, dass der A die 100 Euro an sich genommen hat, könnte er sich auch wegen Diebstahls nach § 242 I StGB strafbar gemacht haben.
a) Dazu müsste der A im objektiven Tatbestand eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Unter Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendiger Weise tätereigenen Gewahrsams zu verstehen. Ein Gewahrsamsbruch ist dann anzunehmen, wenn der Gewahrsam des Berechtigten gegen dessen Willen aufgehoben wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank gegeben ist.
aa) Ein Einverständnis der Bank könnte man mit dem Argument verneinen, dass nach innerer Willensrichtung eine gewollte Gewahrsamsübertragung nur dann gegeben sei, wenn auch die entsprechende Kontodeckung vorliege.
bb) Richtigerweise – und so sieht es auch der BGH (s. etwa BGH v. 22.11.1991 – 2 StR 376/91, NJW 1992, 445 f.) – kommt es jedoch auf das äußere Erscheinungsbild des Vorgangs an. Sofern der Automat äußerlich ordnungsgemäß verwendet wird, ist anzunehmen, dass der Berechtigte mit dem Gewahrsamsübergang einverstanden ist.
cc) Damit liegt ein tatbestandsausschließendes Einverständnis vor, das einen Gewahrsamsbruch ausschließt.
b) Mangels Wegnahme hat sich A nicht nach § 242 I StGB strafbar gemacht.
 
6.Unterschlagung, § 246 I StGB
Schließlich könnte sich A aber wegen Unterschlagung gemäß § 246 I StGB strafbar gemacht haben.  
a) Dafür müsste es sich bei dem Geld um eine fremde bewegliche Sache handeln. Fremd ist eine Sache, wenn sie nicht im Alleineigentum des Täters steht.
aa) Hier kann entweder auf die Erwägungen zur Gewahrsamsübertragung verwiesen werden, sodass bei funktionsgemäßer Bedienung des Automaten auch eine Eigentumsübertragung an den berechtigten Karteninhaber erfolgen soll.
bb) Selbst wenn man aber annimmt, die Eigentumsübertragung erfolge unter einer aufschiebenden Bedingung i.S.v. § 158 I BGB, dann kann es sich bei der Bedingung nur um die grundsätzliche Berechtigung des Karteninhabers handeln. Und diese war bei dem A zweifellos gegeben.
b) Mithin liegt keine fremde Sache vor, sodass auch eine Strafbarkeit nach § 246 I StGB ausscheiden muss.
 

Anmerkung: Fall 2 ist ein Klausurklassiker, jedoch wenig praxisrelevant. Denn heutzutage verfügen die meisten Geldautomaten über eine Onlinevernetzung. Das bedeutet, dass, sofern eine Abhebung an einem Automaten einer institutsfremden Bank geplant ist, diese regelmäßig eine Anfrage an die kartenausstellende Bank sendet, ob hinreichende Kontodeckung besteht. Wenn die Auszahlung nicht bestätigt wird, wird diese verweigert. In einem solchen Fall müssen die erläuterten Probleme im Rahmen von Versuchsprüfungen dargestellt werden. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass Scheck- und Kreditkartenmissbrauch und Untreue im Versuch gerade nicht strafbar sind. Damit müsste schwerpunktmäßig eine Strafbarkeit wegen versuchten Computerbetrugs nach §§ 263a I Var. 3, II, 263 II, 22, 23 I StGB geprüft werden, wobei auch hier der Fokus auf der Diskussion des Merkmals unbefugt liegen würde.

 
II. Nichtberechtigter als Täter
Ist der Täter nicht der berechtigte Karteninhaber, kommen bereits Probleme auf der Ebene der Erlangung der Karte in Betracht (s. z.B. hierzu Fall 2). Klassische Probleme bestehen aber auch bei der Verwendung der Karte und der Erlangung des Geldes.
 
Fall 1:
F, deren Konto eine ausreichende Deckung aufweist, bittet ihren Freund T, mit ihrer EC-Karte einen bestimmten Geldbetrag abzuheben. Sie teilt ihm zu diesem Zweck ihre PIN mit. T hebt allerdings, ohne F dies mitzuteilen, einen Mehrbetrag ab, und behält diesen. Den absprachegemäß abgehobenen Betrag gibt er der F. Strafbarkeit des T?
 
