Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Lars Stegemannn veröffentlichen zu können. Lars studiert an Universität Bremen und hat dort den Schwerpunkt Internationales und Europäisches Wirtschaftsrecht belegt. Nebenbei arbeitet er als studentische Hilfskraft am Lehrstuhl von Prof. Gralf-Peter Calliess.
Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die Gesellschaftsformen geben. Damit soll das Verständnis des Gesellschaftsrechts, das in Grundzügen zum Pflichtstoff im Ersten Staatsexamen gehört, gefördert werden. Dazu gilt es, einen Blick auf Rechtskonstruktion und Struktur der Gesellschaftsformen zu werfen. Dies soll zunächst allgemein geschehen (A. zur Rechtskonstruktion und B. zur Struktur). Daran anschließend soll ein Überblick über die examensrelevanten Gesellschaftsformen gegeben werden (C.).
A. Die Rechtskonstruktion hinter der Gesellschaft
Zu Beginn des Beitrags soll eine kurze Erläuterung der – nicht nur für das Gesellschaftsrecht relevanten – Lehre von den Rechtssubjekten erfolgen. Das BGB beginnt im ersten Buch – dem Allgemeinen Teil – mit dem Abschnitt „Personen“. Damit sind Rechtssubjekte gemeint.Sie sind rechtsfähig, können also Träger von Rechten und Pflichten sein. Wie die Titel dieses ersten Abschnitts zeigen, ging der historische Gesetzgeber hier zunächst von einer Zweiteilung in natürliche und juristische Personen aus (Dörner, in: Schulze u.a. (Hrsg.), BGB, 7. Auflage, Vor. §§ 1 ff. Rn. 1; instruktiv hierzu auch Medicus/Petersen, Grundwissen zum Bürgerlichen Recht, 9. Auflage, Rn. 23 ff.). Während der natürlichen Person stets schon von Grundrechts wegen Rechtsfähigkeit zukommt (Medicus, BGB AT, 10. Auflage, Rn. 1043 f.), sind juristische Personen nur Zweckgebilde der Rechtsordnung (Schöpflin, in: BeckOK BGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 21 Rn. 1). Ihnen wird aus Zweckmäßigkeitsgründen durch die Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen (Medicus/Petersen, Grundwissen zum Bürgerlichen Recht, 9. Auflage, Rn. 25). Juristische Personen werden üblicherweise definiert als Zusammenfassung von Personen oder Sachen zu einer rechtlich geregelten Organisation, der die Rechtsordnung Rechtsfähigkeit verliehen und dadurch als Träger eigener Rechte und Pflichten verselbstständigt hat (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 72. Auflage, vor. §§ 21 ff. Rn. 1). Nach dem heute herrschenden System der Normativbestimmungen erlangen die juristischen Personen ihre Rechtsfähigkeit bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen durch konstitutive Registereintragung. Erst durch diese Eintragung werden sie zur juristischen Person (Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Auflage, § 16 Rn. 2). Doch einige Vorschriften, auch im BGB, implizieren, dass es neben natürlichen und juristischen Personen eine dritte konstruktive Kategorie geben muss. Von einer solchen Dreiteilung geht insbesondere § 14 Abs. 1 BGB aus, wenn er neben den natürlichen und juristischen Personen die rechtsfähigen Personengesellschaften nennt. Die rechtliche Konstruktion der rechtsfähigen Personengesellschaft wird als Gesamthandsgemeinschaft bezeichnet. Die Grundform der Personengesellschaften, die BGB-Gesellschaft, (siehe nur die Verweise in § 105 Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB für OHG und KG sowie in § 1 Abs. 4 PartGG für die PartG), ist als eine solche Gesamthandsgemeinschaft konzipiert, §§ 705 ff. BGB (Wolf/Neuner, BGB AT, 10. Auflage, § 16 Rn. 30 ff.; auch BGH, NJW 2001, 1056). Veranschaulichen lässt sich das Gesamthandsprinzip vor allem in Abgrenzung zur Bruchteilsgemeinschaft. Die Bruchteilsgemeinschaft ist in §§ 741 ff. BGB geregelt und betrifft Fälle der sogenannten gemeinsamen Rechtszuständigkeit. Wichtigster Anwendungsfall ist hier das Miteigentum (§§ 1008 ff. BGB). Die Rechtszuständigkeit im Hinblick auf die einzelnen zum Vermögen (Sondervermögen) der Bruchteilsgemeinschaft gehörenden Gegenstände ist geteilt, d.h., jedes Mitglied der Bruchteilsgemeinschaft kann über seinen Bruchteil frei verfügen (dazu Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 289 ff., sowie K. Schmidt, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 741 Rn. 6). Bei der Gesamthand wird demgegenüber ein Sondervermögen gebildet, das vor dem Zugriff einzelner Gesellschafter dadurch geschützt ist, dass über die Gegenstände des Sondervermögens nur gemeinsam verfügt werden kann. Die Mitglieder sind ideell an der Gesamthandsgemeinschaft bzw. am Sondervermögen in seiner Gesamtheit beteiligt, nicht aber an jedem einzelnen dazugehörigen Gegenstand. Träger des Vermögens sind dabei nicht etwa die Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, sondern die Gesellschaft selbst (Schäfer, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 19 Rn 1 ff.; auf einen gewissen Widerspruch weist Beuthien, NJW 2005, 855 (857) nicht zu Unrecht hin; zur Lösung der heute wohl h.L. dieser scheinbaren Begriffswidersprüchlichkeit siehe Schöne, in: BeckOK BGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 705 Rn. 17 m.w.N.). Auch nach Anerkennung der potentiellen Rechtsfähigkeit der gesellschaftsrechtlichen (in Abgrenzung zur familienrechtlichen und erbrechtlichen Gesamthandsgemeinschaft, dazu instruktiv Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, § 705 Rn. 289 ff.) Gesamthandsgemeinschaft (nur Außen-Personengesellschaften steht die Rechtsfähigkeit zu; grundlegend hierzu die BGH-Entscheidung zur Rechtsfähigkeit der Außen-GbR, die bekannt sein sollte: BGH, NJW 2001, 1056), wird an der Abgrenzung zur juristischen Person durch die ganz h.M. festgehalten (siehe nur Ulmer, ZIP 2001, 585 (588); Schöne, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 705 Rn. 17 mit Nachweisen zur Gegenauffassung; ausdrücklich auch BGH, NJW 2001, 1056: „ohne juristische Person zu sein“). Für die Klausur ist dieser Unterschied aber unerheblich. Hier bedarf es eingangs lediglich einer kurzen Feststellung, dass die in Rede stehende Gesellschaft rechtsfähig ist, ohne auf die Trennung zwischen juristischer Person und Gesamthandsgemeinschaft einzugehen. Welche Unterschiede hier wirklich noch bestehen, ist der akademischen Diskussion vorbehalten (so auch K. Schmidt, NJW 2001, 993 (1003)). Einer kurzen Erläuterung bedarf aber noch der Begriff der Teilrechtsfähigkeit. Mit ihm wird üblicherweise das Defizit der rechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften im Vergleich zu den juristischen Personen bezeichnet im Sinne einer nur beschränkten Rechtsfähigkeit (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 72. Auflage, vor. §§ 21 ff. Rn. 2; BGH, NJW 2009, 594 (595); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Auflage, Rn. 794). Dieser Begriff ist vielfach auf Kritik gestoßen (sehr kritisch Huber, in: FS Lutter, 2000, 107 (110 ff.); ebenso Servatius, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 705 BGB Rn. 67; Beuthien, NJW 2005, 855 (856)) und wird auch vom BGH nicht immer verwendet (BGH, NJW-RR 2009, 254 (255)). Wichtig für die Klausur ist jedoch nur, dass die Rechtsfähigkeit der Gesamthandsgemeinschaften bezogen auf Vermögensrechte mittlerweile unbeschränkt ist (Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 310; davon geht auch BGH, NJW 2006, 2189 aus, wenn er die fehlende Eignung der GbR, Verwalter einer WEG zu sein, nicht mit der mangelnden Rechtsfähigkeit begründet, sondern der fehlenden Publizität). Ob man dennoch den Begriff der Teilrechtsfähigkeit wählt, sollte vor allem von den Befindlichkeiten der Korrektoren abhängig gemacht werden. Als kurzer Vorgriff: Körperschaften (dazu sogleich) sind in der Regel juristische Personen (der nicht eingetragene Verein bildet hier gerade wegen seiner fehlenden Eintragung in ein Register die Ausnahme), Personengesellschaften grundsätzlich Gesamthandsgemeinschaften (Kraft/Kreutz, Gesellschaftsrecht, 11. Auflage, S. 5 f.).
