Gestern wurde bekannt, dass Papst Benedikt einen Unterlassungsanspruch gegen die Satirezeitschrift Titanic erwirken möchte, wonach es ihr verboten werden soll, Titel und Rückseite der letzten Ausgabe weiter zu verbreiten.
Unter dem Titel „Halleluja im Vatikan. Die undichte Stelle ist gefunden“ zeigte der Titel den Papst in weißer Soutane mit einem großen gelben Flecken im unteren Bereich des Schritts. Auf dem Rückcover war die Rückenansicht des Papstes mit einem braunen Flecken abgebildet und dem Schriftzug „Noch eine undichte Stelle gefunden!“. Primäre Assoziation dieses Beitrags ist es, den Papst als inkontinent anzusehen. Hingegen kommentierte der Titanicchefredakteur den Beitrag wie folgt: „Benedikt muss uns missverstanden haben. Der Titel zeigt einen Papst, der nach der Aufklärung der Spitzelaffäre („Vatileaks“) feiert und im Überschwang ein Glas Limonade über seine Soutane verschüttet hat. Es ist allgemein bekannt, dass der Papst ein großer Freund des Erfrischungsgetränks ‚Fanta‘ ist.“
Aufgrund dieser Veröffentlichung sah sich der Papst in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und beauftragte eine Bonner Kanzlei mit der Vertretung seiner Interessen. Im Zusammenhang mit dieser Rechtsfrage stellen sich einige interessante Fragestellungen.
I. Post vom Papst?
Es ist wohl nicht alltäglich, dass der Papst Anwälte mit der Vertretung seiner Interessen betraut. Schließlich bekommt man ja nicht jeden Tag Post aus dem Vatikan. Zur Erhebung einer entsprechenden Klage ist aber eine Vollmacht bzw. eine Untervollmacht des Papstes zwingend notwendig, soll doch hier ein Recht durchgesetzt werden, dass nur ihm allein zusteht. Veröffentlicht wurde bisher das Schreiben eines Erzbischofs, in dem er die Kanzlei mit der Wahrnehmung der Interessen durch Vollmacht des Papstes bittet. Bei Untervollmachten im weiteren Sinne ist eine lückenlose Vollmachtskette nachzuweisen (BGH NJW-RR 2002, 933). Es muss demnach zusätzlich eine Bevollmächtigung des Papstes an seinen Erzbischof vorgelegen haben und der Kanzlei vorliegen
II. Wer ist Kläger – Papst Benedikt XVI. oder Joseph Ratzinger?
Eine weitere interessante Frage ist, wer die Verletzung des Persönlichkeitsrechts geltend macht: Ist es Papst Benedikt XVI. als Amt, als Person oder ist es Joseph Ratzinger?
Klar muss sein, dass jedenfalls der Papst nicht als Amt die Verletzung geltend macht – die Verletzung des APR knüpft gerade an eine natürliche Person und nicht an ein Amt an. Geklärt werden muss aber, wer genau verletzt ist, oder anders gesagt, ob es Joseph Ratzinger als Person überhaupt noch gibt, oder ob dieser zu Benedikt XVI. geworden ist. Richtig ist, dass es sich bei dem Namen Benedikt XVI. nur um einen Ordensnamen im rechtlichen Sinne handelt. Der bürgerliche Name Joseph Aloisius Ratzinger bleibt damit also weiterhin sein bürgerlicher Name unter dem er im Rechtsverkehr auch auftreten kann.
Anmerkung: Hier werden beide Namen synonym verwendet. Eine rechtliche Aussage ist damit nicht verbunden.
III. Zentrale Frage: Verletzung des APR und mögliche Rechtfertigung
Geltendgemacht wird hier ein Unterlassungsanspruch, der sich aus § 1004 BGB ergibt. Diese Regelung, die dem Wortlaut nach nur auf eine Beeinträchtigung des Eigentums bezogen ist, ist auch bei einer Beeinträchtigung sonstiger absoluter Rechte i.S.d. § 823 BGB anwendbar (Palandt/Bassenge, § 1004, Rn. 4). Der Schutz komplettiert damit also den Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB.
1. Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegt hier ohne Weiteres vor. Zwar muss hier kurz geprüft werden, ob eine natürliche Person betroffen ist, nach dem oben Erwähnten ist dies aber unproblematisch gegeben. Geschützt sind alle Darstellungsformen nach außen.
2. Eine Verletzungshandlung liegt durch die Veröffentlichung der Zeitschriften mit der entsprechenden Abbildung unstrittig vor.
3. Zentrales Problem ist aber, ob diese Veröffentlichung widerrechtlich gewesen ist, oder ob der Zeitschrift Titanic Rechtfertigungsgründe zugute gehalten werden können. Liegen schützenswerte Interessen des Beklagten vor, so ist in einer Güterabwägung zu ermitteln, welche Interessen im konkreten Fall überwiegen.
a) Schutz der Pressefreiheit Art. 5 Abs. 1 GG
Grundsätzlich hat die Titanic ein Interesse, die Zeitschriften zu veröffentlichen. Durch die Nichtveröffentlichung ist zwangsläufig die Pressefreiheit verletzt. Grundsätzlich ist davon auch der gesamte Inhalt des Presseorgans erfasst (BGH NJW 2009, 2888), eine Wertung wird an dieser Stelle nicht vorgenommen. Dennoch hat der Schutz der Pressefreiheit und der damit verbundenen Meinungsfreiheit vor allem auch eine inhaltliche Komponente – die Presse soll vor einer Zensur geschützt werden, das heißt es soll ihr nicht verboten werden, über bestimmte Themen und Ansichten zu berichten. Im konkreten Fall geht es der Zeitschrift weniger um einen inhaltlichen Bericht, als um eine bloße Provokation. Zwar enthält die Darstellung einen Bezug zur sog. „Vatileaksaffäre“ – inhaltliche Berichte hierzu sind freilich nicht enthalten.
Der Schutz der Pressefreiheit ist damit zwar eröffnet, der Eingriff bewegt sich aber am unteren Rand des Feststellbaren.
b) Schutz der Satire: Meinungsfreiheit/Kunstfreiheit – Art. 5 Abs. 1; Abs. 3 Satz 1 GG
Deutlich relevanter ist allerdings eine mögliche Verletzung der Meinungs/- und Kunstfreiheit, die sich dann auch in Verbindung mit der Pressefreiheit als Wirkbereich zeigt. Die Grenzen zwischen Meinungs- und Pressefreiheit bzw. Kunstfreiheit sind hier fließend, handelt es sich bei der Satire doch um eine Hybridform, die Aspekte aller drei geschützter Rechte enthält.
Grundsätzlich handelt es sich bei Satire um eine Meinungsäußerung (ausführlich hierzu NJW 1995, 809). Durch die freie Gestaltung der kritisierten Titel tritt aber (zumindest nach dem offenen Kunstbegriff) auch der künstlerische Aspekt hinzu. Kerninhalt der Satire ist das Arbeiten mit Übertreibungen oder Verfremdungen. Dieses Kriterium beinhaltet aber gleichwohl die Voraussetzung, dass eine inhaltliche Aussage damit verbunden sein muss, die durch die gewählte Darstellungsform nur verzerrt wird. Es ist damit zu ermitteln, welche Aussage mit dem Mittel der Satire dargestellt wird. Ist die Satire hingegen allein als Provokation anzusehen, dann ist sie nicht mehr von den genannten Grundrechten gedeckt, denn es wird keine Meinung mehr kundgetan, so dass der Schutzbereich nicht eröffnet wäre. Es handelt sich dann insofern nur um Scheinsatire. Ungeachtet dessen verbietet sich eine zu strenge Betrachtung. Vielmehr muss jede noch mögliche Deutung als wahrscheinlich angesehen werden, ansonsten würden die Grundrechte zu wenig beachtet.