1.Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
2. Computerbetrug, § 263a I StGB
Möglich erscheint aber eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263a I Var. 3 StGB.
a) Dies erfordert im objektiven Tatbestand eine taugliche Tathandlung. T könnte durch die Abhebung unbefugt Daten verwendet haben. T hat die PIN eingegeben und der Magnetstreifen wurde eingelesen, eine Verwendung von Daten liegt mithin vor. Indes müsste es sich aber auch um eine unbefugte Verwendung von Daten handeln.
aa) Legt man die subjektive Auslegung zugrunde, ist dies der Fall: Wenn ein Dritter absprachewidrig einen Mehrbetrag abhebt, läuft dies sowohl dem Willen der Bank als auch dem Willen des Karteninhabers zuwider. Damit ergibt sich nach dieser Ansicht eine unbefugte Verwendung von Daten.
bb) Nach der computerspezifischen Auffassung ist das dagegen nicht der Fall, da die fehlende Befugnis im Innenverhältnis gerade nicht im Programm einen Niederschlag erfährt.
cc) Fraglich ist, wie der Fall unter Zugrundelegung der täuschungsäquivalenten Auslegung zu lösen ist. Bedenkt man den Fall der Täuschung eines hypothetischen Bankangestellten, so würde dieser nicht prüfen, ob T seine Befugnisse im Innenverhältnis überschreitet. Solange dieser die Karte nicht deliktisch erlangt hat, also vom berechtigten Karteninhaber zur Abhebung beauftragt wurde, kommt es nicht darauf an, dass absprachewidrig ein Mehrbetrag abgehoben wurde. Denn hierauf würde sich die Prüfung eines Bankangestellten nicht erstrecken und dann kann dies auch nicht vom Prüfungsumfang des Automaten erfasst sein. Mithin ist nach dieser Ansicht ein unbefugtes Verwenden von Daten ebenfalls nicht gegeben.
dd) Zu folgen ist der täuschungsäquivalenten Auslegung (s.o.), sodass T nicht tatbestandsmäßig handelte.
b) T hat sich nicht nach § 263a I StGB strafbar gemacht.
 
3.Untreue, § 266 I StGB
Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 I StGB in Betracht kommt.
a) Einzig in Betracht kommt die Verwirklichung der Treubruchsvariante (Alt. 2). Dafür müsste jedoch eine Vermögensbetreuungspflicht bestehen, die der T verletzt hat. Gemessen an den oben dargestellten strengen Anforderungen kann in dem bloßen Auftrag der F, einen bestimmten Geldbetrag abzuheben, noch keine Vermögensbetreuungspflicht gesehen werden. Denn es fehlt an der Selbständigkeit der Tätigkeit. Mithin scheidet auch die Treubruchsvariante aus.
c) T hat sich nicht wegen Untreue nach § 266 I StGB strafbar gemacht.
 
4. Diebstahl, § 242 I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Diebstahls scheitert am fehlenden Gewahrsamsbruch. Wie oben erläutert, besteht ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank in allen Fällen, in denen der Geldautomat objektiv funktionsgemäß bedient wird.
 
5. Unterschlagung, § 246 I StGB
Möglicherweise hat sich T aber wegen Unterschlagung nach § 246 I StGB strafbar gemacht.
a) Hierbei ist wiederum problematisch, ob es sich bei dem Geld um eine fremde Sache handelt. Das wäre dann nicht der Fall, wenn eine Eigentumsübertragung an den T gewollt war. Dies ist – in Abweichung zu I. Fall 2 – aber gerade nicht der Fall. Unabhängig davon, ob man auf die äußerlich funktionsgemäße Bedienung abstellt oder aber eine Bedingung konstruiert, stimmen die beiden Ansichten insofern überein, als die kartenausstellende Bank stets an den berechtigten Karteninhaber übereignen will (s. hierzu auch OLG Köln v. 09.07.1991 – Ss 624/90, NJW 1992, 125, 127). Insofern könnte man lediglich überlegen, ob der T als Vertreter der F das Angebot auf Übereignung angenommen hat. Dies wird man aufgrund der entsprechenden Vollmacht aber nicht hinsichtlich des Mehrbetrags annehmen dürfen. Mithin ist eine fremde bewegliche Sache gegeben.
b) Indem der T den Mehrbetrag behalten hat, ist auch die Manifestation des Zueignungswillens zu bejahen.
c) T handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.
d) T ist nach § 246 I StGB strafbar.
 
