Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
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Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Marilena Mroß veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Studentin der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg und hat dort den Schwerpunkt Maritimes Wirtschaftsrecht belegt.
Seit Beginn der Flüchtlingskrise entlädt sich besonders viel Zorn und Feindseligkeit im Internet. Während das BKA im Jahr 2014 noch 1.119 Hasspostings zählte, waren es im vergangenen Jahr bereits 3.084[1]. Dabei gelangt längst nicht jede Pöbelei oder Drohung in die Polizeistatistik. Unter dem vermeintlich sicheren Deckmantel der Anonymität des Internets wüten viele Nutzer hemmungslos gegen Ausländer und Flüchtlinge. Nicht selten werden durch die Beiträge auch Straftatbestände verwirklicht. Dass Worten auch direkte Taten folgen können, lässt die zunehmende Zahl von Anschlägen auf Asylbewerberunterkünfte in Deutschland vermuten. Experten gehen davon aus, dass sich Neonazis durch Hetze zum Handeln ermuntert fühlen[2]. Die steigenden Flüchtlingszahlen machen aber auch Bürger aus der Mitte der Gesellschaft empfänglicher für derartige Botschaften.
Ein jüngst ergangenes Urteil des LG Würzburg gegen einen Internethetzer wird als Anlass für die folgenden Ausführungen genommen.
I. LG Würzburg, Urteil vom 17.10.2016
Am 17.10.2016 verurteilte das Landgericht Würzburg einen Mann wegen rechtsradikaler Hassparolen bei Facebook im Berufungsverfahren zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren[3]. Ein Amtsgericht hatte den Mann 2015 zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt[4], das Landgericht bestätigte die Haftstrafe, setzte sie aber herab.
Der Mann hatte auf Facebook Hassparolen veröffentlicht und zu Gewalt und Mord aufgerufen. Unter anderem hatte er gegen Flüchtlinge, Ausländer und Juden gehetzt.
II. Strafverfolgung von Internethetzern
Als Hetz- und Hasskommentar-Straftatbestände kommen v.a. die öffentliche Aufforderung zu Straftaten, § 111 StGB, Anstiftung zur Straftat (sofern ein Dritter der öffentlichen Aufforderung nachkommt)[5], Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung, §§ 130, 131 StGB, Nötigung und Bedrohung, §§ 240, 241 StGB, sowie Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung, §§ 185 – 187 StGB, in Betracht. Beim Großteil der erfassten „Hasspostings“ im Jahr 2015 handelte es sich um Fälle der Volksverhetzung[6].
Auch im Falle des LG Würzburg wurde der Angeklagte (neben öffentlichen Aufrufs zu Straftaten) wegen Volksverhetzung verurteilt. Wer mit seinem Facebook-Profil Meldungen postet, die in rassistischer Weise hetzen, kann den Tatbestand des § 130 StGB erfüllen. In Deutschland gilt zwar grundsätzlich die durch Art. 5 I GG verfassungsrechtlich geschützte Meinungsfreiheit. Allerdings sind diesem Grundrecht durch Abs. 2 Alt. 1 Grenzen gesetzt, wenn die Meinungsäußerung gegen allgemeine Gesetze, wie § 130 StGB, verstößt[7].
1. Strafbarkeit aus § 130 I StGB
Gem. § 130 I, II StGB kommen als unmittelbare Angriffsobjekte Teile der Bevölkerung sowie zugehörige Einzelpersonen in Betracht. Bevölkerungsteile sind inländische Personenmehrheiten, die individuell nicht mehr überschaubar sind und sich von der Gesamtheit der Bevölkerung auf Grund bestimmter Merkmale unterscheiden, welche äußerer oder innerer Art sein können[8]. Darüber hinaus erfasst Abs. 1 seit 2011 nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppen, ist somit nicht mehr auf inländische Gruppierungen beschränkt[9]. Sowohl Ausländer[10] als auch Flüchtlinge[11] und Juden[12] bilden damit Personengruppen i.S.d. § 130 StGB.
