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Schlagwortarchiv für: Jura

Dr. Matthias Denzer

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Oktober 2018 – März 2019) – Teil 1

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechungsübersicht, Referendariat, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht, Zivilrecht

Viele Examenskandidaten stehen unmittelbar vor dem Antritt ihres „Freischusses“ im nächsten Monat. Empfehlenswert ist es dabei stets, sich die Rechtsprechung der letzten Monate noch einmal vor Augen zu führen – angesichts des zumeist straffen Zeitplans aus Lernen, Wiederholen und der Teilnahme am Klausurenkurs kein leichtes Unterfangen. In unserem Rechtsprechungsüberblick sollen daher die – aus unserer Sicht – examensrelevanten Entscheidungen auf ihre wesentlichen Aussagen reduziert dargestellt werden. Teil 2 des Rechtsprechungsüberblicks im Zivilrecht erscheint nächsten Montag (15.4.2019).
Einen Rechtsprechungsüberblick für die Monate Juli – September 2019 findet ihr unter den folgenden Links:
            Rechtsprechungsüberblick Zivilrecht (Juli – September 2018)
            Rechtsprechungsüberblick Strafrecht (Juli – September 2018)
            Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Juli – September 2018)
 
BGH, Beschluss v. 10.10.2018 – XII ZB 231/18
Kann die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau als Mit-Elternteil im Geburtenregister eingetragen werden?
Nach § 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kinders der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Der BGH verneinte die Frage, ob diese Regelung direkt oder analog auch auf die Ehefrau der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebenden Mutter eines Kindes Anwendung finde:

„Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes. Die darin liegende unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren trifft nicht auf verfassungs- oder konventionsrechtliche Bedenken.“ (Leitsätze 1 und 2)

 
BGH, Urteil v. 16.10.2018 – XI ZR 69/18
Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen
Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist bei Verbraucherdarlehensverträgen 14 Tage (§ 355 Abs. 2 BGB) ab Vertragsschluss und Aushändigung der Vertragsurkunde, die die nach § 492 Abs. 2 BGB erforderlichen Pflichtangaben enthalten muss (§ 356b Abs. 1, 2 BGB). Dazu gehört insbesondere auch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. (Gesetzesangaben entsprechen der Neufassung v. 13.06.2014.)
Im entschiedenen Fall schloss der Kläger mit der Beklagten im September 2005 einen Verbraucherdarlehensvertrag. Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthielt dieser nicht, die Widerrufsfrist begann damit nach § 356b Abs. 2 BGB nicht zu laufen. Im September 2011 einigte sich der Kläger mit der Beklagen auf eine vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags und zahlte an die Beklagte eine „Vorfälligkeitsentschädigung“. Die Beklagte gab daraufhin vom Kläger bestellte Sicherheiten frei. Im November 2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Der BGH führte aus, dass das Widerrufsrecht des Klägers 9 Jahre nach Abschluss des Darlehnsvertrags und drei Jahre nach der vorzeitigen Beendigung verwirkt sei:

„Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. […] Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen.“

Solche Umstände hat der BGH in der Freigabe von Sicherheiten gesehen:

„Dem steht nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Vom Darlehensgeber bestellte Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB. Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an. Beendet der Darlehensgeber trotz der Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liegen.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 17.10.2018 – VIII ZR 212/17
Ausübung eines Gestaltungsrechts (hier: Widerruf gem. § 312b, 312g, 355 f. BGB) nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung

„Der Vortrag einer Partei, dass ein Gestaltungsrecht erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübt worden ist – vorliegend durch die Erklärung des Widerrufs gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB – ist grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Denn die prozessrechtliche Präklusionsvorschrift in § 531 Abs. 2 ZPO soll die Parteien lediglich dazu anhalten, zu einem bereits vorliegenden und rechtlich relevanten Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 102). Sie verfolgt hingegen nicht den Zweck, auf eine (beschleunigte) Veränderung der materiellen Rechtslage hinzuwirken.“

 
BGH, Urteil v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17
Zur Sachmängelhaftung eines mit einem Softwarefehler behafteten Neufahrzeugs

„Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige eine Warnmeldung einblendet, die den Fahrer zum Anhalten auffordert, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies auch bei Fortsetzung der Fahrt möglich ist.
An der Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.“ (Leitsatz 1a und b)
 

BGH, Urteil v. 07.11.2018 – XII ZR 109/17
Werbung auf einem Kraftfahrzeug gegen Entgelt – Qualifizierung des Vertragstyps

„In der Zurverfügungstellung einer konkreten Werbefläche auf dem der Klägerin gehörenden Fahrzeug liegt eine Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 BGB, bei der es einer Besitzverschaffung ausnahmsweise nicht bedarf. Die Überlassung einer Werbefläche auf einem in Benutzung der Bildungseinrichtung stehenden Kraftfahrzeug unterscheidet sich rechtlich nicht von der Reklame an Straßenbahnen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Mietverhältnis qualifiziert worden ist. Soweit der Senat ähnlich gelagerte Werbegestattungen als Rechtspacht eingestuft hat, führt dies gemäß § 581 Abs. 2 BGB ebenfalls zur Anwendung von Mietrecht.
Dem steht auch nicht das Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 1984 (X ZR 93/83 – NJW 1984, 2406, 2407) entgegen. In jenem Fall lag der Schwerpunkt – anders als im vorliegenden Fall – ersichtlich auf werksvertragstypischen Leistungen.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 07.11.2018 – IX ZA 16/17
Zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

„Die Kläger meinen zu Recht, eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters ergebe sich daraus, dass dieser als Mitverfasser eines Geleitworts zu einer Festschrift anlässlich des 70. Geburtstags des Beklagten dessen Person und Lebenswerk in heraushebender Weise gewürdigt hat. In dem Geleitwort bezeichnet der abgelehnte Richter den Beklagten als einen Mann, „der sich wie kein zweiter in vielfältiger Weise um das Insolvenzrecht und die angrenzenden Rechtsgebiete verdient gemacht“ habe; der „zu der seltenen Spezies Insolvenzverwalter gehört, die unternehmerisches Denken mit scharfsinniger juristischer Analyse verbinden können“, der „unternehmerisch mit dem bestmöglichen Bemühen um die Sanierung als die ökonomisch vorzugswürdige Lösung“ vorgehe, „mit seinen Publikationen seine Qualifikation als Vordenker für die Praxis“ beweise und „den Acker «Insolvenz und Sanierung» in sehr unterschiedlichen, einander aber immer wieder befruchtenden Funktionen bestellt und daraus reiche Ernte hervorgebracht“ habe.
Die damit verlautbarte Hochachtung nicht nur von Person und Lebenswerk des Beklagten, sondern auch seiner besonderen insolvenzrechtlichen Treffsicherheit und seiner Vorbildfunktion für Insolvenzverwalter, kann bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, in einem Rechtsstreit, in dem der Beklagte wegen angeblicher Pflichtverletzung bei der Ausübung seines Amtes als Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.“

 
BGH, Urteil v. 14.11.2018 – XII ZB 107/18
Zur Auslegung einer Patientenverfügung

„Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.“ (2. Leitsatz)

 
BGH, Urteil v. 05.12.2018 – VIII ZR 271/17
Gefahr einer Schimmelpilzbildung aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden als Mangel der Mietsache bei Altbauwohnung

„Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb – bei unzureichender Lüftung und Heizung – bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht.
Welche Beheizung und Lüftung einer Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden“ (Leitsätze, Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 06.12.2018 – VII ZR 71/15
Zur Bemessung des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bei Nichtbeseitigung der Mängel im Rahmen eines Werkvertrags

„Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Klägerin durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten […] bemessen, wenn der Besteller den Mangel eines Werks […] nicht beseitigt hat. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat […] unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 19.12.2018 – XII ZR 5/18
Zur Verjährung des Anspruchs des Vermieters gegen den Mieter auf Unterlassung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache
Der Beklagte mietete Räumlichkeiten des Vermieters zum Betrieb eines Rechtsanwaltsbüros an. Teile dieser Räumlichkeiten nutze der Beklagte zu Wohnzwecken. Der Vermieter machte gegen den Mieter einen Anspruch auf Unterlassung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache nach § 541 BGB geltend. Dem wendet der Beklagte die Einrede der Verjährung entgegen.

„Der Bundesgerichtshof hat für den Bereich des Wohnungseigentumsrechts bereits entschieden, dass bei einer zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit als Wohnraum der Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer aus § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 15 Abs. 3 WEG nicht verjährt, solange die Nutzung andauert. Zur Begründung wurde dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass in diesem Fall der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung liegt, sondern die übrigen Wohnungseigentümer in gleicher Weise dadurch beeinträchtigt werden, dass die zweckwidrige Nutzung dauerhaft aufrechterhalten wird“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
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10.04.2019/2 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2019-04-10 09:30:002019-04-10 09:30:00Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Oktober 2018 – März 2019) – Teil 1
Dr. Matthias Denzer

Karteikarte Versammlungsfreiheit; Art. 8 GG

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06.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
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Dr. Yannik Beden, M.A.

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05.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
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Dr. Matthias Denzer

Karteikarte Anfechtungsklage; § 42 VwGO

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04.02.2019/0 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
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Dr. Sebastian Rombey

BGH: Kriterien zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT

Der BGH hat sich in einer seiner jüngeren Entscheidungen (BGH, Beschl. v. 20.11.2018 – 1 StR 560/18, juris) mit einer Frage auseinandergesetzt, die prüfungsrelevanter kaum sein könnte: Der Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit.
Während bewusste Fahrlässigkeit voraussetzt, dass der Täter die Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt (kognitives Element), sich mit dieser jedoch nicht abfindet, sondern vielmehr darauf vertraut, der Erfolg werde nicht eintreten, kommt bei bedingtem Vorsatz neben dem Wissen um die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung hinzu, dass der Täter die Tatbestandsverwirklichung billigend im Rechtssinne in Kauf nimmt, gerade um seines erstrebten Zieles Willen (voluntatives Element). Für das Studium wird dies unter Zuhilfenahme der Frank’schen Formel heruntergebrochen auf folgende Faustregel: Denkt der Täter „Na wenn schon“, auch wenn es ihm höchst unlieb ist, liegt Eventualvorsatz vor, denkt er „Es wird schon gut gehen“, ist bewusste Fahrlässigkeit gegeben. Als Indiz wird typischerweise der sog. Vermeidungswille genannt, den der Täter hat oder eben nicht hat.
Immer wieder keimt Kritik an dieser rechtsunsicheren Abgrenzung der Rechtsprechung und herrschenden Lehre auf; ein überzeugendes Alternativkonzept konnte indes noch nicht vorgelegt werden (vgl. unseren Beitrag zur Diskussion um die Abschaffung des Eventualvorsatzes). Zu noch mehr Abgrenzungsschwierigkeiten führen nur die sog. „intellektuellen Theorien“, die versuchen, unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 S. 1 StGB gänzlich auf das voluntative Element zu verzichten (Wahrscheinlichkeits- und Möglichkeitstheorie sowie normative Risikolehre). Dass § 16 Abs. 1 S. 1 StGB  aber kein valides Argument gegen das Wollenselement des Vorsatzes sein kann, ist denklogisch, denn die Norm regelt neben dem Simultanitätsprinzip allein Irrtümer, die nichts mit dem Wollen zu tun haben können. Aus ihr folgt also nur das unstreitige Wissenselement, mehr gibt sie dagegen nicht her. Und so bleibt es bei der oben beschriebenen, wenig trennscharfen Abgrenzungslinie. Dass diese in der Rechtswirklichkeit immer wieder zu Problemen führt, zeigt nicht zuletzt der nachfolgende Sachverhalt, der dem 1. Strafsenat des BGH jüngst vorgelegt wurde:
I. Sachverhalt und Wertungen der Vorinstanz (LG München I, Urt. v. 12.06.2018)
„Am 12. Februar 2017 gegen 6.40 Uhr trafen in einer Tabledance-Bar der spätere Geschädigte R. und der Mitangeklagte L. im Durchgang zu den Toiletten aufeinander. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Mitangeklagte L. den Geschädigten schubste. Dies bemerkten der Mitangeklagte E. und der Angeklagte G. Beide mischten sich auf Seiten des Mitangeklagten L. in dieses Geschehen ein und sie begannen zu dritt, auf den Geschädigten einzuschlagen bzw. zu treten. Der Geschädigte ging hierdurch zunächst zu Boden, konnte aber sogleich wieder aufstehen und sich gegen die körperlichen Übergriffe der drei Angeklagten zur Wehr setzen. Kurz darauf zog der Angeklagte G. auf Grund der heftigen und so von den Angeklagten nicht erwarteten Gegenwehr des Geschädigten ein Messer mit einer Klingenlänge von nicht ausschließbar nur drei Zentimetern. Damit stach er dem Geschädigten unmittelbar und ohne Vorwarnung zweimal in den Bauch und fügte ihm einen Schnitt am Arm zu, wobei diese Verletzung nicht ausschließbar im Zuge einer der Stiche in den Bauch entstand.“
Die Vorinstanz, das LG München I, hatte ausgehend von diesem Sachverhalt einen versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angenommen und den Angeklagten entsprechend verurteilt:
„Der Angeklagte G. rechnete angesichts seiner äußerst gefährlichen Vorgehensweise mit der Möglichkeit, dass der Geschädigte an den zugefügten Verletzungen versterben könnte und nahm dessen Tod jedenfalls billigend in Kauf. Der Geschädigte erlitt auf Grund der Messerstiche eine zwei bis vier Zentimeter lange Schnitt-/Stichwunde im linken Unterbauch mit einer Tiefe von einem Zentimeter sowie eine entsprechende Verletzung im rechten Oberbauch mit einer Tiefe von zwei Zentimetern, wobei es zu Lufteinschlüssen im subkutanen Gewebe kam.“
Die doch recht dünne Begründung des LG München I lautet verkürzt: Stiche in den Oberkörper einer Person könnten zweifelsfrei zu tödlichen Verletzungen führen, das sei allgemeinhin bekannt. Bei einer Klingenlänge von drei Zentimetern, die aber fast vollständig in den Oberkörper des Opfers eindringt, gelte nichts anderes. Denn: Auch bei Messern mit kurzer Klingenlänge könnten bei Stichen in wichtige Organe und besonders sensible Körperregionen lebensgefährliche Verletzungen hervorgerufen werden.
II. Die Entscheidung des 1. Strafsenats (Beschl. v. 20.11.2018 – 1 StR 560/18, juris)
Die einzig juristisch interessante Frage, die der BGH auf die Revision des Angeklagten G. hin zu prüfen hatte (die gefährliche Körperverletzung war unproblematisch gegeben), war hierbei: Liegt tatsächlich versuchter Totschlag vor? Genauer: Handelte der Angeklagte G. wirklich mit dolus eventualis?
Der BGH beantwortete diese Frage mit einem klaren „Nein“, gibt dem Rechtsanwender aber glücklicherweise ein Bündel von Kriterien mit an die Hand, das dazu beitragen kann, die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit etwas objektiver und damit rechtssicherer zu gestalten:
„Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt es nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne durch diese zu Tode kommen und – weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt – auch einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt. Deshalb ist in derartigen Fällen ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit der Handlungen des Täters auf bedingten Tötungsvorsatz […] grundsätzlich möglich.“
Aber, auch das betont der BGH, es bedarf hierzu einer Gesamtschau aller Tatumstände, sowohl der objektiven als auch der subjektiven. Hierbei sind – neben der genannten objektiven Gefährlichkeit der Handlung – vor allem die folgenden Kriterien zu berücksichtigen:

  • die konkrete Angriffsweise des Täters,
  • die psychische Verfassung des Täters und des Opfers im Zeitpunkt der Tatbegehung sowie
  • die Motivationslage des Täters.

Genau diese Gesamtschau hatte die Vorinstanz indes nicht vorgenommen, sondern allein auf die objektive Gefährlichkeit mehrerer Messerstiche in sensible Körperregionen abgestellt. In einer Klausur wäre selbiges ein vermeidbarer Fehler. Es wäre noch zu klären gewesen, welche Stichbewegungen der Täter genau ausgeführt hatte, um die konkrete Angriffsweise näher zu beleuchten, so der BGH. Ferner hätten Feststellungen zur „konkreten Lage der Verletzungen im Bauchbereich sowie zur Größe und zur Konstitution des Geschädigten und des Angeklagten“ getroffen werden müssen. Dies gilt umso mehr, als die Klingenlänge hier nur drei Zentimeter betrug und der Angeklagte zur Verteidigung angab, dem Opfer nur einen „Denkzettel“ habe verpassen respektive diesen zur Aufgabe habe bewegen wollen – zumal der mit dem Fall befasste Rechtsmediziner festgestellt hatte, dass die Stiche nicht zur Verletzung des Bauchfells geführt hatten und das Opfer selbst sie erst später bemerkt hatte.
III. Summa: Eine penible Sachverhaltsauswertung ist unerlässlich
Die aktuelle BGH-Entscheidung lehrt, was bereits zuvor auf der Hand lag: Eventualvorsatz kann nur im Einzelfall festgestellt werden, unter Würdigung aller Umstände – welche dieser Umstände besondere Relevanz entfalten bzw. zwingend berücksichtigt werden müssen, haben die obigen Ausführungen verdeutlicht. Wer sich die Abgrenzung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit näher anschauen will, mag sich den neuen Aufsatz von Nicolai, JA 2019, 31 ansehen, der sich mit der Darstellung derselben im Rahmen einer Strafrechtsklausur auseinandersetzt.
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15.01.2019/2 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2019-01-15 09:30:512019-01-15 09:30:51BGH: Kriterien zur Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit
Redaktion

Zivilrecht I – Dezember 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Examensvorbereitung, Gesellschaftsrecht, Lerntipps, Mietrecht, Nordrhein-Westfalen, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Zivilrecht I, 1. Staatsexamen, NRW, Dezember 2018. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info.
M ist seit Juni 2011 Mieter der von der X-GmbH vermieteten Wohnung. Die Wohnung ist Teil eines Mehrfamilienhaus, das auf einen Grundstück der X-GmbH steht. Gesellschafter der ordnungsgemäß ins Handelsregister eingetragen X-GmbH sind die Brüder A und B. 

