Intention des Artikels
Da hier bereits ein Artikel zum Thema „von 7 auf 9,7“ gepostet wurde, möchte ich deshalb die Chance nutzen, meine Erfahrungen im Bezug auf die Schnelligkeit meines Studiums zu teilen. Diese Schilderung ist nicht als Erfolgsgarant oder als Belehrung zu sehen, sondern sie soll diejenigen ermuntern, denen während des Studiums auch schnell langweilig wird; ein etwas länger dauerndes Studium hat ebenso viele Reize und ist gleichermaßen legitim, denn jeder muss das für sich richtige und optimale Tempo finden. Gerade im Hinblick auf das Staatsexamen kenne ich viele Leute, die sich nach hinten raus doch etwas mehr Zeit nehmen wollten und dann mit Erfolg gekrönt wurden.
Zum Ablauf des Studiums (Bonn)
Das erste Semester nutzte ich, um zunächst einmal herauszufinden, ob das Jurastudium tatsächlich für mich geeignet ist. Hier ging ich normal nach den Empfehlungender Studienordnung vor.
Mein Studium war sodann seit dem zweiten Semester davon geprägt, dass ich zusätzlich zu den von der Studienordnung vorgeschriebenen Klausurfächern immer ein bisschen mehr als vorgeschrieben belegte. Ein solches Verhalten war dadurch motiviert, dass das Durchfallen durch eine Grundstudiumsklausur eigentlich keine negativen Folgen nach sich zieht.
Außerdem hatte ich keine besondere Lust, mich in besonderen Details zu verlieren, sondern es machte mir Spaß, die jeweiligen Rechtsgebiete zunächst einmal nur überblicksartig erfasst zu haben. Letztenendes sind die Klausuren, die in der Uni angeboten werden auch meist nicht so schwer, so dass zumindest das Bestehen auch mit rudimentären Kenntnissen gesichert sein sollte.
Infolge eines solchen Vorgehens schloss ich das Grundstudium nach zwei Semestern ab. Nach vier Semestern hatte ich die großen Übungen absolviert, wobei ich im vierten Semester bereits mit Schwerpunktbereichsklausuren anfing.
Nach dem vierten Semester besuchte ich ein kommerzielles Repetitorium, wobei ich die noch ausstehenden Schwerpunktbereichsklausuren Stück für Stück parallel zur Examensvorbereitung schrieb. Am Ende des sechsten Semesters meldet ich mich dann zum Examen, um meinen Freischuss zu nutzen.
Zur methodischen Vorgehensweise
Wie bereits erläutert, eignete ich mir im Rahmen des Grundstudiums zunächst einmal bloß die Grundzüge eines Themas an. Dies klingt im Prinzip einfach – und das ist es auch tatsächlich! Einfach ein Lehrbuch/Skript zur Hand nehmen und komplett durchlesen, wobei Details, die man nicht direkt versteht, einfach überlesen werden. Nachher am besten nochmal lediglich das Inhaltsverzeichnis zu Rate ziehen, um zu überprüfen, wie viel Struktur tatsächlich hängengeblieben ist.
Worauf man gerade in den ersten Semestern aber besonders viel Wert legen sollte, ist die Aneignung eines perfekten Gutachtenstils und eine saubere Subsumtion. Definitionen hingegen müssen fast nie auswendig gelernt werden, es reicht völlig, wenn man sinngemäß eine Erklärung des jeweiligen Tatbestandsmerkmals reproduzieren kann. Je geschulter die sprachlichen Fähigkeiten werden, desto einfacher fällt es auch, mit nur einem Bruchteil an Wissen eine klausurreife Definition zu kreieren.
Nicht auf Lücke lernen
Ob im Examen oder bereits im Grundstudium. Es empfiehlt sich nicht, ganze Rechtsgebiete auszuklammern. Zumindest die Grundstrukturen sollten in jedem Gebiet erfasst sein. So waren bei mir die einzigen Fächer, die ich während des Studiums nicht gehört oder bearbeitet hatte das internationale Privatrecht und das Zwangsvollstreckungsrecht, so dass ich während des Reps bei diesen Gebieten zunächst gar keine Ahnung hatte: Wäre ich bei weiteren Teilbereichen so vorgegangen, hätte ich die Examensvorbereitung nie im Leben so schnell und stressfrei abschließen können.
Auch sollte an allen für das Semester angebotenen „obligatorischen“ Klausuren teilgenommen werden. Auch wenn man noch so mies vorbereitet ist, sind es lediglich 1-3h, die einem an Freizeit geraubt werden und der Trainingseffekt ist dafür enorm. Nirgendswo lernt man sonst, seine Gedanken ausgearbeitet zu präsentieren und zu perpetuieren. Gerade im Examen ist diese Fähigkeit aber lebenswichtig, da hier regelmäßig Sachverhalte gestellt werden, die zumindest 1-2 unbekannte Probleme enthalten.