Bei § 130 I StGB muss das Aufstacheln zum Hass, die Aufforderung zu Gewaltmaßnahmen bzw. der Angriff auf die Menschenwürde geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. § 130 III StGB verbietet das öffentliche Billigen, Leugnen oder Verharmlosen des Völkermordes, der unter der Nazi-Willkürherrschaft begangen wurde, sofern es geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Bei beiden Delikten handelt es sich um abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte. Diese erfordern keine konkrete Gefahr, wohl aber eine konkrete Eignung zur Herbeiführung einer Gefahr[13]. Die Handlung muss somit bei konkreter Betrachtung zur Friedensstörung geeignet sein. Hierfür genügen berechtigte Gründe für die Befürchtung, der Angriff werde das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern – sei es auch nur bei der Bevölkerungsgruppe, gegen die er sich richtet[14]. Anhaltspunkt dafür kann bereits die Publikation für eine breite Öffentlichkeit sein[15]. Jedoch folgt aus der inflationären Einstellung fast jeder Nachricht in das Internet eine Abrufbarkeit für jedermann. Dies hat zur Folge, dass dem Tatbestandsmerkmal der Eignung zur Friedensstörung – auf die Wahrnehmbarkeitsbreite der Nachricht reduziert – nahezu jede eigene Bedeutung genommen[16] bzw. der Kreis tatbestandsmäßiger Handlungen ausufern würde. Somit lässt sich die Friedensstörungseignung nicht schon nur aus dem Zugänglichmachen über das Internet schließen. Stattdessen können bei der Beurteilung im Einzelfall ebenfalls die jeweiligen aktuellen Rahmenbedingungen, die Befindlichkeit der Bevölkerung und die politische Situation berücksichtigt werden.
2. Strafbarkeit aus § 130 II StGB
§ 130 II Nr. 1 StGB ist ein Schriften-Verbreitungsdelikt. Zunächst müsste es sich bei Postings im Internet um Schriften i.S.d. § 130 II Nr. 1 StGB handeln. Nach § 11 III StGB sind auch Datenträger den Schriften gleichgestellt. Bei den auf dem Computerbildschirm abgebildeten Zeichen handelt es sich mangels Dauerhaftigkeit der Darstellung nicht um Schriften[18]. Beim Veröffentlichen eines Posts wird dieser jedoch zumindest auf dem Internetserver des Anbieters, und damit einem Datenträger i.S.d. § 11 III StGB, gespeichert[19].
Weiter müsste diese Schrift durch Absetzen der Mitteilung verbreitet und/oder zugänglich gemacht worden sein. Zugänglichmachen liegt vor, wenn einem anderen die Möglichkeit eröffnet wird, sich durch sinnliche Wahrnehmung Kenntnis von dem Inhalt der Schrift zu verschaffen, wobei dies öffentlich erfolgen muss[20]. Durch das Posten der Nachricht wird anderen die Kenntnisnahme des Inhalts der Schrift ermöglicht, da die Nachricht aufgrund des sozialen Netzwerkcharakters von Facebook potentiell für die Nutzerschaft, und damit öffentlich, abrufbar ist[21]. Erfasst sind im Einzelfall auch geschlossene Benutzergruppen, soweit diese ohne größere Schwierigkeiten von jedermann betreten werden können[22].
Während früher für die Verbreitung neben dem Zugänglichmachen an einen größeren individuell nicht feststehenden Personenkreis auch die körperliche Übergabe der Schrift bzw. des Schriftenträgers nötig war, verzichtet die Rechtsprechung mittlerweile in Anpassung an die Internetmedien auf das Körperlichkeitserfordernis. Demnach liegt ein Verbreiten bereits vor, wenn eine Datei auf dem Rechner eines Internetnutzers abgespeichert wurde[23]. Noch weiter fasste der BGH den Begriff 2006, indem er bereits das Einstellen von Dateien in das Internet als Verbreiten bezeichnete[24]. Teile der Literatur kritisieren diese weite Auslegung des Begriffs: Bei seiner Begriffsbestimmung verwische der BGH die Grenzen zwischen Schrift bzw. dem Datenträger und dem jeweiligen Inhalt, obwohl die Internetpublikation regelmäßig bereits die Tatbestandsvariante des Zugänglichmachens erfüllt, sodass auch bei engerer Auslegung des Begriffs keine Strafbarkeitslücke vorhanden sei. Ferner verhindere die Begriffsbestimmung des BGH eine sinnvolle Abgrenzung zwischen „Verbreiten“ und „Zugänglichmachen“, obwohl Wortsinn und Systematik des § 130 II StGB eine inhaltliche Differenzierung nahelegen[25].