B. Personengesellschaften und Körperschaften – Die Unterscheidung der Gesellschaftsformen nach ihrer Struktur
I. Der Gesellschaftsbegriff
Üblicherweise wird eine Gesellschaft definiert als Zusammenschluss mehrerer Personen auf Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (Gesellschaftsbegriff im weiten Sinne, Bitter, Gesellschaftsrecht, § 1 Rn. 4; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 3). Dadurch erfolgt grob gesagt eine Abgrenzung zu: -den Körperschaften des öffentlichen Rechts (diese entstehen durch Hoheitsakt, nicht durch privatrechtlichen Vertrag), -zu den familienrechtlichen Gemeinschaften (sie entstehen in der Regel kraft Gesetzes, verfolgen aber zumindest nie einen bestimmten Einzelzweck) -sowie zur Bruchteilsgemeinschaft i.S.d. §§ 741 ff. BGB. Hier besteht der Zweck allein im Anschaffen, Halten und Verwalten einer Sache und die Parteien verfolgen mit der Sache jeweils eigene Zwecke (Sprau, in: Palandt, BGB, 72. Auflage, § 705 BGB Rn 14; Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 4 ff.). Die Stiftung ist ebenfalls keine Gesellschaft, weil sie keine Mitglieder hat. Sie ist nur ein rechtlich verselbstständigtes Vermögen (Reuter, in: MüKo, BGB Bd. 1, 6. Auflage, Vor. §§ 80 ff. Rn. 51). Nicht erfasst werden von dieser Definition aber die Ein-Mann-GmbH und –AG, § 2 AktG, § 1 GmbHG (Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 2 f. zu den Problemen des Gesellschaftsbegriffs).
II. Numerus clausus des Gesellschaftsrechts
Im Gesellschaftsrecht gilt, ebenso wie im Sachenrecht, ein numerus clausus der Gesellschaftsformen. Das dient dem Verkehrsschutz (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 36 f.; im Grenzbereich dessen bewegen sich Mischformen wie die GmbH & Co, KG). Der Gegenüber soll wissen, womit er es zu tun hat. Wohl gerade wegen dieses numerus clausus stellt das Gesellschaftsrecht eine Fülle verschiedener Gesellschaftsformen zur Verfügung, die sich mal mehr, mal weniger stark unterscheiden.
III. Personengesellschaften und Körperschaften
Um zumindest eine grobe Einteilung dieser Gesellschaftsformen zu erreichen, werden sie in Personengesellschaften und Körperschaften eingeteilt. Damit wird die Struktur der jeweiligen Gesellschaft beschrieben. Gleichwohl ist damit nichts über die dahinter stehende Rechtsfigur gesagt (dazu bereits oben, aber auch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 22, insb. die Kritik auf S. 28, das Struktur und Subjekt oft nicht klar genug getrennt werden). Als Körperschaften werden dabei üblicherweise solche Gesellschaften eingeordnet, die in ihrer Organisation und Struktur von ihren Mitgliedern unabhängig sind, als Personengesellschaften hingegen solche, die von der Individualität ihrer Mitglieder abhängen. Deshalb werden Personengesellschaften auch als enger Zusammenschluss der Mitglieder angesehen, der auf dem Vertrauen der Gesellschafter beruht, während Körperschaften grundsätzlich auf eine große Zahl von einander unbekannten Mitgliedern ausgelegt sind (dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 46). Personengesellschaften werden auch als Gesellschaften im engeren Sinne bezeichnet, wobei als Definition für diesen engen Gesellschaftsbegriff üblicherweise der Wortlaut des § 705 BGB herangezogen wird (Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, Vor. §§ 705 ff. Rn. 2). Kapitalgesellschaften sind ein Unterfall der Körperschaften. Sie zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, dass die Mitgliedschaft wesentlich durch eine Kapitalbeteiligung geprägt ist und zum Schutze der Gläubiger Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften existieren (Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 25 f.). Praktische Relevanz hat die Unterscheidung in der Hinsicht, dass bezüglich lückenhafter Regelungen auf den jeweiligen Grundtypus zurückgegriffen werden kann (besonders deutlich wird das an § 105 Abs. 3 HGB, der für die OHG und über § 161 Abs. 2 HGB auch für die KG subsidiär auf das Recht der GbR verweist, aber auch an der heute allgemein anerkannten analogen Anwendung von § 31 BGB auf alle rechtsfähigen Gesellschaften, dazu Jauernig, in: Jauernig, BGB, 14. Auflage, § 31 Rn. 2).
IV. Unterschiede zwischen Personengesellschaften und Körperschaften
Mit den Begriffen der Körperschaft und der Personengesellschaft wird ein „idealtypischer Gegensatz“ (Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 22) bezeichnet. Dabei wird auf die Grundkonzeption des Gesetzgebers geschaut. Zur Differenzierung der beiden Gruppen werden insbesondere die jeweiligen Grundtypen herangezogen. Als Grundform der Körperschaften wird der eingetragene Verein angesehen, bei den Personengesellschaften ist es die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Ausgehend von diesen beiden Grundformen werden den beiden Gruppen nun verschiedene Eigenschaften zugeschrieben, die ihnen nach dem Gesetz zukommen (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 11). Durch die Vertragsfreiheit kann die reelle Struktur im Einzelfall aber stark davon abweichen. Im Folgenden sollen an Hand der beiden Grundtypen die üblichen Wesensmerkmale erläutert werden (ausgeklammert werden dabei die Innengesellschaften, die meist reines Schuldverhältnis sind, wobei hier vieles streitig ist, siehe ausführlich Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 275 ff.; reine Innengesellschaften sind nur bei Personengesellschaften denkbar). Ein erster wesentlicher Unterschied ist die Struktur bzw. Verfassung der Gesellschaft. Körperschaften sind korporativ verfasst, was bedeutet, dass es auf Basis der Satzung klar voneinander abgrenzbare Organe mit unterschiedlichen Zuständigkeiten gibt, die für die Gesellschaft handeln. So existieren beim eingetragenen Verein zwingend die Organe Vorstand, § 26 BGB, und Mitgliederversammlung, § 32 BGB. Gleichzeitig gilt wegen der überindividuellen Verselbstständigung der Körperschaften das (nicht zwingende) Prinzip der Fremdorganschaft, was bedeutet, dass nicht notwendigerweise die Mitglieder selbst die Geschicke der Gesellschaft im Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan leiten (anders aber § 9 Abs. 2 GenG). Bei den Personengesellschaften hingegen besteht eine Notwendigkeit zu einer solchen Organisation nicht (dazu Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 23). Die Gesellschafter sind zugleich kraft ihrer Gesellschafterstellung Geschäftsführer der Gesellschaft, §§ 709, 714 BGB. Das Prinzip der Selbstorganschaft ist hier grundsätzlich zwingend (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 410). Es ist aber keine darüber hinausgehende Struktur und Verfassung notwendig. Die Gesellschafter können, ohne eine weitergehende Organstruktur zu schaffen, die Geschicke der Gesellschaft leiten (siehe bei Interesse zu den Grundlagen der Organstruktur in Personengesellschaften Schürnbrand, Organschaft im Recht der privaten Verbände, S. 81 ff.). Eng damit einher geht das Einstimmigkeitsprinzip bei Personengesellschaften, §§ 709, 714 BGB (Gesamtgeschäftsführung/-vertretung, beachte daneben aber auch die erforderliche Einstimmigkeit für Grundlagenentscheidungen), während bei Körperschaften grundsätzlich das Mehrheitsprinzip gilt, § 32 Abs. 1 S. 3 BGB. Ein weiterer Unterschied ist, dass im Recht der Personengesellschaften grundsätzlich die Gesellschafter persönlich für die Schulden der Gesellschaft haften (für die GbR gilt hier § 128 HGB analog nach der Akzessorietätstheorie, Bitter, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 40 ff.). Der BGH sieht dies als prägend für die Personengesellschaften an (BGH, NJW 1999, 3483 (3484)). Demgegenüber haftet bei Körperschaften grundsätzlich nur die Gesellschaft mit ihrem Vermögen (zum e.V. Schöpflin, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 21 Rn. 17, siehe daneben § 13 Abs. 1 GmbHG, § 1 Abs. 1 S. 2 AktG; das sollte man aber nicht so verkürzen, dass die Körperschaft nur mit ihrem Gesellschaftsvermögen haftet, das tun auch die Personengesellschaften; das besondere ist, dass daneben nicht auch die Gesellschafter haften!). Nur ausnahmsweise wird dieses Trennungsprinzip durch eine Durchgriffshaftung durchbrochen (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 15). Darüber hinaus unterscheiden sie sich im Grad der mitgliedschaftlichen Bindung. Die Personengesellschaften sind auf einen engen persönlichen festen Verbund von Gesellschaftern ausgerichtet. Gesellschafterwechsel sind grundsätzlich nur mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter möglich. Zudem müssen stets mindestens zwei Gesellschafter vorhanden sein. Ansonsten geht das Vermögen in das Privatvermögen des letzten Gesellschafters im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 12; Bitter, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 120). Die Körperschaften hingegen sind auf einen großen, wechselnden Mitgliederbestand ausgelegt. Das einzelne Mitglied kann die Körperschaft auch nicht durch Kündigung auflösen (Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, S. 24, siehe auch § 39 BGB; anders bei den Personengesellschaften, siehe nur § 723 BGB). In der Regel können die Mitglieder auch frei über ihre Mitgliedschaft verfügen, die nicht freie Übertragbarkeit muss vielmehr besonders festgeschrieben werden, siehe nur § 15 Abs. 1, Abs. 5 GmbHG (Ausnahme ist hier jedoch gerade der eingetragene Verein als Grundtypus, Schöpflin, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand. 01.08.2013, § 38 Rn. 32; bei der GmbH hingegen lässt § 16 GmbHG mittlerweile auch den gutgläubigen Erwerb zu, dazu Kindler/Paulus, JuS 2013, 490 (494)). Die Körperschaft kommt sogar gänzlich ohne Mitglieder in dem Sinne aus, dass der Austritt des letzten Mitglieds hier nicht zum sofortigen Erlöschen, sondern nur zur Abwicklung führt (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 209; zur Differenzierung Auflösung – Beendigung Schöne, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 723 Rn. 3). Ebenso ist es bei der Körperschaft im Gegensatz zur Personengesellschaft grundsätzlich denkbar, dass sie eigene Anteile erwirbt (Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 309).
