Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Fabian Rösner zu seiner Examensvorbereitung und zum 1. Staatsexamen posten zu können.
Hallo liebe Leser auf juraexamen.info,
ich heiße Fabian Rösner und habe von 2003 bis 2008 in Münster studiert. Seit 2009 promoviere ich hier im Gesellschafts- und Stiftungsrecht und steige zu November ins Referendariat ein. Mit der Distanz von fast zwei Jahren habe ich mich an das Abfassen eines „Examensberichts“ gemacht. Die „richtigen“ Empfehlungen für die eigene Vorbereitung gibt es selbstverständlich nicht, aber vielleicht kann der ein oder andere Leser aus meinen Erfahrungen zumindest ein paar Anregungen für die eigene Examensvorbereitung mitnehmen.
I. Vorfrage: Examen mit / ohne /Uni- Rep?
Die erste Frage, die jeder kurz-, mittel- oder langfristige Examensanwärter (in diversen social und career networks mit Beginn der Examensvorbereitung leider viel zu oft schon einmal staatstragend als „cand. iur.“ bezeichnet) für sich beantworten muss, ist die nach dem Besuch eines Repetitoriums. Wie so oft gibt es eine generelle Handlungsempfehlung nicht und Berichte über erfolgreiches „Exorep“ sind auf juraexamen.info bereits nachzulesen.
Deshalb bleibt, statt der Beantwortung der Frage, nur eine Aufstellung der pro- und contra-Kriterien. Erstes Kriterium sollte der – selbst hinreichend kritisch hinterfragte – eigene Leistungsstand sein. Wer schon im Grundstudium Gas gegeben hat und die Examensvorbereitung tatsächlich nur noch zum „repetieren“ des Stoffes benötigt, kann vermutlich eher das Examen ohne Rep wagen als andere Kandidaten. Für mich selbst war die Wahl klar: Ich hatte im Grundstudium gerade die nötigsten credit-points zusammengesammelt , alles darüber hinausgehende verschoben und stattdessen viel anderes gemacht. Deshalb war für mich klar, dass ich einen „Grundkurs“ von den Basics an brauchte. Wer sich in dieser Situation gegen das Rep entscheidet, läuft vermutlich eher Gefahr, sich mangels Überblick über die Masse insgesamt und die einzelnen Materien im speziellen schnell zu verzetteln.
Zweites Kriterium ist die eigene Motivationsfähigkeit. Da würde ich mir tendenziell keine Probleme unterstellen, wer jedoch gelegentlich den berühmten Tritt in den Allerwertesten benötigt, sollte ebenfalls verstärkt über den Besuch eines Reps nachdenken. Andererseits: Ich kenne auch genügend Leute, die meinten sämtlichen Lernverpflichtungen mit dem Besuch von 3 x 3 Rep-Stunden pro Woche nachgekommen zu sein. Auch das ist natürlich nicht Sinn der Sache.
Drittes Kriterium sind sicherlich die Finanzen. Natürlich ist das Rep teuer. Dennoch: Wer sich nach den übrigen Kriterien für ein Rep entscheiden würde, sollte es daran nicht scheitern lassen. Nachvollziehbar ist es, wenn das Geld einfach fehlt. Hier könnte man dennoch über gelegentliche Aushilfsjobs o.ä. nachdenken, mit denen die ca. 150 Euro im Monat durchaus zusammenzubekommen sein sollten (ich habe das ganze Vergnügen über eine Stelle als studentische Hilfskraft finanziert). Wer sich aus weltanschaulichen Überzeugungen („diesen Ausbeutern stecke ich mein Geld nicht in den Hals“) gegen das Rep entscheidet, sollte bedenken, dass sich das leistungsorientierte System des Arbeitsmarktes dafür recht schnell rächen kann und beim Jurastudium Preise für überzeugungsgeleitetes Handeln nicht und insbesondere dann nicht verliehen werden, wenn am Ende das (Examens-)Ergebnis nicht stimmt. Zuzugeben ist selbstverständlich, dass man – egal welches – Repetitorien stets mit einer gewissen kritischen Distanz betrachten und sich bewusst sein sollte, dass bei den Anbietern nicht Altruismus sondern Profit im Vordergrund steht.