Bei der Freischaltung einer Statusmeldung/eines Kommentars im sozialen Netzwerk ist es der publizierenden Person grundsätzlich nicht möglich, den wahrnehmenden Personenkreis verbindlich zu begrenzen und so zu kontrollieren. Zwar wird die Statusmitteilung zunächst nur an die (zahlenmäßig bestimmten) befreundeten Profile geleitet und befindet sich damit kurzfristig in einer nicht allgemein, d.h. von jedermann zugänglichen Sphäre. Allerdings ist diese Kommunikationsform – Statusmitteilungen im Dienst Facebook – gerade auf die beliebige Weiterverbreitung angelegt (im Gegensatz zur „privaten Nachricht“), die Wahl des Publikationsmediums spricht damit für den Wunsch einer öffentlichen Kundgabe[26]. Beim Einstellen ins Internet liegt somit nach der Rechtsprechung neben dem Zugänglichmachen auch eine Verbreitung vor[27]. Ferner müsste die tatgegenständliche Schrift gem. Abs. 2 Nr. 1 lit. a – c volksverhetzenden Inhalt enthalten. Bei Abs. 2 ist die konkrete Eignung zur Friedensstörung nicht erforderlich, § 130 II StGB ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt[28].
III. Haftung von sozialen Medien
Weiter sollen auch die sozialen Medien selbst in Verantwortung genommen werden. Bereits im September 2015 hatte sich eine – auf Initiative des BMJV – gebildete Arbeitsgruppe von Internetanbietern, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen der Medienkontrolle darauf geeinigt, dass gemeldete und strafbare Kommentare in der Regel innerhalb von 24 Stunden entfernt werden sollen[29]. Die Löschung erfolgt jedoch noch immer unzureichend, sodass viele Posts wesentlich länger online abrufbar bleiben[30]. Zur Debatte steht daher, die Internetkonzerne für die auf ihren Plattformen verbreiteten Inhalte haften zu lassen (z.B. Bußgeldzahlungen oder Schadensersatzzahlungen an die Opfer bei Nicht- bzw. verspätetem Löschen strafbewehrter Einträge)[31]. Für Plattformbetreiber könnte ferner – etwa bei volksverhetzenden Beiträgen ihrer Nutzer – eine Beihilfe gem. § 27 StGB in Betracht kommen, soweit sie konkrete Kenntnis von strafrechtlich relevanten Inhalten erlangen und diese nicht unverzüglich entfernen[32].
Facebook ist derzeit maßgeblicher Transporteur von Hassreden in Deutschland. Schwierigkeiten bereitet dem aus den USA stammenden Unternehmen die strafrechtliche Bewertung von Beiträgen insb. wegen Ungleichheiten der Rechtssysteme. Der deutsche Straftatbestand der Volksverhetzung i.S.d. § 130 StGB ist mit den US-amerikanischen Vorstellungen von „Free Speech“ nicht vereinbar. Facebook müsste, um eine rechtlich korrekte Bewertung zu gewährleisten, eine rechtliche Fragmentierung der Plattform vornehmen, um den jeweiligen, teilweise sehr unterschiedlichen Rechtsordnungen gerecht zu werden, statt global gültige Regeln aufzustellen.
IV. Fazit
Die bundesweite quantitative Zunahme an rechtsextremistischer Agitation im Netz führt zu dringendem Handlungsbedarf. Vermeintlich rechtsfreie Räume sind nicht hinnehmbar.
Das Bewusstsein der User, sich auch anonym und zuhause hinter dem eigenen Rechner strafbar zu machen, muss geschärft werden. Hierfür sind bundesweite Razzien gegen digitale Hetzer und erste Urteile, wie das des LG Würzburg, mit generalpräventiver Wirkung begrüßenswert. Auch die Mithilfe anderer User, sozial verantwortlich zu handeln und Hasspostings zu melden, ist unablässig. Dies führt natürlich nur dann zu den gewünschten Erfolgen, wenn die Internetunternehmen die gemeldeten strafbewehrten Posts dann auch unverzüglich löschen.
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[1] Bundesministerium des Innern, Politisch Motivierte Kriminalität im Jahr 2015, Bundesweite Fallzahlen, S. 5, abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Nachrichten/Pressemitteilungen/2016/05/
pmk-2015.pdf?__blob=publicationFile.
[2] Pressemitteilung des BKA „Gegen Hass und Hetze im Netz: Bundesweiter Einsatztag zur Bekämpfung von Hasspostings” vom 13.07.2016, S. 2, abrufbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Presse_2016/pm160713_Hatespeech.html.
[3] LG Würzburg, AZ: 2 Ns 701 Js 20195/14.
[4] AG Kitzingen, AZ: 1 Ls 701 Js 20195/14.