Auch der Gründungsaufwand unterscheidet sich. Personengesellschaften bedürfen zu ihrer Entstehung grundsätzlich nur eines Vertragsschlusses, der grundsätzlich auch konkludent erfolgen kann (besonders deutlich wird dies daran, wie leicht man, ohne darüber nachzudenken, eine GbR gründen kann; hierzu auch BGH, NJW 2008, 3277 (3278 f.)). Die Satzung einer Körperschaft bedarf hingegen regelmäßig einer besonderen Form, muss zumindest aber niedergelegt sein (§ 57 BGB für den Verein; § 2 Abs. 1 S. 1 GmbHG; § 23 Abs. 1 S. 1 AktG, zu allem auch Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 2 Rn. 30). Das hängt eng damit zusammen, dass Körperschaften für ihre Existenz als solche eine Registereintragung bedürfen (§ 21 BGB; § 11 Abs. 1 GmbHG; § 41 Abs. 1 S. 1 AktG; demgegenüber ist die Registereintragung unter Umständen bei OHG, KG und PartG für die Rechtsform relevant, nicht für ihre Existenz als Personengesellschaft, denn sie sind vorher GbR; eng damit zusammen hängt auch ihre Eigenschaft als juristische Person, die einer solche Eintragung bedarf). Zweck dieser konstitutiven Eintragung ist der Schutz des Rechtsverkehrs angesichts der Haftungsbeschränkung bei Körperschaften (Hüffer/Koch, Gesellschaftsrecht, 8. Auflage 2011, S. 10; daraus ergeben sich vielfältige Probleme im Rahmen der Vor-Gesellschaften, insb. bezüglich der Haftung, siehe dazu Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 17 Rn. 738 ff.). Nicht mehr zur Unterscheidung taugt hingegen das früher herangezogene Kriterium der Rechtsfähigkeit. Seit der Grundlagenentscheidung des BGH zur Rechtsfähigkeit der Außen-GbR sind zumindest die Außenpersonengesellschaften als rechtsfähig anzusehen (BGH, NJW 2001, 1056; zur früheren Orientierung daran Bitter, Gesellschaftsrecht, § 1 Rn. 15 ff.). Alle diese eben genannten Merkmale zeichnen grundsätzlich Personengesellschaften beziehungsweise Körperschaften aus. Hier seien jedoch kurz Ausnahmen erwähnt: Im Bereich der Publikumspersonengesellschaften hat die Rechtsprechung das Erfordernis der Selbstorganschaft zumindest stark aufgeweicht (Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 709 Rn. 6) und über die GmbH & Co. KG ist eine mittelbare Fremdorganschaft erreichbar. Publikumspersonengesellschaften sind solche, deren Funktion ähnlich wie die der AG in der Sammlung von Kapital von einer Vielzahl von Gesellschaftern besteht (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 9 Rn. 420 ff. zu diesen beiden atypischen Personengesellschaften). Die KGaA ist Körperschaft, gleichwohl haftet auch hier ein Komplementär unbeschränkt persönlich. Umgekehrt kann durch die GmbH/AG & Co. KG im Ergebnis die persönliche unbeschränkte Haftung einer natürlichen Person auch bei Personengesellschaften gänzlich ausgeschlossen werden.
C. Die Gesellschaftsformen
Abschließend soll in aller Kürze ein Überblick über die für die Ausbildung relevanten Gesellschaftsformen gegeben werden. Als Personengesellschaften sind dies die GbR, OHG, KG, PartG und stille Gesellschaft, als Körperschaften AG, GmbH und Verein.
I. Personengesellschaften
Die GbR als Grundtypus der Personengesellschaften wird durch Vertrag gegründet, wobei das Ziel der Zusammenschließenden die Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks sein muss, § 705 BGB. Grundsätzlich taugt hierzu „jeder erlaubte, dauernde oder vorübergehende, wirtschaftliche oder ideelle Zweck“ (Bitter, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 5). Bereits die Vereinbarung einer Lotto-Tippgemeinschaft kann diese Merkmale erfüllen (BGH, NJW-RR 1988, 1266: Reine Innengesellschaft, deshalb auch nach neuerer Rechtsprechung nicht rechtsfähig). Während die GbR nach früherem Verständnis nicht rechtsfähig war, hat sich der BGH im Jahre 2001 schließlich der sog. Gruppenlehre angeschlossen, nach der die GbR, sofern sie bestimmungsgemäß nach außen hin am Rechtsverkehr teilnimmt, rechtsfähig ist (BGH, NJW 2001, 1056; zur Historie Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 296 ff.; Saenger, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 49; Schöne, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 705 Rn. 139 ff.). Anforderungen sind darüber hinaus die Bildung von Gesellschaftsvermögen sowie eine eigene Identitätsausstattung (Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Auflage, Rn. 794; Ulmer/Schäfer, in: MüKo, BGB Bd. 5, 6. Auflage, § 705 Rn. 305 f.; der BGH hat sich zu diesen darüber hinausgehenden Anforderungen bislang nicht geäußert! In der Klausur sollten sie in der Regel aber unproblematisch erfüllt sein, sodass in jedem Fall von einer rechtsfähigen Außen-GbR ausgegangen werden kann). Dies ist in der Klausur heute in der Regel nicht mehr zu diskutieren und darf als ganz h.M. bezeichnet werden. Gründe für diese Anerkennung waren einerseits praktische Gründe, vor allem bei Dauerschuldverhältnissen, aber auch die Insolvenzfähigkeit der GbR, § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO, sowie die anderenfalls auftretenden Schwierigkeiten bei einer Änderung der Rechtsform zur OHG nach § 105 Abs. 1 HGB oder durch Umwandlung, § 191 UmwG (ausführlich BGH, NJW 2001, 1056). Für das Haftungsregime werden im Falle der rechtsfähigen Außen-GbR die Regeln über die OHG in den §§ 128 ff. HGB analog herangezogen (Bitter, Gesellschaftsrecht, § 5 Rn. 40 ff.; auch in diesem Zusammenhang ergangene BGH-Entscheidungen sollten bekannt sein, zunächst BGH, NJW 1999, 3483; später ausdrücklich zur Akzessorietätstheorie BGH, NJW 2001, 1056 (1061)). Als besonderes Problem im Rahmen der GbR stellt sich die Frage, ob (nicht-)eheliche Lebensgemeinschaften eine GbR eingegangen sind und die Abwicklungsvorschriften der GbR hier gegebenenfalls zur Anwendung kommen können (dazu den Überblick bei Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 23. Auflage, Rn.690a f., siehe auch BGH, NJW 2008, 3277). Examensrelevante Vorschriften: § 705 BGB (Voraussetzungen eines Zusammenschlusses zu einer GbR), §§ 709, 714 BGB (grundsätzlich gemeinschaftliche Geschäftsführung und Vertretung), §§ 128 ff. HGB analog (Haftung), sehr selten wird für die Rechtsfähigkeit § 124 Abs. 1 HGB analog zitiert (mittlerweile aber offenbar auch BGH, NJW 2009, 594 (597)).
