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Tom Stiebert

BGH: Sieg für den 1. FC Köln – Zuschauer haftet ggü. Verein für Verbandsstrafe nach Knallkörperwurf

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Für den 1. FC Köln könnte es aktuell nicht besser laufen: Nachdem sich der Verein auf Tabellenplatz 2 in der Fußballbundesliga einquartiert hat, gab es nun auch einen Sieg am Bundesgerichtshof (BGH v. 22.9.2016 – VII ZR 14/16). Dieser hatte zu entschieden, ob der Verein einen Zuschauer, der einen Knallkörper geworfen hat, für die entstehenden Kosten (insbes. Verbandsstrafe) in Regress nehmen kann. Der BGH bejahte dies im Gegensatz zum OLG Köln (und wie bereits in unserem Beitrag hierzu gefordert) nunmehr. Nicht nur Fußballfans sollte dies aufhorchen lassen: Der Fall behandelt absolut examensrelevante Bereiche des Schadensrechts und sollte daher auch außerhalb der Domstadt Beachtung finden.
I. Sachverhalt
(z.T. der PM des BGH entnommen)

Der 1. FC Köln verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen des Zündens eines Knallkörpers bei einem Heimspiel im RheinEnergieStadion in der 2. Bundesliga gegen den SC Paderborn 07 am 9. Februar 2014. Ein „Fan“ zündete in der zweiten Halbzeit – entgegen den Vorgaben der Stadionordnung – einen Knallkörper, der aufgrund seiner Sprengenergie dem Sprengstoffgesetz unterfällt, und warf ihn vom Oberrang der Nordtribüne auf den Unterrang, wo er detonierte und sieben Zuschauer verletzte.

Wegen dieses Vorfalls und vier weiterer vorangegangener Vorfälle bei anderen Spielen der Lizenzspielermannschaft der Klägerin verhängte das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes e.V. (DFB) eine Verbandsstrafe gegen den Verein, u.a. bestehend aus einer Geldstrafe in Höhe von 50.000 € sowie der Bewährungsauflage, weitere 30.000 € für Projekte und Maßnahmen zu verwenden, die der Gewaltprävention sowie der Ermittlung von konkreten Tätern bei den Fußballspielen des Vereins dienen.

Der Verein bezahlte die Geldstrafe. und verlangt nun vom beklagten Fan Ersatz in Höhe von 30.000 €.

II. Lösung des Gerichts

Nachdem das LG Köln der Klage stattgegeben hat und das OLG Köln diese im Rahmen der Berufung abwies (hierzu auch unser ausführlicher Beitrag, der unbedingt zu empfehlen ist), sprach nun der BGH dem Verein einen entsprechenden Regressanspruch gegen den Werfer des Knallkörpers zu.
In Betracht kommt hier ein vertraglicher Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB iVm. mit dem Zuschauervertrag in betracht. Dessen Rechtsnatur kann hier dahingestellt bleiben, da jedenfalls ein solcher Vertrag und eine entsprechende Pflichtverletzung vorliegen. Diese ist auch ohne weiteres zu vertreten.

Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte das Spiel mit einer Dauerkarte besuchte, die ihm lediglich für dieses Spiel von einem Bekannten zur Verfügung gestellt worden war, zumal die Klägerin die unentgeltliche Weitergabe von Dauerkarten für den Besuch einzelner Spiele grundsätzlich gestattet. Dann mag zwar die Hauptleistungspflicht des Zuschauers (Zahlung des Entgelts) in Person des Dauerkarteninhabers entstanden und durch diesen auch bereits erfüllt worden sein. Der Beklagte, der das Recht des Dauerkarteninhabers auf Besuch des konkreten Spieles in Anspruch genommen hat, ist jedoch für das betreffende Spiel in die weiteren Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag eingetreten.

Die Pflichtverletzung knüpft sowohl an einen Verstoß gg. die Stadionordnung als auch gegen sonstige Rücksichtnahmepflichten an.
Fraglich ist allein, ob ein kausaler Schaden eingetreten ist.
Ein Schaden ist zunächst jedenfalls in Höhe von 30.000 € eingetreten. Diesen ermittelt der Verein (rechnerisch richtig) wie folgt:

 Aus der verhängten Gesamtgeldstrafe in Höhe von 50.000,00 EUR und der Bewährungsauflage in Höhe von 30.000,00 EUR ergebe sich zunächst ein Gesamtschaden in Höhe von 80.000,00 EUR. Auf die Bewährungsauflage sei anzurechnen ein Betrag von 19.961,66 EUR, den die Klägerin bereits vor dem streitgegenständlichen Urteil für die Anschaffung eines Kamerasystems aufgewendet habe und den der DFB auf die Bewährungsauflage angerechnet habe. Hiernach ergebe sich ein verbleibender Schaden der Klägerin in Höhe von 60.038,34 EUR. Hiervon habe der Beklagte entsprechend seines Anteils am ursprünglichen Gesamtschaden 50 % (30.019,17 EUR) zu tragen, da die aufgrund seines Verhaltens vom DFB ausgeurteilte Einzelstrafe von 40.000,00 EUR die Hälfte des ursprünglichen Gesamtschadens von 80.000,00 EUR ausmache. Von dem so ermittelten Betrag von 30.019,17 EUR macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage einen Teilbetrag von 30.000,00 EUR geltend.

Fraglich bleiben allein Kausalität und objektive Zurechnung.
Eine Kausalität im Sinne der conditio-sine-qua-non-Formel lag unproblematisch vor. Das OLG Köln lehnt aber die objektive Zurechung mangels Schutzzweckzusammenhangs ab.

Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfällt nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten.
Nach der Lehre vom Schutzzweck besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzen Norm fällt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, vor § 249 Rn. 29 m.w.N.). Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Der Schaden muss auch gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein.

Der OLG unterscheidet hier zwischen dem Verletzungsschaden und der Verbandsstrafe. Ersteres wäre zurechenbar, letzteres nicht.

Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen ist die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Zuschauer, Organisationspersonal und Spieler sind durch die mit dem Feuer und der Explosion verbundenen Gefahren gleichermaßen bedroht (vgl. OLG Frankfurt, 3 U 140/10, Urteil vom 24.02.2011). Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage hat sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert hat sich hierin vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen hat und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden kann (§ 44 der Satzung des DFB, §§ 1 Abs. 4, 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Diese Gefahr hat jedoch die Klägerin selbst durch ihre Mitgliedschaft im DFB begründet.

Anders nun der BGH. Er legt dar:

dass jeden Zuschauer die Verhaltenspflicht trifft, die Durchführung des Fußballspiels nicht zu stören. Verstößt er hiergegen durch das Zünden und den Wurf eines Knallkörpers, hat er für die daraus folgenden Schäden zu haften und sie zu ersetzen. Das gilt auch für eine dem Verein wegen des Vorfalls auferlegte Geldstrafe des DFB. Sie ist kein nur zufällig durch das Verhalten verursachter, hiermit nicht mehr in einem inneren Zusammenhang stehender Schaden. Vielmehr wird sie gerade wegen der Störung durch den Zuschauer verhängt. Auch die Regeln des Verbandes dienten wie die Pflichten des Zuschauervertrags der Verhinderung von Spielstörungen.

Der Schutzzusammenhang wird damit weiter gefasst als vom OLG. Auch wenn die genaue Begründung noch aussteht, zeigt sich hier eine weniger strenge Sichtweise als beim OLG. Entscheidend für den BGH ist der innere Zusammenhang des Wurfs zur Verbandsstrafe, sodass eine Zurechenbarkeit bejaht wird.
Ob der BGH ergänzend auch § 823 Abs. 1 und 2 BGB prüfte, ist der Pressemitteilung nicht zu entnehmen. Das OLG verneinte einen entsprechenden Anspruch.

Ein Anspruch folgt nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Vermögen ist nicht unmittelbar geschützt. Soweit die Klägerin einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb unterhält, fehlt es dem Zünden des Knallkörpers durch den Beklagten jedenfalls an der erforderlichen Betriebsbezogenheit. Hierzu müsste sich der Eingriff nach objektivem Maßstab spezifisch gegen den betrieblichen Organismus oder die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 74. Aufl., 2015, § 823 Rn. 135). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Auch eine Haftung des Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG kommt nicht in Betracht. Das SprengG umfasst nicht den Schutz des Vereins vor Verbandsstrafen des DFB. Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist eine Rechtsnorm, die nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen.

Jedenfalls bei § 823 Abs. 2 BGB ließe sich bei Übertragung der obigen Wertung Abweichendes vertreten.
Zuletzt wäre noch § 826 BGB zu prüfen.

Schließlich ist auch eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin durch den Beklagten im Sinne des § 826 BGB zu verneinen. Es fehlt an einem Schädigungsvorsatz des Beklagten. Hierzu gehört, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Schadensfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen hat.

III. Examensrelevanz
Die Examensrelevanz ergibt sich fast schon von selbst: Fußball ist ein beliebter Bereich (auch bei Prüfern), die Normen gehören zum Standardrepertoire und OLG und BGH divergieren in ihren Entscheidungen. Ferner fordert der Fall eine eigenständige Argumentation. Um diesen Fall sollte keinesfalls ein Bogen gemacht werden. Das Schadensrecht darf in der Klausur keinesfalls unterschätzt werden. Ansonsten drohen 3 Punkte: Im Fußball mag das optimal sein, im Examen gilt es dies aber auf jeden Fall zu vermeiden.

22.09.2016/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-09-22 15:43:262016-09-22 15:43:26BGH: Sieg für den 1. FC Köln – Zuschauer haftet ggü. Verein für Verbandsstrafe nach Knallkörperwurf
Tom Stiebert

Bayer Leverkusen bekommt Schadensersatz wegen Verletzung eines Spielers

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Folgende Meldung wird in den Medien in den letzten Tagen verbreitet: Der Bundesligist Bayer Leverkusen hat gegen zwei Anhänger des 1. FC Köln einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100.000 Euro erhalten. Hintergrund war, dass die beiden Fans den Spieler Michael Kadlec vor knapp 2 Jahren bei einer Schlägerei das Nasenbein gebrochen hatten und dieser damit mehrere Wochen vom Spielbetrieb ausfiel.
Nun stellt man sich die Frage, woraus dieser Anspruch resultiert:

  • Unproblematisch hat der Spieler gegen die Schläger einen Anspruch aus § 823 Abs.1 und Abs. 2 BGB der sich sowohl auf die Erstattung der materiellen Schäden (Behandlungskosten etc.) – vgl. § 249 BGB – als auch auf immaterielle Schäden (§ 253 Abs. 2 BGB) bezieht.
  • Ein Anspruch des Vereins gegen die Schädiger ist hingegen schwieriger. Zwar liegt hier auch ein Schaden vor (Ausfall des Spielers als Arbeitnehmer; Weitergewährung des Lohns § 3 EFZG) eine Verletzung eines von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts ist aber problematisch, da insbesondere ein Eingriff in den Gewerbebetrieb hier wohl an der Betriebsbezogenheit scheitert.
  • Aus diesem Grund enthält § 6 EFZG eine Spezialnorm. Hier liegt ein gesetzlicher Forderungsübergang vor. Der Schädiger soll durch die Entgeltfortzahlung nicht privilegiert werden. Obwohl der Arbeitnehmer also keinen Verdienstausfall hat, wird ein solcher als Schaden angesehen und geht dann aber direkt auf den Arbeitgeber über. Anspruchsgrundlage ist damit hier § 6 EFZG iVm. § 823 Abs. 1 und 2 BGB.

Die Prüfung dieses Falles eignet sich sehr gut für eine mündliche Prüfung, da Bekanntes und unbekanntes verknüpft wird.
Der Fall lässt sich auch noch modifizieren: Ein Spieler wird während eines Fußballspiels von seinem Gegner verletzt und fällt dadurch länger aus. Hat auch hier der Verein einen Anspruch gegen den foulenden Spieler? Dies wäre nach dem eben Gesagten dann zu bejahen, wenn der Spieler selbst gegen den ihn foulenden Spieler einen Anspruch insbes. aus § 823 Abs. 1 und 2 BGB hätte. Hier ist zwischen den verschiedenen Formen des Foulspiels zu unterscheiden; eine Haftung kommt allein bei grob regelwidriger Spielweise in Betracht. Die Grenzen sind hier aber fließend.

  • Siehe zur Haftung bei Foulspiel unseren ausführlichen Beitrag

 

25.03.2014/14 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2014-03-25 18:04:092014-03-25 18:04:09Bayer Leverkusen bekommt Schadensersatz wegen Verletzung eines Spielers
Tom Stiebert

Strafbarkeit einer Hooliganschlägerei

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In Köln kam es am gestrigen 18.1.2014 zu einer folgenschweren verabredeten Massenschlägerei zwischen verfeindeten Fußballhooligans von Schalke 04, 1. FC Köln und Borussia Dortmund. Anlässlich des Freundschaftsspiels Köln gegen Schalke verabredeten sich die Hooligangruppen zu einer Schlägerei am zentralen Rudolfplatz. Hier kam es dann am Nachmittag unter Beteiligung von 200-300 Personen zu einer Schlägerei, bei der einer der Beteiligten (wohl durch einen Schlag gegen den Kopf) schwere Verletzungen erlitten hat und zeitweise in Lebensgefahr schwebte (siehe Artikel).
In einer mündlichen Prüfung konnte dieser Fall sehr gut herangezogen werden, um die Strafbarkeit des oder der möglichen Täter abzufragen. Hier zeigen sich diverse Probleme und Szenarien.
I. Täter klar ermittelbar
1. Mögliche Strafbarkeit
Ist der Täter, der den entscheidenden Schlag ausgeführt hat ermittelbar, so muss die Frage des Zurechnungs von Verhalten Dritter und damit von Täterschaft und Teilnahme nicht geklärt werden.
Hier kommt eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlagwerkzeug als gefährliche Waffe) und Nr. 5 (bei Schlägen gegen den Kopf ist im Regelfall von einer abstrakten Lebensgefährdung auszugehen; hier ohnehin schon konkrete Lebensgefahr) in Betracht. Ein hinterlistiger Überfall (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) scheidet hingegen aus; von einer planmäßigen auf Verdeckung ausgerichteten Tatbegehung kann bei einer geplanten Schlägerei gerade nicht ausgegangen werden. Dagegen ist eine gemeinschaftliche Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wohl anzunehmen. Erforderlich ist hier gerade nicht, dass mehrere Beteiligte die Verletzungen tatbestandlich herbeiführen. Aktive Beihilfe wäre bereits ausreichend, das Opfer muss mehreren Beteiligten gegenüberstehen. Davon ist je nach Fallgestaltung auszugehen.
Angeprüft werden kann auch eine schwere Körperverletzung, wobei im Sachverhalt keine entsprechenden Voraussetzungen ersichtlich sind.
Relevanter ist hingegen die Prüfung des versuchten Totschlags, bzw. sogar versuchten Mordes (§§ 211, 212, 23 StGB). Ein entsprechender Eventualvorsatz liegt hier nicht völlig fern, kann aber auch nach der sog. Hemmschwellentheorie gut vertretbar abgelehnt werden. Hier kommt es auf gute Argumentation an. Schwieriger ist dagegen die Prüfung der Morderkmale: In Betracht kommen niedrige Bewegründe und gemeingefährliche Mittel. Von einem gemeingefährlichen Mittel ist dann auszugehen, wenn das konkrete Tatmittel üblicherweise zu einer Gefährdung von mindestens 3 Personen führt. Zwar erfolgte die Schlägerei hier an einem belebten Platz, konkretes Tatmittel waren aber die Schläge gegen das Opfer. Der Begriff des Mittels ist restriktiv auszulegen, sodass es nicht genügt, dass durch die Schlägerei an sich auch anderen Unbeteiligten Gefahr droht. Insofern muss dieses Mordmerkmal abgelehnt werden. Somit verbleiben allein niedere Beweggründe (sittlich auf tiefster Stufe stehend). Hier kommt es auf die konkrete Motivlage des Täters an: Will er sein Opfer nur töten, weil er Fan einer anderen Mannschaft ist, kann im Ergebnis der niedere Beweggrund bejaht werden. Dennoch ist hier eine sorgfältige Prüfung nötig. Zu vorschnell darf ein Mordmerkmal nicht bejaht werden.
Leichter zu bejahen ist hingegen die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruch bzw. schwerem Landfriendensbruch nach §§ 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2; 125a Nr. 2 und 3 StGB. Im Gegensatz zu § 224 StGB bedarf es aber einer (hier vorliegenden) konkreten Todesgefahr.
Ergänzend kommt auch noch eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB) in Betracht. Ist der Tatbestand hier unproblematisch zumindest dann erfüllt, wenn das Opfer tatsächlich eine schwere Gesundheitsschädigung davonträgt, so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieses Delikts zur Körperverletzung. Nach h.M. liegt hier Tateinheit vor, da von § 231 StGB noch weitere Rechtsgüter als von § 223, 224 StGB geschützt seien (BGHSt 33, 100, 104; BGH Urt v 21.8.2008 – 3 StR 236/08; NStZ-RR 2009, 309, 310;). Eine Gesetzeskonkurrenz kommt nur dann in Betracht, wenn dieser Unrechtsgehalt des § 231 StGB (also die Gefährdung Dritter) mit in §§ 223, 224 StGB aufgeht. Dies soll nur bei Schlägereien mit wenigen Beteiligten erfüllt sein (BeckOK/Eschelbach, § 231 StGB, Rn. 25) – hier also offensichtlich nicht.
2. Problem: Einwilligung des Opfers
Schnell zeigt sich aber ein weiteres Problem: Das Opfer hat sich hier bewusst an der Schlägerei beteiligt und könnte damit zumindest in die Körperverletzungen eingewilligt haben, sodass eine Strafbarkeit hierfür nicht in Betracht kommt. Die Tat könnte somit nach den Grundsätzen der Einwilligung (in den Grenzen des § 228 StGB) gerechtfertigt sein. Von der Wirksamkeit der Einwilligung an sich muss hier – mangels abweichender Anhaltspunkte – ausgegangen werden. Fraglich ist aber, ob die Wirksamkeit aufgrund einer möglichen Sittenwidrigkeit ausgeschlossen ist. Entscheidend für den BGH ist dabei insbesondere der Grad der Gefährdung des Opfers; aufgrund des besonders bedeutsamen Lebensschutzes (vgl. auuch § 216 StGB) kommt eine Einwilligung zumindest in lebensgefährdende Behandlungen nicht in Betracht (BGHSt 49, 34, 42 = NJW 2004, 1054, 1055; BGHSt 49, 166, 170 f = NJW 2004, 2458, 2459 f; BGH NStZ 2013, 342, 343). Gerade bei Körperverletzungen im Rahmen von Massenschlägereien verneint der BGH eine Rechtfertigung zudem generell mit folgender Begründung:

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der 1. Strafsenat deutlich gemacht, dass, jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen, § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten ist.

Aus diesen Gründen wäre auch im konkreten Fall eine Einwilligung für die Strafbarkeit unerheblich. Siehe zu dieser Thematik unseren ausführlichen Beitrag.
 
II. Täter nicht klar ermittelbar
Schwieriger wird der Fall dann noch, wenn der konkrete Tatbeitrag des mögliche Täters nicht nachweisbar ist, sondern nur dessen Teilnahme an der Schlägerei nachweisbar ist.
Hier erhält § 231 StGB größere Bedeutung. Allerdings muss dazu der Tod oder die schwere Körperverletzung des Opfers eintreten. Insofern hängt diese Strafbarkeit davon ab, ob das Opfer durch den Angriff Folgen nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB erleidet.
Hingegen scheidet eine Täterschaft bei der Körperverletzung bzw. der versuchten Tötung nach dem Grundsatz in dubio pro reo aus, da nicht erwiesen werden kann, wer für die konkrete Verletzungshandlung verantwortlich war. Auch über den Umweg der Wahlfeststellung lässt sich eine Strafbarkeit nicht begründen. Selbst wenn feststehen würde, dass der Beschuldigte entweder Täter oder Teilnehmer (Beihilfe) gewesen ist (was hier schon äußerst fraglich ist, da die Voraussetzungen einer (psychischen) Beihilfe hier nicht ersichtlich sind), ist zwischen diesen Alternativen eine Wahlfeststellung aufgrund des Unterschieds im Unrechtsgehalt nicht möglich. Eine Strafbarkeit zumindest wegen Körperverletzung erfordert hier zumindest, dass eine konkrete Verletzungshandlung nachweisbar ist. Dies dürfte im Einzelfall schwer nachzuweisen sein.
 
III. Fazit
Der Fall eignet sich perfekt für die mündliche Prüfung. Hier können diverse – hier teilweise nur kurz angedachte – Probleme des Strafrechts geprüft und vertieft werden. Bekannst sein sollte in diesem Zusammenhang zumindest die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit der Einwilligung in eine Körperverletzung. Die weiteren Fragen (insbesondere auch aus dem Bereich Täterschaft und Teilnahme) lassen sich gut mit allgemeinem juristischen Verständnis lösen.
Man erkennt aber sehr gut, dass ein vermeintlich überschaubarer Fall eine Vielzahl an Problemen beinhalten kann.

19.01.2014/8 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2014-01-19 16:17:312014-01-19 16:17:31Strafbarkeit einer Hooliganschlägerei
Redaktion

Spende an lebensdurst-ICH e.V.

Startseite, Verschiedenes

Am 22. August 2013 hatten wir von juraexamen.info die Möglichkeit einen (symbolischen) Scheck in Höhe von 1000€ an den Verein lebensdurst-ICH in Köln zu überreichen. Die Gesamtsumme, die wir im Rahmen unseres Spendenprojekts erreicht haben, beträgt damit 31.750 Euro.
Die Übergabe des Schecks erfolgte anlässlich eines von lebensdurst-ICH monatlich in der Uniklinik Köln durchgeführten (Patienten)Cafes für junge Leute mit lebensbedrohlichen Erkrankungen.

Scheck

Scheckuebergabe

Cafe

Lebensdurst-ICH e.V. ist ein vor einem Jahr in Köln von Studenten gegründeter Verein für junge Menschen mit lebensbedrohlichen Erkrankungen. Sie wollen den Betroffenen zur Seite stehen und ihnen dabei helfen, den Lebensdurst aufrecht zu halten! Lebensdurst-ICH e.V. sucht nach weiteren Mitgliedern, die den Verein im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen möchten – egal ob durch eine Mitgliedschaft, Spenden, Teilnahme an gemeinsamen Aktionen oder Ähnlichem. Weitere Infos erhaltet ihr unter www.lebensdurst-ich.de oder einfach anmailen unter info@lebensdurst-ich.de
Wir freuen uns über das wachsende Interesse an Juraexamen.info, ohne das eine Unterstützung von solchen Projekten nicht möglich wäre, und hoffen auch weiterhin auf Eure/Ihre Treue!
Das Team des Juraexamen.info e.V.

27.08.2013/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-08-27 14:45:472013-08-27 14:45:47Spende an lebensdurst-ICH e.V.
Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag “Verbundene Verträge“

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.
Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.
Der heutige Beitrag ist von Fin Habermann und befasst sich mit dem Stichwort „Verbundene Verträge“.
 

Verbundene Verträge

Unter verbundenen Verträgen versteht man die Verbindung eines Vertrages zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung mit einem Darlehensvertrag. Dabei sind die beiden Verträge gemäß § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB dann verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrags dient und beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Verbundene Verträge sind häufig Kauf- oder Werkverträge, aber z.B. auch ein Reisevertrag kann mit einem Darlehensvertrag verbunden werden.
Das Vorliegen verbundener Verträge zieht gemäß §§ 358, 359 BGB besondere Rechtsfolgen wie einen Einwendungs- und Widerrufsdurchgriff nach sich. Außerdem muss der Verbraucher gemäß § 358 Abs. 5 BGB in einer erweiterten Belehrung über die Rechtsfolgen des § 358 Abs. 1 und 2 BGB unterrichtet werden.
Der Zweck der rechtlichen Verknüpfung der beiden Verträge ist der Schutz des Verbrauchers vor Risiken, die ihm durch die Trennung eines wirtschaftlich einheitlichen Vertrages in ein Bargeschäft und einen damit verbundenen Darlehensvertrag drohen.[1]
Typischerweise finden sich verbundene Verträge in Drei-Personen-Verhältnissen. Die Regelungen der §§ 358, 359 BGB finden aber auch Anwendung auf bloße Zwei-Personen-Verhältnisse, also auf Fälle, in denen der Unternehmer und der Darlehensgeber personenidentisch sind. Im Übrigen ist die Anwendbarkeit in § 359a BGB normiert.
 
1. Rechtliche Grundlagen
Die §§ 358, 359 BGB sind mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1. Januar 2002 eingeführt worden und lösen die Regelungen in § 9 Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG), § 4Fernabsatzgesetz (FernAbsG) und § 6 Teilzeit-Wohnrechtegesetz ab. Der Begriff der „verbundenen Geschäfte“ in § 9 VerbrKrG sowie der Begriff der „finanzierten Verträge“ in § 4 FernAbsG wurden somit der einheitlichen Terminologie der „verbundenen Verträge“ zugeführt.
§ 358 BGB dient der Umsetzung der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie), der FinDL-RL 6 VII und der TeilzeitnutzungsR-RL 7. § 359 dient der Umsetzung des Art. 11 II 1 VerbrKrRL 1986.
Durch Art. 1 des Gesetzes vom 24. Juli 2010[2] sind § 358 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB aufgehoben worden. In diesen Vorschriften war vorher ein Ausschluss des Widerrufsrechts geregelt.
Durch Art. 1 des Gesetzes vom 27. Juli 2011[3] sind § 358 Abs. 1 bis 5 dahin geändert worden, dass statt des Verbraucherdarlehensvertrages i.S.d. § 491 BGB jeder mit einem Verbraucher abgeschlossene Darlehensvertrag erfasst wird.
 
2. Wirtschaftliche Einheit
Neben der Voraussetzung, dass das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient, müssten beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden.
Gemäß § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB ist eine wirtschaftliche Einheit insbesondere dann anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert, oder im Falle der Finanzierung durch einen Dritten, wenn sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags der Mitwirkung des Unternehmers bedient.
Der Darlehensgeber bedient sich z.B. der Mitwirkung des Unternehmers bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Darlehensvertrags, wenn der Darlehensvertrag nicht aufgrund eigener Initiative des Darlehensnehmers zustande kommt, sondern weil der Vertreiber bzw. der Vermittler dem Verbraucher zugleich mit dem Waren- oder Dienstleistungsvertrag einen Darlehensantrag des Darlehensgebers vorlegt.[4]
Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn der Darlehensgeber selbst das Grundstück oder das grundstücksgleiche Recht verschafft oder wenn er über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus den Erwerb des Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts durch Zusammenwirken mit dem Unternehmer fördert, indem er sich dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu Eigen macht, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projekts Funktionen des Veräußerers übernimmt oder den Veräußerer einseitig begünstigt, § 358 Abs. 3 Satz 3 BGB.
 
3. Widerrufsrecht
Sind Verträge i.S.d. § 358 BGB miteinander verbunden, ergeben sich einige Besonderheiten bei einem eventuell erklärten Widerruf des Verbrauchers. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers hinsichtlich des Darlehensvertrags kann sich aus § 495 Abs. 1 BGB ergeben. Dagegen kommen für den verbundenen Vertrag mit den § 312 Abs. 1 Satz 1, § 312d Abs. 1 Satz 1 und § 485 Abs. 1 BGB verschiedene Widerrufsrechte in Betracht. Gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Verbraucher bei Ausübung einer dieser Widerrufsrechte an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden. Aufgrund des zivilrechtlichen Trennungsprinzips wirkt sich der Widerruf grundsätzlich nur auf den Vertrag aus, aufgrund dessen das Widerrufsrecht besteht. Damit auch der andere Vertrag seine Wirksamkeit verliert, müsste die auf dessen Abschluss gerichtete Willenserklärung ebenso widerrufbar sein und widerrufen werden.
3.1 Widerrufsdurchgriff
Bei verbundenen Verträgen wird dagegen von § 358 Abs. 1 und 2 BGB angeordnet, dass der Verbraucher bei einem wirksamen Widerruf seiner auf Abschluss eines der Verträge gerichteten Willenserklärung auch nicht mehr an seine auf Abschluss des anderen Vertrages gerichteten Willenserklärung gebunden ist. Der Widerruf der Willenserklärung bzgl. des einen Vertrages erstreckt sich also auch auf die Willenserklärung bzgl. des anderen Vertrages (sog. Widerrufsdurchgriff). Dabei ist in § 358 Abs. 1 BGB der Widerrufsdurchgriff von dem Waren- oder Dienstleistungsvertrag auf den Darlehensvertrag bzw. in § 358 Abs. 2 BGB der umgekehrte Fall geregelt. Bei einem Durchgriff auf den Darlehensvertrag gemäß § 358 Abs. 1 BGB ist nicht das Vorliegen eines Verbraucherdarlehensvertrages gemäß § 491 BGB erforderlich; vielmehr reicht jeder mit einem Verbraucher abgeschlossene Darlehensvertrags aus.[5] Doch muss es sich bei dem Durchgriff nach § 358 Abs. 2 BGB entgegen eines ausdrücklichen Hinweises im Gesetz um einen verbundenen Vertrag mit einem Unternehmer handeln.[6]
Diese Regelung soll sicherstellen, dass der Verbraucher trotz der Nichtinanspruchnahme der Leistung des Unternehmers nicht sinnlos an einem Darlehensvertrag festhalten muss, der nur zur Finanzierung der Leistung des Unternehmers abgeschlossen wurde. Im umgekehrten Fall wird der Verbraucher vor einer finanziellen Überbelastung durch seine Zahlungspflicht gegenüber dem Unternehmer geschützt, da dann der der Finanzierung dienende Darlehensvertrag nicht mehr vorhanden ist. Der Verbraucher soll nicht einmal bei Ausübung des Widerrufsrechts auf die Erstreckung der Widerrufsfolgen auf den verbundenen Vertrag verzichten können. Ihm bleibt dann nur die Möglichkeit, den Vertrag neu abzuschließen.[7]
3.2 Besonderheiten bei Zugang der Widerrufserklärung
Der Verbraucher hat den Widerruf nach § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB gegenüber dem Unternehmer zu erklären. Das kann bei verbundenen Verträgen entweder der Unternehmer, mit dem der Verbraucher den Vertrag über die Ware oder Dienstleistung geschlossen hat, oder der Darlehensgeber sein und hängt von dem jeweiligen Widerrufsrecht ab. Dabei stellt sich die Frage, wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Verbraucher den Darlehensvertrag widerrufen will, den Widerruf aber gegenüber dem Unternehmer des verbundenen Vertrags erklärt. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der einzuhaltenden Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB relevant.
Der Widerruf ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung und muss grundsätzlich demjenigen zugehen, demgegenüber der Widerruf seine Wirkung entfalten soll. Der Unternehmer des verbundenen Vertrages kann aber als Empfangsbote der Widerrufserklärung gegenüber dem Darlehensgeber fungieren. Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden ist oder nach der Verkehrsauffassung als bestellt anzusehen ist.[8] Beim Abschluss des Darlehensvertrages ist der Vermittler als vom Darlehensgeber bestellt anzusehen, wenn Letzterer nicht unmittelbar in Erscheinung tritt.[9]
Willenserklärungen an einen Empfangsboten gehen dem wirklichen Adressaten in dem Zeitpunkt zu, in dem nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge die Weiterleitung an diesen zu erwarten war.[10] Übermittelt nun der Empfangsbote die Willenserklärung verspätet, falsch oder überhaupt nicht, geht dies zu Lasten des Empfängers.[11]
3.3 Rechtsfolgen des Widerrufs
Hat der Verbraucher den Widerruf erklärt, ist er weder an den widerrufenen noch an den verbundenen Vertrag gebunden. Für den widerrufenen Vertrag ergeben sich die Rechtsfolgen direkt aus§ 357 BGB. Für den verbundenen Vertrag ordnet § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB die entsprechende Anwendung von § 357 BGB und im Falle eines bestehenden oder bestandenen Widerrufsrechts gemäß § 312d BGB die entsprechende Anwendung von § 312e BGB an. Die verbundenen Verträge sind nicht als einheitliches Rechtsgeschäft, sondern als selbstständige Verträge zu behandeln. Die Rückabwicklung der beiden Verträge findet also im jeweiligen Leistungsverhältnis statt. Dies gilt im Umkehrschluss aus § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB allerdings nur, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs noch nicht zugeflossen ist.
Gem. § 358 Abs. 4 Satz 2 BGB sind im Falle des § 358 Abs. 1 BGB Ansprüche auf Zahlung von Zinsen und Kosten aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags gegen den Verbraucher ausgeschlossen.
3.4 Eintritt des Darlehensgebers
Wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs oder der Rückgabe in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB. Hierdurch soll eine bilaterale Rückabwicklung zwischen Verbraucher und Darlehensgeber erreicht werden.[12] Anderenfalls müsste der Verbraucher zunächst dem Darlehensgeber den Darlehensbetrag zurückerstatten und dann seinerseits vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Mit dieser Regelung wird insbesondere das Insolvenzrisiko des Verbrauchers, welches er bei einem Kaufpreisrückzahlungsverlangen gegenüber dem Unternehmer hätte, auf den Darlehensgeber, welcher in der Regel eine Bank ist, verlagert.
Es handelt sich dabei um einen Eintritt des Darlehensgebers in das Abwicklungsverhältnis zwischen Verbraucher und Unternehmer, d.h. der Darlehensgeber tritt vollständig an die Stelle des Unternehmers.[13] Obwohl der Wortlaut des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB offen ist, kann von einem bloßen Schuldbeitritt des Darlehensgebers nicht gesprochen werden.[14] Denn dann würden der Darlehensgeber und der Unternehmer gesamtschuldnerisch haften. Wenn dem Verbraucher aber die Wahl zwischen zwei Schuldnern bliebe, müssten dem Unternehmer, der durch einen Schuldbeitritt des Darlehensgebers von seinen Pflichten nicht befreit würde, seine Rechte gegenüber dem Verbraucher erhalten bleiben. Es käme damit zu einer Aufspaltung des Rückabwicklungsverhältnisses gegenüber verschiedenen Personen und liefe so dem Zweck des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB zuwider.[15]
Als Voraussetzung für diesen Schuldeintritt muss dem Unternehmer das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen sein. Das Darlehen ist dann zugeflossen, wenn der Verbraucher seine Verpflichtung gegenüber dem Unternehmer erfüllt hat, d.h., wenn eine Auszahlung oder Gutschrift an den Unternehmer erfolgt ist.[16]
Ist der Darlehensgeber in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag eingetreten, kann der Verbraucher von diesem zum einen die auf das Darlehen schon erbrachten Teilleistungen zurückverlangen, zum anderen aber auch die Rückgabe einer aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleisteten Anzahlung verlangen. Der Darlehensgeber kann dagegen vom Verbraucher nicht gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 und §§ 346 ff. BGB die Rückzahlung des Darlehens verlangen. Eine Leistung übers Eck soll gerade nicht stattfinden. Hier muss sich der Darlehensgeber an den Unternehmer gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Durchgriffskondiktion) oder gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 analog BGB wenden.[17]
Der Darlehensgeber erhält durch den Eintritt in die Schuld des Unternehmers aber spiegelbildlich einen Anspruch gegen den Verbraucher auf Rückgabe und Übereignung der Ware.[18] Dieser Anspruch verfolgt den Zweck, dem Darlehensgeber seinen Rückgriffsanspruch gegenüber dem Unternehmer durch die Kaufsache abzusichern. Wenn der Verbraucher die Ware nun schon dem Unternehmer gegeben hat, steht dem Darlehensgeber gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 und den §§ 348, 320 BGB gegenüber dem Verbraucher ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der gezahlten Darlehensraten zu. Der Darlehensgeber kann so lange die Rückzahlung verweigern, bis er die Ware erhält oder die Darlehensvaluta vom Unternehmer zurückerhält, da dann sein Sicherungsinteresse wegfallen würde.
 
4. Einwendungsdurchgriff
Bei den beiden verbundenen Verträgen handelt es sich um zwei rechtlich selbstständige Verträge (sog. Trennungsprinzip). Mit der Regelung in § 359 BGB findet bei verbundenen Verträgen eine Durchbrechung des Prinzips der Relativität der Schuldverhältnisse statt, indem die Vorschrift den Verbraucher berechtigt, Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag gegenüber dem Darlehensgeber einredeweise geltend zu machen. Ein solcher Einwendungsdurchgriff ist auf die Rechtsprechung zu § 242 BGB zurückzuführen. [19]
4.1 Leistungsverweigerungsrecht des Verbrauchers
Soweit den Verbraucher Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag gegenüber dem Unternehmer, mit dem er den verbundenen Vertrag geschlossen hat, zur Verweigerung seiner Leistung berechtigen würden, steht ihm gemäß § 359 Satz 1 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht bzgl. der Rückzahlung des Darlehens zu. Dadurch geht das Verwendungsrisiko hinsichtlich der Darlehensvaluta im Fall einer Insolvenz des Unternehmers vom Darlehensnehmer auf den Darlehensgeber über. Dieser Übergang rechtfertigt sich darin, dass der Darlehensgeber schon durch die enge Zusammenarbeit mit dem Unternehmer eine gewisse Bereitschaft zur Risikoübernahme zum Ausdruck bringt und er den Verbraucher von seiner Stellung als über die Darlehensvaluta frei Verfügenden verdrängt.[20]
Unter Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag versteht man alle rechtshindernden, -vernichtenden sowie –hemmenden Einwendungen und Einreden, wie z.B. eine erklärte Aufrechnung gemäß § 389 BGB oder ein ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB.[21]
Beispiel: Verbraucher V schließt im Internet mit Unternehmer U einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB über einen Gebrauchtwagen für 20.000 €. U wirbt auf seiner Internetseite damit, dass eine Finanzierung des Kaufpreises durch einen Darlehensvertrag mit der B-Bank (B) möglich sei. Dazu stellt U einen von der B zur Verfügung gestellten Musterdarlehensvertrag zum Download bereit. B bedient sich also zumindest bei der Vorbereitung eines Darlehensvertrages der Mitwirkung des U, so dass eine wirtschaftliche Einheit der beiden Verträge gegeben ist. Desweiteren dient das Darlehen mit der B der Finanzierung des Kaufvertrages mit dem U. Damit sind die beiden Verträge verbunden. V füllt den Darlehensvertrag ordnungsgemäß aus und schickt ihn der B zu. V schließt also mit B einen Verbraucherdarlehensvertrag in Höhe des Kaufpreises gemäß §§ 488, 491 BGB. Die Darlehensvaluta wird direkt von B an U ausgezahlt, woraufhin V von U das Auto erhält. Es stellt sich jedoch heraus, dass das Auto ein Unfallwagen und somit mangelhaft i.S.d. § 434 BGB ist. Eine Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB ist nach § 275BGB unmöglich, so dass V u.a. von U Schadensersatz statt der Leistung wegen Unmöglichkeit gemäß § 311a Abs. 2 S. 1 und § 437 Nr. 3 BGB fordern kann. Mit diesem Anspruch könnte V hinsichtlich des Kaufpreiszahlungsanspruches des U aus § 433 Abs. 2 BGB gegenüber U gemäß § 389 BGB aufrechnen oder aufgrund dieses Anspruchs die Kaufpreiszahlung an U gemäß § 273 BGB verweigern. Wenn V eine dieser Einwendungen aus dem verbundenen Vertrag geltend machen würde, könnte er sie der B gemäß § 359 Satz 1 BGB derart entgegenhalten, dass er die Rückzahlung des Darlehens bei Erlöschen der Kaufpreisforderung dauerhaft, anderenfalls bis zur Zahlung des Schadensersatzes verweigere.
4.2 Verhinderung des Schuldnerverzugs
Außerdem kann der Verbraucher durch sein Leistungsverweigerungsrecht den Eintritt des Schuldnerverzugs abwenden. Der Schuldnerverzug nach § 286 BGB fordert als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Durchsetzbarkeit der fälligen Forderung.[22] Zwar hindert das bloße Bestehen eines nicht dauerhaft bestehenden Leistungsverweigerungsrechts, wie dem aus § 359BGB, die Durchsetzbarkeit einer Forderung nicht,[23] doch wird eine Forderung undurchsetzbar, sobald das Leistungsverweigerungsrecht geltend gemacht wird.
Besonders relevant wird diese Wirkung für eine eventuelle Kündigung des Darlehens durch den Darlehensgeber gegenüber dem Verbraucher nach § 488 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 498 Abs. 1 BGB. Voraussetzung für eine solche Kündigung ist der Verzug des Verbrauchers mit der Zahlung der Darlehensraten gemäß § 286 BGB. Wenn der Verbraucher nun aber sein Leistungsverweigerungsrecht aus § 359 BGB geltend macht, führt dies zur Nichtdurchsetzbarkeit der Darlehensforderung, mit der Folge, dass der Verbraucher nicht in den Verzug gerät. Der Darlehensvertrag könnte dann nicht nach §§ 488 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. 498 Abs. 1 BGB gekündigt werden. Das Leistungsverweigerungsrecht muss aber vor der Kündigungserklärung erklärt werden. Eine Rückwirkung findet nicht statt.[24]
4.3 Ausschluss des Einwendungsdurchgriffs
Von diesem sog. Einwendungsdurchgriff sind gemäß § 359 Satz 2 BGB solche Einwendungen ausgeschlossen, die auf einer zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher nach Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrags vereinbarten Vertragsänderung beruhen. Diese Ausnahme dient dem berechtigten Interesse des Darlehensgebers daran, dass er mit nachträglichen Belastungen bei Abschluss des Darlehensvertrags noch nicht rechnen brauchte. Würde man einen Einwendungsdurchgriff in diesen Fällen zulassen, würde der Darlehensgeber durch dessen Wirkungen belastet, obwohl ein berechtigtes Interesse von Unternehmer- oder Verbraucherseite dem nicht gegenüberstünde. [25]
4.4 Subsidiarität des Einwendungsdurchgriffs
Nach § 359 Satz 3 BGB kann der Verbraucher im Falle eines bestehenden Nacherfüllungsanspruchs gegen den Unternehmer die Rückzahlung des Darlehens erst dann verweigern, wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist.
Eine Nacherfüllung ist fehlgeschlagen, wenn nicht mehr erwartet werden kann, dass sie innerhalb der angemessenen Frist ordnungsgemäß erbracht wird, und es daher sinnlos wäre, mit der Geltendmachung etwaiger Sekundärrechte noch weiter zu warten.[26] Insbesondere gilt im Kaufrecht gemäß § 440 Satz 2 BGB eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.
 
5. Rückforderungsdurchgriff
Die §§ 358, 359 BGB treffen keine speziellen Regelungen hinsichtlich der Rückabwicklung für Fälle, bei denen der verbundene Vertrag nicht wegen eines Widerrufs des Verbrauchers, sondern aus anderen Gründen unwirksam oder erloschen ist, wie z.B. durch Anfechtung oder Rücktritt. Es stellt sich hier die Frage, ob dem Verbraucher trotz des weiterhin wirksamen Darlehensvertrags ein Rückzahlungsanspruch gegen den Darlehensgeber hinsichtlich bereits gezahlter Darlehensraten zugesprochen werden kann.
War der verbundene Vertrag von vornherein nichtig, hat der Verbraucher gegen den Darlehensgeber trotz des weiterhin wirksamen Darlehensvertrages unstreitig einen Anspruch auf Rückzahlung etwaig gezahlter Darlehensraten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 813 i.V.m. § 359 S. 1 BGB.[27] Da die Unwirksamkeit des verbundenen Vertrages schon im Zeitpunkt der Zahlung der Darlehensraten bestand, kann der Verbraucher diese nämlich als dauerhafte Einrede gegenüber dem Darlehensgeber geltend machen.
Wird der verbundene Vertrag aber erst später nach Zahlung etwaiger Darlehensraten durch einen Rücktritt in ein Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 Abs. 1 BGB umgewandelt, werden verschiedene Ansätze vertreten, da in diesem Fall die Voraussetzungen von § 813 BGB nicht gegeben sind.
Der BGH will dem Verbraucher auch bei einem nicht von Anfang an unwirksamen Vertrag einen Rückforderungsanspruch gegen den Kreditgeber in einer analogen Anwendung von § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 und § 357 Abs. 1 BGB einräumen.[28] Ein solcher Rückforderungsdurchgriff wird begründet mit einem umfänglichen Verbraucherschutz. Vor allem soll eine bilaterale Rückabwicklung erfolgen, damit der Kreditgeber das Insolvenzrisiko des Unternehmers und nicht der Verbraucher trage.
Dagegen lehnt eine andere Ansicht einen solchen Rückforderungsanspruch in diesem Fall ab.[29] Der Gesetzgeber habe eben in § 359 BGB nur einen Einwendungsdurchgriff regeln wollen und sich damit bewusst gegen einen Rückforderungsdurchgriff entschieden. § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB sei speziell auf die Situation des Widerrufsrechts zugeschnitten. Dort könne der Darlehensgeber die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Unternehmer hinauszögern, bis klar sei, dass der Verbraucher nicht widerrufen habe. Würde man den Rückforderungsanspruch zulassen, erhöhe sich das Risiko des Darlehensgebers unbillig durch eine Erstreckung auf einen längeren Zeitraum im Rahmen der Mängelgewährleistung. Außerdem gebe es keinen Grund dafür, den Verbraucher bei einem verbundenen Vertrag hinsichtlich seiner Risiken besser zu stellen als bei einem Teilzahlungsgeschäft.[30] Bei einem Teilzahlungsgeschäft kann der Verbraucher sich auch nur an den Leistungserbringer halten und hätte das Insolvenzrisiko zu tragen. Es ist nicht ersichtlich, warum bei einem verbundenen Vertrag der Verbraucher nun einen zweiten, regelmäßig solventeren Schuldner erhalten soll. Der Verbraucher muss sich nach dieser Ansicht also an den Unternehmer, mit dem er den Waren- oder Dienstleistungsvertrag geschlossen hat, halten. Von diesem kann er gemäß § 346 Abs. 1, §§ 323 und 437 Nr. 2 BGB den Kaufpreis zurückverlangen, mit dem er dann das Darlehen zurückzahlen könnte.
 
6. Literatur

  • Peter Bülow/Markus Artz, Verbraucherprivatrecht, 3. Auflage 2011, C.F.Müller, Heidelberg u.a., ISBN 978-3-8114-9792-4.
  • Christoph Godefroid, Verbraucherkreditverträge, 3. Auflage 2008, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-50719-9.
  • Mathias Habersack, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 2 – Schuldrecht Allgemeiner Teil, 6. Auflage 2012, §§ 358-359a BGB, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-61462-0.
  • Sibylle Kessal-Wulf, in: J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Buch 2 – Recht der Schuldverhältnisse, Neubearbeitung 2004, §§ 358 – 359 BGB, Sellier/de Gruyter, Berlin, ISBN 978-3-8059-1002-6.
  • Rüdiger Martis/Alexander Meinhof, Verbraucherschutzrecht, 2. Auflage 2005, C.H.Beck, München, ISBN 978-3-406-50991-6.

 
7. Weblinks

  • Eintrag zu „Vertrag (Verbundene Verträge)“ auf www.lexikon.jura-basic.de
  • Eintrag zu „Verbundene Verträge“ auf www.justiz.nrw.de
  • Eintrag zu „Verbundenes Geschäft/Verbundener Vertrag“ auf www.lexexakt.de/

 
8. Einzelnachweise

[1] Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl. 2013, § 358, Rn. 1.
[2] Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24.7.2010, BGBl. I, S. 977.
[3] Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.7.2011, BGBl. I, S. 1600.
[4] BGH NJW 2003, 2821; 2006, 1788; 2007, 3200; NJW-RR 2008, 1436.
[5] Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 3.
[6] Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 5; Habersack, in: MüKo/Habersack, BGB, Band 2, 6. Aufl. 2012, § 358, Rn. 18.
[7] MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 22 m.w.N.
[8] BSG NJW 2005, 1303 (1304); Palandt/Ellenberger, BGB, § 130, Rn. 9.
[9] BGHZ 131, 66 (71).
[10] BGH NJW-RR 1989, 757.
[11] Palandt/Ellenberger, BGB, § 130, Rn. 9.
[12] BT-Drucks 11/5462, 24.
[13] BGH NJW 2009, 3572 (3574); Palandt/Grüneberg, BGB, § 358, Rn. 21; MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 82; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearbeitung 2004, § 358, Rn. 67; Erman/Saenger, BGB, Band 1, 13. Aufl. 2011, § 358, Rn. 27.
[14] So aber Bülow/Artz/Bülow, Verbraucherkreditrecht, 7. Aufl. 2011, § 495, Rn. 294.
[15] BT-Drucks. 11/5462, 24; BGHZ 131, 66 (73).
[16] BGH NJW 1995, 3386 (3388).
[17] Für eine Durchgriffskondiktion sprechend BGHZ 133, 254 (263); Erman/Saenger, BGB, § 358, Rn. 29; Schulze/Dörner/u.a./Schulze, BGB, 7.Aufl. 2012, § 358, Rn. 13; dagegen eine analoge Anwendung des § 358 Abs. 4 S. 3 BGB befürwortend MüKo/Habersack, BGB, § 358 Rn. 89; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz bei verbundenen Geschäften (§ 9 VerbrKrG), WM-Sonderbeil. Nr. 6/1991, 21.
[18] OLG Düsseldorf NJW 1997, 2056 (2058); MüKo/Habersack, BGB, § 358, Rn. 84; Erman/Saenger, BGB, § 358, Rn. 28.
[19] Palandt/Grüneberg, BGB, § 359, Rn. 1.
[20] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 24.
[21] BGHZ 149, 43; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, § 359, Rn. 7.
[22] Palandt/Grüneberg, BGB, § 286, Rn. 9; Staudinger/Löwisch, BGB, Neubearbeitung 2004, § 286, Rn. 12.
[23] Palandt/Grüneberg, BGB, § 286, Rn. 10 f.; dagegen ist die Forderung schon bei dem bloßen Bestehen einer dauerhaften (sog. peremptorischen) Einrede wie § 214 BGB undurchsetzbar: MüKo/Ernst, BGB, § 286, Rn. 22; ausführlich dazu auch Staudinger/Löwisch, BGB, § 286, Rn. 12 ff.
[24] MüKo/Ernst, BGB, § 286 Rn. 28; Palandt/Grünberg, § 286, Rn. 10.
[25] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 46.
[26] Bamberger/Roth/Faust, BGB, Band 1, 3. Aufl. 2012, § 440, Rn. 32.
[27] BGH NJW 2008, 846; MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 66; Palandt/Grüneberg, BGB, § 359 Rn. 7.
[28] BGH NJW 2003, 2821.
[29] MüKo/Habersack, BGB, § 359, Rn. 75; Staudinger/Kessel-Wulf, BGB, § 359, Rn. 34; Larenz/Canaris, Schuldrecht Besonderer Teil Band II/2, 13. Aufl. 1994, § 68 I 5.
[30] Larenz/Canaris, Schuldrecht BT II/2, § 68 I 5.

28.02.2013/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-28 18:00:312013-02-28 18:00:31Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag “Verbundene Verträge“
Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag „Gesamtschuld“

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.
Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.
Der heutige Beitrag ist von Andreas Theune und befasst sich mit dem Stichwort „Gesamtschuld“.
 

Gesamtschuld

Der Begriff der Gesamtschuld ist ein Rechtsbegriff des deutschen Rechts. Er umschreibt eine Art der Schuldnermehrheit, bei der mehrere Schuldner einem Gläubiger eine Leistung so schulden, dass dieser von jedem Gesamtschuldner die volle Leistung fordern kann, diese jedoch insgesamt nur einmal erhält. Sie ist in den §§ 420 ff. BGB geregelt
 
1. Entstehung der Gesamtschuld
Eine Gesamtschuld kann durch Gesetz oder durch vertragliche Vereinbarung entstehen. Im deutschen Recht wird eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Schuldner an verschiedenen Stellen angeordnet. So haften z.B. mehrere deliktische Schädiger als Gesamtschuldner und zwar gleichgültig, ob sie den Schaden als gemeinsam handelnde Mittäter (§ 830 BGB) oder als unabhängig voneinander handelnde Nebentäter (§ 840 BGB) verursacht haben. § 431 BGB ordnet eine gesamtschuldnerische Haftung an, wenn mehrere eine unteilbare Leistung schulden. Große Bedeutung hat auch § 128 HGB, der anordnet, dass mehrere Gesellschafter einer OHG für Gesellschaftsschulden gesamtschuldnerisch haften. Diese Norm wird auch auf Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft analog angewandt.[1] Weitere wichtige Anordnungen von Gesamtschulden befinden sich in § 613a Abs. 2 , § 769 (Mitbürgen) sowie § 1357 Abs. 1 (Ehegatten) BGB. Neben diesen Fällen gibt es weitere inner- und außerhalb des BGB.
Parteien eines Vertrages können eine Gesamtschuld auch neben den gesetzlich vorgesehenen Fällen vertraglich ausdrücklich vereinbaren. Wenn es an einer gesetzlichen Regelung oder einer ausdrücklichen Reglung fehlt, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob eine Gesamtschuld vorliegt oder nicht. Dabei besteht Einigkeit, dass aus § 421 BGB Mindestbedingungen entnommen werden können, die für das Vorliegen einer Gesamtschuld zwingend erforderlich sind.

  1. Es müssen mehre Schuldner dem Gläubiger eine Leistung schulden.
  2. Der Gläubiger darf von jedem Gesamtschuldner die volle Leistung fordern.
  3. Aber er darf insgesamt die Leistung nur einmal fordern.

Ob neben diesen geschriebenen Voraussetzungen noch andere Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine Gesamtschuld annehmen zu können, ist streitig.
Aktuell besteht jedenfalls Einigkeit darüber, dass der Schuldgrund nicht einheitlich sein muss. So kann ein Gesamtschuldner aus Delikt Schadensersatz schulden, während ein anderer Gesamtschuldner aufgrund einer vertraglichen Pflichtverletzung für dasselbe Interesse haftet.[2]
Weiterhin ist laut Bundesgerichtshof (BHG) nicht erforderlich, dass alle Gesamtschuldner ein identisches Leistungsinteresse vorweisen. Ein Architekt und ein Bauunternehmer haften für vertragliche Pflichtverletzung bezüglich desselben Bauwerks auch dann als Gesamtschuldner, wenn der Bauunternehmer auf Nacherfüllung haftet und der Architekt auf Schadensersatz.[3]
Keine Gesamtschuld besteht dagegen für die herrschende Lehre und die Rechtsprechung, wenn mehrere Schuldner nicht gleichstufig haften. Das Erfordernis der Gleichstufigkeit ersetzt damit die früher von der Rechtsprechung geforderte Zweckgemeinschaft.[4] Gleichstufigkeit ist zu verneinen, wenn einer der Schuldner subsidiär haftet. So sind z.B. Bürge und Hauptschuldner keine Gesamtschuldner, da ein Stufenverhältnis besteht und der Hauptschuldner primär in Anspruch zu nehmen ist.[5] Deshalb sind auch die Gesellschaft und ihre Gesellschafter keine Gesamtschuldner, denn primär haftet die Gesellschaft[6]. Ebenso haftet ein Versicherer lediglich subsidiär für einen vom Versicherten verursachten Schaden. Umstritten ist ob ein Bereicherungsschuldner mit einem Schadensersatzschuldner bzw. einem Geschäftsführer ohne Auftrag gleichstufig haftet.[7]
Dagegen spricht allein die Tatsache, dass ein Gesamtschuldner im Innenverhältnis den Schaden allein tragen muss, noch nicht gegen eine gleichstufige Schuld. So bejahte der BGH die Gleichstufigkeit der Verpflichtungen eines Pferdeverkäufers, der ein mangelhaftes Pferd lieferte, und eines Tierarztes, der diesen Mangel bei seiner Untersuchung nicht erkannte.[8]
Teile der Literatur lehnen das Erfordernis der Gleichstufigkeit jedoch ab[9], da sie das Kriterium nicht für erforderlich halten, um zu sachgerechten Ergebnissen zu kommen. Für das Erfordernis einer Gleichstufigkeit wird angeführt, dass es nur dieses Kriterium ermögliche, die Fälle einer Gesamtschuld von den Fällen des § 255 BGB abzugrenzen. Dieser sichert einem leistenden Schuldner die Abtretung von Ersatzansprüchen gegen Dritte zu, die ihm gegenüber ersatzverpflichtet sind.[10] Außerdem wird angeführt, dass manche Rechtsfolgen einer Gesamtschuld nicht passend erscheinen, wenn ein Schuldner lediglich nachrangig haftet.[11]
Große Bedeutung für die Annahme einer Gesamtschuld im Wege der Auslegung hat § 427 BGB, der eine Zweifelsregel zugunsten der Annahme einer Gesamtschuld bei einer gemeinschaftlichen vertraglichen Verpflichtung enthält. Verpflichten sich also mehrere Schuldner vertraglich gemeinsam zu einer Leistung, ist zunächst durch Auslegung zu ermitteln ob eine Gesamtschuld oder eine andere Form der Schuldnermehrheit gewollt ist. Wenn eine solche Auslegung nicht möglich ist, wird das Vorliegen einer Gesamtschuld vermutet. Die Partei, die das Vorliegen einer Gesamtschuld bestreitet, muss also im Prozess beweisen, dass keine Gesamtschuld vorliegt.
 
2. Abgrenzung der Gesamtschuld von anderen Schuldnermehrheiten 
2.1 Teilschuld 
Von einer Teilschuld ist auszugehen, wenn der Gläubiger zwar mehrere Schuldner besitzt, von diesen aber auch im Außenverhältnis nur den Betrag fordern kann, den der Schuldner auch im Innenverhältnis zu tragen hat. Die Position des Gläubigers ist also signifikant schwächer als bei der Gesamtschuld, da er, um den vollen Betrag zu erhalten, jeden Schuldner verklagen muss und die Insolvenz eines Schuldners zu seinen Ungunsten wirkt.
2.2 Abgrenzung gemeinschaftliche Schuld 
Keine Gesamtschuld liegt auch dann vor, wenn die Leistung nur von allen Schuldnern gemeinsam erbracht werden kann, da der Gläubiger an einer Leistung nur eines Schuldners kein Interesse hat. Wenn ein Gläubiger beispielsweise das gebuchte Konzert einer Musikband besuchen möchte, kann der Sänger alleine die Schuld nicht erfüllen. Somit erscheinen die Regeln der Gesamtschuld unpassend.
2.3 Abgrenzung zur Gesamthandsschuld 
Bei der Gesamthandsschuld schulden die Schuldner nicht jeder für sich im Außenverhältnis, sondern nur als gesamte Hand. Das heißt, dass der Gläubiger Leistung nur von der gesamten Hand verlangen kann. Er kann sich also nicht an einen einzelnen Schuldner halten und von diesem Erfüllung fordern, sondern er muss die Gesamthandsgemeinschaft als Ganzes zur Leistung auffordern.
 
3. Rechtsfolgen der Gesamtschuld
3.1 Verhältnis Gläubiger – Gesamtschuldner 
Im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und seinen Schuldnern führt die Annahme einer Gesamtschuld dazu, dass der Gläubiger von jedem Schuldner volle Erfüllung verlangen kann. Von welchem Gläubiger sich der Schuldner befriedigen lässt, steht in seinem Belieben. Er kann also auch nur den Gesamtschuldner zur Leistung auffordern und gegebenenfalls verklagen, der ihm am solventesten erscheint. Einschränkungen dieses Wahlrechts des Gläubigers bestehen nach herrschender Meinung kaum. Lediglich bei schikanöser Inanspruchnahme eines bestimmten Gläubigers kann eine Korrektur gemäß § 242 BGB erfolgen.[12]
Wenn der Gläubiger von einem Gesamtschuldner die Leistung erhält, erlöschen damit auch die Ansprüche gegen die anderen Gesamtschuldner. Dies gilt auch, wenn der Gläubiger durch Aufrechnung oder andere Erfüllungssurrogate befriedigt wird. Dabei ist zu beachten, dass jeder Gläubiger nur mit einer Forderung aufrechnen kann, die ihm selbst zusteht (§ 422 BGB).
3.2 Gesamtwirkung/ Einzelwirkung
Anders als die Erfüllung, führen Rechtsgeschäfte des Gläubigers mit einem Gesamtschuldner nicht automatisch zu einer Wirkung zugunsten oder zuungunsten der anderen Gesamtschuldner. Vielmehr ist bei einem Erlass der Schuld oder einem Prozessvergleich zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner durch Auslegung zu ermitteln, ob dem Rechtsgeschäft Gesamtwirkung zukommen soll. Nur wenn Gesamtwirkung gewollt war, verliert der Gläubiger seinen kompletten Anspruch auch gegen die anderen Gesamtschuldner. Eine Gesamtwirkung ist beim Erlass gemäß § 423 BGB nur dann anzunehmen, wenn die Umstände des Erlasses darauf schließen lassen, dass der Gläubiger die Schuld allen Gesamtschuldnern erlassen wollte.
Ist keine Gesamtwirkung anzunehmen, ist durch Auslegung zu ermitteln, ob wenigstens eine beschränkte Gesamtwirkung gewollt ist. Eine solche hätte zur Folge, dass der Betrag, den der Gläubiger von den restlichen Gesamtschuldnern fordern darf, um den Betrag zu kürzen ist, der im Innenverhältnis dem Gesamtschuldner zustünde, der vom Erlass profitieren soll.[13]
Wenn die Auslegung auch dieses Ergebnis nicht stützt, hat der Erlass lediglich Einzelwirkung, sodass der Gläubiger weiterhin in der Lage ist, von den restlichen Gesamtschuldnern den vollen Betrag zu fordern. Ein Erlass bedeutet dann lediglich, dass der Gläubiger auf die Inanspruchnahme des begünstigten Gesamtschuldners verzichtet.[14]
Schulden also zwei Gesamtschuldner dem Gläubiger 100 € und ist im Innenverhältnis jeder Gesamtschuldner zu je 50 € verpflichtet und erlässt der Gläubiger dem S1 seine Schuld, so kann er bei Gesamtwirkung des Erlasses auch von S2 nichts fordern. Liegt lediglich beschränkte Gesamtwirkung vor, kann er 50 € fordern, während er bei Einzelwirkung von S2 die vollen 100 € fordern kann.
Der BGH lehnt es auch beim Prozessvergleich ab, eine Vermutung hinsichtlich einer (beschränkten) Gesamtwirkung aufzustellen, sodass der begünstigte Gesamtschuldner den Willen zur (beschränkten) Gesamtwirkung beweisen muss.[15]
§ 424 BGB legt eine Gesamtwirkung hinsichtlich des Gläubigerverzuges fest. Andere Tatsachen, die auf das Schuldverhältnis einwirken, haben gemäß § 425 BGB grundsätzlich Einzelwirkung, soweit sich aus den Umständen des Schuldverhältnisses nichts anderes ergibt.
So wirkt das Verschulden hinsichtlich einer Pflicht aus einem Gesamtschuldverhältnis grundsätzlich nur für den Schuldner, den der Schuldvorwurf trifft. Entsteht aufgrund eines Verschuldens eines Gesamtschuldners also ein Schadensersatzanspruch, muss grundsätzlich nur dieser Gesamtschuldner Schadensersatz leisten. Ergibt sich aus dem zu Grunde liegenden Vertrag allerdings, dass die Gesamtschuldner für ein Verschulden der Anderen einstehen wollten, kann das Verschulden eines Gesamtschuldners zugerechnet werden. So hat der BGH einen Schadensersatzanspruch gegen gesamtschuldnerisch haftende Mitglieder einer Anwaltssozietät bejaht, obwohl lediglich einem Anwalt ein Verschulden nachgewiesen werden konnte.[16]
Auch die Verjährung gesamtschuldnerischer Ansprüche erfolgt lediglich mit Einzelwirkung. So kann z.B. die Verjährung des Anspruches gegen den verklagten Gesamtschuldner S1 durchRechtshängigkeit gehemmt sein, während die Ansprüche gegen weitere Gesamtschuldner während des Prozesses verjähren. Dies zeigt, dass Ansprüche gegen Gesamtschuldner grundsätzlich selbstständig sind und sich im Gegensatz zu akzessorischen Ansprüchen unterschiedlich entwickeln können.
 
4. Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis 
Zahlt ein Gesamtschuldner an den Gläubiger, so steht ihm gemäß § 426 Abs. 1 BGB ein Ausgleichsanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner zu. Der Anspruch ist in der Höhe auf den Anteil zu begrenzen, den jeder Gesamtschuldner im Innenverhältnis zu tragen hat. Dabei geht das Gesetz gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB von einem Anteil nach Köpfen aus. Haften also vier Gesamtschuldner auf einen Betrag von 100 €, so kann der erfüllende Gesamtschuldner von jedem der anderen Gesamtschuldner 25 € verlangen. Häufig ergibt sich aber aus dem Schuldverhältnis eine andere Verteilung. Besondere Bedeutung kommt dabei § 254 BGB zu. Schulden mehrere Schädiger Schadensersatz, richtet sich die Summe des Anteils im Innenverhältnis nach dem Grad des Verschuldens. So ist es auch möglich, dass ein Gesamtschuldner im Innenverhältnis von jeglicher Haftung freizustellen ist.
Bereits vor Zahlung hat jeder Gesamtschuldner gegen die übrigen Gesamtschuldner einen Anspruch auf anteilige Befreiung.
Neben dem Anspruch aus § 426 Abs. 1 BGB erhält der zahlende Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 2 BGB im Wege einer Legalzession den Anspruch des ursprünglichen Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner, soweit er berechtigt ist, bei den anderen Gesamtschuldnern Regress zu nehmen. Auch die Höhe dieses Anspruches ist also auf den jeweiligen Anteil im Innenverhältnis beschränkt. Der Vorteil dieses Anspruches liegt im Übergang aller akzessorischer Sicherheiten des Gläubigers.[17] War der Anspruch des Gläubigers also durch Hypotheken oder Bürgschaften gesichert, so haften die Sicherungsgeber nun auch für die Ausgleichsansprüche des leistenden Gesamtschuldners. Nachteilig für den zahlenden Gesamtschuldner kann sich auswirken, dass die §§ 401 ff. BGB Anwendung finden und sich die anderen Gesamtschuldner auf Einreden gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger berufen können, so dass sie beispielsweise weiterhin mit einer Forderung gegen den Gläubiger aufrechnen können (§ 406 BGB). Auch hinsichtlich der Verjährung bestehen Unterschiede zwischen beiden Ansprüchen.[18]
Wenn einem Gesamtschuldner seine Schuld mit Einzelwirkung erlassen wurde, hindert dies die übrigen Gesamtschuldner nicht, von dem begünstigten Gesamtschuldner Ausgleich in Höhe seines Innenanteils zu nehmen. Es ist dem Gläubiger nicht möglich, einen Gesamtschuldner aus der Innenhaftung zu befreien, da dies einen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen würde.[19] Kommt also einem Erlass oder Vergleich lediglich Einzelwirkung zu, muss der begünstigte Schuldner sich trotzdem am Innenausgleich beteiligen und profitiert so nicht vom vereinbarten Erlass.
 
5. Sonderfall: Gestörte Gesamtschuld 
Unter dem Begriff der gestörten Gesamtschuld wird eine Situation erfasst, in der eine Gesamtschuld nicht entsteht, weil ein potentieller Gesamtschuldner von einer Haftungsprivilegierung profitiert. Haftungsprivilegierungen können aufgrund eines Vertrages oder aufgrund gesetzlicher Regelungen bestehen. So ordnet das Gesetz verschiedentlich eine Haftungsbeschränkung auf den Haftungsmaßstab der eigenüblichen Sorgfalt an. Die Rechtsprechung wählt je nach Art der Haftungsprivilegierung unterschiedliche Lösungen[20], während die juristische Literatur zu einer einheitlichen Lösung tendiert.[21] 

Die Lösung des Problems der gestörten Gesamtschuld ist gesetzlich nicht speziell geregelt. Denkbar sind drei verschiedene Lösungsansätze:
1. Es bleibt bei der gesetzlichen Regelung. Der verbliebene Schuldner muss gegenüber dem Gläubiger voll haften. Der haftungsprivilegierte Schädiger kann vom Gläubiger nicht in Anspruch genommen werden. Diese Lösung wurde vom BGH bei der gesetzlichen Haftungsprivilegierung des § 1664 Abs. 1 BGB zugunsten der dort privilegierten Eltern angewandt. Bei vertraglichen Haftungsprivilegien jedenfalls sieht sich eine solche Lösung jedoch dem Einwand ausgesetzt, dass dem verbliebenen Schädiger seine Regressmöglichkeit genommen würde. Damit wäre die Haftungsprivilegierung zwischen Schädiger und Geschädigtem ein Vertrag zu Lasten Dritter.
2. Eine andere Lösung wäre es, eine Gesamtschuld in einer solchen Situation zu fingieren. Der nicht privilegierte Schädiger könnte dann beim privilegierten Schädiger Rückgriff nehmen. Dieser Rückgriff würde allerdings den Haftungsausschluss bedeutungslos machen, da der privilegierte Schädiger letztlich doch seinen Anteil am Schaden zu tragen hätte.[22] Außerdem stünde der privilegierte Schädiger bei Alleinverursachung des Schadens besser als bei bloßer Mitverursachung, denn wenn er den Schaden alleine verursacht hätte, würde ihm der Haftungsausschluss zugute kommen.[23]
Dieses Ergebnis kann nur dann verhindert werden, wenn dem privilegierten Schädiger wiederum ein Regress beim Geschädigten ermöglicht wird. (sog. Regresskreisel)[24]
3. Schließlich könnte auch der Schadensersatzanspruch des Geschädigten gegen den Schädiger um den Anteil des privilegierten Schädigers am verursachten Schaden gekürzt werden. Somit würde der Haftungsausschluss zu Lasten des Geschädigten wirken. Für diese Lösung wird angeführt, dass der Haftungsausschluss auch bei einer Schädigung nur durch den privilegierten Schädiger zu Lasten des Geschädigten wirken würde und diese Lösung deshalb interessengerecht sei.[25] Problematisch ist jedoch, dass eine solche Lösung dem Gesetz nicht zu entnehmen ist.
 
6. Literaturempfehlungen 

  • Zerres, Thomas: Die Gesamtschuld in, Jura 2008, S. 726 ff.
  • Looschelders, Dirk: Schuldrecht AT, 10.Auflage, Rn. 1194 ff.
  • Wernecke, Frauke: Die Gesamtschuld – ihre Befreiung von irrationalen Merkmalen und ihre Rückführung in die Gesetzessystematik, 1990 zur „gestörten Gesamtschuld“
  • Mollenhauer, Anna-Maria: Das gestörte Gesamtschuldverhältnis, Neue Justiz 2011, 1ff.

 
7. Einzelnachweise

[1] Hopt, in Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35.Auflage 2012.
[2] BGHZ 59, S. 97ff.; Wolf, Gesamtschuld und andere Schuldnermehrheiten, JA 1985, S. 370; Bydlinski, Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, 6.Auflage 2012, § 421, Rn. 10,12.
[3] BGH NJW 1965, S. 1175.
[4] BGH NJW 2007, S. 1208, Rn. 17; Zerres, Jura 2010, S. 728.
[5] Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 2012, Vorbemerkung S. 765, Rn. 16.
[6] Looschelders, Schuldrecht AT, 10.Auflage 2012, Rn. 1195.
[7] Bydlinski, Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch, 6.Auflage 2012, § 421, Rn. 56, 64, 67.
[8]  BGH NJW 2012, S. 1070, Rn. 18.
[9] Wernecke, Die Gesamtschuld, 1989, S. 36 ff.
[10] Zerres, Jura 2010, S. 729.
[11] Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72.Auflage 2013, § 421, Rn. 8.
[12] BGH NJW 2010, S. 861ff., Rn. 31; Zerres, Jura 2008, S. 30.
[13] Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72.Auflage 2013, § 423, Rn. 4.
[14] Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 72.Auflage 2013, § 423, Rn. 3.
[15] BGH NJW 2012, S. 1070, Rn. 20 ff.
[16] BGH NJW 1971, S. 1803.
[17] Zerres, Jura 2008, S. 732.
[18] Weise, NJW Spezial 2011, S. 108.
[19]  Looschelders, Schuldrecht AT, 10.Auflage 2012, Rn. 1201.
[20] BGHZ 103, S. 338; BGHZ 58, S. 216, Rn. 20; BGHZ 54, 177, Rn. 14.
[21] Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23.Auflage 2011, Rn. 934.
[22]  Mollenhauer, NJ 2011, S. 3.
[23] Siehe Fn. 22.
[24]  Looschelders, Schuldrecht AT, 10.Auflage 2012, Rn. 1211.
[25] Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 933.

24.02.2013/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-24 19:03:122013-02-24 19:03:12Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag „Gesamtschuld“
Gastautor

Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Arglistige Täuschung"

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Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.
Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.
Der heutige Beitrag ist von Linda Kamin und befasst sich mit dem Stichwort „Arglistige Täuschung“.

Arglistige Täuschung

Die arglistige Täuschung ist einer der Anfechtungsgründe der §§ 119 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches. Wie bei der Drohung ist das geschützte Rechtsgut – im Gegensatz zur Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB – die Willensentschließungsfreiheit. Sofern eine verübte Täuschung widerrechtlich und kausal für die Abgabe einer Willenserklärung ist und dies vom Vorsatz des Handelnden umfasst ist, kann das gesamte Rechtsgeschäft rückwirkend vernichtet werden. Bei dieser Prüfung ergeben sich rechtsgebietsübergreifende Probleme, sodass die arglistige Täuschung gerade im Staatsexamen sicher beherrscht werden sollte.
 
1. Täuschungshandlung
Die erforderliche Täuschungshandlung meint -wie im Strafrecht – ein Verhalten, das darauf abzielt in einem Anderen eine unrichtige Vorstellung hervorzurufen, zu bestärken oder zu unterhalten.[1] Sie kann durch positives Tun, aber auch durch Unterlassen ausgeübt werden.
 
1.1 Positives Tun 
Positives Tun liegt bei ausdrücklichen oder konkludent wahrheitswidrigen Behauptungen vor, wenn sie sich auf Tatsachen oder wertbildende objektiv nachprüfbare Umstände beziehen. Eine konkludente Täuschungshandlung stellt zum Beispiel das Zurückdrehen des Kilometerstands beim zum Verkauf stehenden PKW dar.[2] Auch präzise Aussagen über die Grundlage der Preisberechnung, so die Behauptung, es handle sich beim deutlich überhöhten Preis um einen ordentlichen, können unter die Täuschungshandlung subsumiert werden, wenn es sich nicht um erkennbar bloß subjektive Werturteile oder überspitzte Anpreisungen handelt.[3] Da eine bezweckte Irreführung des Vertragspartners genügt, ist die Behauptung des Verkäufers, der zwölf Jahre alte Motor sei mehr als drei Jahre alt, ausreichend.[4]
1.2 Unterlassen
Es gilt der Grundsatz der Privatautonomie, aufgrund welchem es geboten ist Rechtsgeschäfte in Selbstverantwortung zu führen. Somit kann jede Partei von ihrem überlegenen Wissen profitieren, ohne dass eine Pflicht zur Offenbarung besteht. Nach der Rechtsprechung kommt es zu einer Durchbrechung dieses Grundsatzes, wenn die Aufklärung nach Treu und Glauben und der Ansicht der Verkehrsauffassung geboten ist und der Vertragspartner daher mit einer Aufklärung der Sachlage rechnen darf.[5] Demnach ist eine Abwägung pflichtbegründender Umstände im Einzelfall vorzunehmen.[6] So wird beispielsweise bei Vertragsverhältnissen, bei denen die Vertragspartner sich erhöhtes Vertrauen entgegenbringen sowie bei laufenden Geschäftsbeziehungen[7] oder sofern eine erkennbare Informationsasymmetrie zwischen dem unerfahrenen Käufer und dem sachkundigen Verkäufer gegeben ist[8], eine umfassendere Aufklärungspflicht angenommen werden können. Allerdings gilt Vorausgenanntes nur, sofern die Umstände für den Vertragspartner nicht erkennbar sind und ohne Aufklärung mit einer Gefährdung des Vertragspartners oder des Vertragszwecks zu rechnen ist. Auf Nachfragen des Käufers ist jedoch in jedem Fall wahrheitsgemäß zu antworten.
 
2. Kausalität
Die Täuschung muss zudem kausal zu einem Irrtum führen, der wiederum kausal für die Abgabe der Willenserklärung sein muss. Dabei ist es bezüglich des Irrtums bereits ausreichend, dass durch die Täuschung falsche Vorstellungen aufrecht erhalten werden. Im Unterschied zu § 119 BGB genügt aufgrund des Schutzzwecks der Norm jeglicher Mangel bei der Willensbildung. Hingegen fehlt es an der Kausalität, wenn der Getäuschte die Täuschung durchschaut hat oder diese bei Vertragsschluss in vollem Umfang[9] offenkundig war. Bezüglich der Abgabe der Willenserklärung ist entscheidend, dass sie derzeit nicht in gleicher Weise abgegeben worden wäre. Es genügt dabei die Mitursächlichkeit der Täuschung für die Erklärungsabgabe.
 
3. Arglist
Anders als beim Betrug nach § 263 StGB wird im Rahmen des § 123 BGB kein Vermögensschaden des Getäuschten verlangt. Folgerichtig braucht es nicht der Absicht den Vertragspartner im Vermögen zu schädigen oder einen Vermögensvorteil zu erlangen. Auch wird keine moralisch verwerfliche Gesinnung gefordert, sodass Arglist auch dann zu bejahen ist, wenn nur das Beste für den Vertragspartner gewollt ist. Die Arglist kann damit mangels eigenständiger Bedeutung mit Vorsatz gleichgesetzt werden. Besondere Aufmerksamkeit ist dennoch „Erklärungen ins Blaue hinein“ zu widmen. Diese, und damit auch der erforderliche bedingte Vorsatz, liegen schon bei blindlings zugesicherten Umständen vor, wenn verschwiegen wird, dass man aufgrund mangelnder Kenntnis zu einer sachgerechten Beurteilung außerstande ist. Die Kenntnis der Unrichtigkeit ist dabei nicht erforderlich. Ein Auto darf demnach nur als nach Angaben vom Vorbesitzer unfallfrei bezeichnet werden, wenn der Verkäufer es nicht selbst untersucht hat.[10]
 
4. Widerrechtlichkeit
Zwar sieht der Wortlaut des § 123 Abs. 1 BGB die Widerrechtlichkeit nur im Rahmen der Drohung vor. Dies liegt jedoch lediglich an der vom Gesetzgeber zu Unrecht angenommenen Tatsache, eine arglistige Täuschung sei stets widerrechtlich. Mithin muss eine teleologische Reduktion vorgenommen und somit die Widerrechtlichkeit geprüft werden. Dies wirkt sich vor allem im Arbeitsrecht aus, da dem Stellenbewerber das Recht zur Lüge zusteht, wenn der Arbeitgeber an der wahrheitsgemäßen Beantwortung einer Frage kein berechtigtes, billigenswertes und schützenswertes Interesse hat[11] und es somit an der Widerrechtlichkeit der Täuschung fehlt. Dies ist der Fall, wenn eine Frage in ungerechtfertigter Weise gegen die Diskriminierungsverbote des § 1 AGG verstößt, weil dann das Verhalten wegen Angriffs auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach § 227 BGB gerechtfertigt ist.
 
5. Person des Täuschenden
5.1 Dritter nach § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB
Wird die Täuschung nicht vom Erklärungsempfänger selbst, sondern von einem Dritten verübt, kann die empfangsbedürftige Erklärung gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 BGB nur angefochten werden, wenn Erstgenannter die Täuschung kennt oder hätte kennen müssen. Letzteres beurteilt sich nach § 122 Abs. 2 BGB, wonach bereits jede Form der fahrlässigen Unkenntnis genügt.
Mangels subsumtionsfähiger Definition ist die Frage, wer als Dritter im Sinne der Norm zu qualifizieren ist, problematisch.
Das Reichsgericht beurteilte zunächst lediglich Stellvertreter und ihnen ähnliche Personen nicht als Dritte.[12] Der Schutz des Getäuschten gebietet es jedoch den Begriff des Dritten restriktiver zu bestimmen. Heute ist demnach in Literatur und Praxis die täuschende Person nicht als Dritter zu bewerten, wenn ihr Verhalten über die Regeln der Stellvertretung hinaus nach § 278 BGB dem Erklärungsgegner zuzurechnen ist. Erfasst werden dabei auch Fälle, in denen die Person zurechenbar nur nach außen hin als Vertrauensperson für den Erklärungsempfänger auftritt, beziehungsweise dem Empfänger näher steht als dem Getäuschten. Damit ist nicht nur der Ehemann, der zu Gunsten seiner Frau die Lebensversicherung täuscht[13], sondern auch der Makler oder Vermittler[14] erfasst, sofern mit Wissen und Wollen nur einer der späteren Parteien Aufgaben übernommen werden. Dritter ist folglich nicht, wer mit Willen des Erklärungsempfängers am Vertragsschluss beteiligt ist und somit seinem Bereich zuzurechnen ist.
Bei der Schuldübernahme nach § 414 BGB ist der nicht am Geschäft beteiligte täuschende Altschuldner demnach als Dritter zu qualifizieren. Kommt es dagegen im Sinne des § 415 BGB zu einer Schuldübernahme, wird der Vertrag zwischen bisherigem und neuem Schuldner geschlossen, wodurch der täuschende Altschuldner aufgrund seiner Beteiligung am Vertrag nicht als Dritter im Sinne der Norm zu bewerten ist. Dennoch soll es aufgrund der vergleichbaren Interessenlage auch in diesem Fall darauf ankommen, ob der Gläubiger die Täuschung durch den Altschuldner kannte oder kennen musste.[15]
Auch im Rahmen der Bürgschaft kann der Schuldner im Verhältnis zum Bürgen nicht als Vertrauensperson des Gläubigers angesehen werden, da er eigene Interessen und nicht die des Gläubigers vertritt und somit kein Erfüllungsgehilfe ist.[16] Mithin ist er ebenfalls als Dritter im Sinne der Norm anzusehen.
5.2 Anfechtung nach §123 Abs. 2 Satz 2 BGB
Zu beachten ist außerdem, dass gemäß § 123 Abs. 2 Satz 2 BGB selbst bei Gutgläubigkeit des Erklärungsempfängers die Anfechtung möglich sein soll, wenn ein anderer aus der Erklärung unmittelbar ein Recht erworben hat und dieser die Täuschung kannte oder kennen musste. Die Anfechtung ist dann ihm gegenüber zu erklären und wirkt auch nur gegen ihn. Es geht vor allem um Verträge zu Gunsten Dritter nach §§ 328 ff. BGB, bei denen durch Täuschung eines unbeteiligten Dritten ein Vierter begünstigt wird.
 
6. Anfechtungserklärung, §143 BGB
Die Anfechtungserklärung im Sinne von § 143 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Aus ihr muss hervorgehen, dass der Anfechtende den Willen hat das Geschäft gerade wegen des Willensmangels nicht bestehen lassen zu wollen. In der Regel ist die Erklärung formlos möglich. Sofern dennoch eine Form vereinbart worden ist, muss diese vom Getäuschten nicht eingehalten werden. Zudem sieht das Gesetz keine Begründungspflicht vor. Allerdings wird gefordert, dass der Anfechtungsgrund aus den Umständen erkennbar sein muss. Der Anfechtungsgegner bestimmt sich nach Maßgabe des § 143 Abs. 2 bis 4 BGB. Besonderheiten ergeben sich gemäß § 143 Abs. 3 Satz 1 BGB bei der Vollmachterteilung nach § 167 BGB. Sofern noch kein Rechtsgeschäft abgeschlossen wurde, bestimmt sich die Person des Anfechtungsgegners unstrittig danach, wer die anzufechtende Erklärung empfangen hat. Entscheidend ist also, ob eine Innen- oder Außenvollmacht erteilt wurde. Ist das Rechtsgeschäft dagegen bereits abgeschlossen, wird teilweise vertreten, dass die Anfechtung der Vollmacht nur gegenüber dem Geschäftspartner erfolgen könne.[17]
 
7. Anfechtungsfrist, §124 Abs. 1 und 2 Satz 1 erste Alternative
Die empfangsbedürftige Willenserklärung ist binnen eines Jahres nach Entdeckung der Täuschung anzufechten, wobei es auf positive Kenntnis, nicht auf den bloßen Täuschungsverdacht ankommt. Ferner wird nicht nach § 121 Abs. 1 Satz 2 BGB auf das unverzügliche Absenden, sondern auf den Zugang der Erklärung gemäß § 130 BGB abgestellt. Teils wird die lange Anfechtungsfrist für ungerecht erachtet, sofern nach § 123 Abs. 2 BGB gegenüber einem Dritten und nicht dem Täuschenden selbst anzufechten ist, sodass nach Ablauf einer vom Anfechtungsgegner gesetzten angemessenen Frist der Getäuschte keine Rechte mehr herleiten können soll.[18] Jedoch ist nicht ersichtlich, warum der Anfechtungsgegner, sofern er die Täuschung kannte oder kennen musste, schutzwürdig sein sollte.[19]
 
8. Ausschluss der Anfechtung
Die Anfechtung ist gemäß § 124 Abs. 3 BGB nach Ablauf von zehn Jahren ab Abgabe der Willenserklärung ausgeschlossen. Zudem kann, wie im Rahmen der §§ 119, 120 BGB, auch bei der arglistigen Täuschung gemäß § 144 Abs. 1 BGB der Anfechtungsberechtigte durch Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts auf seine Rechte verzichten, wenn er Kenntnis des Anfechtungsgrundes hat. Zwar ist die Einhaltung der Form des zugrundeliegenden Rechtsgeschäfts nicht erforderlich, an eine konkludente Bestätigung werden im Rahmen des § 123 Abs. 1 erste Alternative BGB aber hohe Anforderungen gestellt. Auch ein Ausschluss unter Vorbehalt von Treu und Glauben kann wie bei den §§ 119, 120 BGB angenommen werden, sofern die dem Getäuschten erbrachte Leistung zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung nicht mehr beeinträchtigt erscheint. Ein vorheriger Ausschluss der Anfechtung ist, außer wenn im Falle des § 123 Abs. 2 BGB die Täuschung durch Dritte nur hätte bekannt sein müssen, wegen Verstoßes gegen das Recht auf freie Selbstbestimmung nicht möglich.
 
9. Rechtsfolgen
Die Rechtsfolgen bestimmen sich, wie bei der Anfechtung, gemäß §§ 119, 120 BGB nach § 142 BGB. Der schutzwürdige Anfechtende hat somit die Wahl, ob er die Willenserklärung und mit ihr den gesamten Vertrag durch Anfechtung ex tunc vernichtet oder das Rechtsgeschäft gegen sich gelten lässt. Bei in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen, wie im Arbeits- und Gesellschaftsrecht, ergeben sich jedoch Probleme bei der Rückabwicklung nach den Regeln des Bereicherungsrechts, sodass es regelmäßig zu einer vom Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB abweichenden Nichtigkeitsfolge ex nunc kommt.[20] Problematisch ist, ob es beim Vorliegen von arglistiger Täuschung dagegen, mangels Schutzwürdigkeit des Täuschenden, nicht bei der vom Gesetzgeber angeordneten Folge bleiben sollte.
Im Arbeitsverhältnis besteht bei Rückabwicklungen das Problem einer objektiven Bewertung der Arbeitsleistung sowie des rückwirkenden Entfallens von Schutzvorschriften. Allerdings können dem täuschenden Arbeitnehmer die Risiken wohl auferlegt werden, sodass es keinen sachlichen Grund gibt, der die Abweichung von der Gesetzesfolge zu rechtfertigen vermag. Die Rechtsprechung verdeutlicht anhand der Außervollzugsetzung, dass Gesichtspunkte des Arbeitnehmerschutzes nicht zum Tragen kommen.[21] Zumindest bei besonders schweren Mängeln[22] wird stets keine Ausnahme von der gesetzlichen Rechtsfolge vorgenommen.
Im Gesellschaftsrecht wird dagegen eine Auseinandersetzung mit Wirkung für die Zukunft nach Invollzugsetzung trotz Arglist grundsätzlich aus Gründen der Verkehrssicherheit sowie wegen besonderer Rückabwicklungsschwierigkeiten im Außenverhältnis angenommen.[23]
Bei Mietverträgen bleibt es dagegen mangels vergleichbarer Schwierigkeiten im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung bei der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge.[24].
Im Rahmen der arglistigen Täuschung ist zudem besonders hervorzuheben, dass zumeist das schuldrechtliche und das dingliche Geschäft an demselben Willensmangel leiden und somit beide anfechtbar sind. Diese Fehleridentität kann freilich nicht als eine Durchbrechung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips gewertet werden, weil die danach vorzunehmende strikte Trennung dieser Geschäfte nicht vom Durchschlagen des Mangels berührt wird.[25] Beachtlich ist ferner, dass die gemäß § 122 BGB vorgesehene Schadensersatzpflicht aufgrund der systematischen Stellung des Gesetzes nicht auf die Arglistanfechtung anzuwenden ist.
 
10. Konkurrenzen
Nach der Geltendmachung des § 119 BGB bleibt eine Berufung auf § 123 BGB möglich. Auch die Gewährleistungsrechte, die – anders als im Verhältnis zu § 119 BGB – kein lex specialis sind, können wahlweise geltend gemacht werden. Wird aber zunächst wirksam angefochten, fehlt es an einem für die §§ 437 ff. BGB erforderlichen gültigen Vertrag, sodass diese ausgeschlossen sind. Eine Geltendmachung genannter Rechte ist hingegen weder als konkludenter Verzicht noch als eine Bestätigung im Sinne des § 144 Abs. 1 BGB zu werten. Ein Anspruch aus culpa in contrahendo (c. i. c.) soll neben der erfolgten Anfechtung erhalten bleiben. Kritisch ist dies jedoch, sofern der Anspruch auf Beseitigung des Vertrags gerichtet ist, da bereits Fahrlässigkeit zur Anspruchsbegründung bei der c. i. c. ausreicht und die Frist nach § 124 BGB durch die dann geltende dreijährige Verjährungsfrist unterlaufen würde. Die von der Rechtsprechung erfolgte Einschränkung, nach der die Vertragsaufhebung nur gefordert werden könne, sofern ein Vermögensschaden zu bejahen sei[26], löst die Wertungswidersprüche nicht, zumal ein Vermögensschaden regelmäßig schon bei Abschluss eines nicht gewollten Vertrags vorliegt. Eine Vermeidung von Wertungswidersprüchen kann herbeigeführt werden, indem bei fahrlässigem Handeln der Anspruch aus c. i. c. auf Vertragsaufhebung nur in den Grenzen des § 121 BGB analog und bei Vorsatz in den Grenzen des § 124 BGB analog zugelassen wird.[27] Ferner wird vertreten, dass neben der Anfechtung gemäß § 123 BGB die Grundsätze der c. i. c. nur anwendbar bleiben, wenn der Anspruch nicht auf Aufhebung des Vertrags gerichtet ist.[28]
 
11. Weiterführende Literaturhinweise

  • Martens: Zur Abgrenzung der §§123 I und II 1 BGB JuS 10/2005, S. 887 ff.
  • Strick: Die Anfechtung von Arbeitsverträgen durch den Arbeitgeber NZA 2000, S. 695- 700
  • Lorenz: Vertrauensschaden des Wohnungskäufers bei Verschweigen der Sozialbindung und falschen Finanzierbarkeitsangaben- was schützt die culpa in contrahendo? NZM 1998, S. 359 ff.
  • Olzen/ Wank: Zivilrechtliche Klausurenlehre 7. Auflage, 2012: Falllösung „Verheimlichte Schwangerschaft“, Rn. 226 ff.
  • Schubert, AcP 168 (1968), 470 ff.

 
12. Einzelnachweise

[1] Flume, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Band, 3. Auflage 1979, §29/1.
[2] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 450.
[3] BGHZ 169, 109 (115); Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 3.
[4] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 28.
[5] RGZ 111, 233 (234).
[6] BGH NJW 1983, 2493 (2494).
[7] Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 8.
[8] BGHZ 47, 208 (210); MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 33.
[9] BAG NZA 1998, 33 (34).
[10] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 454.
[11] BAGE 51, 167 (172).
[12] RGZ 72, 133 (135).
[13] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 458.
[14] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1-240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 64; BGH NJW 2001, 358 (358 f.).
[15] Soergel/Hefermehl, Band 2 §§104- 240, 1999, §123, Rn. 38; Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123; 130- 133, 2012, §123, Rn. 63; aA: BGHZ 31, 321 (324 ff.); RGZ 119, 418 (421).
[16] NJW- RR 1992, 1005 (1006); Medicus/Petersen, BR 23. Auflage 2011, §6, Rn. 149; aA: noch BGH NJW 1962, 1907 (1907 f.).
[17] Staudinger/Roth, Buch 1 AT §§134- 163, 2003, §143, Rn. 35; aA: Larenz/Wolf, AT des Bürgerlichen Rechts, 9. Auflage 2004, §44, Rn. 32; Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, §143, Rn. 6.
[18] Flume, Allgemeiner Teil des BGB, 2. Band, 3. Auflage 1979, §27/3.
[19] Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123, 130- 133, 2012, §124, Rn. 1.
[20] BAGE 5, 159 (161); BGHZ 3, 285 (287f.); Palandt/Ellenberger, 72. Auflage 2013, §119, Rn. 5.
[21] BAG NZA 1999, 584 (586); BGH NJW 1984, 646 (647).
[22] BAG NZA 2005, 1409 (1410).
[23] BGHZ 13, 320 (323 f.); 55, 5 (8).
[24] BGHZ 178, 16 (27).
[25] Bork, Allgemeiner Teil des BGB, 3. Auflage 2011, §13, Rn. 482.
[26] BGH NJW- RR 2002, 308 (310); NJW 1998, 302 (304); ebenfalls Schubert, AcP 168 (1968), 470 (504 ff.).
[27] MüKomm/Armbrüster, Band 1 AT §§1- 240, 6. Auflage 2012, §123, Rn. 91; Staudinger/Singer, von Finckenstein, Buch 1 AT, §§90- 123; 130- 133, 2012, §123, Rn. 101; in den Grenzen des §124 BGB analog: OLG Hamm NJW- RR 1995, 205 (206); Fleischer, AcP 200 (2000), 91 (119).
[28] Brox/ Walker, Allgemeiner Teil des BGB, 36. Auflage 2012, §19, Rn. 463.

 

 

 

24.02.2013/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-24 18:00:562013-02-24 18:00:56Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Arglistige Täuschung"
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Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Abtretung"

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Liebe Leser von juraexamen.info, vor einiger Zeit haben wir Euch auf das Seminar „Examenswissen auf Wikipedia“ der Universität zu Köln (Kompetenzzentrum für juristisches Lehren und Lernen; Prof. Dauner-Lieb) hingewiesen, das von Frau Professor Dauner-Lieb und Herrn Tobias Lutzi betreut wurde.

Wir freuen uns heute und in den nächsten Tagen einige sehr gelungene Beiträge hiervon auf unserer Seite veröffentlichen zu können. Sämtliche hier veröffentlichten Beiträge werden in der nächsten Zeit in ähnlicher Form auch auf wikipedia erscheinen. Eine Übersicht über alle Beiträge werden wir, wenn diese vorliegt, hier auch noch veröffentlichen.

Der heutige Beitrag ist von Vera Eickhoff und befasst sich mit dem Stichwort „Abtretung“.

 Abtretung

Abtretung meint nach der Legaldefinition des § 398 Satz 1 BGB die vertragliche Übertragung einer vom alten Gläubiger (Zedent) auf den neuen Gläubiger (Zessionar). Es handelt sich um den Austausch des Gläubigers durch Rechtsgeschäft ohne Änderung des Schuldners oder des Inhalts der Forderung. Die Abtretung ist daher abzugrenzen von der Schuldübernahme und der Novation. Neben dem rechtsgeschäftlichen Forderungsübergang kann die Person des Gläubigers auch kraft Gesetzes (sog. cessio legis, bspw. § 426 Abs. 2 Satz 1, § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 86 Abs. 1 VVG) oder durch Hoheitsakt (bspw. § 835 Abs. 2 ZPO) ausgetauscht werden.

Bedeutung. Die Forderung als solche hat Vermögenswert.[1] Die Abtretung ist daher insbesondere bedeutsam als Zahlungsmittel (Abtretung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber) und Sicherungsmittel für Geld- oder Warenkrediten.

 

Rechtsnatur. Bei der Abtretung handelt es sich um eine Verfügung über die Forderung. Sie ist allerdings kein dingliches Rechtsgeschäft, da sie kein Recht an einer Sache, sondern einen Anspruch aus einem Schuldverhältnis (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB) betrifft.[2] Insofern erklärt sich die Einordnung im allgemeinen Teil des Schuldrechts. Demgegenüber können dingliche Rechte wie bspw. das Eigentum und Ansprüche, die einzig dazu dienen, diese dinglichen Rechte durchzusetzen (bspw. § 985 BGB), nicht abgetreten werden: sie gehen nach den allgemeinen Regeln über die Übertragung dinglicher Rechte (bspw. §§ 929 ff. BGB) über.[3]

Als Verfügung ist der Abtretungsvertrag abstrakt von dem zugrunde liegenden Kausalgeschäft.[4] Hierbei kann es sich bspw. um einen Forderungskauf, eine Schenkung, eine Geschäftsbesorgung (im Falle der Inkassozession, s.u.) oder eine Sicherungsabrede (im Falle der Sicherungsabtretung, s.u.) handeln. Mängel im Kausalgeschäft berühren die Wirksamkeit der Abtretung nicht, die Forderung ist aber ggf. kondizierbar (§§ 812 ff. BGB).

 

1. Voraussetzungen der Abtretung

1.1 Wirksame Einigung über den Forderungsübergang, § 398 Satz 1 BGB

Bei der Einigung handelt es sich um einen Verfügungsvertrag, der nach den allgemeinen Vorschriften über Entstehung und Wirksamkeit von Willenserklärungen und Verträgen beurteilt werden muss. Die Abtretung kann insbesondere gegen § 134 BGB iVm § 203 StGB verstoßen, da § 402 BGB den Zedenten zur Herausgabe der zur Durchsetzung erforderlichen, ggf. vertraulichen Unterlagen verpflichtet.[5] Der Abtretungsvertrag ist grundsätzlich formlos wirksam.[6] Dies gilt auch, wenn das zugrunde liegende Kausalgeschäft formbedürftig ist (bspw. nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB), da die Abtretung als Verfügungsgeschäft abstrakt ist. Ausnahmsweise kann aber auch der Abtretungsvertrag einem Formzwang nach Spezialgesetzen unterliegen (bspw. gem. § 1154 Abs. 1 BGB). Auf die Nichtigkeit des Abtretungsvertrags kann sich auch der Schuldner berufen.[7]

1.2 Berechtigung des Zedenten

Die Forderung muss tatsächlich bestehen und der Zedent ihr Inhaber sein. Zudem darf die Abtretung nicht ausgeschlossen sein.

1.2.1 Bestehen der Forderung zugunsten des Zedenten

Grundsätzlich ist jede Forderung abtretbar, unabhängig, aus welchem Schuldverhältnis sie stammt. Eine Teilabtretung ist nach herrschender Meinung (h.M.) möglich, wenn die Forderung teilbar ist.[8] Aber auch erst künftig entstehende Forderungen können abgetreten werden (Vorausabtretung, praktisch häufig zu Sicherungszwecken).[9] Auch können mehrere Forderungen auf einmal abgetreten werden, bspw. alle aus einem bestimmten Rechtsverhältnis (Globalzession).

Bestimmtheitsgrundsatz. Die Forderung muss im Interesse der Rechtssicherheit nach Schuldgrund, Inhalt und Schuldner zweifelsfrei bestimmbar sein.[10] Für künftige Forderungen reicht aus, dass diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entstehung der Forderung erfüllt sind.[11] Insbesondere bei der Globalzession muss nicht jede Forderung einzeln bezeichnet werden, wenn eindeutig ist, dass alle Forderungen aus einem bestimmten Zeitraum oder aus bestimmten Geschäftsbeziehungen abgetreten werden sollen.[12]

Grundsatz: kein gutgläubiger Erwerb von Forderungen. Besteht die Forderung nicht oder ist der Zedent nicht Inhaber der Forderung – etwa weil er sie bereits abgetreten hat – kommt ein gutgläubiger Erwerb durch den vermeintlichen Neugläubiger grundsätzlich nicht in Betracht.[13] Anders als beim Erwerb eines dinglichen Rechts an einer beweglichen Sache (§§ 932 ff. BGB) oder an Grundstücken (§ 892 BGB) fehlt es hier an einem Rechtsscheinsträger wie dem Besitz (§ 1006 BGB) oder dem Grundbuch, auf den der Neugläubiger vertrauen darf. Bei einer mehrfachen Abtretung derselben Forderung greift nur die erste (Prioritätsprinzip); alle nachfolgenden gehen ins Leere.[14] Ausnahmsweise kann eine Forderung gutgläubig erworben werden, sofern über sie eine Urkunde ausgestellt wurde, die als Rechtsscheinsträger fungiert. § 405 BGB ermöglicht aber nur den Erwerb trotz der Einwendung des § 117 BGB oder eines Abtretungsausschlusses gem. § 399 Fall 2 BGB, nicht in sonstigen Fällen fehlender Forderungsinhaberschaft. Eine solche Möglichkeit besteht nur, wenn der Abtretende durch einen Rechtsscheinsträger legitimiert wird (bspw. § 2366 BGB).[15]

1.2.2 Übertragbarkeit der Forderung / Kein Ausschluss der Abtretung

Die Abtretbarkeit kann durch Sondervorschriften ausgeschlossen sein (bspw. § 613 Satz 2, § 664 Abs. 2 BGB). Weiterhin kommt ein Ausschluss gem. § 399 oder § 400 BGB in Betracht.

§ 399 Fall 1 BGB: Ausschluss bei Inhaltsänderung. Eine Inhaltsänderung der Forderung durch die Abtretung kommt insbesondere in Betracht bei höchstpersönlichen Ansprüchen, die auf die Person des Gläubigers zugeschnitten sind (bspw. Urlaubsanspruch, § 1 BUrlG),[16] ebenso bei einem Anspruch auf Befreiung von einer Verbindlichkeit (bspw. § 257 BGB): dieser kann ohne Inhaltsänderung nur an den Gläubiger dieser Verbindlichkeit abgetreten werden.[17]

§ 399 Fall 2 BGB: Vertraglicher Abtretungsausschluss (pactum de non cedendo). Schuldner und Gläubiger können vereinbaren, dass eine Forderung nicht abtretbar sein soll. Nach h.M. hat diese Vereinbarung absolute, nicht bloß relative Wirkung.[18] Zwei Ausnahmen von der Unwirksamkeit der Abtretung in solchen Fällen begründet § 354a HGB.

Auf einen Ausschluss der Abtretbarkeit gem. § 399 Fall 2 BGB kann sich der Schuldner gem. § 405 Fall 2 BGB nur bei Kenntnis des Zessionars berufen. Gem. § 851 Abs. 2 ZPO wirken Abreden im Sinne des § 399 Fall 2 BGB nicht zu Lasten von Vollstreckungsgläubigern.

Einer vereinbarungswidrigen Verfügung kann der Schuldner zustimmen, da § 399 Fall 2 BGB nur ihn schützt.[19] Die neuere Rechtsprechung und herrschende Lehre (h.L.) hält die Zustimmung für einen Abänderungsvertrag mit Wirkung bloß für die Zukunft.[20] Auch wenn die Abtretung ausdrücklich von der Genehmigung des Schuldners abhängig gemacht wurde, soll diese nicht zurückwirken.[21] Eine ältere Ansicht billigt der Zustimmung des Schuldners entsprechend § 185 Abs. 2 Satz 1 Fall 1, § 184 Abs. 1 BGB Rückwirkung zu auf den Zeitpunkt der Abtretung. Bei mehrfacher Abtretung soll diejenige wirksam werden, der der Schuldner zuerst zustimmt; dies kann auch die spätere Abtretung sein.[22] Bedeutsam wird dieser Streit bei der Frage, ob zwischen Abtretung und Zustimmung vorgenommene Verfügungen oder Pfändungen wirksam bleiben oder nicht.

§ 400 BGB: Unpfändbare Forderungen. Soweit eine Forderung nicht pfändbar ist, kann sie auch nicht abgetreten werden. Dies dient zum einen dem Schutz des Existenzminimums des Gläubigers, zum anderen auch dem Schutz der Allgemeinheit: der Gläubiger soll sich seines eigenen Vermögen insoweit nicht entledigen können, als er dann auf staatliche Unterstützung angewiesen ist.[23] Daher ist § 400 BGB zwingend und der Schuldner kann auf seinen Schutz nicht verzichten.[24] Die Pfändbarkeit ist geregelt in §§ 850 ff. ZPO.

 

2. Wirkungen der Abtretung

2.1 Übergang der Forderung auf den neuen Gläubiger, § 398 Satz 2 BGB

Die Abtretung führt zum Übergang der Forderung vom Zedenten auf den Zessionar in der Form, in der sie zum Zeitpunkt der Abtretung besteht, § 398 S.2 BGB. Anders als bei einer Vertragsübernahme bleibt der Zedent Vertragspartner des Schuldners und kann ihm gegenüber die Einrede des § 320 BGB geltend machen.[25] Er bleibt auch empfangszuständig für die Gestaltungserklärungen des Schuldners aus einem gegenseitigen Vertrag.[26]

Bei der Vorausabtretung kann der Zessionar die Forderung erst bei ihrer Entstehung erwerben. Ob die Gläubiger des Zedenten in dessen Insolvenz auf die Forderung zugreifen können und ob dem Zessionar schon vor Forderungsentstehung eine Prozessführungsbefugnis zusteht, richtet sich danach, ob die vorausabgetretene Forderung direkt in der Person des Zessionars entsteht (Direkterwerb) oder zunächst für eine logische Sekunde in der Person des Zedenten (Durchgangserwerb). Überwiegend[27] wird danach unterschieden, ob mit der Abtretung bereits eine bestehende Rechtsposition (Anwartschaft) übertragen werden konnte (bspw. bei aufschiebend bedingten Forderungen), oder ob dies gerade nicht der Fall ist. Bei Übertragung einer Anwartschaft soll ein Direkterwerb vorliegen, sonst ein Durchgangserwerb.

2.2 Übergang von Neben- und Vorzugsrechten, § 401 BGB

Ausdrücklich in § 401 BGB genannt sind Hypotheken und Pfandrechte sowie Bürgschaften. Da diesen Rechten gemeinsam ist, dass sie abhängig von der Forderung sind (Akzessorietät), wird diese Vorschrift analog auf andere akzessorische Sicherheiten angewandt, insbesondere auf die Vormerkung (§§ 883 ff. BGB).[28] Ebenso gehen unselbstständige Hilfsansprüche wie bspw. Auskunftsansprüche über.[29]

Bezüglich der Gestaltungsrechte, die dem Zedenten hinsichtlich der Forderung zustanden, ist nach h.M. zu unterscheiden:[30] dienen diese nur zur Durchsetzung der Forderung (bspw. Fälligkeitskündigung, Wahlrecht des Gläubigers), sollen sie entsprechend § 401 BGB mit der Forderung übergehen.[31] Betreffen sie aber auch die verbliebene Position des Zedenten (bspw. §§ 346 ff. BGB nach Erklärung des Rücktritts), sollen sie diesem oder beiden Gläubigern zur gemeinsamen Ausübung zustehen.[32] Ihr Übergang kann allerdings gesondert vereinbart werden.[33]

Keine Anwendung findet § 401 BGB auf fiduziarische Sicherungsrechte wie Sicherungsgrundschuld, –übereignung oder –zession. Diese sind zum einen nicht akzessorisch zur Forderung; zum anderen ist der Gläubiger im Innenverhältnis zum Sicherungsgeber gebunden, sodass diese Vertrauensstellung dem automatischen Personenwechsel entgegensteht.[34] Allerdings kann aus dem zugrunde liegenden Kausalverhältnis für den Zedenten die schuldrechtliche Pflicht bestehen, solche Rechte ebenfalls zu übertragen.[35]

2.3 Pflichten des Zedenten, §§ 402, 403 BGB

Der Zedent ist verpflichtet, dem Zessionar die nötige Auskunft zu erteilen und die erforderlichen Urkunden zu übergeben (§ 402 BGB). Er hat außerdem auf Verlangen eine öffentlich beglaubigte Urkunde über die Abtretung auszustellen (§ 403 BGB).

 

3. Schuldnerschutz

Die §§ 404, 406 ff. BGB dienen dem Schutz des Schuldners. Grundgedanke dieser Regelungen ist, dass sich die Rechtsstellung des Schuldners nicht durch die Abtretung verschlechtern darf, da er an ihr nicht mitwirken, von ihr nicht einmal Kenntnis haben muss.

3.1 Erhalt von Einwendungen und Einreden aus dem Ursprungsschuldverhältnis, § 404 BGB

Da die Forderung so übergeht, wie sie beim Zedenten bestand (§ 398 Satz 2 BGB), geht sie mit allen Verteidigungsrechten über, die der Schuldner bereits dem Altgläubiger entgegenhalten konnte. § 404 BGB gilt daher auch für Einreden.[36] Einzig auf § 117 BGB kann sich der Schuldner im Fall des § 405 BGB nicht berufen (s.o.).

§ 404 BGB gilt zunächst für solche Einwendungen/Einreden, deren Voraussetzungen bei der Abtretung vorlagen (bspw. Nichtigkeitsgründe bzgl. der Forderung; Verjährung; Erfüllung, auch durch Aufrechnung). Es reicht aber auch aus, wenn die Einwendung/Einrede zur Zeit der Abtretung nur „begründet“ ist, das heißt dem Grunde nach angelegt ist in dem Ursprungsschuldverhältnis,[37] selbst wenn alle Voraussetzungen erst nach der Abtretung vorliegen (bspw. wenn bei Gestaltungsrechten die Erklärung fehlt). Bei mehrfacher Abtretung kann der Schuldner dem nachfolgenden Zessionar gem. § 404 BGB auch Einwendungen/Einreden entgegenhalten, die er aus dem Verhältnis mit dem vorigen Zessionar erworben hat. Die in der Praxis oft seitens des Zessionars vom Schuldner erbetene Bestätigung der Einredefreiheit ist eng auszulegen, insbesondere kann ein Verzicht auf diesem noch unbekannte Einwendungen/Einreden so nicht konstruiert werden.[38]

3.2 Schutz des Schuldners bei Unkenntnis von der Abtretung, §§ 407, 408 BGB

Hat der Schuldner keine Kenntnis von der Abtretung, muss der Zessionar eine Leistung an den Zedenten sowie ein Rechtsgeschäft mit dem Zedenten die Forderung betreffend gegen sich gelten lassen (bspw. Erlass, Stundung, Aufrechnung), § 407 Abs. 1 BGB. Ist nach Abtretung, aber vor Kenntnis des Schuldners hiervon über die Forderung ein Rechtsstreit zwischen Zedenten und Schuldner anhängig geworden, muss der Zessionar auch ein rechtskräftiges Urteil zugunsten des Schuldners gegen sich gelten lassen, § 407 Abs. 2 BGB.[39] Die Unkenntnis des Schuldners wird vermutet; fahrlässige Unkenntnis schadet nicht (§ 407 Abs. 1 und 2 BGB a.E.).

Auf Urteile oder Handlungen zu Lasten des Schuldners jedoch (bspw. Kündigung, Hemmung der Verjährung) kann sich der Zessionar nicht berufen („gegen sich gelten lassen“, § 407 Abs. 1 und 2 BGB). Da die Vorschrift allein den Schutz des Schuldners bewirken soll, kann er auf ihre Wirkung verzichten; beispielsweise kann es für ihn günstig sein, seine Leistung vom Zedenten zurückzufordern, um mit einer Forderung, die er gegen den insolventen Zessionar hat, gegen die abgetretene Forderung aufzurechnen.[40]

Die Grundsätze gelten auch bei mehrfacher Abtretung oder gerichtlicher Überweisung einer bereits abgetretenen Forderung an einen Dritten, wenn der Schuldner keine Kenntnis vom zeitlich früheren Forderungsübergang hat (§ 408 BGB). Bei bloßer Unkenntnis über die tatsächliche Reihenfolge der Abtretungen schützt § 408 BGB den guten Glauben des Schuldners jedoch nicht.[41]

3.3 Schutz bei Abtretungsanzeige bzw. bis zur Abtretungsanzeige, §§ 409, 410 BGB

Wird dem Schuldner die Abtretung angezeigt, muss er auf die Richtigkeit der Anzeige vertrauen können. Die Anzeige kann auf zwei Arten erfolgen: entweder stammt sie – mündlich[42] oder schriftlich – vom Zedenten, oder der Zessionar legt dem Schuldner eine vom Zedenten ausgestellte Urkunde über die Abtretung vor. Der Schuldner darf dann befreiend an den leisten, der ihm als neuer Gläubiger benannt ist, sowie Rechtshandlungen ihm gegenüber vornehmen. Nach überwiegender Ansicht soll es für diese Wirkung nicht auf die Gutgläubigkeit des Schuldners ankommen, der sich sogar bei positiver Kenntnis von der Unwirksamkeit der Abtretung auf die Abtretungsanzeige berufen können soll.[43] Die Gegenansicht hält dies für zu weit gehend und beschränkt den Schutz des § 409 Abs. 1 BGB auf die Fälle, in denen es dem Schuldner wirklich auf die Tilgung seiner Verbindlichkeit ankommt.[44]

Der Zedent kann Leistung an sich selbst nur dann verlangen, wenn derjenige, der in der Anzeige als Zessionar genannt ist, der Rücknahme der Anzeige zustimmt (§ 409 Abs. 2 BGB). Darauf kann der Zedent allerdings einen Anspruch aus § 812 BGB haben.

§ 410 Abs. 1 BGB gewährt dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht bis zum urkundlichen Nachweis über die Abtretung durch den Zessionar. Bis dahin darf er aus diesem Grund dessen Mahnung oder Kündigung unverzüglich zurückweisen; es sei denn, der Zedent hat dem Schuldner die Abtretung – schriftlich – angezeigt.[45] Der Schuldner muss also nicht ohne den Schutz des § 409 BGB leisten.

3.4 Schuldnerschutz im Rahmen der Aufrechnung, § 406 BGB

Unproblematisch aufrechnen kann der Schuldner gegenüber dem Zessionar mit einer Forderung, die ihm gegen diesen zusteht. § 406 BGB betrifft die Fälle, in denen ihm die Aufrechnung mit einer Forderung gegen den Zedenten ermöglicht werden soll, wenn also die in § 387 BGB geforderte Gegenseitigkeit nicht gegeben ist. § 406 BGB gilt nur für eine Aufrechnung, die in Kenntnis der Abtretung vorgenommen wird; sie ist gegenüber dem Zessionar zu erklären. Für Aufrechnungen, die bereits vor der Abtretung gegenüber dem Zedenten erklärt worden sind, gilt § 404 BGB; für Aufrechnungen in Unkenntnis von der Abtretung gilt § 407 BGB.

§ 406 BGB hilft über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen hinweg. Der Schuldner ist schutzwürdig, wenn er hoffen durfte, mit seiner Gegenforderung gegen die abgetretene (Haupt-)Forderung aufrechnen zu können.[46] Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem er Kenntnis von der Abtretung erhält.

Wusste er schon bei Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung, kann er dem Zessionar gegenüber nicht aufrechnen (§ 406 Hs. 2 Alt. 1 BGB). Dann musste er sich bewusst sein über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen.[47]

Ist die Gegenforderung des Schuldners erst nach dessen Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden, kann der Schuldner dem Zessionar gegenüber ebenfalls nicht aufrechnen (§ 406 Hs. 2 Alt. 2 BGB). Bei pünktlicher Erfüllung seiner Verbindlichkeit hätte der Schuldner ja auch dem Zedenten gegenüber nicht mit seiner noch nicht fälligen Gegenforderung aufrechnen können.[48]

Im Umkehrschluss bleibt der Schuldner zur Aufrechnung befugt, wenn zu dem Zeitpunkt, zu dem er von der Abtretung Kenntnis erhält, bereits eine Aufrechnungslage iSd § 389 BGB gegeben war – § 406 BGB hilft über die fehlende Gegenseitigkeit der Forderungen hinweg. Er bleibt auch berechtigt, wenn sich für ihn ohne die Abtretung bei der im Zeitpunkt der Kenntniserlangung gegebenen Rechtslage eine Aufrechnungslage entwickelt hätte, weil seine Gegenforderung vor oder mit der abgetretenen Hauptforderung zusammen fällig geworden wäre.[49]

 

4. Spezialfälle der Abtretung

4.1 Sicherungsabtretung

Hier dient die Forderung zur Sicherung eines Bar- oder Warenkredits. Kausalgeschäft ist eine Sicherungsabrede, die in der Regel den Zessionar (Sicherungsnehmer) im Innenverhältnis verpflichtet, die Forderung nur im Sicherungsfall zu verwerten und bei Rückzahlung des Kredits rückabzutreten. Für größere Kredite in der Praxis relevant ist die sog. Sicherungsglobalzession, bei der alle Forderungen des Zedenten gegen Drittschuldner oder zumindest alle aus bestimmten Geschäftsbeziehungen an den Zessionar abgetreten werden. Oft erfolgt die Sicherungsabtretung als sog. stille Zession: der Zedent tritt die Forderung ab, wird aber zugleich vom Zessionar zur Einziehung ermächtigt.[50]

4.2 Verlängerter Eigentumsvorbehalt

Hier gestattet der Eigentumsvorbehaltsverkäufer seinem Käufer, die Kaufsache weiterzuveräußern und auch das Eigentum daran zu übertragen; im Gegenzug lässt er sich im Voraus die Forderungen aus der Weiterveräußerung abtreten.

4.3 Inkassozession

Die Forderung wird vom Zedenten übertragen, damit der Zessionar sie für ihn einzieht. Anders als bei der Einziehungsermächtigung[51] wird der Zessionar hier Inhaber der Forderung und ist nur im Innenverhältnis durch die Inkassoabrede dem Zedenten verpflichtet.

4.4 Factoring

Bei dieser gesetzlich nicht geregelten Konstruktion überträgt der Gläubiger Forderungen an einen Factor, der ihm den Gegenwert abzüglich einer Risikopauschale zur Verfügung stellt. Das unechte Factoring, bei dem dieser Austausch im Falle der Uneintreibbarkeit der Forderung rückgängig gemacht wird, wird allgemein als Darlehensgeschäft, das echte Factoring, bei dem eine Rückabwicklung ausgeschlossen ist, als Forderungskauf eingeordnet.[52] In beiden Fällen ist das Factoring das abstrakte Kausalgeschäft, das durch die Abtretung erfüllt wird.

 

5. Vertiefende Literatur

Larenz, Schuldrecht Band I Allgemeiner Teil, 14. Auflage 1987, §§ 33, 34.

Ahcin / Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450 ff., 549 ff., 658 ff., 768 ff., 865 ff., 965 ff.

Haertlein, Die Rechtsstellung des Schuldners einer abgetretenen Forderung, JuS 2007, 1073 ff.

Bacher, Aufrechnung gegenüber abgetretenen Forderungen, JA 1992, 200 ff., 234 ff.

Eidenmüller, Die Dogmatik der Zession vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung, AcP 204 (2004), 457 ff.

 

 


[1] Ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 33 I, II.

[2] Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450 (452).

[3] Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 2, 583.

[4] G. Lüke, Grundfragen des Zessionsrechts, JuS 1995, 90.

[5] Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 450, 452 ff.; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1091.

[6] Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 34, Rn. 9.

[7] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1123.

[8] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 10; Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 1, 579; a.A. MüKomm/Roth Band 2, 2012, § 398, Rn. 65.

[9] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 11 mwN.

[10] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1097 ff.; zu den verschiedenen Konstellationen Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 14 ff.

[11] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 755.

[12] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1099: Nicht ausreichend ist die Abtretung aller Forderungen bis zu einer bestimmten Summe, da bei deren Überschreiten nicht klar ist, welche Forderungen beim Zedenten verbleiben sollen.

[13] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 758.

[14] Lorenz, Grundwissen – Zivilrecht: Abtretung, JuS 2009, 891 (892).

[15] Ausführlich Thomale, Der gutgläubiger Forderungserwerb im BGB, JuS 2010, 857 ff.

[16] Übersicht bei Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 4 ff.

[17] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1103.

[18] Vgl. nur BGH NJW 1991, 559; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 65; a.A. Erman/H.P. Westermann, 13. Aufl. 2011, § 399, Rn. 3a; Scholz, Die verbotswidrige Abtretung, NJW 1960, 1837.

[19] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 63.

[20] BGH NJW 1978, 813; Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 2, 581f.; Palandt/Grüneberg 72. Aufl. 2013, § 399, Rn. 12; Staudinger/Busche, 2012, § 399, Rn. 63 mwN.

[21] BGH NJW 1990, 109; a.A. MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 399, Rn. 38.

[22] BGH NJW 1964, 243, 244, Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 761.

[23] Zur teleologischen Reduktion des § 404 BGB bei ausreichender Gegenleistung vgl. Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 549 (552).

[24] Brox/Walker, Allgemeines Schuldrecht, 36. Aufl. 2012, § 34, Rn. 13.

[25] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 21; ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 1, 577f.

[26] Ausführlich Köhler, Forderungsabtretung und Ausübung von Gestaltungsrechten, JZ 1986, 516 (518); ist der Schuldner an einer Mitteilung ihm gegenüber gehindert, kann er gem. § 132 Abs. 2 BGB vorgehen oder analog § 770 Abs. 1 BGB gegenüber dem Zessionar die Einrede der Gestaltbarkeit erheben.

[27] Ausführlich Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 3, 585 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 756; vgl. auch Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 398, Rn. 12 mwN zum Streitstand; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 398, Rn. 16.

[28] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 401, Rn. 2; MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 401, Rn. 7 ff.

[29] G. Lüke, Grundfälle des Zessionsrechts, JuS 1995, 90 (92); Beispiele in Nomos-Kommentar BGB, SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 401, Rn. 5 ff.

[30] Ausführlich MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 398, Rn. 97 ff.; sowie Staudinger/Busche, 2012, § 413, Rn. 10 ff. jeweils mwN zu den jeweiligen Streitständen.

[31] Staudinger/Busche, 2012, § 401, Rn. 35.

[32] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 752; zum Rücktrittsrecht vgl. BGH NJW 1985, 2640; zum Minderungsrecht BGHZ 95, 250; zum Nachbesserungsanspruch BGHZ 96, 146; vertiefend Pick, Einwendungen beim gegenseitigen Vertrag nach Abtretung, AcP 172 (1972), 39.

[33] MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 398, Rn. 98; Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1106 mwN.

[34] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 756.

[35] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1112.

[36] Vgl. nur Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 404, Rn. 2.

[37] BGH NJW 1957, 1553 (1554).

[38] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 404, Rn. 7; BGH NJW 1983, 1904.

[39] Erfolgt die Abtretung während des anhängigen Prozesses, gilt nicht § 407 BGB, sondern §§ 265, 325 ZPO.

[40] Medicus/Lorenz, Schuldrecht I AT, 20. Aufl. 2012, Rn. 779; Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 407, Rn. 15.

[41] BGHZ 100, 36 (46 ff.), Anm. K. Schmidt, JuS 1987, 911 ff.

[42] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 409, Rn. 2.

[43] Larenz, Schuldrecht Band I AT 14. Aufl. 1987, § 34 Abs. 4, 593; differenzierend: MüKomm/Roth, Band 2, 2012, § 409 Rn. 12; Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 409, Rn. 5.

[44] Nomos-Kommentar BGB SchuldR/Kresse, B. Eckardt, Band 2, 12. Aufl. 2012, § 409, Rn. 6; Staudinger/Busche 2012, Rn. 29; Karollus, Unbeschränkter Schuldnerschutz nach § 409 BGB?, JZ 1992, 557; Rieke, Zum Schutz des Schuldners nach § 409 Abs. 1 BGB, NJW 1959, 1415.

[45] Siehe auch § 174 BGB für die Vollmacht.

[46] Looschelders, Schuldrecht AT, 10. Aufl. 2012, Rn. 1126.

[47] Nach h.M. gilt dies auch für den Fall der Vorausabtretung, vgl. Ahcin/Armbrüster, Grundfälle zum Zessionsrecht, JuS 2000, 658 (661).

[48] BGH NJW 1996, 1056 (1058).

[49] Palandt/Grüneberg, 72. Aufl. 2013, § 406, Rn. 5.

[50] Staudinger/Busche, 2012, Einl. zu §§ 398 ff., Rn. 28.

[51] Zur Einziehungsermächtigung vertiefend: Larenz, Schuldrecht Band I AT, 14. Aufl. 1987, § 34 V (S. 597); Staudinger/Busche, 2012, Einl. zu §§ 398 ff., Rn. 107 ff.

[52] Jork, Factoring, verlängerter Eigentumsvorbehalt und Sicherungsglobalzession in Kollisionsfällen, JuS 1994, 1019 (1022).

22.02.2013/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-02-22 18:00:252013-02-22 18:00:25Examenswissen auf Wikipedia – Beitrag "Abtretung"
Tom Stiebert

Glasflaschenverbot im Karneval in den Karnevalshochburgen

Startseite, Verschiedenes

In den Karnevalshochburgen beginnt jetzt wieder die „Fünfte Jahreszeit“. Grund genug kurz auf ein wichtiges Urteil  hinzuweisen, über das wir bereits berichtet hatten: Das Glasflaschenverbot in Köln.
 
Siehe hierzu unsere Beiträge:

  • Entscheidung des OVG Münster
  • Entscheidung des VG Köln

 

11.11.2011/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2011-11-11 08:32:122011-11-11 08:32:12Glasflaschenverbot im Karneval in den Karnevalshochburgen
Dr. Simon Kohm

Examensfall: Kölner U-Bahn Bau

Strafrecht

Die Ereignisse um den Kölner U-Bahn Bau muten an wie der typisch skurrile Sachverhalt einer Examensklausur: „Polier P wies aus Geldmangel zwei seiner Arbeiter an, Eisenbügel an einen Schrotthändler….“. Für die Nicht-Rheinländer: Das Kölner Stadtarchiv war vor gut einem Jahr in sich zusammengestürzt, als Grund gelten die Bauarbeiten in nahe liegenden U-Bahn Tunneln. Bei dem Unglück kamen zwei Studenten ums Leben, ebenso waren erhebliche Sachschäden zu verzeichnen. Wie sich jetzt herausstellte, hatte ein Polier selbst oder durch Anweisung mehrere Stahlstützen aus der damaligen Baugrube entfernt bzw. entfernen lassen, um diese dann zu verkaufen. Ob dies allerdings Grund für den Einsturz ist, ist noch nicht geklärt und wird offenbar momentan eher bezweifelt. Die vorstehenden Ereignisse könnten ohne weiteres in einer Klausur oder Mündlichen Prüfung insbesondere strafrechtlich zu erörtern sein.
§ 242 StGB durch Ansichnehmen der Stützstreben
Im Rahmen des objektiven Tatbestandes ist insbesondere zu diskutieren, ob eine Wegnahme und damit der Bruch fremden und Begründung neuen Gewahrsams zu verzeichnen ist. Hier gilt es, genau zu definieren. Gewahrsam meint die tatsächliche, von einem Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft, deren Umfang von der Verkehrsitte bestimmt wird. Sicher kann bejaht werden, dass der P als „Vorarbeiter“ (Mit-) Gewahrsam an der Sache hatte, denn er kann in tatsächlicher Art und Weise bestimmten, wie auf der Baustelle zu verfahren ist. Fraglich leibt allerdings, ob der nicht etwas untergeordneten Gewahrsam innehatte, sodass ein Bruch des übergeordneten Gewahrsams durchaus noch möglich ist. Hier könnte beispielsweise der Bauleiter oder Projektleiter einen übergeordneten Gewahrsam haben. Hier wäre der Sachverhalt auf Anhaltspunkte zu kontrollieren. Wichtig ist, die Probleme des gelockerten Gewahrsams (Bauleiter muss nicht anwesend sein) und des mehrstufigen Gewahrsams zu erkennen und sich im Rahmen einer nachvollziehbaren Begründung zu entscheiden. Wenn man hier einen Gewahrsamsbruch verneinen will, dann ist die Unterschlagung gem. § 246 StGB zu prüfen.
§ 263 StGB
Laut aktueller Nachrichten wurde gegen die Betroffenen ebenso ein Ermittlungsverfahren wegen Betruges eingeleitet. Ich kann mir momentan allerdings nicht genau vorstellen, aus welchen Gründen genau.
Denkbar wäre vorliegend ein Betrug zu Lasten des Bauleiters oder der Stadt durch Unterlassen, wenn vorgegeben wird, dass man alle Stahlträger eingebaut wurden. Eine Garantenstellung könnte man noch aus Ingerenz herleiten, Probleme dürfte allerdings der Vermögensschaden machen, hier müsste auf den Sachverhalte geachtet werden.
Denkbar wäre aber ebenso ein Betrug an dem Eisenhändler, wenn verschwiegen wird, dass es sich bei den besagten Teilen um Diebesgut handelt. Eine Täuschung und eine Vermögensverfügung wären dann zu bejahen, problematisch bleibt der Vermögensschaden. Hier wären dann Einzelheiten des zivilrechtlichen Eigentumserwerbs zu erörtern. Da die Sachen nicht im Eigentum des Poliers sind, kommt allenfalls ein gutgläubiger Erwerb in Betracht, der aber wiederum am Abhandenkommen scheitert, vgl. § 935 I BGB. Ein mittelbarer Besitz des P ist jedenfalls schon auf Grund des Fehlens eines BMV ausgeschlossen.
Weiß der Schrotthändler von dem Diebesgut, ist die Hehlerei, § 259 StGB zu prüfen.
§ 303 StGB durch Nichteinbau der Stahlstützen, zu beachten: §§ 304, 305, 305a
Hier könnte sich der P strafbar gemacht haben hinsichtlich der Gebäude und des Bibliotheksbestandes. Im Rahmen des objektiven Tatbestandes ist im Rahmen der Kausalität zu prüfen, ob das verhalten des P für die eingetretenen Schäden ursächlich war. Was in der Praxis sicherlich viele Gutachter auf den Plan rufen wird, ist in der Klausur im Sachverhalt vorgegeben. Auch sollte im Rahmen der §§ 303 ff StGB genau definiert werden und auch die „Exoten“ §§ 304 ff StGB nicht außer Acht gelassen werden, gerade im Hinblick auf den Bibliotheksbestand. Hier lohnt einfach mal ein Blick ins Gesetz und die gängigen Lehrbücher.
Problematisch im Rahmen des subjektiven Tatbestandes ist der Vorsatz, hier ist eine Abgrenzung vorzunehmen zur Fahrlässigkeit. Hier muss der dolus eventualis genau definiert werden und eine genau Abgrenzung erfolgen, hier kurz: Für den Eventualvorsatz reicht, dass der Täter die Möglichkeit (Möglichkeitstheorie) eines Erfolgseintritts sieht und die sich daraus ergebenden Folgen (im Rechtssinne) billigt. Vorliegend ist nicht auf die Hemmschwellentheorie einzugehen, dafür aber der Sachverhalt zu kontrollieren. Gerade im Hinblick auf die Sachkunde des P könnte man einen Vorsatz im Rahmen der §§ 303 ff. StGB bejahen.
§ 222 StGB wegen Nichteinbaus der Stahlträger
Beide Studenten sind tot. Aber auch hier muss der Kausalitätsnachweis positiv erfolgen (s.o. und im Rahmen des Sachverhalts). Im Rahmen der Zurechnung sehe ich keine Probleme. Der Tod von Menschen bei groben Baumägeln ist weder atypisch, noch selbst verschuldet. Anderes könnte die Sache liegen, wenn die Baustelle abschließend von einem unabhängigen Sachverständigen kontrolliert wurde. Aber selbst dann müsste man zu dem Ergebnis kommen, dass dies den Zurechnungszusammenhang nicht sperren kann. Die anderen Tatbestandsmerkmale sehe ich als unproblematisch an. Im Rahmen der Abgrenzung Vorsatz und Fahrlässigkeit müsste man wohl im Rahmen der Tötungsdelikte zu dem Ergebnis kommen, dass lediglich Fahrlässigkeit vorliegt, Stichwort: Hemmschwellentheorie.
Wie gesehen, bieten die genannten Ereignisse den idealen Sachverhalt für eine Examensprüfung, z.B. kombiniert mit Täter /Teilnehmerproblematik und Zusatzfragen aus der StPO.

16.02.2010/4 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2010-02-16 09:32:122010-02-16 09:32:12Examensfall: Kölner U-Bahn Bau

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