A bewohnt mit seiner Ehefrau eine Wohnung, die für den bald erwarteten Nachwuchs zu klein ist. Deswegen will er in die größere, von M gemietete Wohnung einziehen. Nach Rücksprache mit B setzt A am 08.03.2018 selbst ein Kündigungsschreiben auf, in dem er genau seinen Eigenbedarf begründet, das Mietverhältnis zum 20.09.2018 kündigt und das er eigenhändig im Namen der X-OHG unterschreibt. Dieses geht am 10.03.2018 dem M zu. 
 
Am 31.03.2016 erhebt M Widerspruch. Er will unbedingt in der Wohnung bleiben und meint, ein Gesellschafter einer OHG könne sich nicht auf Eigenbedarf berufen. Zudem hält er mangels Vollmachtsurkunde das Kündigungsschreiben des A für unwirksam. 
In einem darauf folgenden Telefongespräch mit B, weist B darauf hin, dass er die Kündigung für rechtmäßig hält und an ihr festhalten will. 
 
Mitte April 2018 erbt die Ehefrau das A überraschend eine ausreichend große Wohnung, sodass A daraufhin kein Interesse mehr an der Wohnung des M hat. M zahlt jedoch nur eine Miete von 1.000 €, obwohl die ortsübliche Miete 1.500 € beträgt. Eine Mieterhöhung wäre erst wieder in einem Jahr möglich. Deswegen beschließen A und B dem M nichts von der neuen Wohnung des A zu erzählen, um den M so zu kündigen und die Wohnung anschließend lukrativer vermieten zu können. 
 
Nachdem A und B dem M mehrfach – auch unter Einbeziehung eines Anwaltes – mit einer Räumungsklage gedroht haben, sollte er die Wohnung nicht zum 30.09.2018 verlassen, erklärt sich M schließlich Mitte Juni aus Furcht vor einer Klage und den damit verbundenen Kosten zu einem Auszug bereit. 
Tatsächlich zieht er dann auch schon am 15.09.2018 in eine andere Wohnung.
 
Ab dem 01.10.2018 wird die Wohnung an den D mit seiner Familie vermietet. Da D bereits seit zwei Jahren verzweifelt eine Wohnung sucht, war er bereit mit 1.750 € auch einen über der ortsüblichen Miete liegenden Mietzins zu zahlen. 
 
Am 02.10.2018 erfährt M zufällig von dem ganzen Sachverhalt. Noch am gleichen Tag verlangt er von der X-OHG, wieder in die Wohnung gelassen zu werden, da er meint, dass das Mietverhältnis noch fortbestehe. Zudem verlangt er Schadensersatz für seine (angemessenen) Umzugskosten in Höhe von 1.250 €. Außerdem will M die Mieteinnahmen von D solange erhalten, wie er nicht in der Wohnung wohnen kann. 
 
B meint, das Mietverhältnis sei ordentlich gekündigt worden. Selbst wenn nicht, wäre es nicht möglich den D aus der Wohnung zu bekommen, da dieser unter allen Umständen dort bleiben wolle. Auch will B nicht die Umzugskosten zahlen und meint, es gäbe keine Anspruchsgrundlage für eine Erlösherausgabe. Zudem müsste ansonsten M sich jedenfalls seine Miete in Höhe von 1.000 € anrechnen lassen.
 
Am 01.12.2018 geht M zu dem Anwalt R und bittet ihn um Hilfe. Sie assistieren R als studentischer Rechtsberater und sollen für ihn folgende Fragen begutachten:
 
Frage 1:
Kann M von der X-OHG die Wiedereinräumung des Besitzes an der Wohnung verlangen?
 
Frage 2:
Es wird unterstellt, dass das Mietverhältnis nicht beendet wurde.
 
a) Kann M von der X-OHG Schadensersatz für seine Umzugskosten von 1.250 € verlangen?
 
b) Kann M von der X-OHG Erlöserausgabe für die Miete des D in Höhe von 1.750 € für die Monate Oktober und November verlangen?
 
Frage 3:
Es wird unterstellt, dass das Mietverhältnis nicht beendet wurde. 
Am 14.09.2018 wird die Y-GmbH nach vorheriger, ordnungsgemäßer Auflassung als Eigentümerin für das Grundstück, auf dem die ehemals von M bewohnte Wohnung steht, in das Grundbuch eingetragen. Ist sie in das Mietverhältnis eingetreten?
 
Bearbeitervermerk:
Deliktische Ansprüche aus den §§ 823 ff. sind nicht zu prüfen. Auf alle aufgeworfenen Fragen ist notfalls hilfsgutachterlich einzugehen. 
14.12.2018/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-12-14 09:00:192018-12-14 09:00:19Zivilrecht I – Dezember 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Redaktion

Öffentliches Recht II – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Examensvorbereitung, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Startseite

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Öffentlichen Recht, 1. Staatsexamen, NRW, November 2018. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info.
In Deutschland gibt es die Möglichkeit zur Punzierung. Das ist ein Stempel auf Edelmetallen, der deren Feinheit angibt. Die Hersteller nehmen die Punzierung selbst und freiwillig vor. Wenn die Angaben falsch sein sollten, haften die Hersteller auf Schadenersatz und begehen eine Ordnungswidrigkeit. Bei vorsätzlichem Handeln begehen sie sogar eine Straftat.
Die Staaten A, B und C sind Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Dort nimmt eine staatliche Stelle die Punzierung vor. In diesen Mitgliedstaaten dürfen auch nur Edelmetalle verkauft werden, die eine staatliche Punzierung erhalten haben. Diese Staaten erkennen die Punzierungen aus den jeweils anderen Staaten an. Für Hersteller aus Deutschland gewährt der Mitgliedstaat A die Möglichkeit, die Produkte vor ihrem Verkauf in A punzieren zu lassen. Punzierungen aus Deutschland würden anerkannt werden, wenn diese auch in Deutschland durch eine staatliche Stelle übernommen werden würden.
Die X-GmbH mit Sitz in Deutschland stellt Edelmetallprodukte her und vertreibt diese. Sie möchte ihre Produkte insbesondere auch in A verkaufen. Dafür muss gemäß der Verwaltungspraxis des Mitgliedstaates A vor jeder Auslieferung die Punzierung bei der staatlichen Stelle in A (oder auch in B oder C) beantragt und vorgenommen werden. Es kommt hierbei immer wieder zu sprachlichen Schwierigkeiten und die Lieferzeiten der X-GmbH verzögern sich dadurch insbesondere im Vergleich zu in A ansässigen Unternehmen deutlich. Aufgrund dessen werden viele Bestellungen von Kunden aus A bei der X-GmbH wieder stroniert.
Die Bundesrepublik Deutschland vermutet einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit. Insbesondere gäbe es mit einer europäischen Richtlinie über das CE-Siegel bereits eine europaweite Regelung, welche die Qualität von Produkten gewährleisten soll.
Die Kommission verfasst eine begründete Stellungnahme nach Art. 259 AEUV und stellt diese dem Mitgliedstaat A zu.
Dieser verneint einen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit. Von staatlichen Stellen vorgenommene Punzierungen seien verlässlicher. Das sei bedeutend, weil schon – was zutrifft – kleinste Abweichungen eine erhebliche Auswirkung auf die Gewinnspanne hätten.
Die Bundesrepublik Deutschland betreibt nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den Mitgliedstaat A wegen dessen Verwaltungspraxis.
Aufgabe 1
Hat das Vertragsverletzungsverfahren Erfolg?
Aufgabe 2
Unterstellt wird, dass das Vertragsverletzungsverfahren keinen Erfolg hat: Kann die X-GmbH aus Grundfreiheiten oder deutschen Grundrechten von der BRD verlangen, dass auch in Deutschland eine staatliche Punzierungsstelle geschaffen wird? Die Bundesregierung meint, dass die Grundfreiheiten „in dieser Konstellation“ nicht anwendbar wären, und hat Zweifel, was die „Funktion der Grundrechte“ angeht.
Aufgabe 3
Unabhängig von einer Verpflichtung dazu hält die Bundesreggierung es zum Abbau bestehender Nachteile für die deutschen Hersteller für Geboten, auch in Deutschland die Möglichkeit zur Punzierung durch eine staatliche Stelle zu schaffen. Das untenstehende Gesetz bringt sie in den Bundestag ein, wo es  in einem ordnungsgemäßen Verfahren  beschlossen wird. Nachdem der Bundesrat auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses verzichtet, wird das Gesetz verkündet. Die Landesregierung L meint, dass der Bund hierfür keine Kompetenz hätte. Verwaltung sei Ländersache. Und sowieso hätte der Bundesrat zustimmen müssen. Ist das Gesetz mit den Vorschriften des Grundgesetzes vereinbar?
§ 1 Hersteller von Edelmetallen haben die Möglichkeit, eine staatliche Punzierung zu erhalten.
§ 2 Zu diesem Zweck wird eine Bundesoberbehörde mit Sitz in Bonn errichtet und dem Bundesministerium für Wirtschaft unterstellt.
Aufgabe 4
Die Kommission hält es für sinnvoller, wenn statt der einzelstaatlichen Regelungen die Punzierung einheitlich durch die Europäische Union geregelt wird. Hat sie dafür die Kompetenz? In welcher Handlungsform könnte sie das tun? Welches Verfahren ist dafür vorgesehen? Wer könnte das einleiten?
Bearbeitervermerk: Beantworten sie die aufgeworfenen Fragen – ggf. hilfsgutachterlich – in einem umfassenden Gutachten.

12.12.2018/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-12-12 09:00:052018-12-12 09:00:05Öffentliches Recht II – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Yannik Beden, M.A.

Mündliche Prüfung: Tornado-Kampfjet über Demonstrantenlager

Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Versammlungsrecht

Anknüpfend an unsere Simulation einer mündlichen Examensprüfung im Strafrecht aus der letzten Woche soll diese Woche das Öffentliche Recht im Fokus stehen. Mit seinem Urteil vom 25.10.2017 – 6 C 46/16, NJW 2018, 716 hat sich das BVerwG zu besonders praxis- und examensrelevanten Fragestellungen des Polizeirechts sowie Versammlungsrechts geäußert. Neben klassischen Problemstellungen wie der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts und der Zulässigkeit von Gefahrerforschungsmaßnahmen bietet die Entscheidung auch Anlass, grundrechtlichen Fragestellungen vertieft nachzugehen. Zudem lässt sich der Fall – wie in der mündlichen Prüfung im Öffentlichen Recht üblich – problemlos prozessual einkleiden:  
Sehr geehrte Damen und Herren, bitte stellen Sie sich folgenden Sachverhalt vor, der einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Herbst letzten Jahres zugrunde lag:
Vom 6. bis 8. Juni 2007 findet in Heiligendamm das jährliche Gipfeltreffen der acht großen Industriestaaten (G8) statt. In Abstimmung mit dem Innenministerium soll die Bundeswehr der Landespolizei unterstützende Hilfeleistungen im Rahmen der Vorbereitung des Gipfeltreffens erbringen. Zu diesem Zwecke führt die Bundeswehr im Mai 2007 mehrere Aufklärungsflüge durch. Diverse Überflüge in der Umgebung des Austragungsortes finden statt, bei denen Infrarot- und optische Kameras zu Anfertigung von Luftbildaufnahmen eingesetzt werden. Diese sollen mögliche Erddepots erkennen sowie etwaige Manipulationen an wichtigen Straßenzügen erfassen. Am 29. Mai 2007 errichten Gegner des Gipfeltreffens in der Gemeinde Reddelich ein Camp für die Unterkunft von bis zu 5000 Personen, die an Protestaktionen teilnehmen wollen. Teilnehmerin A hält sich vom 1. bis 6. Juni 2007 in diesem Camp auf und nahm von dort aus an diversen Veranstaltungen und Versammlungen im Zusammenhang zum G8 Gipfel in Heiligendamm teil.
Am 5. Juni 2007 überfliegt ein Kampfflugzeug der Bundeswehr vom Typ Tornado gegen 10:30 Uhr das Camp. A befindet sich zu dieser Zeit auch im Lager. Aufgrund der Witterungsbedingungen beträgt die Flughöhe lediglich ca. 114 Meter. Die Kampfflugzeuge verursachen zudem einen beträchtlichen Lärm, der von allen im Camp anwesenden Teilnehmer deutlich zu hören ist. Während des Überflugs werden Aufnahmen durch Kameras angefertigt, die an dem Kampfflugzeug befestigt sind. 19 Luftbilder werden anschließend durch Bundeswehrmitarbeiter für polizeiliche Zwecke ausgewählt und zur Auswertung an die Polizeidirektion zur Auswertung übermittelt. Bei einem Teil der Aufnahmen handelt es sich um Übersichtsaufnahmen und Ausschnittsvergrößerungen, auf denen das Camp Reddelich sowie Personengruppen abgebildet sind, die sich dort aufhalten.
A ist empört über die Vorkommnisse und möchte gerichtlich geklärt wissen, dass der Überflug des Kampfjets am 5. Juni 2007 sowie die Fertigung, Weitergabe und Verwertung der Bildaufnahmen sie in ihren Rechten verletzt.   
Herr Hoprecht, die Demonstrationsteilnehmerin A möchte nun gegen den Tiefflug des Kampfflugzeugs gerichtlich vorgehen. Ist der Weg zum Verwaltungsgericht eröffnet?
Mangels einer aufdrängenden Sonderzuweisung richtet sich die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO. Es müsste sich zunächst um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handeln. Nach der sog. modifizierten Subjektstheorie ist eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher Natur, wenn die streitentscheidenden Normen dem Öffentlich Recht zuzuordnen sind. Das ist der Fall, wenn die Norm stets einen Träger öffentlicher Gewalt in seiner Funktion berechtigt oder verpflichtet. Streitentscheidend sind die Generalklausel des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (hier § 13 MVSOG) und Art. 8 Abs. 1 GG. Erstere Norm berechtigt und verpflichtet stets die Polizeibehörde als Träger öffentlicher Gewalt, Art.8 Abs. 1 GG verpflichtet jedenfalls Träger öffentlicher Gewalt, vgl. Art. 1 Abs. 3 GG. Dies gilt auch für Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1 Abs. 1 GG (Recht auf informationelle Selbstbestimmung). Mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit ist die Streitigkeit zudem nichtverfassungsrechtlicher Art. Eine abdrängende Sonderzuweisung ist nicht ersichtlich, sodass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.  
Herr Obermüller, welche Klage ist in unserem Fall statthaft?
In Betracht kommt eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO. Mit dieser kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden. Unter einem Rechtsverhältnis sind dabei rechtliche Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben. Die Anwendung der Rechtsnorm auf einen bestimmten Sachverhalt muss zudem zwischen den Beteiligten streitig sein.
Zum Zeitpunkt, zu dem der Kampfjet über das Camp flog, hielt sich A in diesem auf. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch Aufnahmen durch die am Flugzeug befestigten Kameras angefertigt, welche anschließend an die Polizei übermittelt wurden. Dieser Sachverhalt ist im Hinblick auf die möglicherweise berührten Grundrechte aus Art. 8 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geeignet, im Sinne eines nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses rechtliche Beziehungen zwischen der Polizeibehörde, der die beschriebenen Handlungen zuzurechnen sind, und der A zu begründen.
Wie sieht es mit der Klagebefugnis der A aus, Herr Wormser?
In analoger Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO müsste die A auch klagebefugt sein. Klagebefugt ist danach, wer durch das Handeln der Behörde möglicherweise in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Es lässt sich nicht von vornherein ausschließen, dass der Tiefflug des Tornado Kampfjets über dem Camp, in dem sich die A befand, diese in ihren grundrechtlichen geschützten Rechtspositionen aus Art. 8 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. A ist demnach klagebefugt.
Herr Hoprecht, kommen wir kurz zum Feststellungsinteresse der A.
Das berechtigte Interesse i.S.v. § 43 Abs. 1 VwGO schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet ist oder jedenfalls erscheint, die Rechtsposition der Klägerin in diesen Aspekten zu verbessern. Ausreichend ist dabei, wenn die Art des mit der Klage gerügten Eingriffs die Anerkennung eines Feststellungsinteresses erfordert, also insbesondere, wenn die unmittelbare Belastung, die durch den in Rede stehenden Hoheitsakt erfolgte, sich auf eine Zeitspanne beschränkte, in der die Entscheidung des Gerichts gar nicht oder nur kaum zu erlangen gewesen wäre. Dies ist mit Blick auf die kurze Zeitspanne, in dem der Tiefflug des Kampfflugzeugs stattfand sowie einer möglichen Vorwirkung des aus Art. 8 Abs. 1 GG resultierenden Schutzes der Fall. Auf eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitationsinteresse kommt es nicht an.  
So ist es. Das soll uns für den prozessrechtlichen Teil erst einmal genügen. Kommen wir zur Begründetheit der Klage. Sie dürfen im Folgenden davon ausgehen, dass die Aufklärungsflüge der Bundeswehr der zuständigen Landespolizeibehörde als Unterstützungsleistung zugerechnet werden. Art. 87a II GG lassen wir vor außen vor. Herr Wabschke, auf welche Norm ließe sich die Maßnahme wohl stützen?
In Betracht kommt die polizeirechtliche Generalklausel, in Mecklenburg-Vorpommern also § 13 MVSOG. Danach haben die Polizei- und Ordnungsbehörden im Rahmen der geltenden Gesetze die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendigen Maßnahmen zu treffen, um von der Allgemeinheit oder dem Einzelnen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird. Allerdings könnte es sich bei dem Demonstrantencamp auch um eine Versammlung handeln, sodass an eine Anwendung des VersG zu denken ist. Nach dem Grundsatz der Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts wird das allgemeine Polizeirecht bei Maßnahmen gegen Versammlungen grundsätzlich durch die spezielleren Regelungen des VersG verdrängt.  
Da sprechen Sie einen guten Punkt an. Handelt es sich denn bei dem Demonstrantencamp um eine Versammlung?
Nach der Rechtsprechung des BVerfG handelt es sich bei Versammlungen um örtliche Zusammenkünfte mehrerer Personen zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. Maßgeblich ist dabei, dass die Meinungsbildung und –Äußerung mit dem Ziel stattfinden, auf die Öffentlichkeit einzuwirken. Hinsichtlich des Camps mag es zwar durchaus möglich erscheinen, dass teilweise mit an den G8 Gipfel gerichtete Protestanliegen kommunikative Anliegen und Aktivitäten stattfanden. Zum Zeitpunkt der Flugaktivitäten durch den Tornado Kampfjet geschah dies jedoch nicht. Das Camp in Reddelich war demnach als solches keine Versammlung.
Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ist jedoch in zeitlicher Hinsicht nicht auf die Durchführung der Versammlung begrenzt. Vielmehr entfaltet es bereits im Vorfeld schützende Wirkung. Art. 8 Abs. 1 GG schützt deshalb auch den Vorgang des Sichversammelns, mithin auch den Zugang sowie die Abreise zu einer Versammlung. Der Aufenthalt im Camp stand in unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang zu Demonstrationen, die anlässlich des Gipfeltreffens stattfinden sollen bzw. stattgefunden haben. Da auch keine alternativen Unterbringungsmöglichkeiten ersichtlich sind, war der Aufenthalt im Camp Reddelich zwingend, um an den Protesten teilnehmen zu können. Unter diesen Umständen schützt Art. 8 Abs. 1 GG bereits den Vorgang des Versammelns im Camp.
Was bedeutet das nun für unsere Ermächtigungsgrundlage, Herr Hoprecht?
Die polizeirechtliche Generalklausel umfasst nicht nur Maßnahmen, die auf die Beseitigung einer aus der ex-ante Perspektive zu bestimmenden konkreten Gefahr gerichtet sind. Ebenso zulässig sind sog. Gefahrerforschungsmaßnahmen. Diese zeichnen sich durch ihren vorläufigen Charakter aus und dienen der Aufklärung bzw. Wissensbeschaffung zur Vorbereitung weiterer polizeilicher Maßnahmen. Der Tiefflug, verbunden mit der Anfertigung von Bildaufnahmen, lässt sich als Teilakt einer Gefahrerforschungsmaßnahme der Bundeswehr, die der Polizeibehörde zuzurechnen ist, qualifizieren.
Sehr richtig, das lässt sich hören! Lassen Sie uns über die grundrechtliche Dimension des Falls sprechen. Herr Obermüller, wird in Art. 8 I GG eingegriffen?
Der Grundrechtsschutz ist nicht auf herkömmliche Eingriffe im Sinne des klassischen Eingriffsverständnisses begrenzt. Nach dem modernen Eingriffsbegriff können auch mittelbar faktische Beeinträchtigungen, die eine Ausübung grundrechtlich geschützten Verhaltens erschweren oder unmöglich machen, als Eingriff zu qualifizieren sein. Ein faktischer Eingriff in die Versammlungsfreiheit kann danach auch angenommen werden, wenn eine staatliche Maßnahme einschüchternd oder abschreckend wirkt oder geeignet ist, die freie (kollektive) Willensbildung und die Entschlussfreiheit der Personen, die sich versammlungsspezifisch betätigen, zu beeinflussen.
Blickt man auf die extreme Lärmentfaltung und den durchaus bedrohlichen Anblick der Tornado Kampfflugzeuge sowie der witterungsbedingten Tiefe, auf der die Jets flogen, ist von einem mittelbar faktischen Eingriff in Art. 8 Abs. 1 GG auszugehen. Gleiches ergibt sich aus der Überraschungswirkung des Tiefflugs sowie des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zu den geplanten Demonstrationen.  
À la bonne heure, Herr Obermüller! Ein durchschnittlicher Bürger würde bei diesem angsteinflößenden Erscheinungsbild sicherlich erschrecken. Herr Wabschke, wir gehen zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs über.
Die Art und Weise der Durchführung der polizeilichen Gefahrerforschungsmaßnahme unter Berücksichtigung der konkreten Umstände muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Die Maßnahme muss einen legitimen Zweck verfolgen, hierzu geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Der Überflug des Camps unter Verwendung von Kameras zur Aufnahme von diversen Bildaufnahmen beabsichtigte, festzustellen, ob etwaige Erddepots sowie Manipulationen an den für das Gipfeltreffen relevanten Straßenzügen vorhanden waren. Die Flugeinsätze und die damit verbundene bildliche Erfassung der örtlichen Gegebenheiten förderten die Durchsetzung dieser Zwecke und waren mithin geeignet. Ob mildere, gleich geeignete Mittel bestanden, muss mit Blick auf alternative Möglichkeiten zur Anfertigung der Aufnahmen beantwortet werden. Jedenfalls war es aufgrund der Witterungsbedingungen nicht möglich, die Aufnahmen bei erhöhter Flughöhe anzufertigen. Andere Flugzeugtypen, die eventuell weniger einschüchternd wirken, einsetzbar gewesen wären, kann nicht abschließend beantwortet werden. Bei der Angemessenheit der Maßnahme gilt es, die einschüchternde Wirkung, die der Tiefflug des Kampfflugzeugs auf die potentiellen Demonstrationsteilnehmer haben kann und die damit verbundene Beeinträchtigung der Versammlungsfreiheit der tatsächlichen Gefahrenlage sowie den Handlungsmöglichkeiten der Polizeibehörde gegenüberzustellen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Unterschreitung der Mindestflughöhe von 150 Metern auf Witterungsbedingungen zurückzuführen war, die außerhalb des Machtbereichs der Behörde liegen. Sofern die Polizeibehörde bereits Erkenntnisse über Aktivitäten von Personengruppen im Bereich des Camps hatte, die sich auf die Begehung künftiger gewaltsamer Ausschreitungen beziehen, ist auch dies in die Wertung mit einzubeziehen. Hinsichtlich der Schwere der Grundrechtsbeeinträchtigung ist anzumerken, dass zumindest für Art. 8 Abs. 1 GG ein rein mittelbar faktischer Eingriff vorlag, der hierüber hinaus auf die Vorfeldwirkung des durch die Versammlungsfreiheit vermittelten Schutzes beschränkt war. In der Gesamtbetrachtung war die Maßnahme auch angemessen, die Versammlungsfreiheit der A wurde nicht verletzt.   
Das lässt sich so vertreten. Schön, das soll uns für die Prüfung im Öffentlichen Recht genügen. Wie Sie sehen, ist die Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts immer wieder ein praxisrelevantes Problem. Gleiches gilt für den Versammlungsbegriff und die Reichweite von Art. 8 I GG. Der Aufenthalt in einer Unterkunft für potentielle Demonstrationsteilnehmer kann mit Blick auf die Vorwirkung der Versammlungsfreiheit von Art. 8 I GG geschützt sein, wenn eine Teilnahme an der Versammlung ohne die Unterbringungsmöglichkeit schon gar nicht zu realisieren ist. Der Tiefflug von Kampfjets über ein derartiges Demonstrantencamp ist zudem als mittelbar-faktischer Eingriff zu qualifizieren.Wer sich zum Problemfeld des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG im Zusammenhang mit den im Fall angefertigten Bildaufnahmen beschäftigen möchte, sollte die Urteilsanmerkung von Roggan, NJW 2018, 723 lesen. Vielen Dank.
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10.12.2018/4 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-12-10 09:00:192018-12-10 09:00:19Mündliche Prüfung: Tornado-Kampfjet über Demonstrantenlager
Redaktion