Die OHG ist letztlich nur eine besondere Form der GbR, nämlich in der Regel eine solche, bei der der Gesellschaftszweck auf das Betreiben eines Handelsgewerbes ausgerichet ist, § 105 Abs. 1 HGB. Alle Gesellschafter haften unbeschränkt, unmittelbar, primär, persönlich, akzessorisch und gesamtschuldnerisch nach § 128 HGB. In diesem Fall ist die Handelsregistereintragung lediglich deklaratorisch. Anders ist dies, sofern es um eine kleingewerbliche, vermögensverwaltende oder land- und forstwirtschaftliche GbR geht, § 105 Abs. 2 HGB. Hier wird die GbR erst dann zur OHG, wenn sie ins Handelsregister eingetragen ist (konstitutive Eintragung). § 105 Abs. 3 HGB verweist bezüglich eventueller Lücken auf das Recht der GbR. Nach § 124 Abs. 1 HGB ist die OHG rechtsfähig (insgesamt näher zur OHG Bitter, Gesellschaftsrecht, § 6). Examensrelevante Vorschriften: § 105 Abs. 1, 2 HGB (Voraussetzungen für den Zusammenschluss zu einer OHG), §§ 128 ff. HGB (Haftung), §§ 114 Abs. 1, 116 HGB (Grundsatz der Einzelgeschäftsführungsbefugnis und deren Umfang), §§ 125 Abs. 1, 126 HGB (Grundsatz der unbeschränkbaren Einzelvertretungsmacht), § 123 HGB (Entstehung der OHG im Außenverhältnis), §§ 106, 107 HGB (eintragungspflichtige Tatsachen, wichtig für § 15 HGB), § 124 Abs. 1 HGB (Rechtsfähigkeit).
Die KG wiederum ist eine besondere OHG, die sich dadurch auszeichnet, dass es unbeschränkt persönlich haftende Gesellschafter (Komplementäre) gibt, während bei einem anderen Teil der Gesellschafter, den Kommanditisten, die Haftung der Summe nach beschränkt ist, § 161 Abs. 1 HGB. Ist eine dieser Summe entsprechende Einlage ins Gesellschaftsvermögen geleistet worden, ist die Haftung nach § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB gänzlich ausgeschlossen (das Gesetz differenziert hier nicht genug zwischen der Haftsumme und der Einlage, siehe dazu und zum Haftungssystem Bitter, Gesellschaftsrecht, § 7 Rn. 6 ff.). Das Recht der KG kommt mit wenigen Regeln aus, weil bis auf besondere Regeln zu den Kommanditisten das Recht der OHG Anwendung findet, § 161 Abs. 2 HGB. Examensrelevante Vorschriften: § 161 Abs. 1 HGB (Voraussetzungen für den Zusammenschluss zu einer KG), § 161 Abs. 2 HGB (Verweis auf Recht der OHG bis auf die Sonderregelungen zu den Kommanditisten), §§ 164, 170 HGB (Grundsatz der ausschließlichen Geschäftsführung (abdingbar) und Vertretung (zwingend) durch Komplementäre), §§ 171 ff. HGB (Haftung der Kommanditisten), §§ 162, 175 (eintragungspflichtige Tatsachen, wichtig für § 15 HGB).
Kurz erwähnt sei noch die stille Gesellschaft, die reine Innengesellschaft und reines Schuldverhältnis ist, §§ 230 ff. HGB. Wesensmerkmal ist, dass sich jemand am Handelsgeschäft eines anderen durch Leistung einer Einlage beteiligt und dafür am Gewinn partizipiert (dazu Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 6 Rn. 378 ff.).
Die Partnerschaftsgesellschaft wurde eingeführt, weil Freiberufler kein Gewerbe betreiben und deshalb keine OHG oder KG gründen können. Zur damaligen Zeit war die Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft noch nicht allgemein anerkannt, weshalb es auch den Freiberuflern ermöglicht werden sollte, eine rechtsfähige Gesellschaft zu betreiben (Vorteile hier sind diejenigen, die den BGH letztlich auch zur Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR bewegten, insbesondere die Probleme von Mitgliederwechseln bei Dauerschuldverhältnissen, zur PartG Saenger, Gesellschaftsrecht, § 7 Rn. 400 ff.; Anmerkung: der Katalog der freien Berufe in § 1 Abs. 2 S. 2 PartGG hat nur Indizwirkung für das HGB! K. Schmidt, in: MüKo, HGB Bd. 1, 3. Auflage, § 1 Rn. 36). Kürzlich wurde eine Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung eingeführt, die aber ebenfalls Personengesellschaft ist (Römermann/Praß, NZG 2012, 601 ff.). Die Partenreederei wurde durch die letzte HGB-Reform für die Zukunft abgeschafft (siehe die Meldung bei beck-online https://beck-online.beck.de/?typ=reference&bcid=Y-300-Z-becklink-N-1024722).
II. Körperschaften
Unter den Körperschaften ist vor allem die GmbH in Praxis und Ausbildung relevant. Sie kann zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden, § 1 GmbHG. Ihre Haftung ist nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Die Geschicke der Gesellschaft leiten die Geschäftsführer, die Gesellschafter haben jedoch grundsätzlich eine Allzuständigkeit und können alle Geschäfte an sich ziehen, § 35 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1 GmbHG. Im Gegensatz zum Recht der AG gilt hier nicht das Recht der Satzungsstrenge, was bedeutet, dass das Recht des GmbHG in weitem Umfang dispositiv ist. Die GmbH erfüllt volkswirtschaftlich vor allem die Funktion, kleineren Unternehmen die Möglichkeit zu geben, bei riskanten Geschäften das Privatvermögen herauszuhalten und die Haftung auf die Gesellschaft und ihr Vermögen zu beschränken (Bitter, Gesellschaftsrecht, § 4 Rn. 3 f., 107). Die Unternehmergesellschaft ist nur eine besondere Form der GmbH, die ohne das sonst notwendige Mindestkapital in Höhe von 25.000 Euro auskommt, § 5 Abs. 1, § 5a Abs. 1 GmbHG. Sie ist die Antwort des Gesetzgebers auf die Rechtsprechung des EuGH in Sachen Internationales Gesellschaftsrecht (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 17 Rn. 820 ff.; siehe zum Internationalen Gesellschaftsrecht auch den Beitrag dazu auf dieser Seite). Examensrelevante Vorschriften: §§ 2, 3 GmbHG (Form und Inhalt des Gesellschaftsvertrages), § 5 Abs. 1 GmbHG (Stammkapital), § 5a GmbHG (Vorschrift zur UG), § 11 Abs. 1 GmbHG (Notwendigkeit der Registereintragung, an Probleme im Zusammenhang mit der Vor-GmbH denken), § 13 GmbHG (Abs. 1 Rechtsfähigkeit; Abs. 2 Haftungsbeschränkung; Abs. 3 Handelsgesellschaft, wichtig für § 6 Abs. 1 HGB), § 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, § 37 Abs. 2 GmbHG (Grundsatz der unbeschränkbaren Gesamtvertretungsmacht der Geschäftsführer, nicht ausdrücklich erwähnt, aber ganz h.M. Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung)
Die AG ist ebenso wie die GmbH Körperschaft und Kapitalgesellschaft. Ihre Funktion liegt jedoch in der Sammlung von Kapital von unbeteiligten Dritten. Um diese Funktion erfüllen zu können, gilt der Grundsatz der Satzungsstrenge, was bedeutet, dass das AktG grundsätzlich zwingend ist. Andernfalls müsste jeder Aktionäre zunächst ausführlich die Satzung lesen, bevor er investieren könnte (Bitter, Gesellschaftsrecht, § 3 Rn. 3). Gleichzeitig gilt bei der AG das „Prinzip der Gewaltenteilung“: Die Hauptversammlung hat grundsätzlich nur eng beschriebene Zuständigkeiten (in für die Gesellschaft zentralen Angelegenheiten, siehe dazu § 119 AktG), während der Vorstand weisungsunabhängig die Gesellschaft leitet, § 76 Abs. 1 AktG. Der Aufsichtsrat kontrolliert den Vorstand bei seiner Tätigkeit, § 111 Abs. 1 AktG. Den Gläubigern der AG haftet nach § 1 Abs. 1 S. 2 AktG ebenfalls nur die Gesellschaft mit ihrem Vermögen. Das Mindestgrundkapital beträgt 50.000 Euro, § 7 AktG. Examensrelevante Vorschriften: § 1 Abs. 1 AktG (S. 1 Rechtsfähigkeit; S. 2 Haftungsbeschränkung); § 3 Abs. 1 AktG (Handelsgesellschaft, wichtig für § 6 HGB); § 7 AktG (Grundkapital); § 23 AktG (Form und Inhalt der Satzung, Grundsatz der Satzungsstrenge); § 41 Abs. 1 S. 1 AktG (Notwendigkeit der Registereintragung); §§ 77 Abs. 1 S. 1, 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, 82 AktG (Grundsatz der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis sowie der unbeschränkbaren Gesamtvertretungsmacht).
Der eingetragene Verein ist grundsätzlich nur in der Form des Idealvereins i.S.d. § 21 BGB relevant. Der wirtschaftliche eingetragene Verein bedarf der Konzession, weil Unternehmen sich grundsätzlich der übrigen Rechtsformen bedienen sollen und diese nicht umgehen sollen (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 10 Rn. 443). Der nichtwirtschaftliche eingetragene Verein ist Körperschaft, aber nicht Kapitalgesellschaft. Wie oben bereits erwähnt, führt der Vorstand die Geschäfte des Vereins, die Haftung ist auf das Vereinsvermögen beschränkt. Ebenso wie bei der GmbH ist die Mitgliederversammlung grundsätzlich allzuständig und bestimmt ihre Zuständigkeiten selbst (Schöpflin, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 32 Rn. 4).
