Abschließend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der gelaufenen Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens im Juli 2016 in Niedersachsen. Vielen Dank auch für diese Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Der Bahnreisende B fährt am 01.07. mit dem Zug von Hamburg nach Hannover. Im Gepäckfach liegt sein Aktenkoffer, der allerdings nur mit Wäsche gefüllt ist. Im gleichen Abteil sitzt der A. Aufgrund einer scherzhaften Bemerkung des B ist der A überzeugt, dass der Aktenkoffer voller Geld ist, das aus einem Raub stammt.
Um 18 Uhr geht B in den Speisewagen. Als der Zug gerade durch ein Waldgebiet fährt, ergreift der A seine Chance: Er nimmt den Aktenkoffer aus dem Gepäckfach, öffnet das Fenster und wirft den Koffer hinaus. A merkt sich die Stelle, an der der Koffer gelandet sein muss durch einige markante Bäume.
Am 02.07. geht A auf die Suche nach dem Aktenkoffer. Der Aktenkoffer befindet sich noch immer an der Stelle, an der er am Vorabend gelandet ist.
Wie es der Zufall so will, liegt nur einige Meter entfernt ein ganz ähnlicher Aktenkoffer. A denkt, es sei der Aktenkoffer des B und entleert ihn. Den Koffer lässt er im Wald stehen, was von vorherein so geplant war. Zuhause sieht sich A die Beute genauer an: Es handelt sich um eintausend 20€-Scheine.
Der Aktenkoffer gehört dem dementen V, der ihn in den Wald getragen hat und sich nicht mehr daran erinnern kann.
Damit man Zuhause bei A die Beute nicht finden kann, tauscht A einen großen Teil des Geldes um. Er geht u.a. zu einer Filiale der B-Bank und lässt sich vom Schalterangestellten S einhundert 20€-Scheine gegen zwanzig 100€-Scheine tauschen. S händigt ihm die Scheine aus.
Ein Fahrgast hat A dabei beobachtet, als er den Aktenkoffer aus dem Gepäckfach genommen hat, sodass gegen A ein Strafverfahren aufgenommen wird.
A wendet sich daraufhin an seinen Kollegen K, mit dem er manchmal nach Feierabend etwas unternimmt. A fragt K, ob er sich daran erinnern kann, dass die beiden am 01.07. zwischen 17 und 19 Uhr zusammen im Biergarten in Hannover gewesen sind.
In Wirklichkeit waren sie jedoch am Abend des 30.06. dort. K erinnert sich jedoch nicht und denkt, sie wären am 01.07. zusammen im Biergarten gewesen. Auf diese Erinnerungslücke hatte der A gehofft. Er benennt den K vor Gericht als Entlastungszeugen und bittet ihn, vor Gericht über den „Biergartenbesuch am Abend des 01.07.“ zu berichten.
K wird im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Hannover als Zeuge vernommen, vereidigt wird er nicht. Der Richter und auch der Staatsanwalt haben gerade nicht den hellsten Moment und der Richter fragt den K, was er am Abend des 02.07. gemacht hat. K ist verwundert, warum er nun nach dem 02.07. gefragt wird. Er geht davon aus, dass es sich bei dem 02.07. um den Tag des Tatgeschehens (Bahnfahrt) handeln muss.
K denkt, es sei gut möglich, dass A die Tat begangen habe. Obwohl er zutreffend davon ausgeht, dass A und er den Abend am 02.07. nicht zusammen verbracht haben, sagt er aus, sie seien zwischen 17 und 19 Uhr im Biergarten in Hannover gewesen.
Dies tut er, weil er eine Bestrafung des A verhindern möchte. Erst nach der Entlassung des K als Zeugen, bemerkt der Richter, dass er K nach dem falschen Tag gefragt hat.
Über eine mögliche Zeugenvereidigung haben A und K nicht nachgedacht.
Strafbarkeit des A und K?
§ 261 StGB ist nicht zu prüfen.
Schlagwortarchiv für: Juli 2016
Nachfolgend erhaltet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der ersten gelaufenen Klausur im Öffentliches Recht des 1. Staatsexamens im Juli 2016 in Niedersachsen. Vielen Dank dafür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
1. Aufgabe
Eine Vorschrift des spanischen Körperschaftsteuergesetzes gewährt besondere finanzielle Vorteile bei der Abschreibung von Firmenwerten von im EU-Ausland erworbenen Unternehmensbeteiligungen.
