Wer das juristische Studium erfolgreich absolvieren will, muss Zusammenhänge verstehen und auch für Unbekanntes praktikable Lösungsansätze entwickeln können. Bloßes Auswendiglernen führt nicht zum Ziel. Trotzdem gilt, dass einige wesentliche Begrifflichkeiten in fast jedem Rechtsgebiet bekannt sein sollten – nicht zuletzt, um in der Klausur wertvolle Zeit einzusparen. Für die Klausur im Öffentlichen Recht ist eine überschaubare Anzahl an Begriffen, die jeder ambitionierte Student und Examenskandidat im Handumdrehen schnell abrufen können sollte, zu beherrschen. Die nachstehende Auflistung enthält diejenigen Definitionen, die für die Klausur im Verwaltungsrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht notwendig sind. Wer diese beherrscht, ist für den Ernstfall bestens gewappnet:
(1) Öffentlich-rechtliche Streitigkeit
Nach der modifizierten Subjektstheorie liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, wenn die streitentscheidende Norm dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Eine Norm ist dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn sie einen Träger öffentlicher Gewalt in seiner Funktion als solcher in jedem Anwendungsfall berechtigt oder verpflichtet.
(2) Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art
Eine Streitigkeit ist jedenfalls dann nichtverfassungsrechtlicher Art, wenn die Streitbeteiligten nicht unmittelbar am Verfassungsleben teilnehmen und auch im Wesentlichen nicht um die Anwendung oder Auslegung von Verfassungsrecht gestritten wird (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit)
(3) Klagebefugnis Anfechtungsklage
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Die Rechtsverletzung muss tatsächlich möglich erscheinen (sog. Möglichkeitstheorie). Eine Rechtsverletzung kommt insbesondere bei einem Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts in Betracht (sog. Adressatentheorie), wobei im Einzelfall stets zu begründen ist, weshalb der Verwaltungsakt möglicherweise rechtswidrig sein und den Adressaten in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen könnte.
(4) Klagebefugnis Verpflichtungsklage
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsaktes in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein. Das ist der Fall, wenn der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes hat, der Anspruch also nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
(5) Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO
Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, kraft deren eine der beteiligten Personen etwas Bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht.
(6) Feststellungsinteresse
Der Kläger muss ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses haben. Ein berechtigtes Interesse kann dabei jedes als schutzwürdig anzuerkennende Interesse, insbesondere rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein.
(7) Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Anerkannt ist ein solches Interesse jedenfalls für folgende Fälle: (1) Konkrete Wiederholungsgefahr, (2) Rehabilitationsinteresse, (3) präjudizielle Wirkung einer Feststellung und (4) tiefgreifende Grundrechtseingriffe.
(8) Erledigung eines Verwaltungsakts
Nach § 43 Abs. 2 VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Er verliert folglich seine Wirksamkeit, wenn eine der in § 43 Abs. 2 VwVfG genannten Voraussetzungen eingetreten ist. Die Erledigung eines Verwaltungsaktes tritt erst ein, wenn dieser nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist.
(9) Subsidiarität i.S.v. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO
Die Feststellung eines Rechtsverhältnisses kann gem. § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Feststellungsklage ist demnach insbesondere gegenüber der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und allgemeinen Leistungsklage subsidiär.
(10) Rechtsschutzbedürfnis
Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses folgt dem allgemeinen Grundsatz, dass die begehrte Leistung bzw. Handlung zunächst bei der Behörde zu beantragen ist. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt insbesondere, wenn der Kläger sein Ziel einfacher als durch Klageerhebung erreichen kann, die Klage keinen anzuerkennenden Zweck verfolgt, missbräuchlich ist oder der Kläger sein Klagerecht verwirkt hat.
(11) Sicherungsanordnung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO ist statthaft, wenn der Antragsteller die vorläufige Sicherung eines von ihm behaupteten Rechts gegenüber einer drohenden tatsächlichen oder rechtlichen Änderung eines bereits bestehenden Zustands begehrt.
(12) Regelungsanordnung
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO ist statthaft, wenn der Antragsteller die vorläufige Erweiterung seines Rechtskreises begehrt, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder ein solche Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint.
(13) Anordnungsanspruch
Der Anordnungsanspruch im Verfahren nach § 123 VwGO bezieht sich auf den materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird. Der Anordnungsanspruch entspricht folglich dem materiell-rechtlichen Anspruch, der im Hauptsacheverfahren geltend gemacht wird. Dies gilt sowohl für die Sicherungs- als auch Regelungsanordnung.
(14) Anordnungsgrund
Der Anordnungsgrund betrifft den Umstand, aus dem sich die Eilbedürftigkeit des Antragstellers ergibt, dieser mithin nicht bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwarten kann. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.
(15) Objektive Klagehäufung
Nach § 44 VwGO können vom Kläger mehrere Klagebegehren in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist. Mehrere Klagebegehren liegen vor, wenn mehrere selbständige prozessuale Ansprüche in Rede stehen, mithin unterschiedliche Streitgegenstände in einer Klage adressiert werden.