Der nichtrechtsfähige Idealverein ist ebenfalls Körperschaft (beim nichtrechtsfähigen Wirtschaftsverein ist streitig, ob er GbR/OHG ist oder nur wie eine behandelt wird, siehe dazu Schöpflin, in: BeckOKBGB, 28. Edition, Stand 01.08.2013, § 54 Rn. 8). Nach Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR wird wegen des Verweises aus § 54 S. 1 BGB ebenfalls für rechtsfähig gehalten, sodass von einem nichteingetragenen Verein gesprochen werden sollte (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, S. 736 f.). Allgemein sollen auf den nichteingetragenen Idealverein die Vorschriften über den eingetragenen Verein Anwendung finden, weil die Vorschrift des § 54 S. 1 BGB nur aus dem historischen Kontext heraus zu erklären ist, unliebsame Verbände unter staatlicher Kontrolle zu halten. Ein solcher Zweck ist angesichts des Grundgesetzes und der Vereinigungsfreiheit aber nicht haltbar (Saenger, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 11 Rn. 473). Bezüglich der Societas Europeae (SE, Europäische Aktiengesellschaft) sei hier angemerkt: Bei ihr handelt es sich um eine für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr gedachte Kapitalgesellschaft. Zwar basiert sie auf einer europäischen Verordnung (Verordnung EG 2157/2001), die aber nur fragmentarische Regelungen enthält. Insgesamt ergibt sich hier eine Regelungspyramide, an deren Spitze die Verordnung steht. Darauf folgen das SEAG und das SEBG als nationale Umsetzungsgesetze einer zur SE-VO gehörigen Richtlinie (RL EG 86/2001), darauf folgend das nationale Aktienrecht auf Grund eines Verweises in der Verordnung und schließlich die Satzung. Deshalb ist, obwohl es sich letztlich um eine europäische Gesellschaftsform handelt, keine EU-weit einheitliche Rechtsform geschaffen worden (zu weiteren Einzelheiten siehe Schäfer, Gesellschaftsrecht, 2. Auflage, § 52 ff. sowie den Beitrag zum Internationalen Gesellschaftsrecht a.E.).
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Anm. zu LG Tübingen, Urteil v. 18.06.2012 – 7 O 525/10
1. Um was geht es?
Geklagt hatte ein außerplanmäßiger Professor an der Universität Tübingen gegen die Wikimedia-Foundation Inc., eine Stiftung nach dem Recht des amerikanischen Bundesstaates Florida, die in San Francisco ansässig ist. Anlass war ein Beitrag auf der deutschen Internetseite der Beklagten, in welchem sowohl über den Kläger selbst als auch über dessen berufliches Wirken berichtet wird. Insbesondere wird dort auf seinen Lebenslauf, seine Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen und seine Schriften Bezug genommen. Einer Veröffentlichung dieses Beitrages hatte der Kläger im Vorfeld nicht zugestimmt und forderte mit Schreiben vom 25.10.2010 die Beklagte auf, den Beitrag zu entfernen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Hierauf reagierte die Beklagte nicht. Da der Kläger der Auffassung war, er werde durch den Eintrag in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, erhob er vor dem LG Tübingen Klage mit dem Antrag, es zu unterlassen, auf der Internetseite über seine persönlichen Daten zu berichten.
2. Was sagt das Gericht?
Das Gericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen.
a) Zulässigkeit
Dabei ist es zunächst auf seine internationale Zuständigkeit eingegangen und hat diese unter Hinweis auf den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bejaht:
Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubter Handlung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort, wobei neben Ansprüchen auf Schadensersatz auch Unterlassungsansprüche erfasst werden. Zur Entscheidung über Klagen wegen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch im Internet abrufbare Veröffentlichungen sind die deutschen Gerichte nach § 32 ZPO dann international zuständig, wenn die beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland aufweisen und eine Kollision der widerstreitenden Interessen im Inland tatsächlich schon eingetreten sein kann oder noch eintreten kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Kenntnisnahme der Veröffentlichung im Inland im Gegensatz zur bloßen Abrufbarkeit der Veröffentlichung näher liegt und die vom Kläger behauptete Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts durch eine Kenntnisnahme auch im Inland eintreten kann. Aufgrund des Wirkens des Klägers im Inland liegt eine Kenntnisnahme des Eintrages im Inland deutlich näher als eine solche im Ausland. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Internetseite vor allem in Hinblick auf seine Stellung als außerplanmäßiger Universitätsprofessor und seine anstehenden Bewerbungen im Inland abgerufen wird.
b) Begründetheit
Im Folgenden hat das LG Tübingen allerdings einen materiellen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung des Wikipedia-Artikels abgelehnt und insoweit dem Vortrag des Klägers bereits die Schlüssigkeit abgesprochen.
aa) Hierbei bejaht das Gericht zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts und verweist dazu auf die Regelungen des EGBGB:
Auf die geltend gemachte Rechtsverletzung ist deutsches Recht anwendbar. Das anwendbare Recht ergibt sich aus den Art. 40 ff. EGBGB, denn außervertragliche Schuldverhältnisse sind nach Art. 1 Abs. 2 lit. g der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.07.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (ROM II-VO) vom Anwendungsbereich der ROM II-VO ausgenommen. Art. 40 EGBGB unterfällt dabei auch der Persönlichkeitsschutz einschließlich der sich daraus herleitenden Unterlassungsansprüche. Der Kläger übte jedenfalls sein Bestimmungsrecht aus Art. 40 Abs. 1 S. 2 EGBGB in der Klageschrift aus. Er berief sich in dieser ausdrücklich auf deutsche Normen. Zudem trug er vor, dass er im Inland außerordentlicher Professor ist, sich neu bewerben will und die Internetseite mit dem betreffenden Eintrag in Deutschland abrufbar ist, die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts also im Inland eintritt.
bb) Eine mögliche Anspruchsgrundlage für den Kläger erblickt das Gericht sodann in dem sog. „quasinegatorischen“ Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch analog § 1004 i.V.m. § 823 BGB. Von der erstgenannten Norm werden ihrem Wortlaut nach zwar nur Beeinträchtigungen des Eigentumsrechts (abzüglich des Entzugs, für welchen § 985 BGB gilt) erfasst, nach wohl allgemeiner Ansicht sind indes auch sonstige absolute Rechte in entsprechender Anwendung der Vorschrift vor Verletzungen geschützt. Denn es erscheint widersinnig, bei erfolgtem Eingriff zwar einen grundsätzlichen Anspruch des Geschädigten auf Naturalrestitution zu bejahen, ihm aber das Recht zu verwehren, bereits (zuvor) den drohenden Eingriff selbst abwehren zu können. Hierbei nimmt das Gericht zunächst das Vorliegen eines Eingriffs in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes absolutes Recht des Klägers an und zwar in Gestalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, welches durch die Veröffentlichung personenbezogener Daten tangiert werde:
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, welches ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, sichert dem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann (vgl. Palandt/Sprau, 71. Auflage 2012, § 823, Rn.112). Hieran anknüpfend ist vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geschützt. Dieses verleiht dem Einzelnen die Befugnis, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Hierunter fällt auch das Recht des Klägers grundsätzlich selbst darüber zu bestimmen, ob und welche Informationen über seine Person auf der streitigen Internetseite der Beklagten veröffentlicht werden. (…) Infolge des Bereithaltens der beanstandeten Inhalte zum Abruf im Internet liegt auch ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die Beklagte vor. Der Kläger hat hierzu vorgetragen, dass er über den Eintrag auf der Seite https://de.wikipedia.org und darüber, ob dessen persönliche Daten wie Beruf, Lebenslauf und Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen, veröffentlicht werden, nicht selbst entschieden hat. Vielmehr stellte die Beklagte den Eintrag ohne sein Mitwirken ein und dieser ist grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich.
cc) Im Folgenden verneint die Kammer allerdings eine Rechtswidrigkeit dieses Eingriffs. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich – was etwa auch für das Recht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs gilt – um ein sog. Rahmenrecht, welches erst durch die Rechtsanwendung im Einzelfall konturiert werden kann. Wichtigste Konsequenz hieraus ist, dass bei einem tatbestandsmäßigen Verhalten, also einem bejahten Eingriff in das geschützte Rechtsgut, die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, so dass bei einem Fehlen besonderer Rechtfertigungsgründe stets von einem grundsätzlich schadensersatzpflichtigen Unrecht auszugehen wäre. Vielmehr ist die Rechtswidrigkeit bei solchen Rahmenrechten immer positiv zu begründen, indem eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Parteien erfolgt. Hier ist auf Seiten des Beeinträchtigenden insbesondere die Intensität des festgestellten Eingriffs zu berücksichtigen, auf Seiten des Eingreifenden ist zu fragen, ob dieser rechtlich besonders geschützte Interessen geltend machen kann. Bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kommen insoweit v.a. die grundgesetzlich verbürgte Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit in Betracht.