Mehrere Mitglieder des EU-Parlaments richteten schriftliche Anfragen an die Kommission, ob die besagte Regelung als staatliche Beihilfe zu qualifizieren sei. Die Kommission eröffnete hinsichtlich der streitigen Regelung ein förmliches Prüfverfahren, in dessen Rahmen sie von vielen Unternehmen eine Stellungnahme erhielt, u.a. auch von dem Unternehmen I, einem führenden spanischen Bauunternehmen.
Die Kommission schloss das Verfahren mit einem an Spanien gerichteten Beschluss nach Art. 108 II AEUV ab, der feststellt, dass die streitige Regelung mit dem „Gemeinsamen Markt“ unvereinbar ist, da mit ihr ein unzulässiger steuerlicher Vorteil für die spanischen Gesellschaften gewährt wird. Der Beschluss sieht auch vor, dass Spanien Maßnahmen zur Umsetzung des Beschlusses einleitet. Spanien muss ferner die Rückzahlung erlangter Beihilfen verlangen, die nach der Veröffentlichung des Beschlusses der Kommission noch gewährt wurden. Ausgenommen sind aus Gründen des Vertrauensschutzes Beteiligungskäufe, die vor der Veröffentlichung des Beschlusses der Kommission geschlossen wurden.
I hatte vor diesem Zeitpunkt Beteiligungen an verschiedenen Gesellschaften in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten erworben und die streitige Regelung beansprucht. Nach diesem Zeitpunkt hat I Beteiligungen eines griechischen Unternehmens erworben, aber keine Steuerbegünstigung in Anspruch genommen.
I erhebt fristgerecht Klage gegen den Beschluss der Kommission. Es beruft sich darauf, durch die streitige spanische Steuerregelung nicht nur potentiell, sondern auch tatsächlich Begünstigte zu sein. Es verweist außerdem darauf, dass es sich durch seine Stellungnahme aktiv am Prüfungsverfahren der Kommission beteiligt hat. Ist die Klage zulässig? Bitte erstellen Sie ein umfassendes Gutachten!
2. Aufgabe
Das oben genannte Unternehmen möchte für die Betonwände in seinen in Spanien erstellten Bauten deutschen Armierungsstahl verwenden. Europäische harmonisierte Sicherheitsnormen liegen hierfür nicht vor.
Nach der von der spanischen Regierung erlassenen Vorschrift für Konstruktionsbeton ist die Verwendung von Armierungsstahl ohne konkrete baubehördliche Prüfung des verwendeten Stahls allein aufgrund eines Zertifikats nur erlaubt, wenn durch das Zertifikat nachgewiesen wird, dass das Produkt ein zusätzliches Garantieniveau gegenüber dem Minimum mit sich bringt, das bei der konkreten baubehördlichen Prüfung verlangt wird.
I ruft das zuständige spanische Gericht an und macht geltend, die spanische Vorschrift sei nicht mit der Warenverkehrsfreiheit vereinbar. Sie erschwere den Import, da ausländische Zertifikate die über das Minimum hinausgehenden Anforderungen nicht immer erfüllten. Das Gericht setzt das Verfahren aus und legt die Frage dem EuGH vor, ob die spanische Vorschrift gegen Art. 34 AEUV verstößt. Die spanische Regierung hält die Vorlage für unzulässig, da der EuGH nicht über spanisches Recht entscheiden dürfe. Sie verweist außerdem zur Rechtfertigung der Regelung darauf, dass dadurch ein möglichst hoher Sicherheitsstandard der Gebäude gewährleistet werden solle, um Gesundheit und Leben zu schützen. Wie wird der EuGH entscheiden? Bitte erstellen Sie ein umfangreiches Gutachten!
3. Aufgabe
Welche Unterschiede bestehen zwischen Grundfreiheiten und EU-Grundrechten? Gibt es Überschneidungen?
Vorliegend erhaltet ihr nun auch ein Gedächtnisprotokoll zur dritten gelaufenen Zivilrechtsklausur des 1. Staatsexamens im Juli 2016 in Niedersachsen. Vielen Dank für die Zusendung. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Autoliebhaber A möchte sich einen neuen Sportwagen zulegen. Um Platz in der Garage zu schaffen, will er seinen Mercedes verkaufen. Beim Golfspielen am 01.02.2016 erzählt er seinem guten Bekannten P von dem Vorhaben. P ist Prokurist bei der B-GbmH, die ein überregionales Autohaus betreibt.
