Im Folgenden eine Übersicht über im Juni veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 2 StR 523/15
Ein soziales Näheverhältnis wie eine Wohngemeinschaft führt nicht allgemein zu einer Beschränkung des Notwehrrechts nach § 32 StGB. Selbst die Annahme einer Garantenstellung aufgrund einer rasch auflösbaren Gemeinschaft würde nämlich jedenfalls sowohl den Angreifer als auch den Verteidiger zur Rücksichtnahme verpflichten. Sie kann daher das dem Notwehrrecht zu Grunde liegende Prinzip der Rechtsbewährung nicht durchbrechen. Die Fallgruppe der besonderen persönlichen Beziehungen, die zu einer sozialethischen Einschränkung des Notwehrrechts führen, ist daher auf Fälle einer engen familiären Verbundenheit oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu beschränken. Damit ist eine einfache Wohngemeinschaft zwischen Täter und Opfer nicht vergleichbar (st. Rspr.).
II. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 StR 317/15
Derjenige, der mit einem anderen im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages vereinbart, im eigenen Namen Gemälde und Oldtimer von Dritten anzukaufen und bei der Weiterleitung hierfür eine Erstattung der Auslagen zuzüglich einer Provision in Höhe von 3 bzw. 5 % zu erhalten, begeht einen Betrug (§ 263 StGB), wenn er dem Auftraggeber höhere Kaufpreise benennt, als tatsächlich mit den Dritten vereinbart und gezahlt wurden. Dabei kommt es für die Frage des Vermögensschadens nicht darauf an, ob die erworbenen Gemälde bzw. Oldtimer tatsächlich (auch) die vom Täter genannten, höheren Kaufpreise wert gewesen wären. Denn durch die falschen Angaben zu den angefallenen Kaufpreisen in den einzelnen Rechnungen täuschte der Täter seinem Auftraggebern vor, Zahlungen in dieser Höhe seien für die auftragsgemäße Beschaffung der Kunstwerke und Oldtimer jeweils erforderlich gewesen und von ihm auch tatsächlich erbracht worden. Gegenstand der Täuschung war somit nicht der Wert der jeweiligen Kaufgegenstände, sondern der Umfang der Aufwendungen, die bei der Erfüllung des zuvor erteilten Kaufauftrages angefallen sind und deren vollständiger Ersatz aufgrund der Rahmenvereinbarung in Verbindung mit den erteilten Kaufaufträgen geschuldet war.
III. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15
Wird durch dieselbe Handlung ein Pkw in Brand gesetzt, während dies bei einem im Eigentum einer anderen Person stehenden Wagen trotz entsprechendem dolus eventualis nicht geschieht, liegen neben einer vollendeten Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB) nicht zusätzlich auch eine hierzu in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) stehende versuchte Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 und 4, §§ 23 Abs. 1, 22 StGB vor. § 52 Abs. 1 StGB erfasst zwar auch den Fall, dass dasselbe Strafgesetz durch eine Handlung mehrfach verletzt wird (sog. gleichartige Idealkonkurrenz). Ob eine mehrere taugliche Tatobjekte beeinträchtigende Handlung zu einer mehrmaligen oder lediglich zu einer in ihrem Gewicht gesteigerten einmaligen Gesetzesverletzung geführt hat, hängt aber von dem in Rede stehenden Tatbestand ab. Stellt dieser auf die Verletzung von Gesamtheiten ab und werden keine höchstpersönlichen Rechtsgüter geschützt, so führt eine handlungseinheitliche Beeinträchtigung mehrerer Tatobjekte selbst dann nicht zu einer mehrfachen Verwirklichung des Tatbestands, wenn verschiedene Rechtsgutsträger geschädigt worden sind. So verhält es sich auch bei der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB, die als „qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt“, dem auch ein Element der Gemeingefährlichkeit anhaftet, keine höchstpersönlichen Rechtsgüter schützt.
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Zuletzt noch eine prozessuale Entscheidung, die sich mit dem Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes hinsichtlich gewonnener Beweismittel bei Durchsuchung eines Pkw ohne die hierzu erforderliche richterliche Anordnung befasst:
IV. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 StR 394/15
Die Anordnung einer Pkw-Durchsuchung, die durch die Staatsanwaltschaft wegen der Annahme von Gefahr im Verzug ohne richterliche Beteiligung angeordnet wird (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO), obwohl eine solche Dringlichkeit nicht vorliegt, führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Es entlastet den anordnenden Staatsanwalt dabei nicht, wenn diesem das Fehlen von Gefahr im Verzug nicht bewusst gewesen ist, wenn eine solche Fehlvorstellung auf nicht vollständiger Information beruht und damit der Sphäre der Ermittlungsbehörden zuzurechnen ist, zumal wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen wurde, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen, während der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befand. Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei einer solch groben Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen. Die Einhaltung der durch § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungskriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das wesentliche Erfordernis eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen.