Öffentliches Recht I – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

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Der K betreibt ein kleines Geschäft in einem allgemeinen Wohngebiet der großen kreisangehörigen Stadt S. Er hatte hierfür von der unteren Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung erhalten. Diese enthielt den Zusatz, dass er sich (wegen Lärm) nicht in der Nachtzeit (von 00:00 bis 06:00 Uhr) beliefern lassen darf. Die Baugenehmigung war rechtmäßig und ist inzwischen bestandskräftig.
Damit er auch in seiner Abwesenheit beliefert werden kann, überlässt der K seinem Lieferanten G einen Schlüssel für das Lager. Damit kann G seinen LKW bis an das Geschäft des K heranfahren und seine Waren abladen. Der K weist den G auf das Verbot hin, zur Nachtzeit zu beliefern. Anfangs hält sich der G daran.
Wegen des tagsüber hohen Verkehrsaufkommens beginnt der G nach einiger Zeit aber damit, den K auch nachts (zwischen 03:00 Uhr und 06:00 Uhr) zu beliefern. Der G nutzt dazu seinen eigenen, von K überlassenen Schlüssel. Der K erfährt davon, unternimmt aber nichts.
Der Nachbar N wohnt direkt neben dem Geschäft des K. Er wird von dem Lärm nachts gestört. Wegen der tropischen Wettertemperaturen ist an Schlaf vor 24:00 Uhr nicht zu denken. Der von den nächtlichen Belieferungen verursachte Lärm lässt ihn nicht schlafen. Aufgrund des Schlafmangels hat der N mit Beschwerden zu kämpfen, insbesondere mit Kopfschmerzen. Ein Sachverständiger kann nachweisen, dass der Lärm bestimmte Grenzwerte überschreitet und daher ein Verstoß gegen § 22 BImSchG i.V.m. der TA-Lärm darstellt.
Der N beschwert sich bei K, der aber weiterhin nichts unternimmt. Er meldet diese Vorfälle und der – zuständigen – unteren Bauaufsichtsbehörde. Diese bestätigt schriftlichen den Eingang der Meldung und verspricht, sich schnellstmöglich um diese Angelegenheit zu kümmern. Im weiteren Verlauf unternimmt die Behörde aber nichts und antwortet zwei Monate lang nicht auf Nachfragen des N.
Der N wendet sich an den Rechtsanwalt R. Dieser fragt sich, ob die Behörde überhaupt gegen den K etwas unternehmen könne und ob nicht vielmehr der G in Anspruch genommen werden müsse.
Aufgabe 1
1. Könnte die Behörde auf Grundlage von § 61 I 2 BauO NRW (ggf. i.V.m. § 14 OBG) gegen den K einschreiten?
2. Was könnte die Behörde in Hinblick auf eine zwangsweise Durchsetzung außerdem noch verfügen? Unter welchen Voraussetzungen wäre das rechtmäßig?
3. Hat der N auch einen Anspruch auf Einschreiten?
Aufgabe 2
Unterstellt wird, dass der N einen Anspruch auf Einschreiten hat: Wie könnte der N seinen Anspruch mit verwaltungsgerichtlichen Mitteln geltend machen, wenn dies möglichst schnell gehen soll? Wäre so ein Vorgehen zulässig? Unter welchen Voraussetzungen wäre so ein Vorgehen grundsätzlich begründet?
Bearbeitervermerk: Beantworten sie die aufgeworfenen Fragen  ggf. hilfsgutachterlich  in einem umfassenden Gutachten aus der Sicht des R.
Es folgten Ausführungen zum BImSchG.
Es folgten Ausführungen zur TA-Lärm und der Hinweis darauf, dass es sich um eine Verwaltungsvorschrift handelt.
Soweit es zur Lösung der Aufgabenstellung auf die Anwendung von Vorschriften aus dem Bauordnungsrecht ankommt, ist die BauO NRW (v. Hippel/Rehborn ON: 93) anzuwenden und nicht die BauO NRW 2016 (v. Hippel/Rehborn ON: 93.1).

06.12.2018/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-12-06 09:00:562018-12-06 09:00:56Öffentliches Recht I – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Sebastian Rombey

Mündliche Prüfung: Neues zum Pfandflaschendiebstahl!

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Eine der jüngsten Entscheidungen des IV. Strafsenats des BGH (Beschl. v. 10.10.2018 – 4 StR 591/17, NJW 2018, 3598) ist wie gemalt für eine mündliche Prüfung, da sie der ohnehin schon nicht leichten Problematik des Diebstahls von Pfandflaschen eine weitere Feinheit hinzufügt und sich zugleich prima zur Besprechung von Grundlagen eignet. Gerade da das Sammeln von Pfandflaschen in den Städten täglich zunimmt, treten immer öfter Fallkonstellationen auf, die eine StGB-Relevanz aufweisen – die BGH-Entscheidung entfaltet insoweit starke Praxisrelevanz. Die nachfolgende Simulation soll eine mündliche Examensprüfung abbilden und  zugleich die Grundzüge  sowie die neueste Rechtsprechung zum Problemfeld des Pfandflaschendiebstahls aufzeigen.
 