6. Betrug, §§ 263 I, 13 I StGB
Überdies kommt eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch Unterlassen gemäß §§ 263 I, 13 I StGB gegenüber und zu Lasten der F in Betracht.
a) Im Rahmen des objektiven Tatbestandes müsste T über Tatsachen getäuscht haben. Vorliegend verschwieg der T der F, dass er einen absprachewidrig einen Mehrbetrag abgehoben hat. Man könnte überlegen, ob der T dadurch, dass er der F den absprachegemäß abgehobenen Betrag gegeben hat, schlüssig erklärt hat, dass er keinen Mehrbetrag abgehoben hat. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier aber eindeutig in der Nichtaufklärung, also in einem Unterlassen. Die erforderliche Garantenpflicht ergibt sich aus der Auskunfts- und Rechenschaftspflicht im Rahmen des Auftrags nach § 666 BGB. Indem der T es unterlassen hat, die F über die Abhebung des Mehrbetrags aufzuklären, hat er ihre Fehlvorstellung aufrechterhalten, dass er nur den dem Auftrag entsprechenden Betrag abgehoben hat. Im Nichtgeltendmachen der Forderung liegt ein Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, mithin die Vermögensverfügung. Aufgrund der Unkenntnis hat F auch ihre Forderung nicht geltend gemacht, sodass kein wirtschaftliches Äquivalent, also ein Schaden, gegeben ist. Damit hat T den objektiven Tatbestand verwirklicht.
b) Er handelte auch vorsätzlich und in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung.
c) Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
d) T hat sich nach §§ 263 I, 13 I StGB strafbar gemacht.
 
Fall 2:
T fragt seine Freundin F, ob er sich kurzfristig ihre EC-Karte ausborgen könnte. Er wolle damit kein Geld abheben, sondern nur in seinem Freundeskreis den Unterstellungen entgegentreten, er sei pleite und seine EC-Karte sei eingezogen worden. F ist bereit, T diesen Gefallen zu tun und gibt ihm zu diesem Zweck ihre Geldbörse, in der neben der EC-Karte nur noch ein Zettel mit der PIN-Nummer ist. Wie von Anfang an geplant, geht T mit der Karte zum Geldautomaten und hebt 1000 Euro ab. Strafbarkeit des T?

 
1. Betrug, § 263 I StGB
Indem der T der F sagte, er wolle mit der Karte nur angeben und kein Geld abheben, und diese ihm daraufhin die Karte aushändigte, könnte er sich wegen Betruges gegenüber und zu Lasten der F gemäß § 263 I StGB strafbar gemacht haben.
a) T täuschte die F über die Tatsache, dass er von vornherein mit der Karte Geld abheben wollte, wodurch bei dieser eine Fehlvorstellung, mithin ein Irrtum, erregt wurde. Durch die Übergabe der Geldbörse, die die EC-Karte und die PIN enthielt, nahm sie auch eine Handlung vor, die sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkte, sodass auch eine Vermögensverfügung vorliegt.
b) Fraglich ist allerdings, ob schon zu diesem Zeitpunkt ein Vermögensschaden gegeben ist. Das ist insoweit problematisch, als es zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu einer Geldabhebung durch den T gekommen ist. Es könnte aber bereits eine konkrete Vermögensgefährdung vorliegen, die mit einer Vermögensschädigung gleichzustellen ist. Wie eine solche zu bestimmen ist, ist umstritten.
aa) Teilweise wird eine konkrete Vermögensgefährdung erst angenommen, wenn der Eintritt des Vermögensschadens nur noch vom Zufall abhängt. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Täter selbst noch Handlungen vornehmen muss, um den Schaden herbeizuführen (so etwa Schönke/Schröder, § 263 StGB, Rn. 143 f.). Hier muss der T noch am Geldautomaten Geld abheben, um den Vermögensschaden herbeizuführen, sodass nach dieser Ansicht eine konkrete Vermögensgefährdung noch nicht angenommen werden kann.
bb) Man könnte aber auch die konkrete Vermögensgefährdung dann bereits bejahen, wenn die wesentliche Zugriffsschwelle des Täters überschritten ist. Das wird man bei der Erlangung der EC-Karte samt PIN bejahen müssen, sodass nach dieser Ansicht eine konkrete Vermögensgefährdung gegeben ist.
cc) Die unterschiedlichen Ergebnisse erfordern die Entscheidung des Streits. Die besseren Gründe sprechen für die erste Ansicht: Aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine restriktive Auslegung geboten. Zudem würde, wenn man die Anforderungen lockern würde, die Grenze zum Versuch unbillig verschoben. Daher ist zu diesem Zeitpunkt noch keine konkrete Vermögensgefährdung anzunehmen, die einem Vermögensschaden gleichsteht.