(1) Das LG Tübingen prüft im Folgenden daher zunächst die Folgen der Veröffentlichung für den Kläger, denen es aber einen nur geringen Beeinträchtigungsgrad zuspricht:
Weder entfaltet der abrufbereite Eintrag über den Kläger eine erhebliche Breitenwirkung, noch ist er Anknüpfungspunkt, um den Kläger sozial auszugrenzen oder zu isolieren. Dies gilt sowohl bezüglich seiner persönlichen Daten wie Beruf oder Lebenslauf als auch hinsichtlich der Mitgliedschaft in katholischen Studentenverbindungen. Der Inhalt des Eintrages besteht zwar aus persönlichen Inhalten, es werden jedoch lediglich bestimmte zutreffende Stationen oder Vorgänge im Leben des Klägers beschrieben. Die Inhalte sind ferner zwar abrufbereit im Internet verfügbar, allerdings werden diese nur dann zur Kenntnis genommen, wenn sich ein Nutzer aktiv informieren möchte. Anders als beispielsweise bei einer Zeitungsveröffentlichung ist hier nicht von einer breiten Ausstrahlungswirkung des Beitrages auszugehen, mit welchem potentiell die gesamte Bevölkerung informiert werden soll, sondern hier beschränkt sich die Kenntnisnahme auf Personen, welche den Kläger kennen und sich über ihn informieren möchten. Zudem bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger durch den Beitrag sozial ausgegrenzt oder isoliert zu werden droht.
(2) Auf der anderen Seite sieht das LG die Veröffentlichung der Wikimedia Foundation auf der deutschsprachigen Internetseite sowohl vom Schutzbereich der grundgesetzlichen Informations- als auch der Pressefreiheit erfasst:
Auf Seiten der Beklagten ist ferner zu berücksichtigen, dass es sich bei Wikipedia um eine weltweite freie Online-Enzyklopädie handelt (…). Insofern besteht ein erhebliches öffentliches Interesse nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, 10 Abs. 1 S. 1 EMRK an den von der Beklagten bereitgehaltenen Einträgen, um sich umfassend informieren zu können. (…) Weiterhin kann die Beklagte die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 GG für sich in Anspruch nehmen. Diese schützt grundsätzlich die Verbreitung von Informationen, wobei unter anderem auch das Recht eingeräumt wird, wahre Tatsachen zu publizieren. Mit dieser Gewährleistung korrespondiert insbesondere das Interesse der Öffentlichkeit an einer ausreichenden Versorgung mit Informationen. Zudem kommt diesen beiden Rechten schon aufgrund ihres Charakters als demokratische Grundrechte ein hoher Stellenwert zu, sodass gewichtige Gründe erforderlich sind, welche ein Überwiegen eines kollidierenden Rechtsgutes rechtfertigen.
(3) Schlussendlich betont das Gericht nochmals die geringe Intensität des Eingriffs beim Kläger:
Jedenfalls aber muss beachtet werden, dass es sich bei den Einträgen jeweils um wahre Tatsachen handelt und der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nur als sehr gering zu qualifizieren ist. Er ist lediglich der Sozialsphäre zuzuordnen, denn hier ist nur der Bereich des menschlichen Lebens betroffen, in dem sich der Betroffenen als Teil einer sozialen Gesellschaft zeigt und wahrgenommen wird. Äußerungen, welche diese Sphäre betreffen, sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen, denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, nur so in der Öffentlichkeit dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen gehören auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung der wahren Tatsachen ergeben (BVerfG, NJW 2011, 47; BVerfG NJW 1998, 2889).
dd) Im Anschluss an diese Prüfung setzt sich das Gericht noch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Beklagte hypothetisch überhaupt als „Störer“ im Hinblick darauf in Betracht kommt, dass nicht sie selbst, sondern die Nutzer der Plattform die Artikel im Internet einstellen und verändern. Angesprochen ist damit die Frage der Passivlegitimation, auch wenn diese bei Verneinung eines rechtswidrigen Eingriffs eigentlich dahinstehen kann. Die Kammer geht dabei ausführlich auf die spezielle Norm des § 10 TMG ein, wonach eine Verantwortlichkeit von Dienstanbietern i.S.d. § 2 TMG solange nicht besteht, wie sie keine Kenntnis von einer Rechtsverletzung haben bzw. – nur bei SE-Ansprüchen – ihnen keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung offensichtlich wird. Jedenfalls mit der erfolglosen Aufforderung des Klägers an die Wikimedia Foundation vom 25.10.2010, den Beitrag zu entfernen, dürfte allerdings die geforderte Kenntnis bei der Beklagten vorliegen.
3. Warum ist die Entscheidung interessant?
a) Die Entscheidung betrifft allgemeine Fragen des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs und ist insofern für Klausur oder mündliche Prüfung durchaus geeignet. Der Reiz liegt dabei nicht zuletzt auch in der Gelegenheit, übergreifende rechtliche Zusammenhänge, namentlich den Einfluss der Grundrechte als „objektive Werteordnung“, bei der Beurteilung zivilrechtlicher Fragen abprüfen zu können. Hinzu kommt die Beschäftigung mit speziellen Fragen des Internetrechts, namentlich die Anwendung der Norm des § 10 TMG.
b) Im Hinblick auf den Inhalt der Entscheidung ist zunächst auf einen Widerspruch des LG Tübingen zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsprüfung hinzuweisen: Nimmt das Gericht nämlich an, dass es bereits an einem schlüssigen Vortrag des Anspruchs fehlt, ist streng genommen auch die Zuständigkeit des Spruchkörpers nach § 32 ZPO zu verneinen: Denn nach dieser Vorschrift ist ein Gericht nur dann zuständig, wenn an dessen Ort eine „unerlaubte Handlung“ begangen wurde. Das tatsächliche Vorliegen einer solchen Handlung ist damit streng genommen bereits für die Frage der Zuständigkeit entscheidend, nicht nur für die Frage der Begründetheit des Anspruchs, so dass es sich sozusagen um ein „doppelfunktionales Merkmal“ handelt. Bei solchen Merkmalen wird im Rahmen der Zulässigkeit gemeinhin aber wenigstens gefordert, dass der Kläger die Tatsachen, welche das Vorliegen einer unerlaubten Handlung begründen sollen, schlüssig darlegt, während erst die Frage des tatsächlichen Vorliegens (bei Bestreiten des Gegners) ein Problem der Sachentscheidung, also der Begründetheit ist (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 32 Rn. 19; MüKo/ZPO-Patzina, 4. Aufl. 2013, § 32 Rn. 39, jew. m.w.N.). Da das Gericht vorliegend bereits eine schlüssige Darlegung der anspruchsbegründenden Tatsachen verneint, wäre insofern tatsächlich durch Prozessurteil zu entscheiden gewesen, d.h. die Kammer hätte die Klage mangels eigener Zuständigkeit (schon) als unzulässig abweisen müssen.
c) Daneben erscheint auch die Ansicht des Gerichts zweifelhaft, wonach im Rahmen der Abwägung des Eingriffs u.a. das Grundrecht der Pressefreiheit zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen sein soll. Denn die Wikimedia Foundation ist als Stiftung eine juristische Person, die aber nur nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsträger sein kann. Die vorgenannte Norm begrenzt die Grundrechtsfähigkeit indes ausdrücklich auf inländische juristische Personen, d.h. solche, die ihren tatsächlichen Sitz im Inland haben, was im Hinblick auf das Diskriminerungsverbot nach Art. 18 AEUV allenfalls bezüglich Vereinigungen im EU-Ausland durchbrochen wird, zu denen eine Körperschaft mit Sitz in Amerika aber jedenfalls nicht zählt. Demgemäß bleibt von der Grundrechtsargumentation des LG Tübingen eigentlich nur die von diesem ebenfalls in Bezug genommene Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG übrig, welche das Gericht nicht auf die Beklagte selbst, sondern (allgemein) Dritte bezieht, die sich über deren Plattform informieren wollen. Ebenfalls in Erwägung zu ziehen ist zudem ein Schutz nach Art. 10 EMRK, der die Meinungsfreiheit grundsätzlich auf alle Personen, auch juristische Vereinigungen, erstreckt, die von der Hoheitsgewalt eines Vertragsstaates betroffen werden (vgl. dazu Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 1 Rn. 16) – auf die Frage, ob es sich hierbei um eine in- oder ausländische juristische Person handelt, kommt es also grundsätzlich nicht an.
d) Zu denken ist schließlich daran, den Schutz der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht auf die Beklagte selbst, sondern die beteiligten Nutzer zu projizieren welche die Artikel bei Wikipedia hochladen und gestalten: Ist nämlich bereits deren Verhalten unter dem Grundrecht der Pressefreiheit zulässig, kann die Beklagte kaum eine „mittelbare“ Verhinderungspflicht dergestalt treffen, demselben Einhalt zu gebieten. Allerdings wird auch die Eigenschaft des einzelnen „Wikipedianers“ als presseberechtigter Grundrechtsträger mit dem Argument in Frage gestellt, dass bei Wikipedia keine einzelnen Autoren für einen Beitrag verantwortlich seien, sondern die Artikel Produkt eines „Schwarms“ seien, der weder durch die Vor- noch Nachkontrolle einer zentralen Redaktion begleitet werde (so Ziegelmayer, LTO v. 13.12.2012). Diese Annahme ist indes nicht unangreifbar, denn die Organisation von Wikipedia ist durchaus in grobe personelle Hierarchien – namentlich durch sog. Administratoren – gegliedert, welche über die Vorgänge auf der Plattform wachen, und der Begriff des „Schwarms“ ist selbstverständlich nur ein Bild für den Schaffensprozess, das aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass durchweg grundrechtsberechtigte Personen aus Fleisch und Blut die einzelnen Artikel gestalten und verändern. Nimmt man dennoch an, dass aufgrund der vorgebrachten Argumente das Grundrecht der Pressefreiheit insgesamt zu versagen ist, bleibt jedenfalls die allgemeine Meinungsfreiheit zugunsten der einzelnen Nutzer übrig, deren Schutzbereich unabhängig von organisatorischen Vorkehrungen im vorgenannten Sinne besteht (so auch Ziegelmayer, a.a.O.).