Sehr geehrte Damen und Herren, bitte stellen Sie sich folgenden Fall vor, den ich aus Rn. 4 eines aktuellen BGH-Beschlusses zitieren möchte:
„Nach den Feststellungen des Landgerichts gelangte der Angeklagte durch ein Loch in einem Zaun auf das Gelände eines Getränkehandels in M. Dort entwendete er unter Mitwirkung eines gesondert verfolgten Bekannten zahlreiche, zumeist nach Abgabe durch die Verbraucher bereits zusammengepresste Plastikpfandflaschen sowie einen Kasten mit Glaspfandflaschen; der Pfandwert betrug insgesamt 325 Euro. Beide beabsichtigten, die gepressten Plastikpfandflaschen auszubeulen und das gesamte Pfandleergut nochmals abzugeben, um dafür Pfand zu erhalten.“
Kandidat A, bitte nehmen Sie die Rolle eines Staatsanwalts ein. Welche Delikte des StGB können – erst einmal ganz abstrakt – in Fällen der Entwendung von Leergut respektive bei der späteren Abgabe desselben in Betracht kommen?
Hier denke ich vor allem an Diebstahl (§ 242 StGB), Betrug (§ 263 StGB), Computerbetrug (§ 263a StGB), Erschleichen von Leistungen (§ 265a StGB) und Pfandkehr (§ 289 BGB), sprich vor allem an Vermögensdelikte.
Sehr gut! Fangen wir doch leicht an: Was wäre denn Voraussetzung dafür, dass Sie als Staatsanwalt Ermittlungen aufnehmen können?
Das wäre nach dem Legalitätsprinzip grundsätzlich ein Anfangsverdacht, § 152 Abs. 2 StPO. Es muss nach kriminalistischer Erfahrung anhand tatsächlicher Anhaltspunkte möglich erscheinen, dass eine verfolgbare Straftat vorliegt. Zudem stehen hier Vermögensdelikte in Rede, so dass nach § 248a StGB an einen Strafantrag zu denken wäre (§ 77 StGB, § 158 StPO), soweit es um geringwertige Sachen geht.
Gut, gut. Wie grenzt man denn, wenn sie nun nicht wissen, ob sie wegen Diebstahls oder Betrugs ermitteln sollen, beide Delikte voneinander ab?
Anhand des Merkmals der Wegnahme beim Diebstahl und einer ungeschriebenen, in den Tatbestand des Betruges hineinzulesenden Vermögensverfügung.
Sehr richtig, denn nur so lassen sich Fremd- und Selbstschädigungsdelikt sinnvoll voneinander trennen. Wo wir gerade dabei sind: Wie lautet noch einmal die Definition einer Wegnahme?
Eine Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist hierbei die tatsächliche Sachherrschaft über eine Sache, getragen von einem natürlichen Herrschaftswillen, beurteilt aus der Verkehrsauffassung. Gerade dieses letzte Kriterium ist wichtig in Fällen, in denen auf den ersten Blick nicht feststellbar ist, wer die tatsächliche Sachherrschaft innehat. Das ist auch zugleich die Kritik einer Literaturansicht hieran; der Konstruktion des „gelockerten Gewahrsams“ bedarf es nämlich dann nicht, wenn man den Gewahrsam direkt sozial-normativ zuordnet.
Kandidat A, das klingt alles sehr solide. Kandidatin B: Die Pfandkehr wurde noch nicht angesprochen. Können Sie mir sagen, wie der Begriff der Wegnahme im Rahmen dieses Tatbestands definiert wird?
Sehr gerne, denn die Begriffsdefinition ist hier höchst streitig. Während manche dieselben Maßstäbe wie im Rahmen des Diebstahls anlegen wollen, wollen andere den Begriff der Wegnahme hier selbständig interpretieren und verstehen darunter  die räumliche Entziehung der Sache aus dem Machtbereich des Berechtigten – dies ist freilich die deutlich extensivere Lesart.
Vollkommen zutreffend. Welcher Ansicht würden Sie den Vorzug geben?
Zwar kann für die erstgenannte Ansicht das – gerade auf Grund des fragmentarischen Charakters des Strafrechts doch recht schwache – Argument der Einheit der Rechtsordnung ins Feld geführt werden; die letztgenannte Sichtweise überzeugt indes mehr. Dies liegt vor allem daran, dass anderenfalls besitzlose Pfandrechte, für die der Straftatbestand u.a. geschaffen wurde, nicht erfasst werden könnten. Deshalb würde ich der zweiten Auffassung den Vorzug geben.
Das ist mit dieser Begründung durchaus gut vertretbar. Lassen Sie uns nun aber, nachdem wir uns ein wenig aufgewärmt haben, den Fall gutachterlich betrachten.
Kandidat C: Bitte beginnen Sie mit der Prüfung des § 242 StGB im soeben geschilderten Fall.
Der Angeklagte könnte sich des Diebstahls strafbar gemacht haben, indem er die zusammengepressten Plastikpfandflaschen sowie den Kasten mit Glaspfandflaschen in der Absicht entwendete, sie später erneut als Leergut zurückzugeben.
Tatbestandlich müsste der Angeklagte hierfür zunächst in objektiver Hinsicht eine fremde bewegliche Sache weggenommen haben. Dabei ist bereits die Fremdheit der Pfandflaschen genau zu betrachten, also die Frage, ob sie im Allein- oder Miteigentum eines anderen standen.
Korrekt – bereits das Vorliegen einer fremden beweglichen Sache erscheint fraglich. Wonach muss bei der Fremdheit der Sache in Fällen der Entwendung von Leergut zur späteren Rückgabe gegen Pfand differenziert werden?
Nach den zivilrechtlichen Verhältnissen sowie danach, ob Standard- oder Spezialleergut vorliegt.
Bitte konkreter, Kandidat C.
Maßgeblich sind die Eigentumsverhältnisse an den Pfandflaschen. Während der Hersteller von Spezialleergut hieran regelmäßig Eigentum behält, man denke etwa an spezielle Flaschen der Marke „Coca-Cola“, sodass der Händler und damit auch ein späterer Kunde allein Eigentum an dem Inhalt der Flaschen erhält, verliert der Hersteller von Standardleergut sein Eigentum regelmäßig bereits durch Vermengung mit anderen Standardflaschen, die von anderen Herstellern verwendet werden, §§ 947 f. BGB. Ein späterer Kunde kann also auch Eigentümer der Flaschen und nicht nur des Inhalts werden.
Für einen möglichen Diebstahl bedeutet dies in Bezug auf den subjektiven Tatbestand weitergedacht: Bei Spezialleergut fehlt es am Enteignungsvorsatz, wenn eine Rückgabe an den Eigentümer (hier dem Händler) intendiert ist, die Auszahlung des Pfandes also wegen der Rückgabe des Leergutes keine Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung bedeutet; bei Standardleergut dagegen, bei dem die Rückgabe an den Händler erfolgt, liegt eine Enteignungskomponente vor, da gerade keine Rückgabe an den Eigentümer (hier den Hersteller) erfolgt. Zugleich liegt in der Auszahlung des Pfandes zwar keine Zueignung des Sachwertes (denn das Pfand setzt allein einen Anreiz zur Rückgabe der betreffenden Pfandflaschen), wohl aber eine Anmaßung einer eigentümerähnlichen Position, da der Täter hier das Eigentum des Herstellers leugnet. All dies setzt freilich voraus, dass sich der Täter die Eigentumslage zutreffend vorstellt.
Man merkt, Sie wissen, wovon Sie reden.
Kandidat D: Wie sieht es damit im konkreten Fall aus? Bitte subsumieren Sie und unterstellen Sie hierbei, dass es sich bei den zusammengepressten Pfandflaschen um Standardleergut und bei dem Glaskasten um Spezialleergut handelt.
Vorliegend hat der Angeklagte zusammengepresste Pfandflaschen sowie einen Kasten mit Glasflaschen entwendet. Unabhängig von der Frage, ob es sie hierbei jeweils um Standard- oder Spezialleergut handelt, ist nach den zutreffenden Ausführungen meiner Vorrednerin jedenfalls die Fremdheit zu bejahen, denn das Leergut stand entweder im Eigentum des Herstellers, oder im Eigentum des Händlers respektive des letzten Erwerbers der Pfandflaschen, jedenfalls aber nicht im Alleineigentum des Angeklagten. Die Frage kann also mit anderen Worten offenbleiben und wird erst im subjektiven Tatbestand virulent.
Okay, dann springen wir doch direkt zur Zueignungsabsicht. Bitte definieren Sie diese und subsumieren Sie anschließend.
Die Zueignungsabsicht fordert dauerhaften Enteignungsvorsatz bei zumindest vorübergehender Aneignungsabsicht. Während der Täter bei der ersten Komponente billigend in Kauf nehmen muss, dass der Eigentümer dauerhaft von seiner Eigentumsposition ausgeschlossen wird, muss sich seine Absicht gleichzeitig darauf konkretisieren, sich nach der Vereinigungstheorie entweder die Sache selbst oder den durch die Sache verkörperten Sachwert zumindest vorübergehend anzueignen.
Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte zusammengepresste Standardpfandflaschen entwendet und gleichzeitig Spezialglaspfandflaschen samt Kasten. Es kommt auf die Vorstellung des Täters über die Eigentumsverhältnisse an den Pfandflaschen und die Folgen der Rückführung in das Pfandsystem an. Insoweit muss differenziert werden:
Hinsichtlich des Standardleerguts ist es, da sich der Täter gerade die Sache selbst und nicht den Sachwert zueignen kann, denn das Pfand ist wie schon gesagt kein Sachwert, maßgeblich, dass der Täter das dem Eigentümer entwendete Standardleergut dem Händler zurückgibt, um als Nichtberechtigter das Pfandgeld zu erhalten.
Hinsichtlich des Spezialleerguts muss der Täter dem Grunde nach dasselbe tun. Wenn der Täter sich irrig vorstellt, der Händler sei selbst Eigentümer, kann auch hier eine Zueignungsabsicht und damit ein Diebstahl gegeben sein.
Kandidatin E. Vorhin wurde doch gesagt, dass  bei Spezialleergut eine Zueignungsabsicht fehlen kann. Können Sie mir sagen, warum das gerade hier nicht der Fall sein soll?
Beim Diebstahl handelt es sich um ein erfolgskupiertes Delikt, bei dem die Zueignungsabsicht keine Entsprechung im objektiven Tatbestand findet. Daraus folgt: Vorstellung des Täters über die Eigentumslage und wahre Eigentumslage können auseinanderfallen. Das heißt konkret: Selbst wenn in Wahrheit eine Rückgabe entwendeter Spezialpfandflaschen eine Rückführung an den Eigentümer (namentlich den Hersteller) bedeutet und objektiv gesehen keine Enteignungskomponente vorliegt, handelt es sich um ein rein subjektives Element, sodass allein der Vorsatz des Täters entscheidend ist. Stellt sich dieser – so wie man es in der Praxis in der Regel bei Laien annehmen muss – nicht die wirkliche Eigentumslage vor, also dass der Hersteller Eigentümer geblieben ist, sondern der Händler Eigentümer der Spezialpfandflaschen sei, dann liegt eben doch ein Enteignungsvorsatz und nachgelagert auch eine Zueignungsabsicht vor, die zu einer Strafbarkeit des Täters führen kann.
Wunderbar! Strafrechtlich macht es also nach der jüngsten BGH-Entscheidung gar keinen Unterschied, ob nun Spezial- oder Standardleergut in der Absicht der späteren Rückgabe gegen Erlangung von Pfandgeld entwendet wird. In beiden Fällen kann ein Diebstahl angenommen werden, es sei denn, der Täter hat sich – was freilich äußerst selten sein dürfte – die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an den Spezialpfandflaschen zutreffend vorgestellt. Man ist fast geneigt zu sagen: Der „Schlaue“, der sich die Eigentumslage an Spezialleergut zutreffend vorstellt, macht sich nicht des Diebstahls strafbar, der „Unwissende“ schon – das scheint inkonsequent (auch wenn natürlich noch andere Delikte in Betracht kommen). Darin zeigt sich auch die Schwäche der Vermögensdelikte. Wer das näher nachlesen will, mag sich die Urteilsanmerkung von Hoven, NJW 2018, 3598 genauer anschauen.
Vielen Dank, das war die Prüfung im Strafrecht. 
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03.12.2018/3 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-12-03 09:01:412018-12-03 09:01:41Mündliche Prüfung: Neues zum Pfandflaschendiebstahl!
Redaktion

Zivilrecht I – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Examensvorbereitung, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen, Schon gelesen?, Startseite

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Zivilrecht I, 1. Staatsexamen, NRW, November 2018. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken A.P. sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info.
 
Sachverhalt
Studentin S sucht eine neue Wohnung. Die Wohnung der Vermieterin V gefällt der S sehr, was sie ihr auch sagt. Nach kurzer Zeit meldet sich die V und berichtet S, dass sie ihr den Individualvertrag bereits von ihr unterschrieben per E-Mail zusendet, sofern S mit diesen einverstanden ist, solle sie der V Bescheid geben.
S freut sich über diesen Zuschlag und schreibt der V per WhatsApp: „Ich freue mich schon über die neue Wohnung“, sodann druckt S die E-Mail der V aus und legt sie ohne diese gelesen zu haben zur Seite.
S weiß, dass aufgrund des § 556d BGB die Monatsmiete nicht über 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Dank ihrer Recherche erfährt S, dass die ortsübliche Vergleichsmiete 500 Euro beträgt und beauftragt ihre Bank sodann mit der monatlichen Überweisung an V iHv 550 Euro.
Tatsächlich stand in den Vertragsbedingungen, dass die Vertragslaufzeit aufgrund der sich immer wieder ändernden Marktlage auf zwei Jahre begrenzt ist und die Monatsmiete 750 Euro beträgt.
Im Mai meldet sich V bei S und sagt, dass ihr Mietvertrag bald (Dezember 2017) endet. Außerdem sei ihr aufgefallen, dass S ihr 200 Euro monatlich zu wenig an Miete gezahlt hat und sie aufgrund der Brandflecke auf dem Parket einen Kostenvoranschlag holen werde.
Tatsächlich bedauert S, im Dezember mehrmals die Kerzen auf dem Parkettboden vergessen zu haben. Aber mit dem Ende der Vertragslaufzeit und der zu wenig gezahlten Miete sei sie nicht einverstanden. Zumal dies gar nicht gelten könnte, wenn S den Vertrag gar nicht unterzeichnet hat. S zieht nach Ende der Mietzeit nicht aus.
Im Februar meldet sich der Investor I, der das Haus in dem sich die Mietwohnung der S befindet gekauft hat bei S. Er steht bereits seit Januar 2018 im Grundbuch. Er verlangt von S den Mietrückstand für die zwei Jahre und die Handwerkerkosten (tatsächlich iHv 1000 Euro) für die Beseitigung der Parkettschäden außerdem auch die Räumung der Wohnung. S ist der Ansicht, dass er sich zumindest die an V gezahlten zwei Monatsmieten von Januar und Februar anrechnen lassen muss. Als die S sich weigert zu zahlen und auszuziehen, wird I wütend und kündigt der S fristlos aber hilfsweise auch ordnungsgemäß, aufgrund des Mietzahlungsverzugs.
Kann I von S Räumung und Herausgabe der Wohnung verlangen?
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29.11.2018/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-11-29 13:55:022018-11-29 13:55:02Zivilrecht I – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Redaktion

Strafrecht – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Schon gelesen?, Startseite

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur im Strafrecht, 1. Staatsexamen, NRW, November 2018. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken A.P. sehr herzlich für die Zusendung.
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Sachverhalt

A betritt kurz vor Ladenschluss den Kiosk des K. Während der Inhaber K die Kasse zählt, schleicht sich A von hinten an den K heran und hält ihm eine fünfzig Zentimeter lange und schwere Brechstange in den Rücken und schreit: „Nicht bewegen, sonst mache ich dich kalt!“. Wie von K erwartet, hält K die Brechstange für eine Waffe und erstarrt vor Angst. So kann K ungehindert die Geldscheine ergreifen und fliehen.

Aufgrund der Beschreibung des K wird A sodann von den Polizeibeamten aufgefunden und (ordnungsgemäß) in die Strafvollzugsanstalt gebracht. Dort trifft A auf den X, der A in seine Ausbruchspläne einweiht und diesen auffordert, seinen Plan mit ihm durchzuziehen und auszubrechen. Der Plan des X sieht es vor, den gehbehinderten Strafvollzugsbeamten B während der Essensausgabe mit abmontierten Stuhlbeinen niederzuschlagen. Dass B dabei tödlich verletzt werden könnte, nimmt X billigend in Kauf. A stimmt dem X bei dem Plan zu, will insgeheim jedoch gar nicht ausbrechen. Erst durch die Zustimmung des A fühlt sich X in seinem Tatentschluss endgültig bestärkt. A und X schrauben die Beine eines Stuhls ab und legen sie im Essensraum für den nächsten Tag bereit. A erzählt den Beamten jedoch von diesem Plan. So können sie rechtzeitig die Stuhlbeine beiseiteschaffen und verlegen X in einen anderen Bereich.

Nach der Freilassung des A wird er aufgrund seiner kriminellen Ader von seiner Freundin aus der Wohnung geworfen. Sodann ruft er die Wohnwagenvermietung an, um in einem Wohnwagen zu leben, bis er eine neue Wohnung findet. Er vereinbart mit dem Vermieter einen Termin. Um zu der Wohnwagenvermietung zu gelangen, benutzt er die Straßenbahn, ohne einen Fahrschein zu lösen. Die Aufschrift „Zutritt nur mit gültigem Fahrschein“ umgeht er bewusst, jedoch mit schlechtem Gewissen. Als der Kontrolleur M den A erreicht, zeigt A sein längst abgelaufenes Semesterticket, in der Hoffnung, dass der Kontrolleur aufgrund des Gedränges nicht so genau hinschaut und das Ticket für „echt“ hält. So geschieht es auch. A ist stolz, aufgrund des „taktischen Schachzuges“ sich das erhöhte Entgelt von 60 Euro gespart zu haben.

Nachdem A die Miete für den Mietwagen zahlt, nimmt er den Mietwagen mit. Da er allerdings in nächster Zeit keine neue Wohnung findet, beschließt er, über die Vertragslaufzeit hinaus, den Wohnwagen nicht zurückzugeben. Dies obwohl er ausdrücklich wegen lukrativen Vermietungsmöglichkeiten darauf hingewiesen wurde, dass die Vertragslaufzeit nicht verlängert werden kann. Um nicht aufzufallen fährt A nicht mehr mit dem Wohnwagen.

Da A denkt, dass er sich durch den Vertragsbruch strafbar gemacht hat, will er diese Straftat vertuschen, in dem er den Wohnwagen verbrennt. Er holt einen Benzinkanister und verteilt das Benzin im Wohnwagen und zündet diesen von außen an. In der Hoffnung, dass der Vermieter diesen gegen Diebstahl und sonstige Beeinträchtigungen des Mieters versichert hat, will er dem Vermieter keinen „Schaden“ zufügen. Dafür will er ihn am nächsten Tag, also noch vor Ende der Vertragslaufzeit, als gestohlen melden. Aufgrund des Feuers wird der Wohnwagen komplett zerstört. Außerdem kommt auch der wohnungslose O, der sich hinter dem Wohnwagen schlafen gelegt hat um ein Haar durch die herunterfallenden Teile mit seinem Leben davon. Von dem O wusste A nichts.

Noch bevor A den Wohnwagen als gestohlen melden kann, wird er festgenommen.

Strafbarkeit von A und X?
Bearbeitevermerk: Nicht zu prüfen sind §§ 303, 234, 239a StGB. Sämtliche Anträge sind noch nicht gestellt.
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26.11.2018/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2018-11-26 11:06:222018-11-26 11:06:22Strafrecht – November 2018 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Matthias Denzer

In 5 Schritten zur erfolgreichen Klausur

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Schon gelesen?, Verschiedenes