Hat man sich generell für den Besuch eines Repetitoriums entschieden, bleibt die Frage „wohin?“. Da ich selbst bei Hemmer war, ist alles Folgende natürlich in besonderem Maße subjektiv. Uni-Rep habe ich für mich deshalb ausgeschlossen, weil man wieder vor dem gleichen Problem wie während des Studiums steht: Mit fähigen und unfähigen, motivierten und unmotivierten Professoren steht und fällt die eigene Examensvorbereitung. Die Professionalisierung schreitet – hier in Münster in besonderem Maße und sei hier auch besonders lobend hervorgehoben – selbstverständlich immer weiter voran, aber das Grundproblem bleibt. Auch die Qualität der kommerziellen Reps mag unterschiedlich sein, ich zähle dort aber auf die Marktgesetze und bin der Meinung, dass sich kein Rep über längere Zeit minder qualifizierte und unmotivierte Dozenten leisten kann. Diese Auslese findet an der Uni nicht in diesem Maße statt.
Bei Alpmann Schmidt hier in Münster war ich nur einmal zum Probehören. Die Unterlagen haben mir anfangs gut gefallen, weil sie meiner Vorstellung von einer Vorbereitung „von Null an“ näher kamen. Es war alles recht leicht verständlich, Meinungen übersichtlich gegliedert, Übersichten mit gefühlten 27 pro- und contra-Argumenten, alles dabei (dazu später mehr). Die Dozenten gefielen mir allerdings nicht. Das ist Geschmacksache und kommt auf den eigenen Typ an. Ich persönlich kann es nicht gut vertragen, wenn abgrundtief unpassende Antworten mit einem „ja, schon nicht schlecht, aber hat jemand vielleicht noch einen Vorschlag, der ein klein wenig treffender ist?“ bedacht werden. Den Samthandschuh mit Vaseline gibt es auch später im Berufsleben nicht und für die Examensvorbereitung ist es – so denke ich – für alle Beteiligten zielführender, wenn zwischen „richtig und falsch“ (ja, ich weiß, es gibt nur vertretbar und nicht so gut vertretbar – aber will man schnell und effizient lernen, muss man manches auch gelegentlich in Schubladen einteilen) klar getrennt wird und nicht 30 Minuten lang bei einer einfachen Frage gemeinsam und wohlmöglich noch mit Gesprächskerze nach der richtigen Antwort gefahndet wird.
Aus diesem Grund habe ich mich hier in Münster für Hemmer entschieden, wobei die Entscheidung nach ca. 5 Minuten Probehören bei Michael „Michi“ Sperl gefallen war. Dieser unterrichtet hier in Münster (und diversen anderen Städten) im Zivilrecht, das zumindest hier in NRW das mit Abstand examenswichtigste Rechtsgebiet ist. Ihn zeichnen insbesondere zwei Qualitäten aus: Er macht klare Ansagen und vermittelt sowohl für den Kurs als auch für den juristischen Inhalt eine Struktur, die ihresgleichen sucht. Ist hier eine Antwort „falsch“, so wird dies auch deutlich gesagt. Natürlich kann man sich persönlich dann Gedanken darüber machen, ob die Antwort nicht vielleicht doch zumindest „vertretbar“ war, aber das ist eine Frage, die man oft zunächst für sich selbst klären sollte, bevor man mit dieser Meinung eine Diskussion des ganzen Kurses einleitet. Damit einher geht natürlich ein gewisser Stil, der von manchen Teilnehmern sicher als „ruppig“ empfunden wird. Darüber sollte man sich vorher klar sein und sich fragen, ob einen das „runterzieht“ , motiviert oder einem bestenfalls egal ist und man das produktive Ergebnis dieser Art von Wissensvermittlung in den Vordergrund stellt. Ich persönlich mache Fehler dann nicht noch einmal, wenn man mir diese besonders deutlich vor Augen führt. Zudem bietet der Zivilrechts-Kurs bei Michael Sperl hier in Münster den Vorteil, dass er unglaublich gut komplizierte Zusammenhänge bis zum gerade noch zulässigen Maß vereinfachen kann. Dadurch treten Zusammenhänge und die dahinter stehenden Wertungen derart deutlich hervor, dass man sich manchmal schon fragt, warum man den entsprechenden Zusammenhang vorher noch nicht begriffen hatte. Auch die Kurse im öffentlichen und Strafrecht bei Hemmer hier in Münster kann ich empfehlen, wenn auch gewisse Schwächen in den Nebengebieten auftreten.
Vielfach hört man, das Niveau bei Hemmer sei hoch, bei Alpmann niedriger. Ich kenne genug Leute, die mit Hemmer ein schwaches und bei Alpmann ein unglaublich starkes Examen gemacht haben. Hier bleibt die Frage: Trotz oder wegen? Ich bewerte Niveau und Herangehensweise beider Repetitorien wie folgt, wobei die Frage hilft, was man im Examen wirklich braucht. Man stelle sich das ganze wie ein Thermometer mit einer Skala von 0 Grad bis 100 Grad vor. Im Examen verlangt wird eine „Zubereitungstemperatur“ zwischen 50 Grad und 70 Grad. Alpmann beginnt den Wohlfühl-Erwärmungsprozess bei etwa 10 Grad. Es geht langsam auf 20 Grad, und schließlich vielleicht bis auf 60 Grad. Es bleibt Luft nach oben, aber bis 50 Grad kann man dann wunderbar auf Examensniveau arbeiten. Hemmer fängt bei 40 Grad an und kocht schnell mal bis auf 70 Grad auf, um im weiteren Verlauf schließlich die gesamte Temperaturskala bis 100 Grad auszunutzen. Was fällt auf? Alpmann legt mehr Wert auf Basics, Hemmer kocht auch in Bereichen, bei denen der Nutzen im Examen marginal ist (es sei denn, man legt von Anfang an Wert darauf, statt 15 gerne 17 Punkte schreiben zu wollen). Was heißt das für die eigene Bewertung? Bei Alpmann muss mir klar sein, dass ich allein mit dieser Vorbereitung noch nicht heiß genug kochen kann. Ich muss also selbst drauflegen. Bei Hemmer muss mir hingegen klar sein, dass selbst im Examen meist nicht so heiß gegessen wie hier gekocht wird. Ich kann die dortige Vorbereitung also als Maßstab nehmen, sollte mich damit aber nicht unter Druck setzen (auch bei mir löste der Flugreisefall als allererster Fall in BGB-AT ein gewisses Unwohlsein aus). Den Hemmer-Spruch „wer auf 4 Punkte lernt, landet leicht bei 3“ fand ich immer ziemlichen Quatsch. Wer sich jedoch vom Niveau her auf 10 oder 11 Punkte vorbereitet, hat gute Chancen auch an einem mäßigen Tag bei 4 oder 5 Punkten zu landen. Dabei muss man allerdings natürlich die erwähnte kritische Distanz in besonderem Maße aufbringen: Bekannte schoben bereits nach 3 Wochen Hemmer Nachtschichten ein, weil sie meinten mit dem Stoff nicht mehr klarzukommen. Das ist natürlich Quatsch. Wer die Messlatte beim Lernen höher anlegt, darf sich natürlich von Misserfolgen nicht so schnell entmutigen lassen. Für die Unterlagen gilt: Die Alpmann-Unterlagen halte ich für die Klausuren teilweise zu untypisch aufbereitet. Nach Durchsicht der Unterlagen im Bau- und Kommunalrecht hätte ich danach keine Klausur schreiben können. Man sieht jedenfalls: Die Wahl des konkreten Reps ist sicher ortsbedingt und typabhängig.
II. Vorbereitungszeit: 1 oder 1,5 Jahre? Abschichten oder nicht?
Vielfach stellt sich die Frage gar nicht, hier in Münster ist sie – wie es in vielen „FFA-Städten“ der Fall sein dürfte – fast die Regel. Soll man sich 1 Jahr oder – wenn mit dem FFA-Freisemester möglich – 1,5 Jahre vorbereiten? Die Regel „was lange währt, wird endlich gut“ gilt hier nicht. Ich persönlich habe mich 1,5 Jahre vorbereitet, was allerdings daran lag, dass anfangs noch diverse andere Dinge parallel liefen. Die „Netto-Vorbereitungszeit“ würde ich auf etwa 12-13 Monate veranschlagen. Der Vorteil von 1,5 Jahren ist allerdings, dass das Rep in der Regel nach einem Jahr vorbei ist und man danach nochmal davon „unbelastet“ alleine an die Sache herangehen kann. Man muss sich aber jedenfalls – ich glaube es ist in einem Beitrag zur Schnelligkeit des Studiums schon angeklungen – klarmachen, dass einem das Vergessen irgendwann einen Strich durch die Rechnung macht. Man sollte meiner Erfahrung nach in mehreren Phasen planen. Eine Phase zum Verständnis des Stoffes mit Anfertigung von Zusammenfassungen (Karteikarten, Skripten, dazu gleich) und dann mehrere (!) Wiederholungsphasen. Diese sollte man im zur Verfügung stehenden Rahmen von Anfang an begrenzen. Beschränkungen auf gewisse Lernmaterialien sind von Vorteil. Jedenfalls sollte man wenn möglich versuchen, den Freischuss mitzunehmen.
Vom Abschichten halte ich persönlich nicht viel. Nach allem was ich mitbekommen habe, sind die Nachteile in anderen Bereichen zu gravierend. So motiviert man auch sein mag – hat man bspw. mit der abgeschichteten Strafrechtsklausur die erste „Hürde“ genommen, tritt erstmal ein gewisser Motivationsabfall ein und die Vorbereitung auf die nächsten Klausuren wird beeinträchtigt. Bis auf Leute mit wirklich eiserner Disziplin kommt hinzu, dass dann oftmals Probeklausuren mit der Ausrede „Ö-Recht schreibe ich nicht mit, ich schreibe ja nächsten Monat erstmal Strafrecht“ umschifft werden und dann in der Gesamtabrechnung das Quorum für die einzelnen Rechtsgebiete deutlich unterboten wird. Kurios finde ich es zudem immer, wenn bekannte „ich-mache-mich-gerne-mal-verrückt-Kandidaten“ vehement für das Abschichten eintreten. Gerade mit solch verfasster Psyche sollte man sich einmal den Genuss von drei kompletten Rechtsgebieten und einer verbleibenden Woche Vorbereitungszeit gönnen. Das Gefühl von „jetzt kann ich auch nicht mehr viel ändern“ kann dann auch etwas sehr Befreiendes haben. Stattdessen widmet sich dieser Typ von Examenskandidat noch am Wochenende vor der (einen einzigen) Strafrechtsklausur den gefühlten 17 Untermeinungen zur actio libera in causa, um schließlich am Montag in der Klausur mit der Prüfung fahrlässiger Sachbeschädigung (allerdings mit exzellenten Ausführungen zu den dogmatischen Grundlagen der Fahrlässigkeitstat) den Prüfer in nur sehr begrenzte Begeisterung zu versetzen.
Ich persönlich war außerdem froh, alles in „einem Abwasch“ erledigt zu haben. Man entwickelt eine unvorstellbar wertvolle Routine und auch eine gewisse Gleichgültigkeit, wenn man in 8 Tagen zu 6 Klausuren antreten darf. Die meisten mir bekannten Examenskandidaten, die in drei Schritten abgeschichtet haben, kamen stattdessen auch drei Mal in das Gefühl eines unglaublich flauen Magens vor der nun wieder „ersten“ Klausur.
III. Vorher klarmachen: Lerntechniken
Unterschätzt habe ich das Thema der Lerntechniken. Auch hier empfiehlt sich: Wer im Training den Elfmeter immer in die Mitte schießt, sollte bei der Examensvorbereitung nicht versuchen in den Winkel zu treffen. Nachdem im Rep wärmstens Karteikarten empfohlen wurden („Mehrstufen-System“), habe ich zunächst auch angefangen, Karteikarten zu schreiben. Für mich persönlich war das aber nichts. Strukturen kann ich mir auf DIN-A-4-Seiten besser skizzieren und mit dem Computer tippe ich um ein vielfaches schneller als ich mit der Hand schreiben kann. Wie schon im Grund- und Schwerpunktstudium habe ich deshalb recht schnell wieder angefangen, Skripte zu schreiben. Dies sollte jeder so halten, wie er es am besten kann. Viel bringt es aber, sich einmal über den eigenen Lerntyp Gedanken zu machen. Wer wie ich zu denjenigen gehört, die irgendwann einfach vor dem geistigen Auge „sehen“, wo dieses oder jenes auf der Seite oder der Karteikarte stand, sollten bei diesen Methoden bleiben. Nicht wenige Leute hören aber offenbar besser als sie sehen. Für diese sind sicher selbst besprochene MP3s (oder altmodisch Kassetten) durchaus eine Option. Ich habe das schließlich mit den (wenigen) Definitionen gemacht, die man trotz allem leider halbwegs auswendig wissen muss.
In den Wiederholungsphasen habe ich meine Skripten immer und immer wieder gelesen (ich konnte es am Ende nicht mehr sehen) und habe teilweise noch Kurzfassungen in Organigramm-Form handschriftlich angefertigt (z.B.: Norm -> verschiedene Tatbestandsmerkmale -> Zuordnung der verschiedenen Streitigkeiten unter den jeweiligen Begriff). Das hilft vor allem dabei, die Streitigkeiten nachher nicht im luftleeren Raum, sondern bei den jeweiligen Tatbestandsmerkmalen anzusetzen.
Bei meinen Skripten habe ich mich auf wenige „Basisprodukte“ beschränkt. Ich habe dabei die wesentlichen Probleme aus den Hemmer-Fallbüchern (ja, die kleinen, angeblich „für Anfangssemester“) und wo das zu knapp war aus den Hemmer-Skripten zusammengestellt. Nur wenn danach wirklich Lücken blieben, habe ich prägnante Lehrbücher (z.B. Plate, Florian Faust oder Loosschelders fürs Zivilrecht) hinzugezogen. Empfehlen kann ich fürs Ö-Recht zudem Gersdorf (Verwaltungsprozessrecht) und fürs Strafrecht die Klausurenkurse von Wessels/Beulke. Es klingt komisch und vielleicht wenig, aber ich denke das was man vorbereiten kann, hat man mit einem solchen recht übersichtlichen Programm abgedeckt. Ich habe mich immer köstlich amüsiert, wenn Leute mit dem MüKo-BGB oder dem Tröndle/Fischer gelernt haben. Das ist was zum Nachschlagen, aber garantiert nicht zum Lernen.
IV. Lernort und Work-Life-Balance: „Ich war heute wieder 12 Stunden in der Uni“
Typsache ist sicher auch, wo man lernen möchte. Vielen ist das „Wohlfühl-Feeling“ wichtig, wenn sie sich morgens im Jogger und mit dem Pott Kaffee und zwei Marmeladen-Brötchen an den Schreibtisch setzen. Für mich war eine strikte Trennung von Arbeit und Freizeit, auch in räumlicher Hinsicht, wichtig. Wenn ich zu Hause lerne, sind Ablenkungsmöglichkeiten groß und letztlich führt das dazu, dass der Lerntag nach hinten „ausfranst“ („na gut, ich gucke jetzt ein wenig fern und mache dafür nachher etwas länger“). Abends ist man dann meist unzufrieden, weil um 9 immer noch die Sachen auf dem Schreibtisch liegen und man nicht richtig abschalten kann. Außerdem verbindet man so die Atmosphäre zu Hause nicht mit einem „Lerngefühl“ sondern hat hier einen wirklichen Freizeitbereich. Ich bin deshalb in der Regel zwischen 8 und 9 in die Uni-Bib gefahren. Der Vorteil war, dass es der größte Teil des Freundeskreises auch so gemacht hat. Um halb 11 war dann die erste halbe Stunde Kaffeepause, danach wieder Lernzeit bis 1, Mittag bis 2 und dann nochmal bis etwa 5 Uhr mit nachmittäglicher Kaffeepause gelernt. Eine solche recht strikte und vielleicht „bürokratische“ Zeiteinteilung hat mir sehr geholfen, mich in den „Lernzeiten“ wirklich zu konzentrieren und voranzukommen. Ich habe mich dazu auch in einen wenig frequentierten Teil der Bib zurückgezogen. Vielfach wird das Lernen in der Uni als „meet and greet“-Veranstaltung missverstanden. Wer von 8 bis 20 Uhr in der Uni ist, davon aber von halb 9 bis halb 12 frühstücken, von halb 1 bis 3 Mittagessen und von 4 bis halb 7 Kaffeetrinken ist, belügt sich selbst.
Hinsichtlich der Freizeitgestaltung sollte auch klar sein: Die Examensvorbereitung ist ein Marathon. Als ich im Oktober 2006 mit dem Rep anfing und irgendwann Karten für Mario Barth geschenkt bekam (ein Mittwochabend unter der Woche), fragten mich Bekannte ernsthaft, ob ich denn da hingehen wolle – man sei ja nun schließlich im Rep. Es sollte klar sein, dass man die 1 oder 1,5 Jahre ohne entsprechendes Freizeitprogramm nicht durchhält. Wichtig ist es, weiter Abende mit Freunden zu verbringen, durchaus auch mal ein längeres Wochenende „abzuschalten“ und vor allem auch sportlichen Ausgleich zu suchen. Beim sportlichen Ausgleich gilt allerdings: Er gehört zur Freizeit. Bei McFit oder in anderen Studios beeindruckt es niemanden, wenn auf dem Crosstrainer oder auf der Ruderzugmaschine noch schnell ein paar Karteikarten durchgeschaut werden. Ich bin sonst ein hilfsbereiter Mensch, aber als dem Mädel neben mir einmal der Satz Alpmann-VwGO-Karten vom Ergometer fiel, durfte sie die auch schön alleine aufsammeln. Auch ist Rep keine urlaubsfreie Zeit. Ich war zwischendurch immer mal wieder für lange Wochenende Freunde (auch im Ausland) besuchen und war nach dem Rep nochmal richtig schön im Sommerurlaub, bevor ich in die letzte Vorbereitungsphase eingestiegen bin. Mit leerem Akku nützt auch der vollste Kopf nichts.
V. Probeklausuren: Mehr ist mehr
Gilt beim sonstigen Lernen generell eher „weniger ist mehr“, ist dies bei den Probeklausuren nicht so. Man kann hier keine konkreten Zahlen (20, 40, 70 oder vielleicht doch 90?) empfehlen, aber nichts übt den Umgang mit unbekannten Problemen so, wie das Klausurenschreiben. Es ist am Anfang sicherlich frustrierend und macht bis zu einem gewissen Punkt auch nicht sonderlich viel Sinn, insbesondere wenn man bestimmte Rechtsgebiete noch gar nicht (auch nicht im Studium) bearbeitet hat und sie im Rep noch nicht behandelt wurden. Wenn man sich 1,5 Jahre vorbereitet, sollte man aber so ab ca. einem halben Jahr ernsthaft mit dem Klausurenschreiben anfangen. Hier in Münster bietet sich dafür der Uniklausurenkurs an, der inzwischen wieder kostenfrei ist (bzw. über die Studiengebühren finanziert wird). Dort laufen in der Regel alte Examensklausuren, mit denen man einen Eindruck bekommt, was im Examen wirklich verlangt wird. Die Klausuren kommerzieller Anbieter sind dagegen oft darauf ausgelegt, bestimmte Probleme aus dem Kursprogramm abzuprüfen. Das sind oftmals Details, die niemals den Schwerpunkt einer richtigen Examensklausur bilden würden. Nachdem ich mich anfangs recht schwer mit dem Gefühl getan hatte, mit Halbwissen angefertigte Klausuren abzugeben, bin ich in der Endphase dann doch noch recht intensiv in das Klausurenschreiben eingestiegen und bin am Ende auf etwa 70-80 Klausuren gekommen. Soviel müssen es nicht sein, aber ich denke schaden kann es nicht. Ich habe in fast allen (richtigen) Examensklausuren mir völlig unbekannte Konstellationen bekommen und teilweise Normen geprüft, die ich zuvor noch nie gelesen hatte. Ich denke, das ist mir mit der Erfahrung, schon ein paar Mal zunächst ohne jede Ahnung vor Sachverhalten gesessen zu haben, deutlich leichter gefallen.
VI. Die „Endphase“ und die Klausuren selbst
In der letzten Phase vor den Klausuren (3-4 Wochen) sollte man sich notfalls auch selbst belügen. Sicherlich, wenn man ein Rechtsgebiet noch überhaupt nicht bearbeitet hat, sollte man dies schleunigst nachholen. Mehr Sicherheit gibt es aber, in dieser Zeit – neben der Aufarbeitung von aktueller Rechtsprechung – die zuvor angefertigten Lernmaterialien immer und immer wieder zu wiederholen. Das hat zwei Vorteile: Zum einen verschafft man sich selbst eine gewisse Sicherheit und das gute Gefühl, den Stoff „drauf zu haben“, statt sich vor Augen zu führen, was man alles (vermeintlich) nicht kann oder weiß. Zum anderen ist gerade der routinierte Umgang mit den „Basics“ Gold wert. Man sollte sich immer vor Augen führen, dass für eine ordentliche Examensklausur in der Regel kein „Jura am Hochreck“ sondern eine solide Fallbearbeitung verlangt wird. Gerade bei den Nebengebieten kann man so mit solidem Grundlagenwissen sehr ordentliche Punktzahlen erzielen.
Bei den Klausuren selbst sollte man dann die Entspannung in den Vordergrund stellen. In der Regel bringt es recht wenig, am Abend vorher nochmal irgendetwas anzusehen. Wenn man das macht, sollte man sich hier ggf. sogar gezielt Bereiche vornehmen, die zu den eigenen „Lieblingsgebieten“ gehören. Das gibt eine gewisse Sicherheit und ein Gefühl des „gut vorbereitet“-Seins. Die Wahrscheinlichkeit – anders als früher in der Schule – sich zufällig am Abend vorher nochmal den einen oder anderen „Problembereich“ anzugucken, der dann am nächsten Tag „abgefragt“ wird, ist so gering, dass es die Verunsicherung nicht wert ist.
Meine Klausuren haben an einem Montag angefangen. Ich habe das Wochenende vorher komplett frei gemacht und bin Sonntagabend schön mit Freunden etwas Essen und Trinken gegangen. Man sollte sich sicher nicht die „Kante geben“, aber ein Bierchen kann den geruhsamen Schlaf schon fördern. Auch zwischen den Klausuren sollte man nicht mehr allzu viel machen. Zwischen Zivilrecht und Strafrecht war ein Tag Pause, da habe ich mir dann schon nochmal ein paar Sachen angeguckt, aber das dient auch eher der Gewissensberuhigung als dass man noch irgendwelche Dinge „endlich verstehen“ würde.
VII. Vorbereitung auf die mündliche Prüfung und mündliche Prüfung selbst
Zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung empfiehlt sich wirklich eine Arbeitsgemeinschaft, sofern man sie bisher nicht hatte. Wir haben das mit 4-5 Personen durchgezogen. Als Material hatten wir zwei „Vortragsbücher“. Das erste (von Pagenkopf/Rosenthal/Rosenthal) kann ich nicht wirklich empfehlen. Ich habe damals eine 15-seitige Fehlerliste an den Autor geschickt und als Dank zwei Exemplare der gleichen Autoren für den Aktenvortrag im zweiten Examen erhalten… Eine Neuauflage des Buches aus dem Boorberg-Verlag ist allerdings bis heute nicht erschienen. Die Mängel waren recht gravierend („der untaugliche Versuch ist nicht strafbar“) und auch vom Stil her sollte man sich so manches dort erwähnte besser verkneifen („ich freue mich, ihnen heute einen besonders spannenden Fall aus dem Bereich des Gesellschaftsrechts vorstellen zu können“; „ich bedaure, dass meine Redezeit nun schon um ist“). Recht gut waren die kleinen Bücher aus der Beck-Reihe. Dort gibt es für jedes Rechtsgebiet ein Buch mit ca. 10-15 Vorträgen, die vom Niveau und der Falllösungstechnik zu empfehlen sind. Wir haben dann immer zu Beginn der Privat-AG einen Fall für jeden Teilnehmer ausgelost, der dann in der üblichen Vorbereitungszeit vorbereitet wurde. Danach haben wir die Vorträge nacheinander gehalten und bewertet. Auch hier bringt – auch das wurde in anderen Beiträgen schon angesprochen – Schönfärberei wenig. In mühevoller Kleinarbeit haben wir durch ständige Kritik z.B. einer Kommilitonin das „ähm“ abgewöhnt und auch (pingelig!) kleinere fachliche Ungenauigkeiten immer ganz genau angesprochen. Mit „das war schon ganz gut“ ist auch hier keinem geholfen. Beachtet auch hier: Systematik ist alles! In meinem Vortrag (Deliktsrecht) wurde lobend erwähnt, dass ich als einziger Kandidat der Reihe nach richtig und sauber getrennt zwischen den verschiedenen Haftungstypen (Haftung ohne Verschulden / Haftung aus vermutetem Verschulden / Haftung aus nachgewiesenem Verschulden) geprüft hatte. Sowas zeigt, dass man hier Grundlagen begriffen hat und macht mehr Eindruck, als wenn man 7 weitgehend überflüssige Kausalitätstheorien vorstellt, die nachher eh alle zum gleichen Ergebnis führen.
Fachlich sollte man sich an den normalen Prüfungsstoff halten, allerdings etwas mehr in „Frage-Antwort-Form“ übergehen. Dazu kann man entweder wieder eine „Abfrage-AG“ bilden oder – wenn man das wie ich bisher nicht gemacht hat – zum „Karteikarten-Lernen“ übergehen. Ich fand die Hemmer-Shorties sehr gut. Damit wurde man anfangs zwar belächelt, aber auch damit kann man noch Neues Lernen und es ist motivierend, wenn man in kürzerer Zeit mal 100 Karteikarten am Stück „durchhauen“ kann. Muss man sich wie ich im Sommer vorbereiten, sind die Shorties auch eine gute Alternative, nun doch mal die Grenzen zwischen Frei – und Lernzeit zu verwischen und z.B. am Kanal oder im Freibad wenigstens ein bisschen was fürs Gewissen zu tun.
Empfehlen würde ich zudem, bei einer mündlichen Prüfung zuzuöhren. Die Atmosphäre ist dann bekannt und nicht mehr ungewohnt. Man wird zudem feststellen, dass nichts Übermenschliches verlangt wird und die Prüfer (Ausnahmen bestätigen die Regel) meist wohlwollend sind. Ihr werdet dabei auch folgendes feststellen: Natürlich gilt das viel propagierte „ranquatschen“ – man muss antworten, auch wenn man zunächst vielleicht nicht genau weiß, worauf der Prüfer hinauswill. Allerdings bedeutet „ran“-quatschen auch: Irgendwann muss man beim Thema sein und die Frage beantworten. Nichts nervt Prüfer mehr, als wenn auf eine konkrete Frage dann ewige allgemeine Ausführungen folgen.
Richtig effektiv gestaltet sich die Vorbereitung wohl meist erst dann, wenn man die Protokolle in der Hand hält (hier in NRW 3 Wochen vorher). Diese sollte man auch durchaus ernst nehmen. Ich hatte bspw. Prüfung bei einem Notar, von dem es bisher erst zwei Protokolle gab. Das ist nicht viel, aber man kann auch hieraus Tendenzen erkennen. Er hatte bisher Erbrecht und Grundstücksrecht geprüft, also typische „Notargebiete“. Man sollte sich dann generell mal überlegen, was einem im Zusammenhang mit einem Notar so einfällt und was sich daraus für Fragen ergeben, die allgemein zivilrechtlicher Natur sind (Zweck der Formerfordernisse? Unterschied Beglaubigung / Beurkundung? etc.) und welche Rechtsgebiete so generell wohl in Frage kommen. Auf diesen sollte man dann auch aktuelle Entwicklungen drauf haben. Wie in meiner Prüfung zwei Leute wenig bis keine Ahnung vom Grundschuldrecht haben konnten und auch vom Risikobegrenzungsgesetz (damals aktuell) und den damit einhergehenden Änderungen noch nichts gehört hatten, ist mir unerklärlich. Es gilt hier einfach: Man muss nicht „viel“ machen, aber einfach mal drüber nachdenken was das „richtige“ ist, was man machen kann. Genauso verhielt es sich mit unserem Vorsitzenden: Er war (nebenbei) Vorsteher einer jüdischen Gemeinde und prüfte gerne Religions- und Meinungsfreiheit. Selbstverständlich ist man dann darauf verstärkt vorbereitet und steht nicht (wie wiederum die gleichen zwei Kandidaten)mehr oder weniger völlig auf dem Schlauch, wenn die Frage nach Herrn Lüth und dem Film „Jud Süß“ kommt.
Guckt euch außerdem – auch darauf wurde schon hingewiesen – aktuelle Forschungsprojekte von Profs an, wenn ihr diese als Prüfer habt. Das hat z.B. mein ehemaliger Chef hier in Münster als Standard erwartet und konnte es nicht begreifen, wenn dann auf diesem Gebiet völlige Ahnungslosigkeit herrschte. Er erwartete dann keine vertieften Kenntnisse, sondern einfach nur dass man z.B. mal seinen letzten Aufsatz gelesen hatte.
Ich hoffe, mit meinen Eindrücken aus der Examensvorbereitung an dem ein oder anderen Punkt eine Hilfestellung gegeben zu haben. Es ist ein Erfahrungsbericht, so dass ich hier natürlich auch Geschmacksfragen und persönliche Einschätzungen wiedergebe.
Fragen, Lob und Kritik sind jederzeit willkommen an fabianroesner [at] gmx punkt de.
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