[5] Problematisch allerdings bei unüberschaubaren Zahlen an verbundenen Facebookprofilen die Tatbestandvoraussetzung des „individualisierbaren Personen/-Adressatenkreises“.
[6] 2.261 von 3.084, vgl. Bundesministerium des Innern, Politisch Motivierte Kriminalität im Jahr 2015, Bundesweite Fallzahlen, S. 5.
[7] Schemmer, in Epping/Hillgruber, Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 30. Aufl. 2016, Art. 5 Rn. 97 ff., 113.
[8] Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, § 130 Rn. 3.
[9] Kühl, in Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. 2014, § 130 Rn. 2.
[10] NStZ-RR 12, 277; Hamm NStZ 95, 136.
[11] Bay NJW 94, 452; 95, 145; Frankfurt NJW 95, 143.
[12] BGHSt 16, 56; 21, 371; 29, 26.
[13] Schäfer, in Münchener Kommentar zum StGB, 2. Aufl. 2012, § 130 Rn. 9.
[14] BGHSt 16, 49, 56.
[15] BGHSt 29, 26, 27; 46, 212, 219.
[16] BGH NStZ 2007, 216, 217.
[17] OLG Brandenburg NJW 2002, 1440, 1441; AG Linz am Rhein NStZ-RR 1996, 358, 359; OLG Frankfurt NJW 1995, 143, 144.
[18] Römer, Verbreitungs- und Äußerungsdelikte im Internet, 2000, S. 84 f.
[19] Schulte/Kanz, Daumen hoch?! – Die Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook aus strafrechtlicher Perspektive, ZJS 1/2013, S. 29, 30.
[20] Rackow, in Heintschel-Heinegg, Beck’scher Online Kommentar StGB, 32 Aufl. 2016, § 130 Rn. 27.
[21] Schulte/Kanz, Daumen hoch?! – Die Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook aus strafrechtlicher Perspektive, ZJS 1/2013, S. 34.
[22] LG Wuppertal NStZ 08, 464.
[23] BGHSt 47, 55, 58.
[24] BGH NStZ 2007, 216, 217.
[25] Lindemann/Wachsmuth, JR 2002, 204, 207 ff; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, 2. Aufl. 2012, Rn. 303.
[26] Schulte/Kanz, Daumen hoch?! – Die Like-Funktion im sozialen Netzwerk Facebook aus strafrechtlicher Perspektive, ZJS 1/2013, S. 29.
[27] BGH NStZ 2007, 216, 217; BayObLG NJW 2000, 2911, 2912.
[28] Ostendorf, in Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 130 Rn. 21.
[29] Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“; dazu ausführlich: https://www.bmjv.de/WebS/NHS/DE/Home/home_node.html.
[30] Pressemitteilung des BMJV „Löschung von strafbaren Hasskommentaren im Netz noch nicht ausreichend“ vom 26.09.2016, abrufbar unter https://www.bmjv.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2016/09262016_
Hasskriminalitaet.html;jsessionid=796BC57F6B2E785D7DB82CBBAF4AE044.1_cid289.
[31] So z.B. EU-Digitalkommissar Günter Oettinger und Unions-Fraktionschef Volker Kauder.
[32] Aktuell wird eine derartige Strafanzeige des Anwalts Chan-jo Jun gegen Facebook Manager bei der Staatsanwaltschaft München geprüft.
Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Dr. Jesko Baumhöfener veröffentlichen zu können. Der Autor ist als Strafverteidiger in Hamburg tätig. In seiner Kanzlei hat er sich unter anderem auf die Verteidigung im strafrechtlichen Revisionsverfahren spezialisiert.
Die Möglichkeiten zur Öffentlichkeitsfahndung nach einem Tatverdächtigen haben sich aufgrund der technischen Entwicklung verändert. Herkömmliche Methoden wie Steckbriefe, Ausschreibungen in Tageszeitungen oder Fahndungen bei „Aktenzeichen XY….ungelöst“ weichen der mit deutlich weniger Aufwand durchführbaren Fahndung über das Internet.
Die Ermächtigungsgrundlage für alle Öffentlichkeitsfahndungen nach einem Tatverdächtigen ist mit § 131 b StPO dieselbe; mit ganz unterschiedlichen Konsequenzen für den Verfolgten. Die Fahndung mittels Steckbrief ist durch Abhängen desselben beendet. Die Fahndung über das Fernsehen mit deren Ausstrahlung. Die Tageszeitung von gestern ist heute vergessen. Im Gegensatz hierzu endet die Öffentlichkeitsfahndung über das Internet quasi nie. Einmal eingestellte Informationen über den Tatverdächtigen unterliegen nicht mehr der Kontrolle der Ermittlungsbehörden, sondern können sich durch Teilen und Hochladen aufklärungsgeneigter Bürger in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Weblogs verselbständigen und perpetuieren.