Das Semester ist noch jung, doch es ist nie zu früh, sich schon mal mit dem auseinanderzusetzen, was einen am Ende des Semesters erwartet: Die ersten juristischen Klausuren. Auch wenn diese noch weit entfernt scheinen, schadet es nicht, sich frühzeitig die richtige Herangehensweise anzueignen. Hier sind unsere fünf Schritte für ein erfolgreiches Abschneiden in der Klausur:
1. Schritt: Die richtige Vorbereitung
Ohne eine richtige Vorbereitung ist keine Klausur zu meistern. Eigentlich eine Banalität. Allzu häufig zeigt sich jedoch, dass Studenten den Umfang des Stoffes verkennen: Steht die Abschlussklausur am Ende des Semesters an, so sollte es doch genügen, nach den Weihnachtsferien mit dem Lernen anzufangen. Mehr als ein bis zwei Wochen Vorbereitung seien doch nicht erforderlich. Ein weit verbreiteter Trugschluss. Die Fülle des erwarteten Stoffes in kurzer Zeit zu lernen, wird selbst den Begabtesten kaum gelingen. Doch das soll keineswegs Panik in euch auslösen. Der Stoff ist in der Tat umfangreich, wenn man allerdings von Anfang an „am Ball bleibt“, können auch keine Lücken entstehen und am Ende des Semesters wird man nicht vor einem schier unüberwindbaren Berg stehen. Genug der Metaphern: Wenn ihr die Vorlesung nachbereitet und die Inhalte regelmäßig wiederholt sowie in den Arbeitsgemeinschaften folgen könnt, müsst ihr euch hinsichtlich der Klausuren keinerlei Sorgen machen.
Noch ein, zwei Tipps: Gründet von Anfang an mit ein bis zwei Freundinnen oder Freunden eine Arbeitsgruppe, in der ihr Fälle gemeinsam durchsprecht und löst. Das schärft euer Problembewusstsein. Wenn ihr von Beginn an die Herangehensweise an einen Fall übt, wird euch dies später in der Klausur leichter fallen. Eure Arbeitsgruppe kann euch hier den Einstieg erleichtern – zudem lässt sich in der Gemeinschaft auch leichter Motivation finden, sich mit unbekannten und daher unbequemen Fällen auseinanderzusetzen.
Tipp 2: Besorgt euch vor dem Ernstfall einen Klausurblock. Das hilft dabei, dass die Klausur auf den Korrektor einen ordentlichen Eindruck macht. Niemand will den Korrektor von Anfang an missgelaunt stimmen, indem er ihn dazu verdonnert, seitenweise hingekritzelte Hieroglyphen zu entziffern. Es ist wie so oft im Leben: Der erste Eindruck zählt.
2. Schritt: Erfassen des Sachverhalts und der Fallfrage
Auch Schritt 2 klingt auf den ersten Blick banal. Vielleicht zu banal. Erfahrungen zeigen aber immer wieder: Viele Studenten überfliegen den Sachverhalt und stürzen sich gleich auf bekannte Probleme – und übersehen dabei nur allzu oft die eigentlichen Schwerpunkte des Falles. Bei Sachverhalten, die lediglich aus drei Zeilen bestehen und in denen bloß zwei Personen vorkommen, mag dieser Punkt noch nicht so sehr ins Gewicht fallen. Im Verlauf des Studiums werden die Sachverhalte jedoch tendenziell länger. In der Examensklausur ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich ein Sachverhalt über vier bis fünf Seiten erstreckt – irgendwie müssen ja auch die fünf Stunden Bearbeitungszeit gefüllt werden. Doch auch schon der Sachverhalt einer Abschlussklausur im ersten Semester wird regelmäßig eine DIN A4-Seite füllen. Dass oftmals drei, vier, fünf Personen darin vorkommen ist ebenfalls nichts ungewöhnliches, wenn man sich vor Augen führt, dass Stellvertretung im Zivilrecht oder etwa Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht typische Problemfelder des BGB AT bzw. des Strafrecht AT sind – eben jene Fächer, die im ersten Semester gelesen werden. Das Ganze soll jetzt jedoch keinesfalls abschreckend wirken. Im Gegenteil: Auch komplex anmutende Sachverhalte verlieren ihren Schrecken, wenn man sich klargemacht hat, was eigentlich passiert ist.
Daher unser Tipp: Ließ den Sachverhalt zunächst einmal völlig unbefangen. Mache dich nun mit der Fallfrage vertraut. Denn eine Lösung zu verfassen nach der gar nicht gefragt ist, ist in etwa so wie an Ostern den Weihnachtsbaum aufzustellen. Ließ nun den Sachverhalt nochmals und markiere dir Schlagwörter sowie wichtige Passagen. Am Rand oder auf einem Schmierzettel kannst du dir bereits erste Ideen notieren. Insbesondere wenn mehrere Personen beteiligt sind, bietet sich die Anfertigung eines Schaubilds an. Nun sollte man soweit sein, den Handlungsablauf chronologisch nachvollziehen zu können. Erst jetzt, wenn man Sachverhalt und Fallfrage vollständig erfasst hat, kann mit dem Anfertigen einer guten Lösungsskizze begonnen werden.
3. Schritt: Die Lösungsskizze
Eine gute Lösungsskizze ist das A und O einer erfolgreichen Klausur. Deshalb sollte man sich für das Erstellen auch genügend Zeit einplanen. Doch Vorsicht: Verwendet man zu viel Zeit auf für das Erstellen der Lösungsskizze, kann es mit der Reinschrift eng werden (siehe dazu auch Schritt 4: Das Zeitmanagement). Es ist daher unumgänglich, die Lösungsskizze bloß stichpunktartig zu fassen und ggf. auch – für einen selbst verständliche – Abkürzungen zu verwenden. Auch das Schriftbild darf hier gerne vernachlässigt werden – solange man selber lesen kann, was man zuvor geschrieben hat (persönliche Erfahrungen zeigen, Letzteres ist nicht selbstverständlich…).
Die Lösungsskizze ist die Schablone für die fertige Lösung; sie gibt die Struktur der späteren Lösung vor: Die Prüfungsreihenfolge der in Betracht kommenden Ansprüche bzw. der zu prüfenden Straftatbestände, die Gliederungsebenen und der zu prüfenden Tatbestandmerkmale, eine Sortierung der Argumente, etc. Es gilt dabei die Grundregel: Die Informationen aus dem Sachverhalt haben auch in der Lösung aufzutauchen. Die Lösungsskizze bietet dabei die Möglichkeit, die Sachverhaltsangaben an den richtigen Stellen zu verordnen.
Und einen weiteren Vorteil bietet die Lösungsskizze: Widersprüche in der eigenen Lösung lassen sich leichter erkennen und somit vermeiden (und im Zweifel nachträglich korrigieren). Und Widersprüche in der eigenen Lösung gilt es unbedingt zu vermeiden! Je knapper man die Lösungsskizze hält, desto mehr Zeit verbleibt für die Reinschrift. Eines sollte man sich jedoch bewusst sein: Fällt einem beim Erstellen der Lösungsskizze ein Fehler auf, den man zuvor gemacht hat, so lässt sich dieser relativ schnell korrigieren. Ist die Lösung jedoch erst einmal ausformuliert, ist die Korrektur eines Fehlers nicht nur mühsam, sondern oftmals auch nicht mehr in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen. Daher ist das Erstellen einer Lösungsskizze absolut empfehlenswert!
4. Schritt: Das Zeitmanagement
Im universitären Betrieb scheint ein Zeitparadoxon zu herrschen: Während sich in mancher  Vorlesung der Minutenzeiger nur mit stoischer Ruhe fortbewegt, scheint er während der Klausur zu rasen. Die zwei (bzw. drei) Stunden Bearbeitungszeit vergehen meistens wie im Flug. (Und auch in fünfstündigen Examensklausuren wird man regelmäßig in Zeitdruck geraten.) Ein richtiges Zeitmanagement ist daher besonders wichtig. Oberste Prämisse ist dabei: Fertig werden! Kaum etwas wirkt sich auf die Bewertung der Klausur negativer aus, als eine unfertige Lösung – einen Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip oder die Prüfung der Strafbarkeit eines Toten einmal ausgenommen.  
Die Zeiteinteilung muss daher immer darauf ausgerichtet sein, eine vollständige Lösung aufs Papier zu bringen. Dass man dabei unter Zeitdruck gerät, liegt dabei nicht unbedingt nur am eigenen Arbeitstempo: Viele Klausuren sind gerade darauf angelegt, den Prüfling unter Zeitdruck zu setzen. Man sollte sich daher unbedingt genug Zeit für das Ausformulieren der Lösung lassen. Das soll jedoch keineswegs Appell sein, das Erstellen einer Lösungsskizze zu vernachlässigen. Wie viel Zeit man zur Reinschrift benötigt, hängt natürlich auch vom eigenen Schreibtempo ab. Als Faustregel lässt sich festhalten: Mindestens die Hälfte – eher zwei Drittel – der Bearbeitungszeit ist für das Ausformulieren der Lösung zu veranschlagen. Das kann aber auch nur ein grober Richtwert sein – und kann individuell deutlich variieren. Aber keine Sorge: Das richtige Zeitmanagement lässt sich sehr gut üben. Probeklausuren geben einem dazu eine gute Möglichkeit. Aber auch wenn solche nicht angeboten werden, kann man zuhause für sich üben. Tipp: Schaffe dir selber reale Klausurbedingungen, d.h. Laptop, Netflix und Radio aus, Handy auf Flugmodus, Timer an und los geht’s! Eine Probeklausur im Strafrecht findet ihr zum Beispiel hier.
5. Schritt: Übung macht den Meister
„Man muss nicht hundert schlechte Klausuraufgaben zur Übung schreiben, sondern zehn gute, und sie wirklich durchdenken.“[1] Diese Aussage von Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., hat durchaus Diskussionen in der juristischen Welt hervorgerufen. Meines Erachtens völlig zu Recht: Nicht nur, dass man sein Zeitmanagement durch regelmäßiges Klausurenschreiben verbessert, die praktische Anwendung des gelernten Wissens zeigt einem gerade auch, an welcher Stelle noch Lücken bestehen, die es zu schließen gilt. Zudem führt regelmäßiges Klausurenschreiben zu einigen schönen Nebeneffekten: Standardformulierungen und Definitionen „brennen“ sich ins Gedächtnis ein, mit der Folge, dass man in nachfolgenden Klausuren über diese Punkte nicht mehr nachdenken muss. Das spart im Ernstfall kostbare Zeit, die man auf die wirklich interessanten Fragen verwenden kann. Dass mit der Übung auch die Schreibgeschwindigkeit zunimmt, bedarf keiner näheren Ausführung.
Der meines Erachtens jedoch wichtigste Punkt ist folgender: Durch regelmäßiges Klausurenschreiben verliert man die Angst vor der Klausur. Da man die Herangehensweise bereits öfters trainiert hat – und damit auch Situationen kennengelernt hat, in denen man nicht auf Anhieb weiterweiß – kann auch der „Ernstfall“ einen nicht aus der Ruhe bringen. Daher unser Tipp: Schreibt alle Übungsklausuren, die angeboten werden.
Ein letzter Tipp zum Abschluss: Um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben, abonniert juraexamen.info auf Facebook (juraexamen.info) und Instagram (@juraexamen.info), dann kann in den Klausuren gar nichts schiefgehen. 😉
[1] https://www.zeit.de/campus/2014/06/thomas-fischer-jurastudium-vorurteile-auswendig-lernen/seite-2

07.11.2018/1 Kommentar/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2018-11-07 09:15:192018-11-07 09:15:19In 5 Schritten zur erfolgreichen Klausur
Dr. Matthias Denzer

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Juli – September 2018)

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Mit Beginn des neuen Semesters wird es auch wieder Zeit für unseren Rechtsprechungsüberblick. Zu Beginn eines jeden Quartals bieten wir euch einen kurzen Überblick über ausgewählte, examensrelevante Entscheidungen der jeweils letzten drei Monate.
Die folgenden Entscheidungen bieten sich aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung oder ihrer Konstellation juristisches „Basiswissen“ abzuprüfen, als Fragestellung sowohl in einer Examensklausur, als auch in der „Großen Übung“ an. Auch – und insbesondere – in der mündlichen Prüfung ist ein umfassender Überblick über die aktuelle Rechtsprechung unerlässlich. Es ist daher nur zu raten, sich mit den folgenden Entscheidungen – zumindest in ihren Grundzügen – auseinandergesetzt zu haben:
BGH, Urteil v. 19.09.2018 – VIII ZR 231/17
Verbindung einer fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses mit einer hilfsweise ordentlichen Kündigung
Die fristlose Kündigung eins Wohnraummietverhältnisses kann mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung verbunden werden. Dies gilt insbesondere für den Fall der außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Dabei lässt eine Zahlung der Mietrückstände innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (sog. Schonfristzahlung) eine wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB mit Zugang der Kündigungserklärung herbeigeführte sofortige Beendigung des Mitverhältnisses nachträglich rückwirkend entfallen. Das Mietverhältnis wird damit fortgesetzt. Dazu führte das Gericht aus:

Der Gesetzgeber habe gewährleisten wollen, „dass die wirksam ausgeübte fristlose Kündigung unter den dort genannten Voraussetzungen trotz ihrer Gestaltungswirkung rückwirkend als unwirksam gelte und der Mietvertrag fortgesetzt werde. In einer solchen Situation komme eine gleichzeitig mit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zur Geltung. Denn ein Vermieter, der neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise oder vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen eines aufgelaufenen Zahlungsrückstands ausspreche, erkläre diese nicht nur für den Fall einer bereits bei Zugang des Kündigungsschreibens gegebenen Unwirksamkeit der vorrangig erfolgten fristlosen Kündigung. Vielmehr bringe er damit aus objektiver Mietersicht regelmäßig weiterhin zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung auch dann zum Zuge kommen solle, wenn die zunächst wirksam erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstandes wie einer unverzüglichen Aufrechnung durch den Mieter (§ 543 Abs. 2 Satz 3 BGB), einer sog. Schonfristzahlung oder einer Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) nachträglich unwirksam werde.“

BGH, Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 213/17
„Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist. (Leitsatz)“
Der BGH bestätigte mit dieser Entscheidung seine ständige Rechtsprechung (u.a. BGH, Urteil v. 28.09.1984 – V ZR 43/83, WM 1984, 1539). Ein Grundstückskaufvertrag unterliegt grundsätzlich dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Dies gilt auch für nachträgliche Änderungen des beurkundeten Kaufvertrags. Nach der Auflassung ist dies jedoch anders:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt ist und deshalb nicht mehr besteht. Von der Formfreiheit ausgenommen ist die Begründung neuer selbständiger Erwerbspflichten.“  (Nachweise in Zitat ausgelassen)  

BGH, Beschluss v. 04.09.2018 – VIII ZB 70/17
Zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei Fristversäumnis

„Dem Prozessbevollmächtigten einer Partei ist ein – ihr zuzurechnendes – Verschulden an der Fristversäumung dann nicht anzulasten, wenn zwar die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend sind, er aber einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Gleiches gilt, wenn die konkrete Einzelanweisung zwar nicht allein, jedoch in Verbindung mit einer allgemein bestehenden – für sich genommen unzureichenden – Anweisung im Falle der Befolgung beider Anordnungen geeignet gewesen wäre, die Fristversäumung zu verhindern.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17
Widerrufsrecht bei Werkverträgen
Zum Sachverhalt: Der Kläger schloss in seinem Wohnhaus mit dem Beklagten einen Vertrag über die Lieferung und den Einbau eines Senkrechtlifts zum Preis von ca. 40.000 €. Der Lift ist eine individuelle Maßanfertigung; die einzelnen Teile des Lifts sind an die jeweilige Einbausituation angepasst. Der Kläger zahlt ca. 12.000 € auf den Kaufpreis an. Kurze Zeit später widerruft er den Kaufvertrag.
Dabei stellten sich zwei maßgebliche Fragen, die der BGH wie folgt beantwortet:
Ausschluss des Widerrufsrechts? – Verhältnis von § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu § 357 BGB:

„Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. […] Diese Regelung findet keine Anwendung, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht als Vertrag über die Lieferung von Waren im Sinne des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einzustufen ist.
Dem Wortlaut nach umfasst § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst.“
Damit folgte der BGH dem Berufungsgericht, welches zuvor feststellte: „Auf Dienstleistungen im Sinne der VRRL – worunter etwa auch ein Werkvertrag nach deutschem Recht fällt – ist § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nicht anwendbar. Hat der Vertrag eine Dienstleistung zum Gegenstand, besteht auch keine Notwendigkeit das Widerrufsrecht auszuschließen, um den Unternehmer vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben können, dass er vor dem Widerruf mit der Vertragsausführung begonnen hat. Dies schon deshalb, weil die Widerrufsfrist bei einem Vertrag über eine Werk- oder Dienstleistung anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht erst mit Lieferung der Ware beginnt (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB), sondern – unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen – bereits mit Vertragsschluss. Der Unternehmer kann also regelmäßig das Ende der Widerrufsfrist abwarten, bevor er mit der Vertragsausführung beginnt. Es besteht folglich kein Grund, eine analoge Anwendung des § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB auf Werkverträge in Erwägung zu ziehen. Daneben ist der Unternehmer durch den Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB geschützt.“ (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.09.2018 – 6 U 76/16, juris, Nachweise in Zitat ausgelassen)

Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB (Verbraucherbauverträge; § 650i BGB):

„Die Anwendbarkeit von § 312g Abs. 1 BGB ist nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Regelung findet § 312g BGB keine Anwendung auf Verträge über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass […] der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen im Sinne des Verbraucherschutzes eng auszulegen sei. Hierunter fielen nur solche Umbaumaßnahmen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar seien, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bliebe. Maßgeblich seien mithin Umfang und Komplexität des Eingriffs sowie das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes.“

BGH, Urteil v. 24.08.2018 – III ZR 192/17
Tickets zum Selberausdrucken – Eventim – „print@home“-Servicegebühr ist unzulässig
Die von Eventim verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingung: „Premiumversand 29,90 EUR inkl. Bearbeitungsgebühr“ und „ticketdirect – das Ticket zum Selbst-Ausdrucken Drucken Sie sich ihr ticketdirect einfach und bequem selber aus! 2,50 EUR“ sind mit der grundsätzlichen Regelung von der abgewichen wird nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 BGB), benachteiligen den Käufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind daher unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Optionen Premiumversand und ticketdirekt seien nicht als Entgeltvereinbarungen für die geschuldete Hauptleistung zu qualifizieren, sondern vielmehr als kontrollfähige Preisnebenabreden zur Erfüllung der kaufvertraglichen Hauptpflicht. Sie seien jedoch mit der Regelung in § 448 Abs. 1 BGB nicht vereinbar:

„Nach § 448 Abs. 1 BGB hat der Kunde nur die Kosten der Versendung der gekauften Eintrittskarte nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort zu tragen. Versendungskosten im Sinne dieser Norm sind in erster Linie die unmittelbar transportbedingten Sachaufwendungen für Porto, Verpackung und gegebenenfalls Versicherung des Kaufgegenstandes. Dagegen gewährt die Vorschrift grundsätzlich keine Kompensation für die Zeit und den sonstigen Aufwand des Verkäufers, den Kaufgegenstand transportgerecht zu verpacken und zum Versand aufzugeben. Setzt der Verkäufer hierfür Personal und Maschinen ein, gilt nichts anderes. Denn (anteilige) Personal- und Sachkosten, die nicht unmittelbar der Verpackung und dem Versand der Ware zugeordnet werden können, sind allgemeine Geschäftsunkosten, die der Verkäufer im Hinblick auf das Gebot der Unentgeltlichkeit von Nebenleistungen, die der Erfüllung seiner kaufvertraglichen Hauptleistungspflicht dienen und daher in seinem eigenen Interesse liegen, nicht auf den Käufer abwälzen kann.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

Es sei auch nicht erkennbar, welche Aufwendungen von der Servicegebühr von 2,50 € abgedeckt würde, da insoweit weder Porto- noch Verpackungskosten entstünden.
Auch der für den Premiumversand verlangte Betrag für 29,90 € übersteige den Preis für Porto und Verpackungskosten nicht nur unerheblich, selbst dann, wenn es sich um einen Eilbrief bzw. eine versicherte Sendung handelte, sodass die „Betragshöhe […] damit ganz überwiegend von der ausdrücklich inkludierten ‚Bearbeitungsgebühr‘ bestimmt“ werde. Das BAG sieht darin „jedenfalls angesichts der beträchtlichen Höhe der ‚Bearbeitungsgebühr‘ eine unangemessene Benachteiligung des Kunden.“
BGH, Urteil v. 22.08.2018 – VIII ZR 99/17
Wohnraummiete – Instandhaltungspflicht des Vermieters

Leitsatz: „Für das Bestehen der Pflicht des Vermieters, die Wohnung gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen und sie fortlaufend in diesem Zustand zu erhalten, ist es unerheblich, ob der Mieter die Sache tatsächlich nutzt und ihn ein Mangel daher subjektiv beeinträchtigt.“

BGH, Urteil v . 22.8.2018 – VIII ZR 277/16

Leitsatz: „Im Falle einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen“

Der BGH bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung (siehe BGH, Urteil v. 18.03.2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302).
BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18
Abgrenzung Kauf- und Werkvertrag – Vertrag über Lieferung und Einbau einer Küche
Der BGH entschied, dass es für die rechtliche Einordnung darauf ankommt, auf welchem Element bei gebotener Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liege:

„Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten. Liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liegt ein Werkvertrag vor.“

BGH, Urteil v. 12.07.2018 – III ZR 183/17,
Anspruch des Erben auf Zugang zu Benutzerkonto bei Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks

Leitsatz: „Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.“

Siehe hierzu bereits die ausführliche Urteilsbesprechung von Sebastian Rombey.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 04.07.2018 – 12 U 87/17
Zur Frage: Wann ist ein Pferd ein „gebrauchte Sache“ im Sinne der §§ 474 Abs. 2 S. 2, 476 Abs. 2 BGB

Leitsatz: „Bei einem zum Zeitpunkt der Versteigerung zweieinhalb Jahre alten Hengst handelt es sich um eine gebrauchte Sache im Sinne des § 474 Absatz 2 S. 2 BGB.“

Siehe hierzu bereits die ausführliche Urteilsbesprechung von Yannik Beden, M.A.