Anmerkung: Mit guten Argumenten ist eine andere Ansicht hier natürlich ebenso gut vertretbar.

dd) Durch die Erlangung der Karte hat sich T noch nicht nach § 263 I StGB strafbar gemacht.
 
2. Scheck- und Kreditkartenmissbrauch, § 266b I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Scheck- und Kreditkartenmissbrauchs nach § 266b I StGB durch das Geldabheben kommt nicht in Betracht, da T kein berechtigter Karteninhaber ist und daher kein tauglicher Täter sein kann.
 
3. Computerbetrug, § 263a I StGB
Fraglich ist, ob eine Strafbarkeit wegen Computerbetrugs nach § 263 I Var. 3 StGB besteht.
a) Auch hier geht es wieder um die Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der unbefugten Verwendung. Da hier der täuschungsäquivalenten Auslegung gefolgt wird, stellt sich die Frage, ob sich das Geldabheben des T als täuschungsgleich darstellt. Dies ist der Fall: Einen hypothetischen Bankangestellten würde T über seine generelle Befugnis zur Benutzung der Karte täuschen, sodass ein unbefugtes Verwenden der Daten anzunehmen ist.
b) Hierdurch beeinflusste er das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs und führte einen Vermögensschaden i.H.v. 1000 Euro herbei.
c) Dies tat er auch vorsätzlich und in der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
d) Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
e) T hat sich nach § 263 I Var. 3 StGB strafbar gemacht.
 
4. Untreue, § 266 I StGB
Eine Strafbarkeit wegen Untreue nach § 266 I StGB scheidet mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
 
5. Erschleichen von Leistungen, § 265a I StGB
Mangels Erschleichen hat sich der T beim Geldabheben auch nicht nach § 265a I StGB strafbar gemacht.
 
6. Diebstahl, § 242 I StGB
Ebenso scheitert eine Strafbarkeit nach § 242 I StGB, da aufgrund der äußerlich funktionsgemäßen Bedienung ein tatbestandsausschließendes Einverständnis der Bank vorliegt.
 
7. Betrug, § 263 I StGB
Indes ist dann mit der Erlangung des Geldes ein Vermögensschaden eingetreten, mithin ein vollendeter Betrug (hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen s.o.) gegeben.
 
8. Unterschlagung, § 246 I StGB
Eine Unterschlagung durch dieselbe Handlung muss dann konsequenterweise ausscheiden, da eine durch Betrug erlangte Sache nicht gleichzeitig unterschlagen werden kann.
 
C) Zusammenfassung
Bei der ersten Auseinandersetzung mit der Problematik stellt sich diese oftmals als schwierig und kompliziert dar. Dabei hilft es, eine Ordnung in zeitlicher Hinsicht (Erlangung der Karte, Verwendung der Karte, Erlangung des Geldes) und hinsichtlich der Person des Handelnden (Karteninhaber/Nichtberechtigter) vorzunehmen. Als Faustformeln – die natürlich nicht auf jede Abwandlung passen – kann man sich folgendes merken:

  • Beim berechtigten Karteninhaber treten bezüglich der Erlangung der Karte regelmäßig keine Probleme auf. Bei der Verwendung der Karte kann er sich nach § 266b StGB strafbar machen, aber nur, wenn der Karte insofern eine Garantiefunktion zukommt. Eine Strafbarkeit nach § 263a I Var. 3 StGB scheidet dagegen nach der täuschungsäquivalenten Auslegung regelmäßig aus, da nur die generelle Befugnis zur Benutzung der Karte geprüft wird. Ebenso zu prüfen sind § 266 I StGB, § 265a I StGB, § 242 I StGB und § 246 I StGB, die aber – jedenfalls in den klassischen EC-Karten-Fällen – in der Regel abzulehnen sind.
  • Handelt der Nichtberechtigte, kann bezüglich der Erlangung der Karte § 263 I StGB (wie in Fall 2) oder § 242 I StGB zu prüfen sein. Der Nichtberechtigte kann sich nicht nach § 266b StGB strafbar machen; hier erscheint im Einzelfall allenfalls eine Teilnahme möglich. Bei § 263a I Var. 3 StGB kommt es hinsichtlich des Merkmals unbefugt darauf an, ob der berechtigte Karteninhaber dem Nichtberechtigten die Karte zur Verwendung überlassen hat. Ist das der Fall, scheidet eine Strafbarkeit auch dann aus, wenn der Nichtberechtigte absprachewidrig einen Mehrbetrag abhebt, denn der Umfang der Berechtigung im Innenverhältnis wird von der Bank nicht geprüft. Ist er jedoch nicht zur Verwendung befugt, kommt eine Strafbarkeit nach § 263a StGB in Betracht. § 266 StGB und § 265a StGB sind zu prüfen, aber in der Regel nicht einschlägig. Gleiches gilt für § 242 I StGB. Anknüpfend an die Erlangung des Geldes kann oftmals noch ein Schwerpunkt in der Prüfung einer Unterschlagung oder eines Betrugs (ggf. durch Unterlassen) liegen.

 

21.03.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-03-21 10:44:112019-03-21 10:44:11Klassiker des Strafrechts: EC-Karten-Fälle
Tom Stiebert

OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Der Fall ist ein absoluter Examensklassiker, der aus dem FF beherrscht werden sollte: Der Missbrauch von Scheckkarten, bzw. Kreditkarten, EC-Karten etc. Hier ist bekanntlich zunächst zwischen drei Stadien zu unterscheiden: Dem Erlangen der Karte, der Benutzung des Geldautomatens und der Entnahme des Geldes. Zudem ist noch zu differenzieren, wer die Karte benutzt – der berechtigte Inhaber, der aber sein Konto überzogen hat oder ein nichtberechtigter Dritter, der die Karte überlassen bekommen hat oder entwendet hat.
Bekanntlich sind hier stets eine Vielzahl von Delikten zu prüfen: Betrug (§ 263 StGB) beim Erlangen der Karte, ggf. Untreue (§ 266 StGB) dem Karteninhaber oder der Bank gegenüber, Computerbetrug (§ 263a StGB) beim Bedienen des Automatens, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB) beim Benutzen der Karte sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) bei Entnahme des Geldes. Hier besteht eine so ausdifferenzierte Fallpraxis, dass die Darstellung einen separaten Beitrag vorbehalten bleibt.
I. Sachverhalt
Hier soll es aber um einen ganz aktuell vom OLG Hamm entschiedenen Sonderfall gehen (Urteil v. 12.03.2015 – 1 RVs 15/15). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein – geschäftsfähiger – Rentner überließ seinem Pfleger seine Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000 Euro) zur freien Verfügung für eigene Zwecke. Nach dem Tod des Kreditkarteninhabers (wovon der Pfleger auch Kenntnis hatte erfuhr er, dass er nicht zu dessen Erben gehörte. Dennoch tätigte er mit der Kreditkarte weitere Umsätze in Höhe von 4.000 Euro.
Strafbarkeit des Pflegers?
II. Lösung
Das OLG Hamm verneinte hier – im Widerspruch zu den Vorinstanzen – eine Strafbarkeit des Pflegers. Abgelehnt wurde insbesondere eine Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB).
Hier könnte die Verletzung einer – gegenüber den Erben oder dem Erblasser – bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt worden sein. Eine solche muss bei einer Untreue nach § 266 StGB zwingend vorliegen. Das OLG Hamm hat eine solche abgelehnt:

Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (BGHSt 24, 386 f.).
Die Angeklagte traf hier eine solche Verpflichtung nicht. Die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Der Verfügungsrahmen der Kreditkarte war auf 5.000 Euro pro Monat begrenzt, eine Verwendung über diesen Betrag hinaus der Angeklagten mithin gar nicht möglich. Ein Spielraum verblieb ihr insoweit nicht. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.
Es ist auch kein Umstand erkennbar, der eine Vermögensbetreuungspflicht mit dem Ableben des Verstorbenen begründen könnte. Irgendwie geartete Vereinbarungen mit den Erben hat es nicht gegeben.