Was ist ein Rechtssubjekt? Die Frage klingt banal, wird aber im Studium so gut wie nie erörtert. Bei mir beschränkte sich die Ausbildung durch die Profs auf fünf Minuten in meiner ersten BGB AT-Stunde im ersten Semester. OHG? Nasciturus? Nie gehört. Dabei ist die Abgrenzung zwischen Rechtssubjekten und solchen Gebilden, die es nicht sind, sowohl im Privatrecht als auch im öffentlichen Recht (einschließlich des jeweiligen Prozessrechts) von größter Bedeutung. Deshalb hier ein kurzer Überblick:
I. Was zeichnet ein Rechtssubjekt aus?
Ein Rechtssubjekt zeichnet sich dadurch aus, dass es selber Träger eigener Rechte und Pflichten sein kann. Es nimmt also nicht nur fremde Rechte wahr. Wann dies der Fall ist, kann vor allem bei Zusammenschlüssen von natürlichen Personen zweifelhaft sein. Wann ein Rechtssubjekt vorliegt und wann nicht, ist nirgendwo geregelt. Der BGH stellt vor allem auf zwei Kriterien ab: Organisatorische Verselbständigung und nicht nur auf Abwicklung gerichtete Zwecksetzung (vgl. etwa BGH, Urt. v. 11. 9. 2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389, 3390).
II. Welche Rechtssubjekte gibt es?
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Rechtssubjekten: Natürliche Personen, also Menschen, und sonstige Rechtssubjekte.
1. Mensch als Rechtssubjekt
Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt nach § 1 BGB mit der Vollendung der Geburt. Dies gilt unter dem BGB für alle Menschen. Mit Vollendung der Geburt kann der Mensch also Träger von Rechten und Pflichten sein. Ein Sonderfall gilt im Erbrecht: Das gezeugte, aber ungeborene Kind (nasciturus) ist nach § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig. Zu beachten ist auch, dass der Schutz des menschlichen Lebens im Strafrecht schon vor dem Beginn der Geburt einsetzt (§§ 218 ff. StGB).
2. Sonstige Rechtssubjekte
Bei den sonstigen Rechtssubjekten ist weiter zu differenzieren zwischen den Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts und denen des Privatrechts. Diese Differenzierung bedeutet nicht, dass die jeweiligen Rechtssubjekte jeweils nur im öffentlichen oder im Privatrecht anerkannt werden. Es geht lediglich darum, in welchem Bereich der Rechtsordnung sie ihren Ursprung haben.
a) Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts
Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts sind zunächst Staaten, also der Bund und die Länder. Auch die Gemeinden sind wegen Art. 28 Abs. 2 GG als Rechtssubjekte anzusehen. Seit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon ist auch die EU Rechtssubjekt (vorher nur die EG), vgl. Art. 47 EUV.
Daneben gibt es juristische Personen des öffentlichen Rechts. Diese werden in der Regel durch (materielles) Gesetz errichtet und werden folgenden drei Typen zugeordnet (vgl. § 89 BGB):
– Körperschaften (z.B. die Universitäten, beachte: auch die Gemeinden und Kreise sind Körperschaften, sog. Gebietskörperschaften).
– Stiftungen
– rechtsfähige Anstalten (z.B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin).
b) Rechtssubjekte des Privatrechts
Bei den Rechtssubjekten des Privatrechts ist juristisch streng zu unterscheiden zwischen den juristischen Personen und den Gesamthandsgemeinschaften.
Zu den juristischen Personen des Privatrechts zählen:
– der eingetragene Verein (§§ 21 ff., 55 ff. BGB, z.B. juraexamen.info e.V.)
– die Stiftung (§§ 80 ff. BGB)
– die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (vgl. § 13 GmbHG)
– die Aktiengesellschaft (§ 1 AktG)
– die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA, § 278 AktG)
– die eingetragene Genossenschaft (e.G., vgl. § 1 GenG)
– die Europäische Aktiengesellschaft (SE)
– die Europäische Genossenschaft (SCE)
– EU-Auslandsgesellschaften (s. dazu diesen Artikel).
Zu den rechtsfähigen Gesamthandsgemeinschaften zählen:
– die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB, seit BGHZ 146, 341 – ARGE Weißes Roß)
– die offene Handelsgesellschaft (§§ 105 ff. HGB, § 124 HGB)
– die Kommanditgesellschaft (§§ 161 ff. HGB, § 124 HGB)
– die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV, § 1 EWIVAG i.V.m. § 124 HGB).
Daneben gibt es Gesamthandsgemeinschaften, die nicht rechtsfähig sind, insbesondere:
– die Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB, dazu BGH, Urt. v. 11. 9. 2002 – XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389)
– die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG, § 10 WEG, die aber nach BGH, Beschl. v. 2. 6. 2005 – V ZB 32/05, NJW 2005, 2061 teilweise rechtsfähig ist).
III. Was folgt daraus?
Was bringt es mit sich, Rechtssubjekt zu sein? Wie gesagt, ist das Rechtssubjekt selber Träger von Rechten und Pflichten. In der Klausur ist deshalb z.B. zu fragen, ob die GbR selber (und nicht ihre Gesellschafter oder der handelnde Geschäftsführer) einen Anspruch hat, einen Vertrag geschlossen hat etc.
Daneben hat die Rechtsfähigkeit auch im Prozessrecht Bedeutung. Nach § 50 ZPO ist parteiähig nur, wer rechtsfähig ist. Im Verwaltungsprozes bestimmt § 61 VwGO, wer beteiligtenfähig ist. Auch dabei kommt es in erster Linie auf die Rechtsfähigkeit an (Ausnahmen gelten für Behörden).
Da das BVerfG vor kurzem entschieden hat, dass die Vorgabe des Art. 19 Abs. 3 GG im Falle einer EU-ausländischen juristischen Person auch auf EU-Ausländer anzuwenden ist, besteht der Anlass, die allgemeinen Grundsätze zur Grundrechtsbindung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Ausländern zu diskutieren und traditionelle Auffassungen infrage zu stellen. Die folgenden Ausführungen bieten sich äußerst gut für Klausuren sowie die mündliche Prüfung an, da zum einen Grundkenntnisse zum Europarecht abgefragt werden können. Zum anderen eignet sich die folgende Problematik bestens zum Abprüfen, da bereits fertige Sachverhalte einfach dadurch verkompliziert werden können, indem ein (EU-)Ausländer in den Fall eingebaut wird.
I. Schutz für natürliche Personen über die „Menschenrechte“
Zunächst einmal stellt sich die Frage, wie es mit Grundrechtsschutz im Hinblick auf ausländische natürliche Personen aussieht. Der Wortlaut des Art. 2 Abs. 1 GG stellt hierbei die Ausgangsposition dar. Als allgemein schützendes Recht gilt die allgemeine Handlungsfreiheit dem Wortlaut nach nämlich für jedermann. Dieser weitreichende Wortlaut ist nach h.M. dahingehend zu verstehen, dass es sich bei Art. 2 Abs. 1 GG um ein sog. Menschenrecht und nicht bloß ein Freiheitsrecht handelt (vgl. Maunz-Dürig/Di Fabio, 61. EGL, Art. 2 Abs. 1 GG, Rn. 18). Dieser Charakter lasse darauf schließen, dass Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur für Staatsbürger, also Deutsche, gilt, sondern auch für Ausländer und sogar Staatenlose. Art. 2 Abs. 1 GG knüpft somit lediglich an das Menschsein und nicht die Nationalität an. Das gleiche gilt für die anderen Menschenrechte, die nach dem GG keinerlei Beschränkung auf Nationalität oder Herkunft erkennen lassen (z.B. Art. 14 Abs. 1 GG).