11.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2018-10-11 10:00:442018-10-11 10:00:44Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Juli – September 2018)
Tom Stiebert

Juraexamen: Wo ist es einfach/wo ist es schwer – ein Bundesländervergleich (Stand 06/16)

Examensvorbereitung, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Vor drei Jahren haben wir die unterschiedlichen Prüfungsvoraussetzungen zur staatlichen Pflichtfachprüfung im Ersten Examen (also zum nicht-universitären Teil des Staatsexamens, ohne den schwer vergleichbaren Schwerpunktbereich) in einem Beitrag aufgezeigt. Nunmehr erscheint hier die aktualisierte und angepasste Version dieses Vergleichs. Diese wurde um Nachweise der entscheidenden Normen ergänzt und umfassend aktualisiert.
In einem zweiten Teil werden wir uns demnächst den Schwerpunktbereichen in den einzelnen Bundesländern bzw. Universitäten und den entsprechenden Voraussetzungen widmen.
Eine Wertung wird dabei bewusst nicht vorgenommen. Vielmehr soll sich jeder seine eigene Meinung zu diesem Thema bilden (und diese auch gerne hier kundtun). Zudem kann diese Übersicht auch Anlass dafür bieten die Studienortwahl (zumindest für das Examen) nochmals zu überdenken.
Zur besseren Vergleichbarkeit werden auch die Durchfallquoten und Prädikatsquoten (Stand 2013) dargestellt. Weitere interessante Statistiken findet ihr hier.
I. Baden-Württemberg (18,2% Prädikat/ 28,8% durchgefallen)

gesetzliche Regelungen in JAPrO
Zwei Prüfungstermine pro Jahr (Frühling und Herbst); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 13 JAPrO);
Schriftl. Prüfung 70%; Mdl. Prüfung 30 %, Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag (§§ 17 – 19 JAPrO)
Freischuss (bis 8. Semester) (§ 22 JAPrO); Notenverbesserungsversuch auch ohne Freischuss (wenn Stex bis 10. Sem.; binnen zwei Semestern) (§ 23 JAPrO); sonst nur Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 21 JAPrO)
Unterstreichungen und Verweise im Gesetz zulässig (siehe hier)
II. Bayern (15,3%/ 32%)

gesetzliche Regelung in JAPO
Zwei Prüfungstermine pro Jahr (März und September); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 28 JAPO);
Schriftl. Prüfung 75%, Mdl. Prüfung 25%; Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag (§§ 33, 34 JAPO)
Freischuss (bis 8. Semester) (§ 37 JAPO); Notenverbesserungsversuch auch ohne Freischuss (binnen zwei Semestern) (§ 15 JAPO); sonst nur Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 36 JAPO)
Unterstreichungen und Verweise im Gesetz zulässig, sofern nicht kommentierend und „gelegentlich“ (siehe hier); ab Herbst 2016 20 Verweisungen pro Doppelseite auf Normen sowie Unterstreichungen mit Bleistift (siehe hier)
III. Berlin (21,6%/25,5%)

gesetzliche Regelung in JAO
Zwei Prüfungstermine pro Jahr (mai und November); 7 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 2 S) (§ 5 JAO)
Schriftl. Prüfung 63%, Mdl. Prüfung 37% (13% Vortrag, 3 x 8% Gespräch) (§ 10 Abs. 2 JAO); Vortrag (10 Minuten ggf. Kurzgespräch 5 min; freie Wahl Rechtsgebiet) Gespräche in allen drei Rechtsgebieten (§ 9 JAO)
Freischuss (bis 8. Semester) (§ 13 JAO); sonst nur Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 12 JAO)
Keine Unterstreichungen und Verweise im Gesetz zulässig, Register zulässig (siehe hier)
IV. Brandenburg (9,2%/31,,%)

siehe Berlin (Gemeinsames Prüfungsamt seit 2005)
V. Bremen (12,9%/41,3%)

gesetzliche Regelungen in JAPG
Zwei Prüfungstermine pro Jahr (Februar und August), 6 Klausuren (3 Z [davon 1 Handels/-Gesellschafts-/ Arbeitsrecht], 2 Ö, 1 S) (§ 18 JAPG)
Schriftl. Prüfung 2/3, Mdl. Prüfung 1/3 (§ 23 JAPG); Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag
Freischuss bis 8. Semester (§ 26 JAPG); Notenverbesserungsversuch auch ohne Freischuss binnen drei Monaten nach Abschluss (§ 27 JAPG); sonst nur Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 28 JAPG)
Unterstreichungen zulässig, keine Verweise zulässig
VI. Hamburg (25,5%/24,9%)

gesetzliche Regelung in HmbJAG
Sechs Klausurtermine pro Jahr (gerade Monate); 6 Klasuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 15 HmbJAG)
75% Schriftl. Prüfung, 25% Mdl. Prüfung (§ 22 Abs. 2 HmbJAG) (Vortrag und Gespräche in allen Rechtsgebieten) (§ 20 HmbJAG)
Freischuss bis 9. Semester (§ 26 HmbJAG); Notenverbesserung ohne Freischuss nicht möglich, Wiederholung nur, wenn durchgefallen (§ 28 HmbJAG)
Unterstreichungen und Paragraphenhinweise im Gesetz zulässig (10 pro Seite) (siehe hier)
VII. Hessen (13,6%/28,4%)

gesetzliche Regelung in JAG
Drei Klausurtermine pro Jahr (Februar, Juli, September); 6 Klausuren (2 Z, 1 Arbeits-/Handels-/Gesellschaftsrecht, 2 Ö, 1 S) (§ 13 JAG)
2/3 Schriftl. Prüfung, 1/3 Mdl. Prüfung (§ 19 Abs. 2 JAG) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag § 14 JAG)
Freischuss bis 8. Semester (§ 21 JAG); Notenverbesserung auch ohne Freischuss, wenn Examensmeldung bis. 10. Semester (Kosten 400 Euro) (§ 21 Abs. 5 JAG); sonst nur Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 20 JAG)
Keine Unterstreichungen und Markierungen zugelassen
VIII. Mecklenburg-Vorpommern (9%/37,8%)

gesetzliche Regelung in MV-JAPO
2 Klausurtermine pro Jahr (Winter und Sommer); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 12 JAPO)
70 % Schriftl. Prüfung, 30 % Mdl. Prüfung (§ 22 Abs. 2 JAPO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag § 19 JAPO)
Freischuss bis 8. Semester (§ 26 JAPO); Notenverbesserung sonst nicht möglich; Wiederholung nur, wenn durchgefallen (§ 25 JAPO)
Keine Unterstreichungen und Markierungen zugelassen
IX. Niedersachsen (17,4%/22,9%)

gesetzliche Regelung in NJAVO und NJAG
4 Klausurtermine pro Jahr (Januar, April, Juli, Oktober); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 19 NJAVO)
64 % Schriftl. Prüfung; 36 % Mdl. Prüfung (§ 12 NJAG) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag)
Freischuss bis 8. Semester (§ 18 NJAG); einmalige Notenverbesserung auch ohne Freischuss möglich (§ 19 NJAG, Kosten 160 €); sonst Wiederholung nur, wenn durchgefallen (§ 17 NJAG)
Abschichten bis zum 8. Semester möglich (Aufsplitten in zwei Abschnitte, bis max. 8. Semester) (§ 4 Abs. 2 S. 2 NJAG)
Verweisungen (5 pro Seite) und (gelegentliche) Markierungen zulässig (siehe hier)
X. Nordrhein-Westfalen (16%/32,7%)

gesetzliche Regelung in JAG NRW
10 Klausurtermine pro Jahr (außer Juli und März); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 10 Abs. 2 JAG)
60 % Schriftl. Prüfung; 40 % Mdl. Prüfung (Vortrag und Gespräche in allen drei Rechtsgebieten) (§ 10 Abs. 3 JAG)
Freischuss bis 8. Semester (§ 25 JAG); Notenverbesserung nicht möglich; Wiederholung sonst nur, wenn durchgefallen (§ 24 JAG)
Besonderheit: Abschichten: Meldung vor Abschluss 7. Semester; Aufsplitten der Rechtsgebieten bis zum Abschluss 8. Semester (§ 12 JAG)
Keine Verweisungen, Markierungen und Unterstreichungen zulässig
XI. Rheinland-Pfalz (16,6%/22,4%)

gestzliche Regelung in JAPO und JAG
2 Klausurtermine pro Jahr (März/August); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 6 JAPO)
2/3 Schriftl. Prüfung; 1/3 Mdl. Prüfung (§ 9 Abs. 4 JAPO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag § 7 JAPO)
Freischuss bis 8. Semester (§ 5 Abs. 5 JAG); Notenverbesserung möglich (§ 5 Abs. 6 JAG); Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 5 Abs. 4 JAG)
Unterstreichungen zulässig; Verweisungen unzulässig (siehe hier)
XII. Saarland (13,7%/25,3%)

gesetzliche Regelungen in JAO und JAG
2 Klausurtermine pro Jahr (Februar und August); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 5 JAO)
ca. 70 % schriftl. Prüfung (900/1275); ca. 30 % Mdl. Prüfung (375/1275) (§ 14 JAG) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag, §§ 10 und 11 JAO)
Freischuss bis 8. Semester (§ 19 JAG); Notenverbesserung möglich (§ 20a JAG zum nächsten oder übernächsten Termin); Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 20 JAG)
Unterstreichungen zulässig; Verweisungen unzulässig (siehe hier)
XIII. Sachsen (12,5/39,3%)

gesetzliche Regelung in JAPO
2 Klausurtermine pro Jahr (Februar und August); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 23 JAPO)
2/3 schriftl. Prüfung, 1/3 Mdl. Prüfung (§ 27 Abs. 3 JAPO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag § 26 JAPO)
Freischuss bis 8. Semester (§ 29 JAPO); Notenverbesserung möglich (§ 31 JAPO); Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 30 JAPO)
Keine Unterstreichungen und Verweisungen zulässig
XIV. Sachsen-Anhalt (16,3%/24,4%)

gesetzliche Regelung in JAPrVO
2 Klausurtermine pro Jahr (Februar und August); 6 Klausuren (2 Z, 2 Ö, 2 S) (§ 16 JAPrVO)
60% schriftl. Prüfung, 40% Mdl. Prüfung (§ 23 JAPrVO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten) (§ 21 JAPrVO)
Freischuss bis 8. Semester (§ 26 JAPrVO) ; Notenverbesserung möglich (Kosten 300 Euro) (§ 27 JAPrVO); Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 28 JAPrVO)
Verweisungen und gelegentliche Unterstreichungen zulässig (siehe hier)
XV. Schleswig-Holstein (11,9%/30,4%)

gesetzliche Regelung in JAVO
2 Klausurtermine pro Jahr (Januar und Juli); 6 Klausuren (3 Z, 2 Ö, 1 S) (§ 11 JAVO)
2/3 schriftl. Prüfung, 1/3 Mdl. Prüfung (§ 21 JAVO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten, kein Vortrag) (§ 18 JAVO)
Freischuss bis 7. Semester bzw. bis 8. Semester (wenn Schwerpunkt beendet) (§ 22 JAVO); Notenverbesserung nur bei Freischuss (§ 23 JAVO); Wiederholung, wenn durchgefallen (§ 24 JAVO)
keine Hinweise zu Hilfsmitteln veröffentlicht (Hilfsmittel werden vollständig gestellt)
XVI. Thüringen (16,2%/23,7%)

gesetzliche Regelung in ThürJAPO
2 Klausurtermine pro Jahr (Februar, August oder September); 6 Klausuren (2 Z, 2 Ö, 1 S, 1 S oder Z nach Wahl des JPA) (§ 20 ThürJAPO)
65% schriftl. Prüfung, 35% Mdl. Prüfung (§ 25 Abs. 2 ThürJAPO) (Gespräche in allen drei Rechtsgebieten und Grundlagenfach oder Prozessrecht) (§ 23 Abs. 5 ThürJAPO)
Feischuss bis 8. Semester (§ 29 ThürJAPO); Notenverbesserung nur bei Freischuss; Wiederholung sonst nur, wenn durchgefallen (§ 28 ThürJAPO)
Unterstreichungen und Verweisungen nicht zulässig;
 
Man sieht also, dass punktuell doch starke Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern bestehen. Unterschiede gibt es insbesondere bei der Zusammensetzung der Endnote, den Inhalten der mündlichen Prüfung (häufig kein Vortrag), der Möglichkeit des Abschichtens und der Zulässigkeit des generellen Verbesserungsversuchs. Es bleibt damit jedem selbst überlassen, diese als so gravierend einzuschätzen, dass sich ein Wechsel der Universität (bzw. des Bundeslandes) lohnt.
Alle Angaben ohne Gewähr

12.05.2016/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-05-12 08:28:182016-05-12 08:28:18Juraexamen: Wo ist es einfach/wo ist es schwer – ein Bundesländervergleich (Stand 06/16)
Gastautor

Jura ist leicht schwer! – Eine völlig fehlgeleitete Debatte

Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns Euch heute einen Gastbeitrag von Stephan Dittrich vorzustellen. Stephan ist akademischer Mitarbeiter an der Universität Mannheim am Fachbereich für Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre. In seinem Beitrag nimmt er zur kürzlich erschienenen Zeit-Themenwoche über mögliche Reformbestrebungen des juristischen Staatsexamens Stellung, zu der sich auch schon unser Autor Tom Stiebert hier geäußert hat.
Jura ist leicht schwer! – Eine völlig fehlgeleitete Debatte
Thomas Fischer provozierte mit dem Titel: „Jura ist leicht„. Zeit online widmet eine ganze Serie dem Thema mit Stimmen von „Schafft das Examen ab“ bis „Jura ist etwas für Auswendiglerner und für die ist es leicht„. Dass das Thema endlich auch in der Öffentlichkeit ausdiskutiert wird, ist begrüßenswert, aber derart geführt ungefähr so erfolgversprechend wie die Trainerwechsel beim HSV. Die Stimmen polarisieren zu sehr.

Auf die Frage, ob Jura leicht oder schwer ist, gibt es nicht die eine oder wahrhaftige Antwort. Deswegen führt man bereits dann eine völlig fehlgeleitete Debatte, wenn man danach fragt.

Die bisherigen Kommentare sind entweder weiß oder schwarz, manchmal bewusst provokant und manchmal unbewusst ignorant. Wie so oft liegt die Antwort wohl irgendwo in der Mitte der beiden Extreme. Auch der begnadetste „Versteher“ wird nicht drum herum kommen, das ein oder andere von der Rechtsprechung entwickelte Tatbestandsmerkmal zumindest kennengelernt zu haben. Nicht alles lässt sich ausschließlich aus dem Gesetz ableiten. Aber genauso wird der beste Auswendiglerner eine Transferleistung erbringen müssen, auch wenn nur erkannt werden muss, dass der A aus dem Fallskript in der Examensklausur der Antragsteller zu Erstens ist.
Außerdem ist die Antwort auf die Frage, ob Jura nun leicht oder schwer ist, so individuell wie die Person, die die Frage stellt. Viel eher müsste sie nämlich lauten: Wem fällt Jura leicht (oder schwer)? Und das ist nun kaum eine Debatte, die in einem gesellschaftlichen Rahmen stattzufinden hat, sondern wohl eher im Kämmerlein der noch so kompetenten Studienberatungen.
Wer ein Talent für ein Fach hat, dem wird es leicht fallen, derjenigen, der keins hat, wird vieles, nicht alles und manchmal eben auch nicht ausreichend, durch Fleiß kompensieren können – das gilt auch für Jura. Wer weder ein Talent hat noch eine Leiden(sbereit)schaft für das Fach mitbringt, für den ist es wahrscheinlich wirklich nichts. Macht nichts, so lange man das nicht zu spät erkennt. Es braucht auch Ingenieure, Kaufleute, Physiker und auch Lehrer – wofür wahrscheinlich die meisten Juristen nicht geeignet sind. Jemanden nach fünf Jahren vergebenen Studiums damit zu trösten, dass ein gescheitertes Jurastudium kein gescheitertes Leben sei, ist aber auch kaum hilfreich. Weder für die Debatte, noch für den Betroffenen.
 
Worum sollte es denn gehen?
Es muss darum gehen gute Juristen auszubilden und dabei möglichst wenig „Verschnitt“ zu haben. Hier muss man zugeben, dass das so schlecht nicht funktioniert. Deutsche Juristen gelten weltweit zu den am besten ausgebildeten. Das Staatsexamen wird man nicht abschaffen können und das braucht man auch nicht. Und man muss auch mal mit dem suggerierten Horrorszenario aufräumen. Die Durchfallquote muss nämlich auf das endgültige Durchfallen reduziert werden und das sind deutlich weniger als 45%. Die Zahlen liegen konservativ geschätzt eher bei 10% und damit liegt man in ähnlichen Bereichen wie andere Studienfächer. Optimierungsbedürftig scheint also der etwas passendere Ausdruck zu sein. Aber man sollte nicht über Begrifflichkeiten streiten.
Das Problem ist doch, dass die Erkenntnis, ob man bestehen wird oder nicht, oft zu spät kommt und das mit folgenschweren Konsequenzen. Das hat Gründe im System, ja, aber nicht nur. Da muss sich der ein oder andere Kandidat auch mal ehrlich selber an die Nase fassen. Aber – und hier sollte man ansetzen – systemischer Fehler lassen sich beheben. Beispielsweise kann ein Zwischenabschluss eingeführt werden, der eine Umorientierung möglich macht. Hier muss man das Mannheimer Modell hervorheben: Berufsqualifizierender Abschluss nach drei Jahren, weiterstudieren bis zum Staatsexamen, zum Master in BWL oder Wirtschaftsrecht oder andere Schnittstellenfächer – viele Sorgen wären behoben. Und wenn jetzt wieder die Alarmsirenen losgehen, was man mit einem Bachelor oder sogar Master in Wirtschaftsrecht will/soll? Das kann sicher der ein oder andere Unternehmensjurist aus Mannheim beantworten. Es gibt einen Markt dafür und sogar Großkanzleien stellen die ein.
 