Sollte sich das Recht der technischen Entwicklung wegen der durch sie ermöglichten Strafverfolgungseffizienz beugen?
Fahndung über das Internet erfreut sich großer Beliebtheit
Polizeibehörden verschiedener Bundesländer setzen verstärkt auf Öffentlichkeitsfahndungen über das Internet. Nach einem Pilotprojekt der Polizeidirektion Hannover, bei dem Fahndungen direkt bei Facebook eingestellt waren und ein Foto oder eine Phantomskizze des Tatverdächtigen sowie eine ausführliche Sachverhaltsbeschreibung auf Facebook erschienen, kamen datenschutzrechtliche Bedenken auf, weil der Sever von Facebook sich nicht in Deutschland, sondern den USA befindet. Hiernach sind beispielsweise die Polizeidirektion Hannover, das Landeskriminalamt Niedersachsen und andere Polizeibehörden und Landeskriminalämter, dazu übergangen, auf ihren Facebook-Seiten nur noch einen sogenannten „Teaser-Text“ zu veröffentlichen, mit dem noch keine Personenbeschreibungen preisgegeben werden, sondern lediglich allgemeine Informationen zum Tatablauf. Außerdem wird das Fahndungsfoto des oder der Tatverdächtigen lediglich verpixelt angezeigt. Eine Identifizierung ist auf der Facebook-Seite insofern noch nicht möglich. Erst wenn man dem Link folgt, der – um im Beispiel zu bleiben – auf die Internetseite der Polizeidirektion Hannover führt, bekommt man detaillierte Informationen zum Tatablauf und zu den Tatverdächtigen. Erst hier erscheint ein Foto oder Phantombild des oder der Tatverdächtigen auch unverpixelt.
Die Delikte, derentwegen die Fahndungen durchgeführt werden, sind ganz unterschiedlicher Natur. So tauchen Fahndungsmeldungen über Kapitalverbrechen ebenso auf wie beispielsweise einfache Diebstahls- oder Betrugstaten sowie Fahndungen nach Reifenstechern. Aktuell sucht die Polizeidirektion Hannover mit Hilfe eines Bildes aus einer Überwachungskamera beispielsweise einen (deutlich erkennbaren) Mann, der versucht hat in einem Bekleidungsgeschäft mit einer gefälschten Kreditkarte Bekleidung im Wert von über 3.000,00 Euro zu erhalten (hier einsehbar).
Zu berücksichtigen ist, dass die Verwendung der Fahndungsmeldung und damit auch der Abbildung des Tatverdächtigen im Prozess der sozialen Vernetzung für die Polizei kaum vorhersehbar und nur eingeschränkt kontrollierbar ist. Zwar hat die Polizei an den betreffenden Bildern auf der polizeilichen Internetseite das alleinige Nutzungsrecht. Dies kann allerdings nicht die Übernahme der Abbildung, z.B. in ein soziales Netzwerk oder einen Weblog, verhindern. Die Bürger machen von dieser Möglichkeit des Teilens oder Verlinkens polizeilicher Fahndungen regen Gebrauch. Es braucht eigentlich nicht darauf aufmerksam gemacht zu werden: Die Kopien von Fahndungsfotos und Fahndungstexten stehen, nachdem sie von Bürgern oder Onlineredakteuren ins Netz gestellt wurden, wiederum Dritten zum Speichern und Hochladen zur Verfügung. Fahndungsfotos und Fahndungstexten verbreiten sich auf diese Weise rasant über das Netz.
Ermächtigungsgrundlage
Veröffentlichungen von Fahndungsbildern und Fahndungstexten eines Tatverdächtige über das Internet fallen, wie Fahndungsaufrufe im Fernsehen oder Zeitungen oder Veröffentlichen von Steckbriefen an Litfaßsäulen, unter § 131b Abs. 1 StPO. Die Zuständigkeit für die Anordnung einer Öffentlichkeitsfahndung im Internet richtet sich nach § 131c StPO. Die §§ 131 ff. StPO wurden mit dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 in die StPO implementiert, zu jener Zeit also als Boris Becker in einer Fernsehwerbung für das Internetstartpaket von AOL fragte: „Bin ich da schon drin, oder was?“
Verfassungsmäßigkeit von Fahndungen nach einem Tatverdächtigen über das Internet
Sind die 1999 geschaffenen Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung (§ 131 Abs. 3, § 131 a Abs. 3, § 131 b, § 131c StPO) noch verfassungsgemäß, soweit damit auch Fahndungen nach einem Tatverdächtigen im Internet zugelassen werden? Oder hat das Gesetz hier mit der technischen Entwicklung nicht Schritt gehalten, so dass eine entsprechende Klarstellung durch den Gesetzgeber angezeigt ist?