Bei einer wohlwollenden Betrachtung wäre es bei der hier relevanten Karikatur möglich, die Aussage hineinzulesen, der Papst sei das Leck bei der Vatileaksaffäre, von ihm stammten also die Informationen, die an die Öffentlichkeit gelangt sind. Zwingend ist eine solche Auslegung freilich keineswegs. Es ist ebensogut möglich in dem Titel lediglich eine Verunglimpfung des Papstes als Person zu sehen, ohne dass damit eine weitere inhaltliche Aussage verbunden ist. Jedenfalls fern jeder Auslegung ist die vorgegebene Auslegung des Redakteurs, der Papst habe sich aus Freude mit Fanta bekleckert, enthält der Titel doch keinerlei Hinweise hierauf. Eine solche – nicht ehrverletzende Deutung – ist ausgeschlossen, liegt sie doch fernab des Erkennbaren.
Teilt man also die Ansicht, dass es sich nicht um Satire im rechtlich geschützten Sinn handelt, so entfällt bereits der Schutz der Meinungs- und Kunstfreiheit. Vertritt man hingegen die Gegenansicht, so wäre der entsprechende Schutzbereich eröffnet und es gebietet sich eine Abwägung mit den entsprechenden geschützten Interessen des Papstes. Eine Ehrverletzung des Papstes durch die Darstellung als inkontinent (eine andere Deutung erscheint nicht möglich) verletzt ihn dann zwar in seiner Ehre, dies könnte aber durch die damit verbundene Aussage, er sei das Leck der Affäre, oder es gäbe weiterhin ein entsprechendes Leck (die aus der Satire gelesen werden könnte), gerechtfertigt sein.
c. Interessenabwägung
In diesem Fall muss eine Interessenabwägung erfolgen. Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, wie schwer der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist bzw. wie stark die Meinungs- und Pressefreiheit tangiert sind. Ein weiteres Kriterium bei dieser Abwägung ist, inwiefern der Kläger durch eigenes Verhalten den Angriff mitverursacht hat.
Beim Papst handelt es sich um eine Person des öffentlichen und auch politischen Lebens, so dass Eingriffe einfacher gerechtfertigt werden können. Getrennt werden kann dabei auch nicht streng zwischen der Stellung als öffentliche Person und als Privatperson. Allerdings spricht für den Papst, dass er im Gegensatz zu Politikern nicht selbst polarisierend an Diskussionen teilnimmt und selbst Vorwürfe erhebt oder Dritte angreift (vgl. zu dieser Frage BGH NJW 61, 819; BGH 31, 308, 314).
Der Eingriff ist hier auch verhältnismäßig schwerwiegend, eine Darstellung des Papstes als inkontinent würdigt ihn als Person herab. Auch als öffentliche Person muss ein solcher Angriff, dem zunächst jeder sachliche Aspekt fehlt, nicht hingenommen werden.
Im Gegensatz dazu bewegt sich das konkrete Interesse am Schutz der Pressefreiheit und der Satire als Meinungs- und Kunstfreiheit im unteren Bereich. Es handelt sich allenfalls „gerade noch“ um Satire, deren Aussagegehalt sehr gering ist. Zwar ist eine inhaltliche Kontrolle als solche nicht möglich, dennoch muss klar werden, dass das Schutzbedürfnis auch abhängig von der Stärke der zu verbreitenden Aussage sein muss. Nicht jede Provokation kann sich auf eine satirische Ebene berufen.
Das schützenswerte Interesse des Papstes überwiegt damit das Interesse an einer Veröffentlichung; aus diesem Grund ist eine Rechtfertigung des Eingriffs nicht möglich.
Ein Unterlassungsanspruch ist damit zu bejahen.
IV. Entschädigungsanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB
Ebenso würde den Papst bei einer fortgesetzten Beeinträchtigung auch ein Entschädigungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen. Gewährt wird hier ein Ersatz für den erlittenen immateriellen Schaden. Hintergrund ist hier nicht der Ausgleich eines Schadens, sondern die Rehabilitation und Genugtuung. Aus diesem Grund ergibt sich der Anspruch auch direkt aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG. (Palandt/Sprau, § 823 Rn. 124). Die Höhe ergibt sich aus dem Grad der Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
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