Was die Ausbildung zum Volljuristen angeht
Hier darf man nicht vergessen, dass es zwei Ausbildungsabschnitte gibt. Konzeptionell soll einem das Studium die Rechtswissenschaft als Handwerkszeug vermitteln, das Referendariat die Rechtspraxis. Ob man das 2. Staatsexamen nun „Zugang zum Richteramt“ nennt, ist nur Wortklauberei. Die Anwaltsstationen nehmen nicht ohne Grund den größten Teil der praktischen Ausbildung ein, außerdem kann es nicht schaden, mal überall seine Nase reingesteckt zu haben. Natürlich kann nicht die Lösung sein den Ruf nach mehr Praxisbezug in der Ausbildung dadurch zu erwidern, dass eine Kautelarklausur eingeführt wird. Aber das ist ein anderes Thema.
Für das Studium kann man gerne darüber streiten, was Gegenstand der Prüfung und damit auch des Studiums sein soll. Aber dass man im Studium zumindest mal alle Fachgebiete grundlegend streift, ist sicherlich nicht verkehrt. Außerdem zeigt sich in Mannheim ja eine ausdifferenzierte Ausbildungsmethode für die Leute, die Probleme mit der einheitsjuristischen Ausbildung haben. Zivilrecht für den Unternehmensjuristen, zusätzlich Öffentliches Recht und Strafrecht für den Volljuristen. Auch hier wären viele Sorgen und Ängste behoben.
Die Stofffülle ist auch hier für den einen viel, für den anderen wenig. Aber wird sie wirklich größer über die Jahre? Wir haben heute „Probleme“, die ältere Generationen vor uns nicht hatten. Dafür hatten die welche, die wir nicht mehr haben – juristische und auch reale. Wer also meint, durchs Europarecht sei faktisch ein Rechtsgebiet dazugekommen, der irrt. Das Europarecht legt sich eher wie ein Schatten über unsere Rechtsordnung und beeinflusst diese. Damit muss man nicht nur aus dogmatisch-rechtswissenschaftlichen Gründen umgehen können, sondern weil die Wirklichkeit nun mal so ist. Dafür verschwinden ausdiskutierte Probleme auch aus den Lehrbüchern und dem Examenskanon.
 
Repetitorien
Auch die große Kritik an Repetitorien geht fehl in dieser Debatte. Zum einen haben Alpmann, Hemmer und Co., so lange sich einige Studenten durch die Unis nicht ordentlich auf die Prüfung vorbereitet fühlen, immer noch ihren Platz in der Juristenausbildung. Zum anderen ist ein Rep alleine noch nie ein Garant für das Bestehen oder ein Prädikat gewesen. Es geht, oft bewiesen, auch ohne. Die Lehre hat glücklicherweise längst erkannt, dass sie etwas ändern muss. Vermehrt werden auch an den juristischen Fakultäten universitäre Repetitorien angeboten und das völlig kostenfrei. Das kommerzielle Angebot wird aber nie völlig verdrängt werden.
Das Staatsexamen selbst kann ebenfalls optimiert werden. Aber auch hier darf man die Wirklichkeit nicht einfach ignorieren und muss erkennen, dass nur in der idealisierenden Theorie alles perfekt wäre.
 
Was gibt es wirklich für Problemfelder?
Es muss ein einheitlicher Standard gewährleisteten werden, wenn Examina bewertet werden. Korrekturen sind leider nicht objektiv, auch wenn man unterstellt, dass alle Korrektoren versuchen, sich so objektiv wie möglich zu verhalten. Es gibt Lösungsskizzen, die aber nur – wenn überhaupt – den Lösungsweg aufzeigen, wie er vom Klausursteller gedacht ist. Dass der aber nicht der einzig Richtige ist, ist kein Geheimnis. Damit soll nicht die Diskussion eröffnet werden, ob es in Jura kein richtig und kein falsch gibt – das gibt es nämlich –, sondern angemerkt werden, dass man an Stellschrauben auch durchaus eine andere vertretbare Lösung verfolgen darf. Auf diese alternativen Lösungswege weisen aber nur wenige gute Korrekturhinweise hin, keine Lösungsskizze führt diese in aller Konsequenz bis zum Ende mindestens auch nur stichwortartig aus. Klar kann man sagen, dass ja ein erfahrener Korrektor das erkennt und auch entsprechend bewerten kann und auch selbst weiß, wie man einen Fall zu lösen hat und wie nicht. Aber es reicht schon, wenn es auch nur ein einziger Korrektor in einer Kampagne nicht kann oder, aus welchen Gründen auch immer, nicht tut und damit den Gleichheitsmaßstab über den Haufen wirft. Und das, die Vergleichbarkeit, ist die einzige Daseinsberechtigung des Staatsexamens. Vergleichbarkeit ist aber ein hohes und wichtiges Gut, gerade bei einer so zukunftsweisenden Determinante wie der Note im Staatsexamen.
Man sollte klare Bewertungskriterien verlangen, die auch im Nachhinein von einem Dritten überprüfbar sind: Hier muss X, Y, Z erkannt und so dargestellt werden, alternativ A, B, C mit folgender Konsequenz. Wird das nicht erkannt, ist ein Erreichen von 12 Punkten nicht mehr möglich. Ebenso muss es eine ausführliche Begründungspflicht der Bewertung geben. Ja, auch Korrektoren sollen sich inhaltlich angreifbar machen! Dass sogar das BVerwG das Wort „einverstanden“ als ausreichende Begründung ansieht, ist ein schlechter Scherz. Dass die Bundesverwaltungsrichter oft auch selbst Zweitgutachter in Examina sind und damit quasi in eigener Sache entscheiden, scheint juristisch wohl kein Problem zu sein.
Besser wäre es, wenn der Zweitgutachter die Bewertung des Erstgutachters gar nicht kennt – im Abi ist das auch nicht anders.
Vergleichbares in diese Richtung wird es wohl nicht geben. Aber wer soll es einem verübeln? Für Professoren, die Vorschläge einreichen, ist es ein leidiges Übel, das mit einem sonst sehr privilegierten Beruf zusammenhängt; für manchen Korrektor nur eine undankbare, kaum adäquat entlohnte Zusatzbelastung. Ich will hier niemanden schlecht machen, aber es gibt Professoren und Staatsdiener, die das so sehen. Dank gilt denen, die auch unter den jetzigen Umständen die Ideale hoch halten. Gefühlt sind das nicht viele. Aber hier lässt sich, sofern denn Geld da wäre, tatsächlich etwas erreichen. Was die Juristenausbildung kosten soll und darf und generell wie viel Geld der Justizapparat der Gesellschaft Wert ist, sein soll oder darf, ist aber eine ganz andere Debatte. Meiner Meinung nach zu wenig.
Wenn man schon bei der Vergleichbarkeit ist, darf man auch gerne mal die Frage aufwerfen, ob es nicht sinnvoll wäre, ein bundesweites Examen einzuführen. Die Diskussion orientiert sich dann am Abitur, wozu wahrscheinlich schon alles gesagt ist. Genauso kann man über eine zeitliche Streckung des Examens reden, wie es als sog. Abschichten in einigen Bundesländern bereits möglich ist. Wenn man wirklich Qualität abprüfen will, braucht man nicht künstlich mehr Stress durch Zeitknappheit hinzuzufügen. Ja, das Examen soll auf den Beruf vorbereiten und der ist auch sehr stressig. Examensstress ist aber anders als Berufsstress. Künstlich erhöhten Examensstress braucht kein Mensch.
 
Glück muss man haben
Achja und das noch so beliebte Argument: Glück muss man haben. Klar, muss man! Egal, wo man hingeht und was man macht, muss man Glück haben. Denn hat man keins und kommt auch noch Pech dazu, hat man verloren.
Glück spielt in marginalen Grenzen eine Rolle, aber keine ausschlaggebende, nicht im Schriftlichen. Zum einen lässt sich der Glücksfaktor durchaus reduzieren: Wer mehr lernt –Thema Fleiß –, deckt auch mehr Stoff ab, den man „zufällig“ treffen kann. Außerdem wird bei der Glücksdebatte häufig vergessen, dass man oft nur sein Pech sieht, aber sein Glück gerne unter den Tisch fallen lässt. Bei sechs Klausuren kann keiner erzählen, dass man nur aufgrund von Pech durchgefallen ist, genauso wie keiner behaupten kann, allein durch Glück bestanden zu haben. Man hat mal Pech mit einer Klausur, aber genauso Glück mit einer anderen. Das gleicht sich aus, bei sechs Klausuren und zwölf Korrektoren. Und falls doch mal Murphy’s Law zuschlägt, hat man immer noch den Zweitversuch, sei es in Form der Notenverbesserung oder der Wiederholung, was wohl bemerkt auch ein bereits etablierter Mechanismus ist, um Zufall als irgendein Bewertungskriterium zu verringern. In zwölf Klausuren Pech zu haben ist deutlich unwahrscheinlicher als in sechs – das ist eine objektive, mathematische Wahrheit. Manche schreiben sogar 18.
 
Mündliche Prüfung
Mit der Mündlichen kann man Glück oder Pech haben. Aber abschaffen will das Mündliche doch auch nicht wirklich jemand. Die Wenigsten verschlechtern sich, kaum einer fällt ihretwegen durch und die Meisten holen noch was raus. Also eigentlich ein Vorteil für den Rechtskandidaten. Was aber durchaus ein Problem ist, ist die Vergleichbarkeit und eine echte Chance sich zu verbessern.
In einer idealen Welt würde der Prüfer gut ausgeschlafen und top vorbereitet das Prüfungsgespräch unvoreingenommen etwa da ansetzen, wo der Kandidat sich vom Niveau her von der Einreichnote befindet und dann, wenn die Antworten soweit alle richtig sind, das Niveau anheben und den Kandidaten hochprüfen. Danach würde er ein objektives Urteil fällen, frei von Vorurteilen und Neigungen und persönlichen Ansichten oder Launen. Alle Prüfer hätten den gleichen Maßstab.
Schön wär’s.

14.08.2015/6 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-08-14 09:15:582015-08-14 09:15:58Jura ist leicht schwer! – Eine völlig fehlgeleitete Debatte
Tom Stiebert

Natürlich ist das Staatsexamen schwer – so wie das ganze Leben: Stellungnahme zur Zeit-Themenwoche

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Die Zeit widmet sich in ihrer aktuellen Themenwoche möglichen Reformbestrebungen des juristischen Staatsexamens. Unter den Überschriften „Schafft das Staatsexamen ab“ und „Vor dem Examen übergaben wir uns“ wurden zwei Beiträge von Studenten (!) veröffentlicht, deren Tenor eindeutig kritisch gegenüber dem aktuellen juristischen Staatsexamen ist.
Diese Aussagen können meines Erachtens nicht unkommentiert so stehenbleiben. Dabei will ich gar nicht behaupten, dass das Staatsexamen nicht wahnsinnig stressig und anstrengend ist. Natürlich ist es das. Gleichwohl: Welches andere Studienfach ist das nicht. Und wer denken würde, dass der Stress mit dem Studium endet, der muss schon sehr blauäugig sein. Das juristische Staatsexamen ist keinesfalls schlimmer als der spätere Berufsalltag.
Natürlich mag es Punkte am Staatsexamen geben, die zur Kritik berechtigen: Sind die Noten immer vollständig objektiv – nein! Werden die Universitäten ihren Bildungsauftrag vollständig gerecht – nein (sonst gäbe es keine privaten Repetitorien)! Ist es richtig, dass nach zehn oder mehr Semestern mit dem Examen der große Knall kommt, bei dem es Hop oder Top heißt – natürlich nicht! Nur wo gibt es absolute Fairness und hundertprozentige Objektivität? Nicht in der Realität, nicht im wahren Leben und deshalb auch nicht im Jurastudium. Aus diesem Grund sollen an dieser Stelle anhand einiger Thesen die aus meiner Sicht positiven Inhalte des Jurastudiums dargestellt werden.
These 1 – Das Jurastudium ist verhältnismäßig fair, weil die Note zählt
Das juristische Studium und insbesondere das Staatsexamen ist ein Spiegelbild der Realität. Nicht mehr und nicht weniger. Es geht hier – natürlich – um Leistung. Aber worum auch sonst? Hier zeigen sich meines Erachtens gerade die Vorteile des Jurastudium: Die Note entscheidet. Nicht persönliche Beziehungen, nicht eine Vielzahl von Praktika – allein die Note zählt. Natürlich führt das auch zu Verwerfungen: Nicht jeder gut benotete Examenskandidat ist tatsächlich in der Praxis ein guter Jurist, nur zeigt die Erfahrung, dass die Indizwirkung eines guten Examens äußerst hoch ist. Und das muss dennoch nicht heißen, dass NUR gut benotete Kandidaten Berufschancen haben. Auch alle anderen haben die Chance ihre beruflichen Fähigkeiten spätestens im Referendariat unter Beweis zu stellen und so ihre Stärken zu zeigen.
These 2 – Juraabsolventen haben oft ein „Luxusproblem“
Dabei sind wir Juristen jedenfalls bei guten Examina (und damit meine ich nicht zwingend Doppel-VB, auch mit zwei soliden Befriedigend bspw. steht man sehr gut da) in der äußerst komfortablen Position, Jobs wählen zu können und eben nicht ewig suchen zu müssen. Gute und spezialisierte Juristen werden allerorts gesucht. Wem nützt man also, wenn man die Herausforderungen senken würde – niemandem! Nicht den Guten, nicht aber auch den Schlechteren.
These 3 – Die juristische Notenvergabe ist fair
Dies ist vielleicht die kontroverseste These. Im Staatsexamen – und letztlich nur darum geht es – werden mindestens sechs Klausuren verfasst, die alle (ausführlich!) korrigiert und gelesen werden. Wie kann man da behaupten, die Notenvergabe sei willkürlich. Natürlich ist eine solche Notenvergabe nicht so einfach nachvollziehbar, wie in anderen Fächern und natürlich ist es äußerst fragwürdig, dass die Notenskala letztlich nie ausgereizt wird. Dennoch möchte ich behaupten, dass man äußerst schnell eine gute von einer schlechten Arbeit unterscheiden kann. Zudem gleicht sich im Staatsexamen bei sechs Klausuren alles aus. Keiner kann behaupten, er habe ausschließlich schwere Klausuren schreiben müssen. Und selbst wenn – auch dann wird immer noch „relativ korrigiert“, sodass die Besten immer noch gute Noten bekommen.
These 4 – Jura ist nicht arbeitsintensiver als andere Fächer oder Ausbildungen
Am Ende von ca. fünf Jahren Jurastudium und Examensvorbereitung steht das erste Staatsexamen. Wie sieht die Zeit bis dahin aus? Dies wird gern in der Diskussion vernachlässigt. Zunächst sollte das Grundstudium in zwei bis vier Semestern beendet werden. Der Aufwand hierfür ist äußerst überschaubar. Kein Student MUSS am Anfang ständig in der Bibliothek sitzen etc., so viel ist es nicht. Gleiches gilt für das Hauptstudium mit den Großen Übungen. Auch hier sind andere Studiengänge deutlich lernintensiver.
Aber selbst in der berüchtigten Examensvorbereitung ist der Aufwand bei entsprechender Organisation überschaubar. Ein Arbeitnehmer arbeitet 40 Stunden pro Woche ergo 8 Stunden pro Tag. Dies genügt auch für das Jurastudium (und liegt damit weit unter den Arbeitszeiten im späteren Beruf). Natürlich ist damit ein effektives Arbeiten gemeint: Kaffeetrinken, erzählen etc. sind keine Arbeitszeit. Letztlich ist dies aber alles eine Frage der Selbstorganisation.
Wichtig ist, die Lockerheit zu bewahren. Darin liegt das offene Geheimnis eines erfolgreichen Studiums. Nicht die Verbissensten und Fleißigsten werden am Ende erfolgreich sein, sondern diejenigen, die das Studium als einen – wenn auch wichtigen – Teil ihres Lebens sehen, aber eben nur als einen Teil. So gelingt es das Studium erfolgreich zu absolvieren.
These 5 – Nicht erst im Examen merkt man, ob Jura das Richtige ist
Natürlich gibt es bis zum Staatsexamen keine ernstzunehmenden Prüfungen und natürlich ist eine Examensklausur nicht mit einer Klausur in der großen Übung oder im Grundstudium vergleichbar. Dennoch ist es sehr naiv zu behaupten, man wäre wegen seiner Examensnote aus allen Wolken gefallen. Der Zusammenhang zwischen den Noten im bisherigen Studienverlauf und der Examensnote ist sehr eng: Kaum einer steigt von 0 auf 100 und kaum einer geht den umgekehrten Weg. So sollte man sich bereits im Studienverlauf fragen, ob das Jurastudium sowohl von den Interessen als auch von den Noten das Richtige ist. Der Gedanke „Im Examen wird alles besser“ oder „Das lerne ich dann noch“ ist reichlich blauäugig. Es ist keine Schande ein Studium (und das gilt nicht nur für Jura) abzubrechen, gerade auch, wenn man damit das böse Erwachen beim Examen verhindert.
These 6 – Die Studieninhalte sind (weitestgehend) die Richtigen
Als Student – egal in welchem Fach – muss es einen Unterschied zur Schule geben. Beim Jurastudium ist dieser – zum Glück – noch recht groß. Mit einem verschulten Studium ist keinem gedient. Ebensowenig mit einer Berücksichtigung der Noten aus den ersten Semestern fürs Examen. Das Jurastudium sollte vor allem dazu anregen selbständig zu denken. Dies wird – auch das muss ich zugeben – in der universitären Lehre leider häufig vernachlässigt, bzw. zumindest nicht adäquat kommuniziert und gelehrt. Weicht man hiervon ab, erzieht man Studenten gerade zu Lernmaschinen und erhöht den Druck fürs Examen massiv. Gerade aber die Erkenntnis, dass Jura maßgeblich vom Verständnis lebt (obgleich es natürlich ohne Faktenwissen nicht auskommen kann), erleichtert die Examensvorbereitung und mindert den Druck. Denn dieses Verständnis kann man trainieren: durch zahlreiche Probeklausuren, durch Diskussionen in Lerngruppen, durch juristisches Nachdenken über alltägliche Sachverhalte etc.
Natürlich ist derjenige im Vorteil, dem dieses Verständnis in die Wiege gelegt wurde, ein anderer muss es sich hart erarbeiten. Aber keiner kann doch ernsthaft fordern, dass hieran etwas geändert werden sollte. So ist das Leben: Dem einen fällt es leichter als dem anderen. Auch im Sport wird der 100m-Lauf nicht rückwärts durchgeführt, wenn Usain Bolt allen davon läuft. Warum soll das im Jurastudium anders sein?
These 7 – Eine – grundlegende – Absenkung der Anforderungen würde den Juristenberuf entwerten
Noch immer hat der Jurist in der Gesellschaft ein verhältnismäßig hohes Ansehen. Zu Recht, begibt man sich doch vor Gericht in dessen Hände: Sei es als Anwalt, sei es als Richter. Auch die Kosten für eine juristische Beratung und Vertretung sind zuweilen immens. Ist es dann nicht auch opportun, dass ein gewisses Mindestniveau gefordert wird? Durchfallquoten von 30% im Ersten Staatsexamen sind zweifellos schmerzhaft und häufig verbergen sich dahinter auch persönliche Schicksale. Nur, es gibt keine Alternative (außer eben das frühzeitige Aussieben, wie in These 5 erwähnt). Es ist schlichtweg nicht zutreffend, dass jemand zufällig durch das Examen gefallen ist – dazu ist bereits die Benotung zu objektiv (siehe These 3). Es mag an der fehlerhaften Vorbereitung gelegen haben, vielleicht aber auch am fehlenden (juristischen) Talent oder an besonderen äußeren Umständen. Bloß: „Durchwinken“ kann man diese Studenten auch nicht. Damit tut man weder Ihnen einen Gefallen (denn die spätere Jobsuche dürfte schwierig werden) noch den anderen Absolventen (die sich dann gegen eine größere Anzahl von Konkurrenten durchsetzen müssten). Erst recht kann aber auch die Gesellschaft kein Interesse hieran haben. Das Examen sollte kein Selbstzweck sein. Der Jurist dient später dem Recht, dazu bedarf es schlichtweg eines Mindestmaßes an juristischen Fähigkeiten.
These 8 – Das Examen ist nur ein Vorgeschmack auf den Beruf
Zuletzt schließlich meine Meinung zur Drucksituation: Natürlich ist das Examen anstrengend, aufregend, nervenaufreibend und stressig. So ist aber auch der spätere Beruf des Juristen: anstrengend, aufregend, nervenaufreibend und stressig. Und sowohl für das Examen als auch für den Beruf bedarf es einer gewissen Lockerheit und einer angemessenen Strukturiertheit. Das Examen ist damit lediglich ein Vorgeschmack auf den späteren Beruf des Juristen – egal in welchem Berufsfeld. Auch dieser ist, ebenso wie das Examen, häufig nervig, eintönig und ermüdend. So ist es eben. Nur die Alternativen fehlen. Der Beruf des Juristen und ebenso die Ausbildung ist ein Beruf wie jeder andere. Es sollte zahlreiche Momente geben, wo der Spaß vorherrscht. Dennoch bleibt es ein Beruf.
Fazit
All das Gesagte kann auf das Leben allgemein übertragen werden. Hieran kann keiner etwas ändern. Man mag das – in vielen Punkten auch zu Recht – kritisieren und den Leistungsdruck in unserer Gesellschaft anprangern. Nur ändern kann man daran nichts und es ist albern das Jurastudium und -examen als ein Musterbeispiel hierfür herauszugreifen.
Natürlich sind Vorkehrungen zwingend nötig, die verhindern, dass Studenten gesundheitliche Schäden davontragen oder unnötige psychische Probleme bekommen. Grund hierfür ist aber im Regelfall nicht das Studium selbst, sondern der selbst erzeugte Druck. Es geht aber auch anders. Sowohl im Leben als auch im Jurastudium. Man sollte sich stets vor Augen halten: Ein gescheiterter Jurastudent ist keinesfalls ein gescheiterter Mensch, vielleicht zeigt sich hierin gerade die Wahrheit. Nicht jeder muss ein (guter) Jurist werden. Sich dies einzugestehen, mag oft schwer sein und nach Versagen klingen – meines Erachtens zu Unrecht. Wir haben ein faires System der juristischen Ausbildung, dass ein Spiegelbild des juristischen Alltags ist. Dies muss nicht jedem liegen, aber dies frühzeitig zu erkennen und entsprechende Konsequenzen zu ziehen, ist eine Stärke und gleichzeitig eine Herausforderung, die keinesfalls leichter ist als das Staatsexamen.