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung
Fahndungsmaßnahmen, die sich an die Öffentlichkeit richten, berühren das Grundrecht der Gesuchten auf informationelle Selbstbestimmung. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ist allerdings nicht schrankenlos gewährleistet. Der Einzelne muss vielmehr solche Beschränkungen hinnehmen, die durch überwiegende Allgemeininteressen gerechtfertigt sind. Diese Beschränkungen bedürfen jedoch einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen muss.
Verhältnismäßigkeit
Da hinsichtlich der formellen Verfassungsmäßigkeit der Regelung zur Öffentlichkeitsfahndung (Zuständigkeit, Verfahren, Zitiergebot) keine Bedenken bestehen müsste das Gesetz zur Öffentlichkeitsfahndung, soweit damit auch Fahndungen im Internet zugelassen sind, einem legitimen Zweck dienen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, das heißt zur Erreichung des Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Die Effektivierung der Strafverfolgung ist ein legitimer Zweck, der einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich rechtfertigen kann. Es werden durch die Öffentlichkeitsfahndung im Internet außerdem Aufklärungsmöglichkeiten geschaffen, die sonst nicht bestünden und angesichts der zunehmenden Bedeutung des Internets unter Zurückdrängung der klassischen Medien in vielen Fällen erfolgversprechend sind. Ein milderes Mittel, welches ebenso weitreichende Aufklärungsmaßnahmen ermöglicht, ist nicht ersichtlich. Umfang und Geschwindigkeit der Verbreitung einer Fahndung steigern die Chancen auf Erfolg, welche online aus ermittlungstechnischer Sicht effektiver erfüllt werden kann. So sind auch die in der aktuellen Fassung der RiStBV unter dem Ordnungspunkt 1.2. der Anlage B vorgeschlagenen anderen Formen der Öffentlichkeitsfahndung, die den Tatverdächtigen weniger beeinträchtigen, wie der Einsatz von Plakaten, Handzetteln oder Lautsprecherdurchsagen, keine gleich geeigneten Mittel der Öffentlichkeitsfahndung. Sie erreichen jeweils nur eine begrenzte Anzahl an Personen und können sich nicht so schnell verbreiten wie eine Online-Fahndung.
Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn
Bei der im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne durchzuführenden Abwägung der widerstreitenden Interessen bieten höchstrichterliche Entscheidungen zur Zulässigkeit von Medienberichterstattungen über Straftaten gute Orientierung.
„Lebach“ und „Recht auf Vergessenwerden“
Die Lebach-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1973 prägt die Rechtsprechung in diesem Sinne bis heute (BVerfG, NJW 1973, 1226 (1229)).
Ausgehend davon, dass ein jeder „grundsätzlich selbst und allein bestimmen (darf), ob und wieweit andere sein Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen“, müsse nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ermittelt werden, ob eine grundsätzlich mögliche Einschränkung dieses Selbstbestimmungsrechts durch öffentliche Interessen gerechtfertigt sei. Zwar müsse, „wer den Rechtsfrieden bricht“, grundsätzlich auch dulden, dass „das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird.“ Eine wiederholte, nicht mehr durch das aktuelle Informationsinteresse gedeckte Fernsehberichterstattung über eine schwere Straftat wie dem der Entscheidung zu Grunde liegenden vierfachen Soldatenmord, sei jedoch dann unzulässig, wenn sie die Resozialisierung des Täters gefährde. „Die für die soziale Existenz des Täters lebenswichtige Chance, sich in die freie Gesellschaft wieder einzugliedern, und das Interesse der Gemeinschaft an seiner Resozialisierung gehen grundsätzlich dem Interesse an einer weiteren Erörterung der Tat vor.“
Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die zu medialen Berichterstattungen über Straftaten ergangen ist, hat sich maßgeblich an den Leitsätzen des „Lebach-Urteils“ orientiert und diese weiterentwickelt. Zusätzlich nimmt diese neuere Rechtsprechung bei Abwägung der widerstreitenden Interessen auch die Gefahr in den Blick, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetze und deshalb auch im Fall einer späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder eines Freispruchs vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (Vgl. nur BVerfG, NJW 2006, 2835). Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geht in seiner Diktion bereits stark in die Richtung eines jüngst vom EuGH geprägten „Rechts auf Vergessenwerden“ (EuGH, NJW 2014, 2257 (2264)).