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Schlagwortarchiv für: Klagebefugnis
Anwohner der US Air Base Ramstein haben allein aufgrund ihrer räumlichen Nähe zum Militärflughafen kein Klagerecht, um von der Bundesrepublik Deutschland die Überwachung bewaffneter Drohneneinsätze der US-Streitkräfte zu verlangen, die von Ramstein aus gesteuert werden. Dies hat das BVerwG in einem Urteil Anfang April entschieden und damit die Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt (BVerwG, Urt. v. 05.04.2016 – 1 C 3.15). Das Urteil – von dem bislang nur eine Pressemitteilung vorliegt, über das allerdings in der Tagespresse verschiedentlich berichtet worden war – regt dazu an, sich noch einmal intensiver mit der verwaltungsprozessualen Klagebefugnis auseinanderzusetzen und könnte in einer mündlichen Prüfung daher durchaus als Einstieg in ein Prüfungsgespräch dienen.
Sachverhalt
Ausgangspunkt des Urteils war die Klage eines Anwohners des Militärflughafen Ramstein, der 12 km von diesem entfernt in Kaiserslautern wohnt. Auf der von den US-Streitkräften genutzten Air Base befindet sich u.a. das Hauptquartier der US-Luftstreitkräfte in Europa. Der Kläger begehrte unter anderem, die Bundesrepublik Deutschland zur Überwachung der Völkerrechtskonformität bewaffneter Drohneneinsätze der US-Streitkräfte zu verpflichten, die von der Ramstein Air Base aus gesteuert würden, und den Vereinigten Staaten im Fall der Verweigerung von Überwachungsmaßnahmen insoweit die weitere Nutzung der Ramstein Air Base zu untersagen. Die Vorinstanzen hatten die Klage jedoch als unzulässig abgewiesen.
Rechtliche Würdigung
I. Zu denken wäre an eine allgemeine Leistungsklage des Anwohners auf Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Überwachung der von Ramstein aus gesteuerten US-Drohneneinsätze. Die allgemeine Leistungsklage ist zwar nicht ausdrücklich in der VwGO geregelt, wird jedoch in den §§ 43 II, 111 und 113 IV VwGO erwähnt und ist als verwaltungsprozessuale Klage allgemein anerkannt.
II. Fraglich ist jedoch, ob die nach § 42 II VwGO analog erforderliche Klagebefugnis gegeben ist.
1. Analoge Anwendung des 42 II VwGO
Zwar gilt die Regelung des § 42 II VwGO ihrem Wortlaut nach allein für die Anfechtung- und Verpflichtungsklage, die Norm ist jedoch nach vorherrschender Ansicht analog auf die allgemeine Leistungsklage anzuwenden (grundl. BVerwG 36, 192 (199); Vgl. auch: Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 62; Wahl, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42 Rn. 33 f.; Würtenberger, VerwProzR, Rn. 390). § 42 II VwGO bildet die einfachrechtliche Ausprägung der in Art. 19 IV GG angelegte individualschützenden Funktion verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und soll damit reine Popularklagen sowie Interessensklagen ausschließen. Die VwGO verfolgt grundsätzlich klassischerweise das Prinzip der Verletztenklage.
Eine Popularklage zur Überwachung von Handlungen, die der Kläger für völkerrechtswidrig hält, sieht die deutsche Rechtsordnung nicht vor.
Die Gegenansicht, die das Erfordernis einer Klagebefugnis nach § 42 II VwGO analog für die allgemeine Leistungsklage verneint (Vgl. dazu: Erichsen, Jura 1992, 384 (386)), ist daher abzulehnen.
2. Klagebefugnis nach § 42 II VwGO analog
Voraussetzung für die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ist daher, dass der Kläger geltend macht, dass er durch die Unterlassung der begehrten Überwachungsmaßnahmen in seinen eigenen Rechten verletzt sein könnte.
a) Mögliche Verletzung von Grundrechten durch die von Ramstein aus gesteuerten Drohnen
Der Kläger kann sich insoweit … nicht auf den grundrechtlichen Schutz des Lebens und seines Eigentums berufen (Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG). Denn er selbst befürchtet keine Rechtsverletzungen durch von Ramstein aus gesteuerte Drohnen, sondern von möglichen Gegenschlägen aus dem Ausland.
Darüber hinaus ist der Kläger auch nicht einer messbar gesteigerten Gefahr von Betriebsunfällen, terroristischen Anschlägen oder militärischen Vergeltungsschlägen durch die möglicherweise völkerrechtswidrige Nutzung ausgesetzt. Zudem handelt es sich gerade bei terroristischen Handlungen um mittelbare Gefährdungen, die von Entscheidungen Dritter abhängig und der Beklagten daher nicht zurechenbar sind. Derartige terroristische Gefährdungen sind zugleich auch nur begrenzt vorhersehbar und verhinderbar.