II. Art. 2 Abs. 1 GG zugunsten nicht-EU-ausländischer juristischer Personen?
Das BVerfG hat neuerdings festgestellt, dass der zunächst restriktiv anmutende Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 GG eine Grundrechtsbindung im Hinblick auf EU-ausländische juristische Personen nicht ausschließt. Über die Bindungswirkung europarechtlicher Vorgaben (insbesondere dem allgemeinen Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV) kam das BVerfG im Ergebnis somit zu einer Grundrechtsbindung und damit zu einer Ausweitung der in Art. 19 Abs. 3 GG angelegten Beschränkung des Grundrechtsschutzes auf deutsche juristische Personen. Eine Regelung für ausländische juristische Personen sei nur deshalb unterlassen worden, weil sie der historische Verfassungsgeber – aus damaliger Sicht – für unnötig hielt. Im so entschiedenen Fall konnte sich eine EU-ausländische juristische Person damit auf den Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentumsfreiheit) berufen.
Kombiniert man nun die beiden erwähnten Argumentationsstränge, erscheint es durchaus denkbar, auch ausländischen juristischen Personen, die nicht aus dem EU-Ausland stammen, einen Grundrechtsschutz etwa über Art. 2 Abs. 1 GG zuzubilligen. Zum einen schließt Art. 19 Abs. 3 GG eine solche Möglichkeit jedenfalls nicht per se aus. Zum anderen erscheint es willkürlich, einem einzelnen Ausländer den Schutz zuzubilligen, einem Kollektiv Mehrerer natürlicher Personen allerdings nicht. Es ließe sich argumentieren, dass der Anknüpfungspunkt des Menschsein nach Art. 2 Abs. 1 GG etwa bei einer US-amerikanischen juristischen Person zumindest im Kollektiv ebenso verwirklicht ist.
Diese Erwägungen sind bis dato allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt. Die Linie des BVerfG ist in diesem Kontext nicht auszumachen. Die neue Linie im Hinblick auf EU-ausländische juristische Personen gibt jedenfalls zumindest neue Impulse, weitreichendere Überlegungen anzustellen. Immerhin wurde bereits der Grundrechtsschutz nicht-EU-ausländischer juristischer Personen im Hinblick auf die Prozessgrundrechte nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 und Art. 103 Abs. 1 GG bejaht (vgl. etwa BVerfGE 12, 6, 8 und BVerfGE 21, 362, 373). Argumentativ wurde in diesen Fällen allerdings gerade darauf abgestellt, dass die Prozessgrundrechte allgemeine Richtlinien für einen fairen Prozess darstellen und deshalb auch für jedermann – also auch juristische Personen – gelten müssen.
III. EU-Ausländer und Deutschengrundrechte?
Im Hinblick auf natürliche Personen aus dem Ausland wurde erörtert, dass diesen in jedem Fall Grundrechtsschutz über Art. 2 Abs. 1 GG und andere Menschenrechte zugebilligt wird. Wie es aber mit den Deutschengrundrechten aussieht, ist eine andere Frage. Deutschengrundrechte meint solche Rechtspositionen nach dem GG, die explizit an die deutsche Staatsbürgerschaft anknüpfen. Hintergrund dieser Rechtspositionen ist ein besonderer Bezug zur demokratischen Willensbildung und damit zum deutschen Staatsvolk. Zu den Deutschengrundrechten zählen etwa die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) oder die Freizügigkeit (Art. 11 GG).
Zu damaliger Zeit wurde diskutiert, ob etwa ein geschütztes Verhalten eines Ausländers, dass in den Schutzbereich eines Deutschengrundrechts fällt, grundsätzlich vom Grundrechtsschutz, also auch nach Art. 2 Abs. 1 GG ausgeschlossen sein soll. Dies wurde damit begründet, dass der spezielle Schutzbereich eines Grundrechts eröffnet sei, andererseits aber das Kriterium der Staatsbürgerschaft nicht erfüllt werde. Eine solche Auffassung wird dem Charakter von Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht allerdings nicht gerecht. Nur, weil ein Ausländer etwa wirtschaftlich tätig wird und damit potentiell Art. 12 Abs. 1 GG unterfallen würde, kann sein Schutz nicht geringer sein. Auch das BVerfG stellte fest, dass die Unanwendbarkeit eines Deutschenrechts nicht bedeute, dass die Verfassung Ausländer schutzlos lasse (vgl. etwa BVerfGE 78, 179, 196).
Der Wortlaut der Deutschengrundrechte setzt hinreichend klar fest, dass die deutsche Staatsbürgerschaft notwendig ist, um deren Schutzbereich zu eröffnen. Die Ausführungen des BVerfG zur Grundrechtsfähigkeit von EU-ausländischen juristischen Personen könnten allerdings eine andere Marschroute vorgeben. Bereits das OVG Münster ging davon aus, dass das allgemeine Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV unmittelbaren Vorrag vor deutschem Verfassungsrecht genieße. Der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG und die entsprechende Kasuistik inklusive Drei-Stufen-Test nach dem Apotheken-Urteil bei der Verhältnismäßigkeit müsse demnach bei EU-Ausländern Anwendung finden (vgl. OVG Münster NWVBl 1995, 18). Andere Vertreter der Literatur betonen hingegen den klaren Wortlaut des Art 12 Abs 1 GG und verweisen ausländische Berufstätige auf die Grundfreiheiten nach dem AEUV. Wieder andere betonen, dass ein Schutz zumindest über Art. 2 Abs. 1 GG bestehe, wobei von manchen Vertretern ein besonders strenger Verhältnismäßigkeitsstandard zu wahren ist. Letztere Ansicht liest damit den Schutzbereich des Deutschengrundrechts in die Prüfung des Art. 2 Abs. 1 GG als Auffanggrundrecht hinein.
Angesichts der Ausführungen des BVerfG zum allgemeinen Diskriminierungsverbot erscheint eine Übertragung des Schutzniveaus zwingend. Damit EU-Ausländer gegenüber Deutschen nicht diskriminiert werden, muss ihnen deshalb ein vergleichbarer Grundrechtsschutz zustehen. Wie eine solche Übertragung des Schutzstandards auf EU-Ausländer erreicht wird, kann freilich dahingestellt bleiben. Für die Klausur erscheint es am elegantesten, den Weg über Art. 2 Abs. 1 GG zu gehen, da so bei Art. 12 Abs. 1 GG beim Merkmal „Deutscher“ eine ausgiebige Diskussion erfolgen kann.
In den Fällen, bei denen Europarecht durch deutsche Staatsgewalt „durchgeführt“ wird (etwa der Fall bei der Anwendung einer europäischen Rechtsverordnung durch eine deutsche Behörde), halte ich eine Übertragung der Schutzstandards der Deutschengrundrechte im Übrigen für noch zwingender. Dies gilt nicht bloß aufgrund des allgemeinen Diskriminierungsverbots nach Art. 18 AEUV. Wenn die deutsche Staatsgewalt im Anwendungsbereich des Europarechts agiert, ist sie nämlich gemäß Art. 51 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union auch an die europäischen Grundrechte gebunden. Die Charta enthält ebenso eine Versammlungsfreiheit (Art. 12) oder auch ein Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 15). Um dieser Vorgabe gerecht zu werden, muss also ebenso der Grundrechtsschutz der klassischen Deutschengrundrechte auf EU-Ausländer ausgedehnt werden.
IV. Deutschengrundrechte für nicht-EU-Ausländer?
Eine ähnliche Diskussion bei nicht-EU-Ausländern zu führen geht hingegen fehl. Hier fehlt es an den supranationalen europarechtlichen Regelungen, um die Übertragung der Schutzstandards der Deutschengrundrechte über den Wortlaut hinaus zu rechtfertigen. Sofern entsprechende völkerrechtliche Verträge vorliegen, nach denen ein ähnlicher Schutzstandard auch für nicht-EU-Ausländer zu gewähren ist, müssen diese aber als einfaches Bundesrecht (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG) Berücksichtigung finden. Eine solche Berücksichtigung kann allerdings nicht deutsches Verfassungsrecht aushebeln, so wie es mit Europarecht durchaus der Fall zu sein scheint, sondern es muss auf anderem Wege eine Lösung gefunden werden. Aus diesem Grund ist der Weg wie gewohnt über Art. 2 Abs. 1 GG bzw. ein primär einschlägiges Menschenrecht zu suchen. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitserwägungen ist sodann auf das entsprechende völkerrechtliche Abkommen abzustellen und als Gesichtspunkt zugunsten des Ausländers heranzuziehen. Ähnlich verhält es mitunter auch bei Grundrechten nach der EMRK, die ebenfalls nur einen völkerrechtlichen Vertrag ohne supranationale Elemente darstellt. Auch die EMRK weitet die Definitionen der klassischen Grundrechte des GG nicht aus, sondern drängt das BVerfG nur im Wege einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung des GG, die Erwägungen des EGMR im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der jeweiligen Grundrechte zu berücksichtigen.