„Apollonia-Prozess“
Das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit an spektakulären Kapitalverbrechen nahm der Bundesgerichtshof im Rahmen des sogenannten „Apollonia-Prozesses“ zum Anlass, zu Ungunsten des Klägers zu entscheiden. Der Kläger begehrte von der Beklagten, dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“, es zu unterlassen, in einem kostenlosen Online-Archiv über seine Taten (Mord in zwei Fällen und versuchter Mord in einem Fall) zu berichten. Bei der Eingabe des vollen Namens des Klägers werden – auch über „Google” – die Berichte an den ersten Stellen angezeigt (BGH, GRUR 2013, 200).
Seine Entscheidung begründete der Bundesgerichtshof damit, dass ein anerkennenswertes Interesse der Öffentlichkeit nicht nur an der Information über das aktuelle Zeitgeschehen bestehe, sondern auch an der Möglichkeit, vergangene zeitgeschichtliche Ereignisse anhand der unveränderten Originalberichte in den Medien zu recherchieren. Der „Apollonia-Prozess” sei ein bedeutendes zeitgeschichtliches Ereignis eines spektakuläres Kapitalverbrechens, das untrennbar mit der Person und dem Namen des Klägers verbunden sei. In ähnlicher Weise würden viele Aufsehen erregende Kriminalfälle im Strafrecht unter dem Namen der Täter geführt. „Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit der Originalberichte bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren, den Straftäter identifizierenden Darstellungen in Online-Archiven würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde“. Auch weil „die Artikel als frühere Veröffentlichung im Spiegel erkennbar“ seien und „lediglich online zum Abruf bereitgehalten werden“, ein Auffinden somit eine gezielte Suche voraussetze, sei es zulässig, die Artikel im Online-Archiv vorzuhalten.
Damit bestätigte der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zu der Frage der Zulässigkeit identifizierender Berichte in Online-Archiven im Zusammenhang mit spektakulären Kapitalverbrechen. Bereits im Jahr 2010 war der Bundesgerichtshof in der sogenannten Sedlmayr-Mord Entscheidung ganz ähnlicher Auffassung (BGH, MMR 2010, 575).
Straftäter relative Personen der Zeitgeschichte
Nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen ist für das Vorhalten von Medienberichten über Straftaten in Online-Archiven unter Nennung des Namens und unter Veröffentlichung von Bildern des Tatverdächtigen somit Voraussetzung, dass es sich bei Straftaten nicht bekannter Persönlichkeiten um aufsehenerregende Fälle handelt. Diese dürfen dann auch über Jahre in Online-Archiven vorgehalten werden, wenn es sich um spektakuläre Kapitalverbrechen handelt und somit um bedeutende zeitgeschichtliche Ereignisse. Die Rechtsprechung des BGH geht damit weit in die Richtung, einmal zulässige Medienberichterstattungen über spektakuläre Kapitalverbrechen grundsätzlich nicht alleine aufgrund Zeitablaufs unzulässig werden zu lassen. So ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass Straftaten zum Zeitgeschehen gehören und Straftäter relative Personen der Zeitgeschichte i.S.d. § 23 Kunsturhebergesetz (KUG) sind. Aufnahmen von ihnen unter Namensnennung und Berichte über ihre Straftaten dürfen grundsätzlich jedenfalls bei schweren und schwersten Straftaten veröffentlich werden.
Ob die sich verfestigende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit Online-Archiven allerdings mit den Grundätzen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Lebach-Entscheidung aufgestellt hat und der EuGH mit seinem „Recht auf Vergessenwerden“ weiterverfolgt, in Einklang steht, ist sehr zweifelhaft, braucht vorliegend hingegen nicht entschieden zu werden.
Fahndung über das Internet
Bei den vom BGH („Apollonia“ oder „Sedlmayr“) zu Lasten des jeweiligen Klägers und seines Persönlichkeitsrechts entschiedenen Fällen bestünden im Falle einer Fahndung über das Internet bei vergleichbar schwerwiegenden Kapitalstraftaten keine Zweifel daran, dass die Strafverfolgung über das Internet mit all seinen Folgen für die spätere Auffindbarkeit Vorrang genießen würde vor dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Gesuchten. Ein Streitentscheid kann insofern dahinstehen.