b) Mögliche Verletzung einer grundrechtlichen Schutzpflicht durch die BRD
Mangels der Darlegung eines messbar erhöhten Risikos für Leib und Leben scheidet auch eine mögliche Verletzung von staatlichen Schutzpflichten im Hinblick auf Art. 2 II GG aus. Zwar verpflichten die Grundrechte als objektive Werteordnung den Staat sich schützend und fördernd vor die grundrechtlich geschützten Gewährleistungen zu stellen, allerdings gilt im Hinblick auf Staatliche Schutzpflichten das sog. Untermaßverbot. Ein Betroffener kann nach der Rechtsprechung des BVerfG daher allein verlangen kann, dass die öffentliche Gewalt keine gänzlich ungeeigneten und völlig unzulänglichen Handlungen zum Schutz des in Rede stehenden Grundrechts trifft. Im Übrigen steht der öffentlichen Gewalt jedoch eine sehr weite Einschätzungsprägorative zu. Richtigerweise kommt das BVerwG daher zu dem Ergebnis:
Ein bestimmtes Verhalten der Bundesrepublik Deutschland zu seinem Schutz – wie hier die Überwachung von Drohneneinsätzen fremder Streitkräfte – kann der Kläger auch deshalb nicht verlangen, weil die Bundesregierung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der Außen- und Verteidigungspolitik einen weiten Entscheidungsspielraum hat, wie sie ihrer grundrechtlichen Pflicht zum Schutz des Lebens nachkommen will.
c) Mögliche Verletzung von Art. 25 S. 2 GG
Fraglich ist, ob die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten aus Art. 25 S. 2 GG hergeleitet werden kann. Die Herleitung einer subjektive Berechtigung aus dem Völkerrecht über Art. 25 S. 2 GG ist nach vorherrschender Ansicht auch bei an sich nur staatenverpflichtenden Normen dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regelung einen engen Bezug zu individuellen hochrangigen Rechtsgütern aufweist und die völkerrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden sein soll, individualschützend ist. Der Kläger ist hier allerdings kein potenzielles Opfer des von Ramstein aus gesteuerten US-Drohneneinsatzes.
Art. 25 S. 2 GG lässt sich jedoch gerade kein uneingeschränktes Bürgerrecht entnehmen, gegen jede angenommene Menschenrechtsverletzung durch deutsche Behörden vorzugehen, auch wenn der Kläger hiervon selbst nicht betroffen wäre. Ein universeller Anspruch auf völkerrechtsgemäßes Verhalten der öffentlichen Gewalt ohne eigene Betroffenheit besteht folglich nicht. Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine Berufung des Klägers auf Art. 25 S. 2 GG aus:
Eine Verletzung eigener Rechte kann der Kläger auch nicht aus Art. 25 Satz 2 GG ableiten. Nach dieser Norm erzeugen die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets. Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählen zwar das völkerrechtliche Gewaltverbot und im Kern der Schutz von Zivilpersonen nach dem humanitären Völkerrecht. Soweit sich aus einem Völkerrechtsverstoß auch individuelle Rechte ableiten lassen, können sich darauf jedoch allenfalls unmittelbar Betroffene berufen – etwa potentielle Opfer von Drohneneinsätzen. Hierzu gehört der Kläger nicht.
Das VG Hamburg hat entschieden (Beschluss vom 23.01.2012, Az. 15 E 211/12), dass einem Privaten kein subjektiv-öffentliches Recht hinsichtlich der Untersagung des aus seiner Sicht blasphemischen Theaterstücks „Gólgota Picnic“ zukommt und verneinte demgemäß die Antragsbefugnis.
Der Antragssteller machte im Rahmen eines Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO geltend, dass die Aufführung des Theaterstücks den Tatbestand des § 166 Abs. 1 StGB verwirkliche und ihn darüber hinaus in seiner Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 GG verletze, da sie zu einer „Atmosphäre der Feindseligkeit und des Spottes“ beitrage, welche ihm „das Leben als praktizierender Christ in unserer Gesellschaft zunehmend erschwert“. Alle getauften Christen seien deshalb „subjektiv und qualifiziert betroffen“.
Die verwaltungsprozessuale Antragsbefugnis ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO gegeben, wenn der Antragssteller geltend machen kann in einem ihm zukommenden Recht möglicherweise verletzt oder gefährdet zu sein (Möglichkeit des Bestehens eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds; § 42 Abs. 2 VwGO analog). Will der Antragssteller keine Begünstigung für sich selbst erreichen, sondern die Belastung eines Dritten erwirken, so richtet sich das Vorliegen der Antragsbefugnis nach den Grundsätzen der sog. Schutznormtheorie, die voraussetzt, dass die (vermeintlich durch den Dritten verletzte) Norm zumindest auch den Schutz eines abgrenzbaren Personenkreises bezweckt und der Antragssteller Teil dieses Personenkreises ist (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 8. Auflage, § 14 Rn. 71 ff.). Handelt es sich dabei, wie im vorliegenden Fall, um eine Ermessensnorm, so beschränkt sich der Anspruch des Einzelnen auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, da das subjektiv-öffentliche Recht nicht weiter reichen kann als der objektive Gehalt der Norm. Ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung kommt daneben auch in Betracht, wenn der Antragssteller sich auf grundrechtlich geschützte Positionen (einschließlich des Gleichheitssatzes) berufen kann.