A bietet dem P seinen Mercedes zum Kauf für 18 000 € an. P, der den Wagen kennt, und weiß, dass dieser sehr gepflegt und gut ausgestattet ist, hält dies für ein gutes Geschäft und nimmt das Angebot sofort an.
A und P verabreden, dass der Kaufvertrag gleich am nächsten Tag abgewickelt werden soll und dass A den Wagen dafür zur B-GmbH bringen soll.
Wie verabredet kommt A am nächsten Tag zu den Geschäftsräumen der B-GmbH. Dort trifft er auf M, einen Mitarbeiter der B-GmbH, der mit einer Vollmacht ausgestattet ist bezüglich aller Erwerbs- und Veräußerungsgeschäfte von PKW.
A erfährt von M, dass der P erkrankt ist. Daraufhin erzählt A dem M, dass er gestern mit P einen Kaufvertrag über seinen Mercedes für 18 000 € abgeschlossen hat und dass er jetzt hier wäre, um diesen zwecks Erfüllung des Kaufvertrags abzuliefern.
M antwortet, dass er den Wagen annehmen könnte, aber die Kaufpreisauszahlung könnte er erst veranlassen, wenn er Rücksprache mit P gehalten habe.
A händigt dem M alle Fahrzeugschlüssel aus und übergibt ihm den Wagen. Die Zulassungsbescheinigung Teil II behält er jedoch. M lässt den Wagen für den Wiederverkauf vorbereiten.
Am 04.02.2016 kommt C in das Geschäft der B-GmbH. Als M ihn herumführt, entdeckt er den Mercedes und will ihn sofort kaufen. M und C schließen einen Kaufvertrag über 25 000 € ab. Da C den Wagen sofort mitnehmen will, geht er zur Bank und zahlt daraufhin 25 000 € in bar an der Kasse der B-GmbH.
Am 09.02.2016 meldet die B-GmbH Insolvenz an. A befürchtet, dass er die 18 000 € für seinen Mercedes nicht mehr bekommen wird. Auf Nachfrage bei P erfährt von dem Verkauf an C. A wendet sich daraufhin an C und verlangt Herausgabe des Autos. Zu Recht?
Abwandlung:
Schon vor dem Gespräch mit P weiß A aus der Presse von den finanziellen Schwierigkeiten der B-GmbH. Aus diesem Grund vereinbart er mit P, dass er sich das Eigentum bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung an dem Mercedes vorbehalte. Zudem dürfe die B-GmbH den Wagen nicht an andere Kunden geben, solange er noch nicht bezahlt sei.
Er weist den M am 02.02.2016 auf diese Vereinbarung hin, als er ihm den Wagen samt Schlüssel übergibt. Die Zulassungsbescheinigung Teil II nimmt er allerdings wieder mit. Am 04.02.2016 verkauft und veräußert M den Wagen trotzdem an C.
C, der über seinen neuen Wagen sehr erfreut ist, macht eine Spritztour auf der Autobahn. Als er mit 200 km/h aufgrund eines Fahrfehlers ohne Fremdeinwirkung die Kontrolle über den Wagen verliert und gegen eine Leitplanke prallt, erleidet der Wagen einen Totalschaden. C lässt ihn verschrotten. Nun fordert A von dem C Schadensersatz in Höhe von 18.000 €, was auch dem objektiven Wert des Wagens entspricht.
Bearbeitervermerk:
Die Zulassungsbescheinigung Teil II ersetzt seit dem 01.102015 nach § 12 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung den KFZ-Brief.
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Sachverhalt
K sucht ein Grundstück, da er ein Einfamilienhaus bauen will. Er beauftragt den Makler M, damit dieser ihm eine geeignete Immobilie vermittelt. Im Erfolgsfall soll M eine Provision in Höhe von 3% des Kaufpreises zuzüglich Mehrwertsteuer bekommen.
M wird schnell fündig und vermittelt dem K den Kontakt zu V, der ein passendes Grundstück verkaufen will.
Im März 2016 schließen K und V einen notariell beurkundeten Kaufvertrag über das Grundstück mit einem Kaufpreis von 70 000 € ab.
Im Grundbuch ist ein Vorkaufsrecht für N eingetragen, daher wird auf ausdrücklichen Wunsch des M folgende Klausel in den Kaufvertrag zwischen V und K aufgenommen:
§ 8 Vorbehalt des Rücktrittsrecht; Provision
(1) Der V behält sich den Rücktritt vom Kaufvertrag vor, für den Fall, dass N von seinem Vorkaufsrecht form- und fristgerecht Gebrauch macht. Der Rücktritt muss gegenüber dem Käufer K innerhalb der Frist von einer Woche nach Zugang der Erklärung des N schriftlich erklärt werden.