01.07.2015/12 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-07-01 12:28:362015-07-01 12:28:36Natürlich ist das Staatsexamen schwer – so wie das ganze Leben: Stellungnahme zur Zeit-Themenwoche
Gastautor

Rechtliche Fragen zum akademischen Ghostwriting

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Wir freuen uns, heute einen weiteren Gastbeitrag von Marcel Kopper veröffentlichen zu können. Der Autor ist Gründer der Agentur GWriters, die wissenschaftliche Autoren, Lektoren, Coaches und Übersetzer vermittelt.
Was ist Ghostwriting?
Mit dem Begriff Ghostwriting wird das auftragsmäßige Anfertigen von Texten bezeichnet. Dabei bleibt der Urheber des Textes als Ghostwriter im Hintergrund. Er verkauft seinen Text an den Auftraggeber, der nach Außen als Urheber in Erscheinung tritt.
Die Tätigkeit des Ghostwriting blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits in der Antike wurden Reden oder schriftliche Arbeiten wie Briefe von Ghostwritern verfasst. Als prominenteste Beispiele sind die paulinischen Briefe oder auch die Reden von Nero und Cäsar zu nennen.
Seit dem 19. Jahrhundert ist Ghostwriting mitten in der Gesellschaft angekommen. Wie auch in der antiken Geschichtsschreibung bedient sich die Politik und Wirtschaft oftmals eines Ghostwriters. Verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit tritt jedoch Ghostwriting in der Wissenschaft. Hierbei stellen sich rechtliche Fragen zur Zulässigkeit des akademischen Ghostwritings. In diesem Artikel werden die mit dem Ghostwriting einhergehenden Problematiken aufgezeigt und Antworten auf die zentralen rechtlichen Fragen gegeben.
Was ist die rechtliche Basis für akademisches Ghostwriting?
Ein Ghostwriter-Auftrag ist ein Werkvertrag gem. § 631 BGB. Nach § 631 BGB verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Erstellung der vereinbarten Leistung. Entsprechend der Werkdefinition des § 631 II BGB handelt es sich hierbei um den wissenschaftlichen Text. Der Auftraggeber hingegen verpflichtet sich zur vereinbarten Entlohnung. Dabei handelt es sich aus der zivilrechtlichen Perspektive um ein synallagmatisches Rechtsverhältnis, d.h. es ist durch Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpft. Beim Ghostwriting besteht die Besonderheit, dass in dem Werkvertrag zugleich ein Verzichtsanspruch des Autors zu sehen ist. Er verzichtet mit dem Vertrag auf seine urheberrechtlichen Ansprüche an den Text und überträgt die Nutzungsrechte an den Auftraggeber.
Beteiligt an einem Ghostwriter-Auftrag sind der Auftraggeber und der Auftragnehmer, der Ghostwriter. Mitunter kann sich der Auftraggeber auch direkt an ein Ghostwriting-Unternehmen wenden. In diesem Fall gilt keine wesentliche Besonderheit dadurch, dass sich das Unternehmen mehrerer Autoren bedient. Der vertraglich vereinbarte Verzichtsanspruch des Autors an seinen Text wird jedoch dann zumeist in den Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) fixiert, die Bestandteil seines Arbeitsvertrags mit der Agentur sind.
Auf andere besondere Vertragskonstellationen wie den öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist im Rahmen dieses Artikels nicht näher einzugehen.
Ist akademisches Ghostwriting legal?
Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit gerieten Fälle von Plagiat in die Öffentlichkeit. Anders als beim Plagiat handelt es sich beim Ghostwriting jedoch nicht um eine widerrechtliche Übernahme und Verbreitung von fremden Texten ohne Kenntlichmachung der Quelle. Wie bereits eingangs dargestellt handelt es sich beim Ghostwriting um das Verfassen von Texten, bei dem der Autor nach außen nicht in Erscheinung tritt. Jedoch stellte sich im Zuge der damit verbundenen prominenten Fälle verstärkt die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen von Ghostwriting.
Als Grundsatzurteil zu der rechtliche Beurteilung zum Ghostwriting ist die Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Az: 11 U 51/08) hinzuzuziehen. Im Urteilstenor heißt es, dass eine Ghostwriting-Vereinbarung grundsätzlich kein sittenwidriges Rechtsgeschäft iSd § 138 BGB sei. Dazu führte das OLG aus, die Frage nach der Legalität sei nicht von dem Bereich abhängig zu machen, in dem die Ghostwriter Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Es ist vielmehr auf das Ghostwriting als Dienstleistung abzustellen. Das Erstellen von Vorstudien, Exposés o.ä. für wissenschaftliche Arbeiten ist damit ebenso legal, wie das Schreiben von Autobiografien, Reden etc.
Was sind die rechtlichen Grenzen von Ghostwriting?
In Deutschland gibt es kein eindeutiges Verbotsgesetz zum Ghostwriting. Zwar stellte das OLG Düsseldorf mit seinem Urteil vom 08.02.2011 fest, das auftragsweisliche Erstellen von Hochschulabschlussarbeiten und Dissertationen sei rechtlich missbilligt, d.h. als unangemessen betrachtet. Jedoch folgt daraus nicht, dass es sich auch um eine verbotene Handlung handelt. Eine rechtlich missbilligte Tätigkeit ist als solche nicht strafbar.
Rechtliche Sanktionen ergeben sich jedoch aus den einzelnen Konstellationen sowohl in zivilrechtlicher Hinsicht im Hinblick auf § 134 BGB wie auch dem Strafrecht. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nicht bereits dann unwirksam, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Vielmehr müsse sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergeben. Dabei kommen strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten als gesetzliche Verbotsnormen in Frage. Weitere Verbotsnormen können sich ebenfalls aus dem Hochschulgesetz zwischen Auftraggeber und seiner Universität ergeben.
Ist mit rechtlichen Sanktionen bei Ghostwriting zu rechnen?
Im Einzelnen gestalten sich die genannten Konstellationen wie folgt. Zwischen Ghostwriter und Auftraggeber kommen, wie bei jedem Geschäft, bei Verletzung der Vertragsvereinbarungen zivilrechtliche Ansprüche in Betracht wie die Schlechtleistung gem. §§ 280 ff. BGB.
Von größerer rechtlicher Bedeutung sind jedoch urheberrechtliche Ansprüche. Dazu gehören die Nutzungsrechte und die Urheberpersönlichkeitsrechte an den wissenschaftlichen Ausarbeitungen. Während der Auftraggeber eines Werkes die Nutzungsrechte erwirbt (§ 11, 29 II, 31 UrhG), behält der Autor die Urheberpersönlichkeitsrechte (§ 13 UrhG) inne. Mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht werden die Rechte bezeichnet, die dem Autor aufgrund seiner Beziehung zu seinem Werk zukommen und die nach deutschem Recht auch nicht abgegolten werden können.
Die Nutzungsrechte hingegen können nach § 31 UrhG übertragen werden. Auf welche Nutzungsarten sich die Übertragung bezieht bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck. Das gilt auch für die Bestimmung des Nutzungsrechts, d.h., ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt bzw. wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht im Einzelnen reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegen kann. Den vertragliche Verzichtsanspruch erklärt der Autor gegen den Auftraggeber. Der Autor kann auf seine Nutzungsrechte auch gegenüber dem Ghostwriting-Unternehmen wirksam verzichten, was bei Ghostwriting-Unternehmen durch den Werkvertrag sichergestellt wird.
Macht sich ein Student bei Inanspruchnahme von Ghostwriting strafbar?
In der Realität gestaltet sich jedoch die Rechtslage bei dem Verhältnis zwischen Universität und Auftraggeber als weitaus schwieriger. Bei der Betrachtung dieses Rechtsverhältnisses muss die jeweilige Hoch- oder Prüfungsordnung berücksichtigt werden. Nach der Prüfungsordnung muss der Prüfling in den meistens Fällen eine eidesstattliche Erklärung einreichen. Mit der Erklärung versichert der Prüfling, dass er die Arbeit ohne Hilfe eines Dritten verfasst hat. Die Hilfe bezieht sich im Allgemeinen auf die inhaltliche Konzeptualisierung der Arbeit. Wird die Inanspruchnahme eines wissenschaftlichen Ghostwritings entdeckt, steht eine Strafbarkeit des Studenten wegen Falsche Versicherung an Eides statt gem. § 156 StGB im Raum. Darüber hinaus ist im Einzelfall mitunter mit einer Exmatrikulation oder einem Bußgeld zu rechnen.
Nicht in Frage kommt die Urkundenfälschung gem. § 267 I StGB. Danach macht sich strafbar wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht. Als Urkunde wird hierbei die Hochschulabschlussarbeit gewertet, die eine verkörperte Gedankenerklärung abgibt. Jedoch macht sich der Auftraggeber einen Text zu Eigen. Dabei handelt es sich nicht um das Inverkehrbringen einer unechten Urkunde. Der § 267 I StGB schützt jedoch nicht den inhaltlichen Wahrheitsgehalt der Urkunde.
Macht sich ein akademischer Ghostwriter starfbar?
Sanktionen gegen den Ghostwriter hingegen kommen in der Regel nicht in Betracht. Mit der vertraglichen Vereinbarung zwischen Ghostwriter und Auftraggeber wird bei professionellen Ghostwriting-Anbietern bestimmt, dass die Arbeit nur als Vorlage genutzt werden darf. Eine Strafbarkeit des Autors wäre somit nur dann gegeben, wenn dieser vorsätzlich handelte, d.h., er Wissen und Wollen hatte, dass der Auftraggeber die Arbeit unter eigenen Namen bei der Hochschule einreicht. In dem Fall wäre eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Falsch Versicherung an Eides Statt §§ 156, 27 StGB möglich.
Fazit und Ausblick: Die Zukunft des Akademischen Ghostwriting
Wie aufgezeigt, gibt es in Deutschland keine direkte gesetzliche Grundlage zur Sanktionierung des Ghostwriting. Zwar zeigen sich in der jüngsten Gegenwart Tendenzen von Seiten der deutschen Hochschulen ein solches Verbot einzuführen. Der Deutschen Hochschulverband (DHV) fordert z.B. die Einführung des neuen Straftatbestandes “Wissenschaftsbetrugs”. Jedoch erweist sich die Umsetzung einer solches Gesetzesvorschlag als schwierig. Hierzu ist bereits danach zu fragen, wie eine Definition des “Wissenschaftsbetrugs” gestaltet sein sollte. Aufgrund der mangelnde Begriffsbestimmung würde ein Gesetzesentwurf an dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot Art. 20 III GG scheitern. Auch stellt sich im Detail die Frage nach der Beweisbarkeit des Vorsatzes bei dem Auftraggeber und auch den Auftragnehmer. Wegen solchen und anderen Unbestimmtheiten, äußerte sich die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zurückhaltend auf den Gesetzesvorschlag des DHV. Hierbei sei vor allem auf die alternativen Möglichkeiten der Hochschulen zu verweisen, die gegen Wissenschaftsbetrug effektiv angewendet werden könnten.
Zusammenfassend gilt, dass Ghostwriter-Vereinbarungen grundsätzlich nach dem Grundsatz der Privatautonomie, d.h. dem persönlichen Recht auf freie Gestaltung der privaten Rechtsverhältnisse, zulässig sind.
Letztlich handelt es sich beim Ghostwriting um eine legitime wie auch legale Tätigkeit, wenn die rechtlichen Normierungen eingehalten werden. Dazu gelten die Bestimmungen zum Urheberrecht gem. §§ 13, 29 ff UrhG. wie auch die Einhaltung des bestimmenden Grundsatzes: Die Arbeit des Ghostwriters ist immer nur als Vorlage, Musterlösung etc. zu nutzen. Eine Arbeit als eigene einzureichen, wenn diese vollständig von einem Dritten verfasst wurde, führt bei Bekanntwerden für den Studenten zu einer Strafe wegen Falscher Versicherung an Eides statt und Sanktionen seitens der Hochschule.

25.05.2015/6 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-05-25 09:08:482015-05-25 09:08:48Rechtliche Fragen zum akademischen Ghostwriting
Redaktion

Vorbereitung und Strafrecht

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Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Vorbereitung und Strafrecht” von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

beleuchtet den Bereich der Vorbereitung einer Straftat. Wie sich u.a. aus § 22 StGB ergibt, ist die Beteiligung in diesem Stadium grds. nicht strafrechtlich relevant. Gleichwohl enthält das StGB Regelungen, die auch die Vorbereitung einer Straftat selbst sanktionieren. Der vorliegende Beitrag gibt einen kompakten Überblick über die relevanten Normen des Allgemeinen Teils, des Besonderen Teils sowie des Nebenstrafrechts.
Ihr findet den Beitrag wie immer hier.

22.07.2014/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-07-22 08:00:252014-07-22 08:00:25Vorbereitung und Strafrecht
Redaktion

Die relevanten Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration im Strafrecht

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Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Die relevanten Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration im Strafrecht” von Prof. Dr. Helmut Satzger

behandelt ein strafrechtliches Standardthema, dessen Facetten im Examen, und zwar im Mündlichen und Schriftlichen, unbedingt bekannt sein sollten. Die Blutalkoholkonzentration (BAK) kann sowohl strafbegründende als auch strafhemmende Wirkung haben. Ausgehend von den Funktionen der BAK-Grenzwerte beleuchtet der vorliegende Beitrag die relevanten Tatbestände anhand von Fallbeispielen und behandelt schließlich mit der Ermittlung der Tatzeit-BAK auch noch ein Thema, dem besondere Bedeutung für das zweite Examen zukommt.
Ihr findet den Beitrag wie immer hier.

22.04.2014/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-04-22 13:00:262014-04-22 13:00:26Die relevanten Grenzwerte der Blutalkoholkonzentration im Strafrecht
Seite 2 von 41234

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