Entscheidendes Argument des Gerichts ist also, dass das Geld gerade zu eigenen Zwecken und nicht für die Zwecke des Karteninhabers oder Dritter abgehoben werden durfte (hierzu OLG Hamm 2 Ss 367/03). Hier grenzt sich das Gericht ausdrücklich von anderen Entscheidungen zu dieser Fallgestaltung ab. Hier ist also eine äußerst sorgfältige Falllektüre erforderlich. Keinesfalls darf vorschnell ein vermeintlich bekannter Fall wiederholt werden.
Eine Untreue scheidet damit mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
Auch weitere Delikte scheiden hier nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts aus.
Ein Betrug, bzw. Computerbetrug bei Benutzung der Karte wird verneint. Eine Vorstellung des Händlers über die Berechtigung (und damit ein Irrtum hierüber) wird verneint.
Auch eine Unterschlagung der Kreditkarte wird verneint. Hier fehlt es an einer Zueignung der Kreditkarte, wobei genau zu differenzieren ist, was im Einzelnen zugeeignet werden soll.
Auch ein Kreditkartenmissbrauch nach § 266b StGB scheidet aus.
Das Verhalten war damit straflos.
III. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz bedarf es kaum Ausführungen, die oben dargelegten Fallgestaltungen kennt wohl jeder Examenskandidat. Umso wichtiger ist es, auch neue Fallgruppen sauber durchzuprüfen. Dies gelingt auch dann, wenn man den konkreten Fall nicht „gelernt“ hat. Wichtig ist eine sauber und schrittweise Subsumtion. Dann kann man sowohl die Klassiker als auch neue Varianten sauber lösen. Es ist zu erwarten, dass gerade auf Grund der Neuerungen die hier aufgezeigte Konstellation Bestandteil von Prüfungen werden wird.

24.04.2015/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-04-24 12:00:232015-04-24 12:00:23OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch
Dr. Gerrit Forst

BGH: Zur Haftung des Inhabers bei Kreditkartenmissbrauch

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der Fall ging vor einigen Wochen durch die Tagespresse: Haftet der Inhaber einer EC-/Kreditkarte gegenüber dem Kartenaussteller für Beträge, die von einem Dritten mit der richtigen PIN an einem Geldautomaten abgehoben werden? Der BGH hat dies in seinem Urteil vom 29.12.2011 (XI ZR 370/10) verneint. Nun liegen auch die Entscheidungsgründe vor.
I. Sachverhalt
Die Klägerin (eine Bank) stellte dem Beklagten eine X Kreditkarte Gold aus, die auch genutzt werden konnte, um Geld an einem Geldautomaten abzuheben. Erforderlich war dafür die Eingabe der richtigen PIN. Die AGB der Klägerin lauteten auszugsweise:

Ziff. 9.1
Der Höchstbetrag für Bargeldauszahlungen beträgt bei der X Kreditkarte 500 EUR pro Tag oder der entsprechende Betrag in der jeweiligen Landeswährung. Für Inhaber einer X Kreditkarte Gold […] erhöht sich der Betrag auf 1000 EUR.
Ziff. 10.1
Stellen Sie den Verlust der Karte/n oder eine missbräuchliche Verfügung fest, werden Sie dies der Bank unverzüglich telefonisch unter nachfolgender schriftlicher Bestätigung anzeigen. Bis zum Eingang der Verlustmeldung haften Sie bis zum Höchstbetrag von 50 EUR. Für Umsätze ab Eingang der Verlustmeldung entfällt Ihre Haftung für eine eventuelle missbräuchliche Verwendung der Karte/n. Sofern der Verdacht einer Entwendung oder missbräuchlichen Verwendung besteht, werden Sie unverzüglich Anzeige bei der Polizei erstatten.