Aus der polizeilichen Generalklausel des § 3 Abs. 1 HbgSOG (Hamburger Gesetz zum Schutz der Sicherheit und Ordnung, die polizeilichen Generalklauseln der übrigen Länder sind hinsichtlich der Einschreitungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen nahezu identisch) folgt zunächst, dass die zuständige Behörde im Rahmen ihres Geschäftsbereichs nach pflichtgemäßen Ermessen die im Einzelfall zum Schutz der Allgemeinheit oder des Einzelnen erforderlichen Maßnahmen trifft, um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder zu beseitigen. Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit sind die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung, die Unverletzlichkeit individueller Rechte und Rechtsgüter sowie der Bestand, die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und anderer Träger von Hoheitsgewalt (zum Ganzen: Schmidt-Aßmann/Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 14. Auflage, 2 Kap. Rn. 65 ff.). Die polizeilichen Generalklauseln können grundsätzlich drittschützenden Charakter haben. Soweit eine Gefahr jedenfalls auch für subjektiv-öffentliche Rechte des Einzelnen besteht, besitzt dieser nach mittlerweile ganz h.M. zumindest einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hinsichtlich des polizeilichen Einschreitens gegen diese Gefahr (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 6. Auflage, § 10 Rn. 45 i. V. m. § 5 Rn. 50 ff. m. w. N.).
Es kam vorliegend also zunächst auf die Frage an, ob § 166 Abs. 1 StGB als Teil der objektiven Rechtsordnung auch den Schutz des Einzelnen bezweckt, sodass im Falle eines möglicherweise in Betracht kommenden Verstoßes gegen § 166 Abs. 1 StGB zugleich eine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Rechts des Antragsstellers vorliegt, die im Ergebnis zur Bejahung der Antragsbefugnis führen würde. Dabei ist gemäß der üblichen Auslegungsmethoden (Wortlaut, Teleologie, Systematik und historische Entstehungsgeschichte) zu ermitteln, ob § 166 Abs. 1 StGB drittschützenden Charakter aufweist. Dazu stellt das VG Hamburg fest:
„Soweit der Antragsteller vorträgt, die Aufführung des Stückes stelle eine Verwirklichung des § 166 Abs. 1 StGB dar, so kann er daraus kein subjektiv-öffentliches Recht herleiten. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Geschütztes Rechtsgut des § 166 Abs. 1 StGB ist jedoch allein der öffentliche Frieden und nicht das religiöse Empfinden Einzelner. Trägerin des Rechtsguts des „öffentlichen Friedens“ ist ausschließlich die staatliche Gemeinschaft (vgl. im Zusammenhang mit der Verneinung der Befugnis von Mitgliedern einer Religions- oder Glaubensgemeinschaft oder eines sonstigen Mitglieds der Bevölkerung, das Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO zu betreiben, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 23.6.1993, 3 Ws 99/93, juris Rn. 2; OLG München, Beschl. v. 6.3.1995, 2 Ws 1369/93, juris), so dass sich der Antragsteller im Rahmen der polizeilichen Generalklausel von vornherein nicht auf dessen Verletzung berufen kann.“
Im Anschluss daran prüft das VG Hamburg, ob ein subjektiv-öffentliches Recht des Antragstellers auf das begehrte polizeiliche Einschreiten im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG besteht, wonach die Freiheit des Glaubens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich sind (zum Gewährleistungsgehalt von Art. 4 Abs. 1 GG allgemein: Dreier/M. Morlok, Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 2. Auflage, Art. 4 Rn. 41 ff.). Die Grundrechte des Einzelnen strahlen insoweit in das einfache (Polizei-) Recht ein und nehmen so das einfache Recht als Medium zur Verwirklichung des grundgesetzlichen Schutzauftrags in Anspruch (vgl. Dietlein/Burgi/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, 4. Auflage, § 3 Rn. 51).
„Art. 4 Abs. 1 GG schützt den gläubigen Menschen vor einer Einmischung des Staates in seine Glaubensüberzeugungen und -aktivitäten und verpflichtet den Staat, ihm einen Betätigungsraum zu sichern, in dem sich die Persönlichkeit auf weltanschaulich-religiösem Gebiet entfalten kann, und sie insbesondere vor Angriffen oder Behinderungen von Anhängern anderer Glaubensrichtungen oder konkurrierender Religionsgruppen zu schützen. Art. 4 Abs. 1 GG verleiht dem Einzelnen und den religiösen Gemeinschaften aber grundsätzlich keinen Anspruch darauf, ihrer Glaubensüberzeugung mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen (so BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995, 1 BvR 1087/91, juris Rn. 35).“
Weiter heißt es:
„Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, wie diese grundrechtliche Gewährleistung hinsichtlich des Antragstellers durch die Aufführung des Stückes „Gólgota Picnic“ betroffen sein könnte. Denn dieses wird in einem geschlossenen Theaterraum aufgeführt, so dass der Antragsteller der Aufführung fernbleiben kann und zu ihrer Kenntnisnahme nicht gezwungen wird (vgl. gegen die Berührung der Religionsfreiheit in diesem Zusammenhang Hufen, JuS 1999, 911 [912]; ders., Staatsrecht II, Grundrechte, 2007, § 33 Rn. 51; anders u. U. wegen des „Überraschungseffekts“ bei nicht erwarteten Fernsehbeiträgen, vgl. OVG Münster, Urt. v. 27.8.1996, 5 A 3485/94, juris Rn. 9, jedoch auch Rn. 11 ff.). Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass er auf andere Weise durch die Aufführung des Theaterstücks in der Ausübung seiner Religionsfreiheit beeinträchtigt würde. Insbesondere mit der von ihm geäußerten allgemeinen Befürchtung, die Aufführung trage zu einer „Atmosphäre der Feindseligkeit und des Spottes“ bei, die „das Leben als praktizierender Christ in unserer Gesellschaft“ erschweren könnte, hat er nicht hinreichend substantiiert dargelegt, inwieweit seine individuelle Freiheit der Religionsausübung durch die Aufführung konkret beschränkt sein soll. Soweit er sich lediglich allgemein auf die Wirkung des Stückes im religionsbezogenen gesellschaftlichen Diskurs bezieht, so steht es Religionsgemeinschaften und ihren Mitgliedern frei, selbst an diesem Diskurs teilzunehmen, indem sie sich kommunikativ mit aus ihrer Sicht zu kritisierenden Theaterstücken auseinandersetzen (vgl. Hufen, Staatsrecht II, Grundrechte, 2007, § 33 Rn. 51).“
Die vorliegende Entscheidung eignet sich vorzüglich als Thema einer mündlichen Prüfung. Zur europarechtlich gebotenen Modifikation der verwaltungsprozessualen Klagebefugnis wird auf folgenden Beitrag hingewiesen.