Das schnelle Studium hatte für das Examen jedenfalls in meinen Augen nur Vorteile: Das Wissen aus den ersten Semestern war bei mir noch relativ frisch, so dass mir ein vertieftes Lernen während des Repetitoriums äußerst leicht fiel. Diejenigen, die meinen, das Wissen müsse sich erst setzen, übersehen, dass Vergessenes erst wieder neu gelernt werden muss, bevor die Wissenskurve wieder anfängt zu steigen.
Freizeit vs. Pauken: Zeitmanagement
Wenn ich sagen würde, dass das schnelle Studium das reine Zuckerschlecken war, würde ich lügen. Mir ist aber trotzdem aufgefallen, dass ich gerade in den ersten vier Semestern trotz der hohen Anzahl an überobligatorischem Leistungen doch deutlich mehr Freizeit hatte, als die meisten meiner Kommilitonen, die noch das 6. Urteil zur gestörten Gesamtschuld bearbeiteten und nachts den Palandt unter das Kopfkissen legten.
Dies lag meines Erachtens an der sorgenfreien Einstellung, da ich seit dem zweiten Semester in jede Klausur (außer examensrelevanten Leistungen natürlich) mit dem Gefühl gegangen bin, dass selbst null Punkte keinerlei negative Auswirkungen haben.
Ein weiterer Aspekt ist meiner Meinung nach ein gelungenes Zeitmanagement. Man sollte sich genau überlegen, wie viele Stunden man für welches Teilgebiet an welchen Tagen lernen möchte. Wenn man dann noch einige Vorlesungen aus dem Stundenplan streichen kann, kommt man mit 5 Lerntagen zunächst auf ein Pensum von stets weniger als drei Lernstunden + die übrigen Vorlesungen. In der Examensvorbereitung relativiert sich diese Aussage allerdings ein wenig, da hier leider auch ein enormes Detailwissen gefragt ist. Unter 4-6 Lernstunden + Rep für die 5-Tage-Woche braucht man hier meines Erachtens nach gar nicht erst anfangen zu rechnen.
Der Lernplan muss natürlich nicht wie das Grundgesetz jeden Tag streng eingehalten werden. Eine gewisse Konsistenz ist aber wohl von Nöten, allein schon damit sich für das Lernen eine gewisse Routine einstellt.
Es sollten aber trotzdem ein bis zwei Tage in der Woche explizit nur für Freizeit/Freunde/Familie/Sport reserviert sein. Ansonsten stellt sich ein Gefühl der Unzufriedenheit ein, wodurch die Lerneffizienz auch deutlich verringert wird. Des Weiteren kann natürlich an JEDEM Wochentag am Nachmittag oder Abends die Zeit zum socializen genutzt werden, solange man hierdurch nicht gerade nach 2 Uhr ins Bett kommt.
Zu viel Arbeit nebenher ist für ein solches Unterfangen natürlich hinderlich. Ich selbst habe lediglich für für ein Jahr als studentische Hilfskraft an einem Lehrstuhl gearbeitet und wurde ansonsten von den Eltern finanziert.
Fazit
Ihr wollt natürlich wahrscheinlich auch wissen, ob es sich gelohnt hat und ob ich es wieder so machen würde. Im Ergebnis bin ich jedenfalls mit 11,7 (staatlich sowie universitär) aus dem Examen herausgegangen und würde mein Vorgehen beim Lernen deshalb als relativ erfolgreich ansehen. Während des Studiums ließen meine Leistungen im Schnitt eigentlich auch nie Unmut aufkommen (Ausrutscher waren aber natürlich auch öfters mal dabei – also nicht entmutigen lassen!). Ausgenommen von der Vorbereitungszeit für das Examen hatte ich m.E. auch immer genug Zeit für Freunde und zum Feiern etc.
Das einzige, was ich bereue, ist, dass ich bei diesen straffen Studienplan keine Zeit für ein Auslandssemester hatte, da es irgendwie nie so gut zu passen schien. Einen kurzen Auslandsaufenthalt konnte ich nur durch ein Praktikum in England genießen. Um diese Erfahrung eines längeren Studienaufenthalt im Ausland noch zu machen, möchte ich deswegen noch einen LLM dranhängen – ob dieser Aufenthalt das Fehlen eines Erasmus-Party-Semesters kompensiert, gilt es dann im Folgenden noch zu erörtern 😉
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