In der Nacht vom 12. auf den 13.8.2009 wurden mit der Kreditkarte unter Verwendung der richtigen PIN an verschiedenen Geldautomaten sechsmal 500,- Euro abgehoben. Der Beklagte widersprach einer Belastung seines Kontos mit diesen Beträgen.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Kreditkarte und die PIN zusammen aufbewahrt. Erst dadurch sei der Missbrauch ermöglicht worden. Sie ist der Ansicht, der Beklagte sei ihr aus § 280 Abs. 1 BGB zum Ersatz der 3.000,- Euro verpflichtet.
Der Beklagte bestreitet, Karte und PIN gemeinsam verwahrt zu haben. Die Karte sei von einem Dritten missbräuchlich genutzt worden. Dies sei in der Weise geschehen, dass an einem Geldautomaten – von ihm, dem Beklagten, unbemerkt – eine Kopie der Karte angefertigt wurde. Er ist ferner der Ansicht, dass er nach Ziff. 10.1 nur bis zu einem Höchstbetrag von 50,- Euro hafte. Jedenfalls sei seine Haftung  nach Ziff. 9.1 der AGB auf 1000,- Euro begrenzt.
Das Amtsgericht hielt die Klage für begründet. Es bestehe ein Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Beklagte die Kreditkarte und die PIN zusammen verwahrt habe. Ziff. 10.1 der AGB betreffe nur die verschuldensunabhängige Haftung. Ziff. 9.1 der AGB regele schließlich nur den Betrag, der täglich mindestens zur Verfügung gestellt werde. Die Klägerin sei aber berechtigt, einen höheren Betrag auszuzahlen. Die Berufung blieb erfolglos.
II. Entscheidung
Der IX. Senat hält die Revision des Beklagten für begründet. Der Klägerin stehe kein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB zu.
Die Klägerin habe nicht dargelegt und bewiesen, dass der Beklagte dadurch eine Pflichtverletzung begangen habe, dass er PIN und Kreditkarte zusammen aufbewahrte. Einen Anscheinsbeweis dafür gebe es im vorliegenden Fall nicht (Rn. 16):

Zwar spricht in Fällen, in denen an Geldausgabeautomaten unter Verwendung der zutreffenden Geheimzahl Geld abgehoben wurde, der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass entweder der Karteninhaber die Abhebungen selbst vorgenommen hat oder – was hier nach nicht angegriffener Feststellung des Berufungsgerichts allein in Betracht kommt – dass ein Dritter nach der Entwendung der Karte von der Geheimnummer nur wegen ihrer Verwahrung gemeinsam mit der Karte Kenntnis erlangen konnte (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 314 ff.; Senatsbeschluss vom 6. Juli 2010 – XI ZR 224/09, WM 2011, 924 Rn. 10). Dies setzt jedoch voraus, dass bei der missbräuchlichen Abhebung die Originalkarte eingesetzt worden ist (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 309, 312; […]). Denn die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins verlangen einen typischen Geschehensablauf, d.h. es muss ein Sachverhalt feststehen, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 – XI ZR 210/03, BGHZ 160, 308, 313 mwN). Bei Abhebung an Geldautomaten mithilfe einer Kartendublette fehlt die vom Berufungsgericht in Anspruch genommene Typizität, da für diesen Missbrauch der Karte bedeutungslos ist, ob die – nicht eingesetzte – Originalkarte und die PIN gemeinsam aufbewahrt worden sind.

Insoweit treffe die Klägerin auch die Beweislast (Rn. 18):

Jedoch trifft den Karteninhaber insoweit nicht die Beweislast für die Verwendung einer Kartendublette; vielmehr hat die sich auf einen Schadensersatzanspruch berufende Bank als Voraussetzung der von ihr in Anspruch genommenen Beweiserleichterung darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Originalkarte bei der missbräuchlichen Abhebung zum Einsatz kam. Dies könnte etwa durch Vorlage des Journalstreifens oder einer sonstigen Dokumentation der Kartenabhebung erfolgen, die eine den Einsatz einer Kartenkopie ausschließende Echtheitsprüfung der Karte belegen […].

Außerdem sei die Haftung des Beklagten nach Ziff. 10.1 S. 2 der AGB auf 50,- Euro begrenzt (Rn. 20 ff.). Die Klausel gelte entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch dann, wenn den Karteninhaber ein Verschulden am missbräuchlichen Einsatz der Karte treffe. Der Wortlaut der Klausel spreche nicht für eine Beschränkung auf einen verschuldensunabhängigen Missbrauch. Auch habe die Klausel bei einem solchen Verständnis keinen Anwendungsbereich, da nach dem damals noch anzuwendenden § 676h BGB a.F. der Karteninhaber für einen ohne sein Verschulden eintretenden Kartenmissbrauch ohnehin nicht hafte.
Schließlich sei auch die Auslegung der Ziff. 9.1 durch die Vorinstanzen rechtsfehlerhaft (Rn. 27):