Schlagwortarchiv für: Juni 2016
Nachfolgend erhaltet ihr nun ein Gedächtnisprotokoll der zweiten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im Juni 2016 in NRW. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Ausgangsfall:
A arbeitet als Journalist im Bereich Landespolitik für einen Verlag. Er will sich einen Nebenverdienst erarbeiten und hochrangigen Politikern das Schreiben deren Biografie anbieten, um diese dann in einer Buchreihe zu veröffentlichen.
Nach den ersten Werbemaßnahmen, meldet sich der mittlerweile pensionierte und zuvor lange im Landtag Düsseldorf tätige Politiker P. P, der den A bereits kennt, ist sich jedoch noch nicht sicher, ob er diesen mit der kostenpflichtigen Ausarbeitung seiner Biografie beauftragen möchte. Deshalb vereinbaren A und P zunächst, dass A unentgeltlich ein Konzept für die Biografie erstellen soll. Dazu sollen mehrere Gespräche über das private und politische Leben des P geführt werden.
Im Gesprächstermin nimmt A mit Einverständnis des P das Interview mit seinem alten Tonbandgerät auf seinen eigenen Tonbändern auf. Hierbei werden die Magnetstreifen der Tonbänder physikalisch verändert. So bespielt A drei Tonbänder und nimmt diese anschließend wieder mit.
Kurze Zeit später verstirbt P bei einem Verkehrsunfall. Er hinterlässt seine Ehefrau F. Andere Verwandte hat er nicht.
A denkt daraufhin, die Tonbänder seien für ihn nicht mehr zu gebrauchen und veräußert diese an S einen Sammler für dessen private Sammlung für 250€. F befürchtet nun, dass sich auf den Bändern private Informationen über ihre Ehe mit P befinden und verlangt die Bänder von A heraus. Dieser fragt bei S nach einem Rückverkauf. S ist für 350€ dazu bereit. Das ist A zu teuer. Er meint, das sei für ihn unverhältnismäßig und verweigert die Herausgabe. F meint P sei sowieso Eigentümer der Bänder geworden und ohnehin müsste A die Bänder aufgrund des Vertrages herausgeben.
Kann F von S und/oder A Herausgabe der Tonbänder verlangen?
Fallfortsetzung:
A will die Biografien zu seinem Hauptgeschäft ausbauen und gründet dafür als Alleingesellschafter die Düsseldorf Biografien mbH (DB GmbH). In dem formgerechten Gesellschaftsvertrag wird A als Geschäftsführer ernannt. Kurz darauf wird die GmbH ins Handelsregister eingetragen. A kauft Büroeinrichtung und stellt mehrere Mitarbeiter ein.
Für sein Geschäft benötigt er 10 Diktiergeräte.
In einem Schreiben wendet sich A an E, einen Kaufmann, der ein Geschäft für Elektronikartikel betreibt, und fragt, ob dieser ihm ein Angebot für 10 Diktiergeräte machen könne.
E ruft am nächsten Tag im Büro des A bei der DB GmbH an und macht ein Angebot für 10 Geräte für insgesamt 9500€. Allerdings nimmt nicht A, sondern dessen Vater V das Gespräch an. Dieser meldet sich jedoch lediglich mit seinem Nachnamen, sodass E davon ausgeht, er telefoniere mit A. V beantwortet die Frage des E, ob er das Angebot annehme mit „ja“. E meint daraufhin, er könne den genauen Liefertermin noch nicht sagen, aber würde das nachschauen und dann ein Fax mit der Bestätigung des Vertrags und dem Liefertermin schicken.
Am nächsten Tag schickt E das Fax mit der Bestätigung und dem Liefertermin. A nimmt dieses auch zur Kenntnis, hält es aber für ein Versehen und geht nicht darauf ein.
Beim Aufräumen entdeckt A dann sein altes Tonbandgerät. Ihm fällt E wieder ein und schickt diesem eine E-Mail, in der er diesem das Gerät zum Verkauf anbietet. Die Preisbestimmung überlässt er E als Fachmann. E antwortet, dass A ihm das Gerät zur Ansicht zuschicken soll und er sich dann entscheide. So geschieht es. E ist begeistert und überweist sofort ohne Absprache 400€ auf das Gesellschaftskonto der DB GmbH. A sieht dies und geht davon aus, dass damit der Kaufvertrag abgewickelt ist.
Kurze Zeit später erfährt E von einem befreundeten Experten, dass das Gerät nur 300€ wert ist. Daraufhin erklärt E gegenüber A wahrheitswidrig, dass er sich bei der Überweisung vertippt habe und lediglich 300€ überweisen wollte. Widerwillig überweist A 100€ zurück.
Dann erfährt A, dass E seine Meinung über den Wert geändert hatte. Er ist empört.
Am 15.6.16 liefert E die Diktiergeräte und verlangt Zahlung von 9500€. A ist überrascht und meint es sei gar kein Vertrag zustande gekommen. Er wusste auch nichts von dem Telefonat. Außerdem rechnet er auf, da E an die 400€ für das Tonbandgerät gebunden sei.
Kann E von der DB GmbH Zahlung von 9500€ verlangen?
Vielen Dank auch für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur im Zivilrecht des 1. Staatsexamens im Juni 2016 in NRW. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
A und F sind verheiratet und leben getrennt. Für den gemeinsamen Sohn S hat F das alleinige Sorgerecht.
A plant mit Einverständnis der F einen gemeinsamen Urlaub mit S für 2 Wochen in Südafrika.
A lässt sich im Reisebüro der V-GmbH beraten und entscheidet sich für das „Exklusiv-Reisepaket“ mit Hin- und Rückflug, Unterbringung und Vollverpflegung in einem 4-Sterne-Hotel sowie einer 4tägigen Safaritour mit Übernachtung in Mehrpersonenzelten aus dem Reisekatalog. Für A beträgt der Preis 3500€ und für S 2500€. B die Mitarbeiterin des Reisebüros weist A darauf hin, dass mit einem Vertragsschluss auch die „Allgemeinen Reisebedingungen“ (ARB) der V-GmbH gelten. Unter anderem Ziffer 10:
„Für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche mit Ausnahme von vorsätzlichen Pflichtverletzungen und für Ansprüche auf Rückzahlung wegen Minderung beträgt die Verjährungsfrist 1 Jahr und beginnt mit dem Tag des vertraglich vereinbarten Endes der Reise.“
A hat eine Sehschwäche und seine Brille im Auto vergessen und kann deshalb das Kleingedruckte nicht lesen. Er bittet B unter Hinweis auf seine Sehschwäche ihm die wesentlichen Punkte vorzulesen. B liest das ihr als Wesentlich Erscheinende vor. Ziffer 10 liest sie unter anderem nicht vor. A ist einverstanden und unterschreibt daraufhin den Buchungsauftrag.
Wenige Tage später erhält er von der V-GmbH eine Buchungsbestätigung und weitere Reiseinformationen.
Er überweist den gesamten Betrag.
A und S treten die Reise an und müssen im Hotel angekommen feststellen, dass dieses nur 3 Sterne hat. A beschwert sich umgehend, woraufhin er an den örtlichen Vertreter der V-GmbH M verwiesen wird. Dieser sagt wahrheitsgemäß, dass es kein anderes 4-Sterne-Hotel in der Umgebung gibt. Daraufhin beziehen A und S ihr Hotelzimmer.
Auf der Safaritour (geleitet von M als erfahrenem und seit 10 Jahren stets pflichtbewusstem Reiseleiter) kann A nachts nicht schlafen. Zum einen stört ihn das laute Summen der Mücken außerhalb des Zelts. Zum anderen schnarcht sein Zeltmitbewohner T. Am nächsten Morgen beschwert sich A bei M. Dieser weist T ein Einzelzelt zu und sagt aber, dass das Summen der Mücken landes- und klimatypisch sei. A kann daraufhin auch die nächsten 3 Nächte nicht schlafen.
Zum Ende der Safaritour lässt M die Reiseteilnehmer in ein Großgehege mit ungefährlichen Meerkatzen. Diese sind so zahm und an Menschen gewöhnt, dass M keinerlei Verhaltensregeln für das Betreten des Geheges aufstellt. Während M die Tür aufhält und aufgrund einer Nachfrage einer älteren Teilnehmerin nach den Meerkatzen nicht aufpasst, gelangt ein gefährlicher Bärenpavian von M ungesehen in das Gehege. S streichelt den aus seiner Sicht zahmen Bärenpavian. Dieser beißt ihn in die linkte Hand, woraufhin S sich eine tiefe Fleischwunde zuzieht und sofort von M und A in ein Krankenhaus gebracht wird.
A und S landen wieder in Hamburg wie geplant am 14.3.15.
Am 1.4.15 macht A per E-Mail an die V-GmbH Ansprüche auf Reisepreisrückzahlung iHv 700€ geltend (350€ für Sterneklassifizierung und je 175€ für Safaritour Unannehmlichkeiten) sowie einen noch nicht bezifferten Schmerzensgeldanspruch für die Verletzung des S.
Daraufhin reger E-Mail-Verkehr zwischen A und J, dem Justiziar der V-GmbH. Die Verhandlungen scheitern jedoch am 12.5.15. J verweist dann A auf eine gerichtliche Geltendmachung.
In der Folgezeit hat A sehr viel zu tun und so keine Zeit sich über eine mögliche gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche zu informieren.
Ein Bekannter macht ihn jedoch dann darauf aufmerksam, dass er sich den Schmerzensgeldanspruch doch von S abtreten lassen solle und dann alsbald Klage erheben solle.
Daraufhin tritt F als Vetreterin für S dem A alle Ansprüche aufgrund des Pavianbisses ab.
Am 6.4.16 erhebt A vetreten durch einen RA Klage beim zuständigen AG auf Rückzahlung von 700€ und Zahlung von Schmerzensgeld iHv 1000€.
J erhebt die Einrede der Verjährung und meint außerdem die Abtretung sei unwirksam.
Ist die zulässige Klage begründet?
Bearbeitervermerk:
• Ggf. Hilfsgutachten
• Der Pavianbiss stellt keinen Reisemangel dar
• Anforderungen aus der BGB-InfoV wurden eingehalten