(2) Der Käufer K muss an M eine Provision in Höhe von 3% des Kaufpreises zuzüglich Mehrwertsteuer zahlen.
Noch am Tag der Beurkundung des Kaufvertrages überweist K die Provision in Höhe von 2499 € an M. V leitet den Kaufvertrag an N weiter, dieser geht dem N am 25.03.2016 zu. Mit einem Schreiben vom 29.03.2016, welches V am selben Tag zugeht, erklärt N das Vorkaufsrecht. V erklärt daraufhin gegenüber K in einem Schreiben, das dem K am 02.04.2016 zugeht, den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er weist auf das Schreiben des N hin, das er als Kopie beifügt.
Frage 1:
Kann K die Erstattung der Provision verlangen
• von M?
• von N?
Abwandlung
V verheimlicht dem K die Erklärung des N und lässt das Grundstück am 05.05.2016 für K auf.
Die Grundbuch-Eintragung des K als Eigentümer erfolgt am 03.06.2016. Im Juli 2016 fragt N, wann die Abwicklung des Vorkaufs erfolgen könne. Dann erfährt er von dem Vorgehen des V.
Frage 2: Kann N noch Eigentümer des Grundstücks werden?
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Sachverhalt
Der V möchte sich ein E-Bike zulegen. Nach langer Recherche entscheidet er sich für ein besonders hochwertiges Modell im Wert von 3200 €. Der Händler überlässt ihm das E-Bike für nur 3000 € – selbstverständlich unter Eigentumsvorbehalt – gegen fünf Ratenzahlungen.
Nachdem V die ersten vier Raten bezahlt hat, verletzt er sich am Knie und kann das E-Bike kaum noch nutzen. Daher sagt er zu seinem Sohn S: „Ich überlasse dir die Rechte an dem E-Bike, aber gib es nicht weg!“
S, der von dem Kauf unter Eigentumsvorbehalt weiß, freut sich und lässt noch einen Fahrradkorb anbauen (Kosten 300 €), der Gesamtwert des E-Bikes steigt damit um 200 € an.
Im Folgenden wird gegen V ein Strafverfahren eingeleitet, da er des Einbruchs verdächtigt wird. Vor Gericht macht der S eine belastende Aussage gegen den V.
Um den V zu ärgern, veräußert S das E-Bike an seinen Freund F für einen Kaufpreis von 2720 €. F kann jedoch den Kaufpreis nicht aufbringen und nimmt deshalb bei seinem Onkel O ein Darlehen auf. Als Sicherheit übereignet der F dem O das Eigentum am Fahrrad, er darf es aber weiter nutzen. O ist gutgläubig im Hinblick auf die Eigentümerstellung des F.
Später möchte der S mit seiner Freundin eine Fahrradtour machen und fragt den F, ob er sich das E-Bike ausleihen könnte. Um seine finanzielle Situation zu verbessern, entschließt sich S das E-Bike an den T zu veräußern. T ist bösgläubig. Zudem hat T kein Interesse an dem Fahrrad und möchte es nur schnell an den U weiterveräußern.
Da sich das Fahrrad noch bei S befindet, bittet T den S, dass er es gleich an den U übergeben soll. Als U das Fahrrad erhält, ist er begeistert und möchte sich nicht mehr davon trennen.
Erst jetzt hat V die letzte Rate gezahlt. Von den zurückliegenden Vorkommnissen weiß er bis dahin nichts. Dann sieht er den U auf dem E-Bike, woraufhin er S zur Rede stellt.
Hämisch grinsend erzählt S dem V die ganze Geschichte. Erbost verlangt V die Herausgabe des E-Bikes, zumindest wolle er aber sein Geld zurück. Schließlich sehe er nicht ein, warum ein Fremder mit seinem Fahrrad herumfahre, auch S habe das E-Bike aufgrund der Ereignisse nicht mehr verdient.
Der F kann die Darlehensraten an den O nicht mehr bezahlen. O möchte sich aus seiner Sicherheit befriedigen.
V und O fragen Sie als Rechtsanwältin/Rechtsanwalt, wie die Zivilgerichte entscheiden würden:
Welche Ansprüche hat V gegen S?
Kann O die Herausgabe des E-Bikes von U verlangen?