Dies folgt aus dem Wortlaut der Klausel, die den Begriff „Höchstbetrag“ verwendet und nicht von einem „garantierten Mindestbetrag“ spricht. Damit begrenzt die Klausel bei verständiger Betrachtung durch Limitierung der Einsatzmöglichkeiten der Karte allgemein das Missbrauchrisiko […]. Das dient, anders als ein vom Karteninhaber einzuhaltender kontobezogener Verfügungsrahmen, den Interessen beider Vertragsparteien, da ihnen bei Vereinbarung einer solchen transaktionsbezogenen Einsatzgrenze unbekannt ist, bei wem sich das Risiko eines möglichen künftigen Kartenmissbrauchs realisiert. Die Ansicht des Berufungsgerichts, ein kartenbezogenes Auszahlungslimit solle ausschließlich das Risiko der die Karte emittierenden Bank begrenzen, findet damit weder im Wortlaut noch im Regelungszweck der Klausel eine Stütze. Dass ein Karteninhaber, der einen geringen Verfügungsrahmen akzeptiert, sich dadurch besser steht als der Inhaber einer zu höheren Verfügungen berechtigenden Karte, ist Folge der jeweils gewünschten finanziellen Flexibilität und belegt nicht, dass die Klausel ausschließlich die Bank schützen soll.

III. Bewertung
Der Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung zuzustimmen. Dazu nur einige Gedanken, die man in einer Klausur noch ansprechen könnte:
Einen Anspruch auf Erfüllung des Kartenvertrages (Duldung der Belastung des Kontos) hat die Klägerin nicht, weil der Beklagte nicht wirksam verpflichtet wurde.
Nach jetzt geltender Rechtslage dürfte die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 150,- Euro aus § 675v BGB i.V.m. dem Kartenvertrag haben. Zum intertemporalen Recht s. Art. 229 § 22 EGBGB.
Zum Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB ist anzumerken: In der Klausur darf man nicht den Fehler begehen, eine Beweislastumkehr aus § 280 Abs. 1 S. 2 BGB herzuleiten. Dieser bezieht sich ausschließlich auf das Vertretenmüssen, nicht auf die Pflichtverletzung. Eine analoge Anwendung ist schon mangels Regelungslücke nicht möglich. Es bleibt also bei der allgemeinen Beweislastverteilung. Der IX. Senat ist deshalb zu Recht der Ansicht, dass die Klägerin die Beweislast dafür trifft, dass der Beklagte pflichtwidrig gehandelt hat (Rn. 18). Eine Beweiserleichterung durch einen Anscheinsbeweis lehnt er mit überzeugender Begründung ab.
Bezüglich der Einreden aus den AGB darf man in der Klausur nicht den Fehler begehen, sofort auf die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB abzustellen. Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gehen nach dieser Vorschrift zu Lasten des Verwenders. Damit „Zweifel“ im Sinne der Vorschrift vorliegen, darf die Auslegung der AGB kein klares Ergebnis liefern. Die Auslegung ist also vorrangig. Die Auslegung liefert hier aber ein klares Ergebnis, wie der BGH eindrucksvoll belegt, so dass „Zweifel“ nicht vorliegen und § 305c Abs. 2 BGB nicht anzuwenden ist.

26.01.2012/2 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2012-01-26 09:12:542012-01-26 09:12:54BGH: Zur Haftung des Inhabers bei Kreditkartenmissbrauch

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • BGH zur Halterhaftung nach dem StVG
  • Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien
  • Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Redaktion

BGH zur Halterhaftung nach dem StVG

Rechtsprechung, Startseite

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. In einer kürzlich veröffentlichten […]

Weiterlesen
16.03.2023/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2023-03-16 08:30:022023-03-16 08:33:08BGH zur Halterhaftung nach dem StVG
Alexandra Ritter

Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen

Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Uncategorized, Verschiedenes, Zivilrecht

Viele Jahre bereitet man sich durch Studium und Repetitorium darauf vor und irgendwann ist es soweit: man schreibt das erste Staatsexamen. Sechs Klausuren und eine mündliche Prüfung (so zumindest in […]

Weiterlesen
06.03.2023/2 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-03-06 09:00:002023-03-13 08:18:47Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen
Gastautor

Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf. Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Kriminologie“? […]

Weiterlesen
06.03.2023/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-03-06 09:00:002023-03-15 09:06:21Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen