Das BVerfG hat mit Beschluss vom 26. Februar 2015 – 1 BvR 1036/14 entschieden, dass das Tragen eines Ansteckers mit der Aufschrift „FCK CPS“ eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung darstellen kann und eine hierauf beruhene Verurteilung wegen Beleidigung daher verfassungswidrig ist.
Die Beschwerdeführerin wurde von einer Polizeistreife in ihrem Wohnort angetroffen, als sie einen Anstecker trug, der mit der Buchstabenkombination „FCK CPS“ beschriftet war. Sie war auf Aufforderung nicht bereit, ihn abzunehmen. Einige Wochen zuvor war es zu einem ähnlichen Vorfall gekommen, bei dem die Beschwerdeführerin ein T-Shirt mit der genannten Buchstabenfolge getragen hatte und anlässlich dessen die kontrollierenden Polizeibeamten geäußert hatten, das Tragen dieses Schriftzugs stelle eine Beleidigung dar, die in Zukunft nicht mehr toleriert werde. Die Beschwerdeführerin wurde anschließend wegen Beleidigung verurteilt.
I. Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
In der Klausur sollte vor Prüfung der Grundrechtsverletzung der Maßstab der folgenden Prüfung festgelegt werden. Bei Urteilsverfassungsbeschwerden erwartet der Korrektor den Hinweis darauf, dass das BVerfG nicht das einfache Recht prüft, sondern allein dessen verfassungskonforme Anwendung, mithin die Verletzung verfassungsspezifischen Rechts; es ist keine Superrevisionsinstanz.
Zunächst müsste der Schutzbereich der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG eröffnet sein. Das BVerfG wiederholt formelhaft die Definition des Leitbegriffes „Meinung“:
Meinungen sind im Unterschied zu Tatsachenbehauptungen durch die subjektive Einstellung des sich Äußernden zum Gegenstand der Äußerung gekennzeichnet. Sie enthalten sein Urteil über Sachverhalte, Ideen oder Personen (BVerfGE 93, 266 <289>). Sie genießen den Schutz des Grundrechts, ohne dass es darauf ankommt, ob die Äußerung begründet oder grundlos, emotional oder rational ist, als wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos eingeschätzt wird (BVerfGE 90, 241 <247>; 124, 300 <320>).
Der Aufdruck „FCK CPS“ kann nicht als inhaltsleer eingeordnet werden, sondern ist bei verständiger Deutung als „Fuck Cops“ zu verstehen. Hierdurch wird eine allgemeine Ablehnung der Polizei und ein Abgrenzungsbedürfnis gegenüber der staatlichen Ordnungsmacht zum Ausdruck gebracht, weswegen es sich um eine Meinungsäußerung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 GG handelt. In der Klausur sollte hier von der Formalbeleidigung abgegrenzt werden.
II. Eingriff
Durch das strafrechtliche Urteil und die hiermit verbundene Sanktionierung der Ausübung grundrechtlich geschützten Verhaltens wird der Schutzbereich verkürzt, weswegen ein Eingriff vorliegt.
III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
1. Einschränkungsmöglichkeit
Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit steht unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG. Hier kommt als Einschränkungsmöglichkeit § 185 StGB als allgemeines Gesetz in Betracht.
2. Verfassungskonformität des § 185 StGB
§ 185 StGB richtet sich nicht gegen eine bestimmte Meinung und schützt als schlechthin schützenswertes Rechtsgut die persönliche Ehre. Es handelt sich mithin um ein allgemeines Gesetz nach der Kombinationslehre des BVerfG.
3. Verfassungskonforme Anwendung im Einzelfall
§ 185 StGB müsste nun auch im konkreten Fall durch die Fachgerichte verfassungskonform angewendet worden sein. Das BVerfG betont an dieser Stelle die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit, die in der Wechselwirkungslehre zum Ausdruck kommt:
Gesetze, die in die Meinungsfreiheit eingreifen, müssen dabei jedoch so interpretiert werden, dass der prinzipielle Gehalt dieses Rechts in jedem Fall gewahrt bleibt. Es findet eine Wechselwirkung in dem Sinne statt, dass die Schranken zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Grenzen setzen, ihrerseits aber aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlich demokratischen Staat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden müssen (vgl. BVerfGE 7, 198 <208 f.>; 124, 300 <324>; stRspr).
Hier dient der Eingriff durch das strafrechtliche Urteil dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes der betroffenen Polizisten. Fraglich ist jedoch, inwieweit diese überhaupt in ihrer persönlichen Ehre durch die allgemeine Aussage „Fuck Cops“ betroffen sind. Es geht um die Frage der Kollektivbeleidigung. Das BVerfG verlangt folgendes Abwägungsvorgehen:
Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.
Kurzum: Bei unüberschaubar großen Gruppen, liegt eher keine Betroffenheit vor. Es bedarf einer personalisierenden Zuordnung. Eine solche läge beispielsweise vor, wenn bei einer Verkehrskontrolle absichtlich der Anstecker mit „FCK CPS“ angelegt würde, da dessen Aussage sich dann auf den kontrollierenden Wachtmeister bezöge. Anders jedoch – so das BVerfG – soweit allein ein bloßer Aufenthalt im öffentlichen Raum vorliegt, bei dem zufällig Polizisten angetroffen werden. Hier liegt mit „FCK CPS“ eine allgemein kritische Aussage vor, die nicht einzelne Polizisten diffamieren soll, sondern auf Unzulänglichkeiten bzw. die Ablehnung der Polizei insgesamt aufmerksam machen soll.
IV. Examensrelevanz
Ein Fall, der so in einer grundrechtlich geprägten Ö-Klausur laufen kann. Aber auch in einer strafrechtlichen Prüfung von § 185 StGB können grundrechtliche Wertungen zu berücksichtigen sein, so dass sogar in einer Strafrechtsklausur mit dem Fall zu rechnen ist. Dann liegt der Schwerpunkt noch deutlicher auf der Frage nach der Strafbarkeit einer „Kollektivbeleidigung“ an sich.