Im Folgenden eine Übersicht über im Juli veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 2 StR 335/15
Anfrage des 2. Strafsenats an die übrigen Senate gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass eine Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln keine Erpessung darstellt (§§ 253, 255 StGB), da Betäubungsmittel nicht dem Vermögen des Genötigten unterfallen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der 2. Strafsenat nicht festhalten. Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitze und denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung oder Nötigung entziehe, stelle einen offenkundigen Widerspruch dar. Zudem bleibe die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindere, dass ein strafrechtsfreier Raum entstehe. Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt würden, dienten nicht dem Schutz des Vermögensbestandes und besagten nichts über die Legitimität des Besitzes. Die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung des Drogenbesitzes sei auch nicht deswegen geboten, weil in angrenzenden Fällen, in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen würden, ein Eigentumsdelikt (namentlich § 242 StGB) vorläge. Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen würden auch an anderer Stelle hingenommen und zwängen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals „Vermögen“ auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken. Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheine zudem seinerseits nicht zwingend.
II. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 112/16
Die Vorschrift des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt das Einbrechen, Einsteigen oder Eindringen in eine Wohnung voraus. Bricht der Täter in Kellerräume ein, ist der Tatbestand nur erfüllt, wenn diese Räume durch eine unmittelbare Verbindung zum Wohnbereich dem Begriff des Wohnens typischerweise zuzuordnen sind. Dies ist regelmäßig beim Keller eines Einfamilienhauses, nicht aber bei vom Wohnbereich getrennten Kellerräumen in einem Mehrfamilienhaus der Fall (st. Rspr.). Das Aufhebeln einer Kellertür in einem Mehrfamilienhaus ist daher zur Verwirklichung des Tatbestandes auch dann nicht ausreichend, wenn der Täter im Nachgang in dem sodann ungehindert zugänglichen Wohnbereich des Hauses stehlenswerte Gegenstände entwendet.
III. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 3 StR 22/16
Die Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) wird durch den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Misshandlung Schutzbefohlener, wobei der Schutzbefohlene in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird) verdrängt. Dies hat seinen materiellen Grund darin, dass abstrakte Gefährdungsdelikte gegenüber den dieselben Rechtsgüter schützenden konkreten Gefährdungsdelikten subsidiär sind. Dies gilt auch für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB, denn Grund der Strafschärfung ist auch hier, dass die schutzbefohlene Person durch die Tat nach § 225 Abs. 1 StGB in die konkrete Gefahr des Todes gebracht wird. Daneben ist für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der bloß abstrakten Lebensgefährdung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum.
IV. BGH, Urteil vom 22. Juni 2016 – 5 StR 98/16
Ein vollendeter Raub (§ 249 StGB) ist auch dann gegeben, wenn der Kläger bereits mit Zueignungsabsicht handelnd zunächst das Opfer durch Gewalteinwirkung verletzt und den anschließenden Krankenhausaufenthalt sodann nutzt, um alsbald in dessen Haus zu gelangen und dort ungehindert Gegenstände mitzunehmen. Für die raubspezifische Einheit von qualifizierter Nötigung und Wegnahme [i.S.e. neben die finale Verknüpfung von Gewaltanwendung und Wegnahme tretenden, zeitlich-örtlichen Zusammenhangs] ist dabei maßgeblich, ob es zu einer – vom Täter erkannten – nötigungsbedingten Schwächung des Gewahrsamsinhabers in seiner Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft gekommen ist (Leitsatz des Gerichts). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Geschädigte aufgrund schwerer Verletzungen ins Krankenhaus verbracht wird, da er dann ähnlich wie bei einer Bewusstlosigkeit schon nicht mehr in der Lage ist, einen gegen den Gewahrsamsbruch des Angeklagten gerichteten Abwehrwillen zu bilden und die zeitliche Differenz zwischen Gewaltanwendung und Wegnahmehandlung nicht mehr als zwei Stunden beträgt. Das in § 252 StGB enthaltene Erfordernis „auf frischer Tat“ steht dieser Auslegung schon im Hinblick auf die andersartige Struktur dieses Tatbestands nicht entgegen. Eine Fehlvorstellung des Täters, der ursprünglich beabsichtigte, bereits unmittelbar nach der Gewalteinwirkung aufgrund einer Bewusstlosigkeit des Opfers Gegenstände aus dessen Haus mitzunehmen, stellt dabei eine unwesentliche Abweichung von Kausalverlauf dar (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).