Das VG Karlsruhe hatte sich kürzlich mit einem Fall zu beschäftigen, der den Studenten instruktiv vor Augen führt, wie die Schranke der Klagebefugnis als Sachentscheidungsvorassetzung verwaltungsgerichtlicher Klagen funktioniert. Die korrespondierende Pressemittelung des VG ist insofern erschöpfend, so dass an dieser Stelle lediglich ein Zitat folgt:
Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Karlsruhe hat die am 26.04.2012 verhandelte Feststellungsklage des Karlsruher Katzenschutzvereins gegen die Stadt Karlsruhe als unzulässig abgewiesen. Mit seiner Klage wollte der Katzenschutzverein gerichtlich festgestellt haben, dass der beklagten Stadt Karlsruhe eine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer Verordnung zur Kastrations- und Kennzeichnungsplicht von frei lebenden Katzen zur Verfügung stehe. Der Verein macht geltend, die Vermehrung freilaufender wilder Katzen sei zu bekämpfen, weil für streunende Katzen die Gefahr der Unterernährung und ein hohes Risiko lebensbedrohlicher Erkrankungen bestehe.
Dem ist das Verwaltungsgericht nicht gefolgt. Nach Auffassung der Richter kann der klagende Katzenschutzverein nicht verlangen, dass das Gericht – gleichsam im Wege eines Rechtsgutachtens – die Rechtsordnung daraufhin untersucht, ob der Stadt für den Erlass der begehrten Rechtsordnung eine taugliche Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung stehe. Unabhängig davon sei der Katzenschutzverein aber auch deshalb nicht klagebefugt, weil es ihm in dem Verfahren nicht darum gehe, eigene Rechte gegenüber der beklagten Stadt durchzusetzen. Weder das einfache Recht noch das Verfassungsrecht verschafften dem Kläger im vorliegenden Zusammenhang eine solche eigene Rechtsposition. Zwar sei der Verein Träger des Grundrechts auf Vereinigungsfreiheit. Daher sei auch das satzungsmäßige Betätigungsfeld des Vereins – der Schutz von Katzen – grundrechtlich geschützt. Jedoch garantiere dieses Grundrecht nicht ein bestimmtes Ergebnis der satzungsmäßigen Betätigung oder gar deren optimale Entfaltung. Die satzungsgemäße Betätigung des Vereins werde durch den Nichterlass der streitigen Rechtsverordnung nicht in grundrechtsrelevanter Weise behindert. Auch der im Grundgesetz verankerte Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, wonach der Staat u.a. auch die Tiere schütze, verschaffe dem Verein ebenfalls nicht die erforderliche eigene Rechtsposition, die Anknüpfungspunkt für die begehrte Feststellung sein könne.
Wie die Ausführungen des VG zeigen, ist der Fall nicht nur kurios, sondern darüber hinaus auch relevant für anstehende mündliche Prüfungen, da im hiesigen Kontext eine Vielzahl verfassungsrechtlicher Grundlagen zumindest andiskutiert werden können. Auch in Klausuren wird die Entscheidung aufgrund der vielschichtigen Argumentationsmöglichkeiten sicherlich irgendwann Eingang finden; da die Klage im Ergebnis aber als unzulässig abzuweisen war, wäre in einer solchen Sachverhaltskonstellation noch mit materiellrechtlichen Zusatzfragen bzw. mit einem weiteren Sachverhalt zu rechnen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner heutigen Entscheidung geurteilt, dass ein von der Polizei gegenüber Zeitungsmitarbeitern ausgesprochenes Verbot der Anfertigung von Fotos der an einem Einsatz beteiligten Beamten eines Spezialeinsatzkommandos rechtswidrig war.
A. Sachverhalt (vereinfacht)
Die in zivil gekleideten Beamten des Einsatzkommandos waren damit beauftragt, den mutmaßlichen Sicherheitschef einer russischen Gruppierung, die dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen ist (russische Mafia), aus der Untersuchungshaft bei einer Augenarztpraxis in der Fußgängerzone der Stadt X in NRW vorzuführen.
Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter ein Fotoreporter, bemerkt. Als sich der Fotoreporter anschickte Bilder der Einsatzfahrzeuge und der am Einsatz beteiligten Beamten anzufertigen, wurde er von dem Einsatzleiter in formell rechtmäßiger Weise aufgefordert sein Vorhaben zu unterlassen. Der Journalist unterließ es daraufhin, Bilder anzufertigen. Begründet wurde das Verbot damit, dass die beteiligten Einsatzkräfte durch eine Veröffentlichung der Bilder hätten enttarnt werden können, was ihrer Einsetzbarkeit in Zukunft nicht zuträglich gewesen wäre. Zudem hätten sie auch persönlich durch etwaige Racheakte gefährdet werden können.
Der Zeitungsverlag, für den die Journalisten tätig, sind klagte vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gegen das Fotografierverbot.
B. Rechtliche Würdigung
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I VwGO ist zu bejahen, da die streitentscheidende Norm vorliegend dem Polizeirecht, mithin einer Materie des öffentlichen Rechts, zuzuordnen ist.
II. Zulässigkeit
1. Im Rahmen einer Klausurbearbeitung des Falles stellt sich zunächst bei der Zulässigkeitsprüfung die Frage nach der statthaften Klageart. Hierbei könnte angenommen werden, dass eine Anfechtungsklage statthaft sei. Dazu müsste es sich bei dem Fotografierverbot um einen Verwaltungsakt gehandelt haben. Ein solcher lag vorliegend mithin vor, insbesondere war das Verhalten des Einsatzleiters darauf gerichtet eine einzelfallbezogene Rechtsfolge zu setzen. Es sollte dem Bearbeiter allerdings auffallen, dass sich die rechtliche Beschwer dieses Verwaltungsaktes durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 VwVfG NW) und folglich eine Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist.
2. Der Zeitungsverlag ist als Drittbetroffener möglicherweise in seinem aus der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) folgenden Recht auf Informationsbeschaffung durch eigenes Personal verletzt und folglich klagebefugt.
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO ist jedenfalls in NRW nach § 110 Abs. 1 JustG NW nicht erforderlich. Darüber hinaus hätte es seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung und Zweckmäßigkeitsprüfung) vorliegend ohnehin nicht mehr erfüllen können.
4. Die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft unterliegt keiner Fristbindung.
5. Das erforderliche Fortsetzungsfestellungsinteresse, welches in Fällen vorprozessualer Erledigung mit dem Feststellungsinteresse in § 43 Abs. 1 VwGO identisch ist und alle schützenswerten Interessen rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art umfasst, ergibt sich vorliegend aus der Tatsache, dass sich polizeiliche Maßnahmen typischerweise kurzfristig erledigen und die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit der Klageeröffnung gebietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – 6 C 7.98; s. auch BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 – 5 C 4/84). Des Weiteren ist ein Fortsetzungsfestellungsinteresse auch aufgrund der möglich erscheinenden Verletzung des Zeitungsverlags in seiner Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegend zu bejahen.
III. Begründetheit
Die Klage ist begründet, wenn und soweit die polizeiliche Maßnahme rechtswidrig war und der Kläger (der Zeitungsverlag) dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Die polizeiliche Maßnahme war rechtmäßig, wenn sie auf einer Ermächtigungsgrundlage basierte von der in formell und materiell rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht wurde.
1. Als Ermächtigungsgrundlage kommt vorliegend, mangels Einschlägigkeit spezieller Befugnisnormen, die polizeiliche Generalklausel aus § 8 Abs. 1 PolG NW in Betracht.
2. Die polizeiliche Maßnahme ist laut Sachverhalt in formell rechtmäßiger Weise ergangen.
3. Voraussetzung für ein polizeiliches Einschreiten ist das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Maßgeblich ist dabei die Prognose aus der ex-ante Perspektive.
Eine Gefahr ist zu bejahen, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schadenseintritt für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Als Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit gelten, die objektive Rechtsordnung, Individualrechte des Einzelnen sowie die Funktionsfähigkeit von Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und anderer Hoheitsträger.
Vorliegend sah der Einsatzleiter eine Enttarnung der am Einsatz beteiligten Beamten und eine Gefährdung von Leib und Leben eben jener durch das Anfertigen von Fotografien des Einsatzes, sowie eines damit einhergehenden Verlustes der zukünftigen Einsatzfähigkeit des Sondereinsatzkommandos als wahrscheinlich an. Aus der Sicht eines einsichtigen und unbefangenen Polizeibeamten lässt sich damit das Vorliegen einer Gefahr für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, namentlich den Individualrechten der beteiligten Polizeibeamten, sowie
(mit Blick auf die eventuelle Gefährdung der Einsatztauglichkeit für zukünftige Einsätze) der Funktionsfähigkeit staatlicher Veranstaltungen, bejahen.
Die Einschreitungsvoraussetzungen der polizeilichen Generalklausel sind damit im vorliegenden Fall zu bejahen.
4. Das vom Einsatzleiter ausgesprochene Anfertigungsverbot müsste auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Die Maßnahme müsste hinsichtlich der Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Zwecks also geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Das Verbot Bilder vom Einsatz anzufertigen ist nicht schlichtweg untauglich die damit verfolgten Zwecke zu erreichen und folglich geeignet.
Weiterhin müsste die Maßnahme erforderlich gewesen sein, was dann der Fall ist, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Zweckerreichung gab. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:
„[…]Die Polizei durfte nicht schon das Anfertigen der Fotografien untersagen. Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Verbots der Anfertigung von Fotografien, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen. Eine solche Lage war hier gegeben.“
Danach hätte ein Hinweis der Einsatzleitung auf die bei ohne Unkenntlichmachung der Polizeibeamten bestehenden Gefahr genügt, um einer Enttarnung und den damit einhergehenden Gefahren entgegenzuwirken.
Im Ergebnis war das Verbot der Anfertigung von Bildern rechtswidrig und verletzte den Zeitungsverlag in seinen Rechten. Folglich ist die Fortsetzungsfeststellungsklage begründet.
Anmerkung: Die Bearbeitung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll den Lesern ein Leitfaden für die Lösung des Falles, wie er beispielsweise im Rahmen einer mündlichen Prüfung auftauchen könnte, gegeben werden.
Das VG Köln konnte sich mit Urteil vom 09.02.2012 (Az. 26 K 5534/10) zu einem Fall äußern, der die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage betraf.
Sachverhalt
Geklagt hatte ein bei einem Bombenangriff in Afghanistan verletzter Lkw-Fahrer. Der Fahrer wollte festgestellt wissen, dass der von einem Bundeswehroberst angeordnete Bombenabwurf auf verschiedene Tanklastwagen im Kundus rechtswidrig war. In der Sache ging es um einen Luftangriff auf Tanklastwagen, die von bewaffneten Talibankämpfern entführt worden waren. Der Luftschlag führte zu einer Vielzahl von Toten. Der o.g. Kläger war Fahrer einer der attackierten Laster.
Rechtlich ging es u.a. um weniger examensrelevante Vorschriften des Völkerrechts, so dass die Klausurrelevanz nicht unbedingt gegeben ist. Da aber allgemeine prozessuale Probleme den Schwerpunkt des Urteils bildeten, lassen sich die vom VG Köln angedachten Aspekte allerdings optimal im Rahmen einer mündlichen Prüfung abfragen.
Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Fraglich war hier, ob die eingelegte Klage zulässig war. Damit eine Fortsetzungsfeststellungsklage (FFK) zulässig ist, bedarf es insbesondere eines besonderen Fortsetzungsfeststellungsinteresses. Dieses liegt vor, wenn einer der folgenden Gründe gegeben ist:
1. Wiederholungsgefahr
Wiederholungsgefahr liegt vor, wenn die Behörde erkennen lässt, dass sie einen gleichartigen Verwaltungsakt erneut gegenüber dem Kläger wieder erlassen wird.
2. Vorbereitung von Amtshaftung
Dieser Grund liegt vor, wenn die FFK der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dient. Dies wird nach h.M. jedoch nur dann anerkannt, wenn sich das Verwaltungsgericht bereits mit der Sache befasst hat. Das präjudizielle Interesse betrifft damit nur die Fälle der Erledigung nach Klageerhebung. Sofern Erledigung bereits vor Klageerhebung vorliegt, kann genauso gut auch direkt eine auf § 839 BGB, Art. 34 GG gestützte Amtshaftungsklage beim Landgericht verfolgt werden. Es entspricht nicht der Prozessökonomie, wenn zwei Klagen gleichzeitig eingelegt werden, obwohl das Interesse des Klägers auch mit einer Klage bei den ordentlichen Gerichten befriedigt werden kann.
3. Rehabilitationsinteresse
Rehabilitationsinteresse liegt vor, wenn der Verwaltungsakt oder dessen Vollziehung eine besonders diskriminierende Wirkung haben. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Dritte direkte Kenntnis von dem Vorgang haben (Beispiel: man wird in aller Öffentlichkeit von der Polizei abgeführt und fühlt sich deshalb gedemütigt).
4. Tiefgreifender Grundrechtseingriff
Bei besonders belastenden Maßnahmen wird zudem angenommen, dass auch bei Nichtvorliegen der übrigen Fallgruppen eine gerichtliche Überprüfung staatlicher Akte möglich sein kann. Es bedarf hierzu allerdings eines substantiierten Parteivortrags. Insbesondere im Kontext von Durchsuchungen wurde oftmals ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen des tiefgreifenden Eingriffs in Art. 13 Abs. 1 GG anerkannt. Bei diesem Aspekt gilt es die Beeinträchtigung des Klägers und seine Rechtsschutzmöglichkeiten im Einzelfall zu beleuchten. Eine umfassendere Darstellung dieses Grundes hat nur dann zu erfolgen, wenn keiner der vorgenannten Gründe gegeben ist.
Die Entscheidung des VG Köln
Im hier zu entscheidenden Fall verneinte das VG Köln das Vorliegen des besonderen rechtlichen Interesses. Die Klage war damit unzulässig. Begründet wurde diese Auffassung damit, dass der Kläger wohl nicht nochmals in eine vergleichbare Situation geraten würde. Die Wiederholungsgefahr war damit außen vor. Auch die Vorbereitung eines Amtshaftungsanspruchs griff nicht durch, da es sich vorliegend um eine Erledigung vor Klageerhebung handelte. Der Kläger könnte auch direkt vor dem Landgericht auf Amtshaftung klagen.
Mit Blick auf die Möglichkeit der Klärung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes im zivilrechtlichen Verfahren konnte auch die letztgenannte Fallgruppe nach Ansicht des VG Köln nicht durchgreifen. Hier hätte m.E. auch eine andere Auffassung vertreten werden können, da der Lastwagenfahrer durch den Bombenangriff wohl doch erheblich in seinem Recht auf körperliche Integrität nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG beeinträchtigt war.
Der Fall zeigt, dass das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht in jedem Fall blindlings bejaht werden sollte. Es muss vielmehr eine kritische Subsumtion unter alle Fallgruppen erfolgen. Nur so kann den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung getragen werden.
Das BVerwG entschied (Urt. v. 15.12.2011, Az. 3 C 41.10), dass ein Apotheker die einem anderen Apotheker erteilte Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln nur unter besonderen Voraussetzungen vor Gericht anfechten darf.
Der Kläger betreibt eine Apotheke in Magdeburg. Der Beigeladene ist selbstständiger Apotheker in Köthen. Auf seinen Antrag erteilte ihm das beklagte Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt zusätzlich die Betriebserlaubnis für eine Filialapotheke in Halle (Saale) sowie die Erlaubnis zum Versand von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in den Räumen der Filialapotheke. Die gegen die Versandhandelserlaubnis des Beigeladenen gerichtete Klage hat in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht Erfolg gehabt. Das Gericht hat die Klage als zulässig angesehen und die Versandhandelserlaubnis wegen eines angenommenen Verstoßes gegen das Apothekengesetz aufgehoben.
Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision des Beigeladenen stattgegeben und die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts abgeändert. Es hat die Klage – wie bereits das Verwaltungsgericht – als unzulässig angesehen. Es kommt nur ausnahmsweise in Betracht, dass sich ein Apotheker gegen die einem konkurrierenden Apotheker erteilte Versandhandelserlaubnis zur Wehr setzen darf. Das setzt voraus, dass er durch den Versandhandel des Konkurrenten unzumutbare Wettbewerbsnachteile erleidet. Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt. Durch den Versandhandel des Beigeladenen bedingte tatsächliche Nachteile des Klägers, die über den allgemeinen Wettbewerb hinausgehen, ließen sich nicht ausmachen.
Der Fall ist für Klausuren wenig geeignet, da eine unzulässige Klage in den seltensten Fällen Gegenstand einer solchen Prüfung sein wird. Für die mündliche Prüfung bietet der Fall hingegen die Möglichkeit, die Grundsätze und Sonderprobleme rund um die Klagebefugnis abzuprüfen. In diesem Kontext sei zudem auf besondere Modifikationen der Klagebefugnis durch Europarecht hingewiesen, was einen zusätzlichen Problempunkt in einem solchen Prüfungsgespräch darstellen kann (siehe dazu hier).
An einem gestern vom beck-Ticker veröffentlichten Urteil des VG Stuttgart (Az. 12 K 2286/11) wird die Bedeutung der Klagebefugnis in der verwaltungsrechtlichen Klausur gut verdeutlicht.
Das Gericht hatte zu entscheiden, ob ein Schüler Anspruch darauf hat, dass ein anderer Schüler, mit dem es in der Vergangenheit zu wiederholten streitigkeiten gekommen ist, nicht in dessen Schule aufgenommen wird.
Bereits die Zulässigkeit eines solchen Verlangens wurde vom Gericht unter Hinweis auf die fehlende Klagebefugnis vereint.
Das Gericht legt dazu dar:
„[Der Schüler] könne nicht geltend machen, durch dessen Aufnahme in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Befugnis des Schulleiters zur Aufnahme eines Grundschülers nach den maßgebenden Vorschriften des Schulgesetzes diene alleine dem öffentlichen Interesse (und dabei durchaus auch dem Schutz der Schule und ihrer Schüler insgesamt) und nicht auch dem Schutz konkreter einzelner Mitschüler.“
Diese Argumentation vollzieht die Voraussetzungen der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO sehr gut nach. Demnach muss eine Verletzung in eigenen Rechten möglich sein.
- Dies liegt dann vor, wenn der Kläger Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes ist (sog. Adressatentheorie).
Problematisch ist das Vorliegen der Klagebefugnis aber dann, wenn der Verwaltungsakt nicht unmittelbar an den Kläger gerichtet ist. Auch hier muss eine Verletzung eigener Rechte möglich sein.
- Dies ist nur dann erfüllt, wenn die maßgebliche Norm nicht allein die Allgemeinheit schützen will, sondern zumindest auch den Schutz Dritter (d.h. konkret des Klägers) bezweckt. Im Zweifel ist die Norm auszulegen, um zu ermitteln, ob ein Drittschutz intendiert ist. Nur dann liegt die Klagebefugnis vor.
Im konkreten Fall lag dies nach der Ansicht des VG Stuttgart nicht vor, sodass die Zulässigkeit der Klage zu verneinen war.