Soweit die §§ 131 ff. StPO die Öffentlichkeitsfahndung nach einem Verdächtigen im Internet zulassen, erweisen sie sich jedoch angesichts der Möglichkeit für Polizeibeamte, bereits bei einem einfachen Tatverdacht einer mittelschweren Straftat ohne strengen Richtervorbehalt eine entsprechende Fahndungsmaßnahme zu ergreifen, gerade unter Zugrundelegung der vom Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof aufgezeigten Maßstäbe, als nicht mehr verhältnismäßig.
Gefahr eines nachhaltigen Reputationsschadens
Dem Tatverdächtigen eines – um im Beispiel zu bleiben – einfachen Kreditbetrugs oder einer einfachen Körperverletzung ist es nicht zuzumuten, dass eine ins Internet gestellte Öffentlichkeitsfahndung seinen Lebensweg auf Jahre bestimmen kann. Dadurch wird, sollte ihm die Tat, derer er verdächtigt wird, nachgewiesen werden, seine Reputation nachhaltig beeinträchtigt, da es heutigen Gepflogenheiten bei Freunden, Arbeitgebern oder Geschäftspartnern entspricht einen Menschen zu „googeln“.
Die genannten Straftaten aus dem Bereich der mittelschweren Kriminalität lassen auch eine Verurteilung zu einer Geldstrafe zu. So können die Folgen der Öffentlichkeitsfahndung den Verdächtigen faktisch mehr sanktionieren als der eigentliche, mögliche Strafausspruch. Auch bei demjenigen Tatverdächtigen, dessen Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachts seitens der Staatsanwaltschaft eingestellt wird oder der nach durchgeführter Beweisaufnahme vom Gericht freigesprochen wird, besteht die Gefahr, dass trotz des Freispruchs aufgrund des im Internet ausgesprochenen Tatverdachts etwas hängen bleibt. Insofern gebietet „auch die bis zur rechtskräftigen Verurteilung zugunsten des Angeschuldigten geltende Vermutung seiner Unschuld (…) eine entsprechende Zurückhaltung“ (BVerfG, NJW 1973, S. 1226 (1230)).
Gefahr bei Gesetzgebung noch nicht absehbar
Die Folgen, die sich aus der Öffentlichkeitsfahndung für den Beschuldigten ergeben, waren 1999, als die §§ 131ff. StPO geschaffen wurden, noch nicht absehbar. Soziale Netzwerke im Internet existierten damals noch nicht. Facebook wurde erst im Jahre 2004 ins Netz gestellt. Weblogs von privaten Internetusern waren die Ausnahme. Der Zeitgeist um die Jahrtausendwende ging eher dahin, passiv im Internet zu konsumieren bzw. erst einmal Zugang zum Internet zu finden (s.h. Boris Becker: „Bin ich da schon drin, oder was?“) , als aktiv an der Gestaltung und Kommunikation teilzunehmen. Dies hat sich maßgeblich geändert. Wenn heute eine Fahndung im Internet mangels richterlicher Bestätigung erst eine Woche nach Veröffentlichung außer Kraft tritt (§ 131c Abs. 1 StPO), so ist das Bild des Beschuldigten samt Begleittext in den sozialen Medien theoretisch diverse Male um die Welt gegangen. Und in diesen Medien bleibt es auch und ist über eine gezielte Suche über eine Suchmaschine auf Jahrzehnte abrufbar.
Verhinderung der Verbreitung im Internet nicht möglich
Die Polizeibehörde oder Staatsanwaltschaft, die originär für die Verbreitung zuständig war, hat auch keine Möglichkeit, eine solche Verbreitung zu verhindern. Fotos und Fahndungstexte lassen sich leicht vervielfältigen und bleiben auch nach beendeter Fahndungsmaßnahme auffindbar. Die normative Kraft des Faktischen verhinderte in früheren Zeiten, dass Fahndungsplakate von einfachen Betrugstaten oder Körperverletzungen an Litfaßsäulen oder Postämtern befestigt wurden. Der Aufwand, auch bei mittelschwerer Kriminalität zu solchen Fahndungsmethoden zu greifen, wäre in Form des Herstellens, Auf- und Abhängens der entsprechenden Plakate zu groß gewesen. Insofern beschränkte man die Öffentlichkeitsfahndung auf schwere bzw. schwerste Kriminalität. Eine solche faktische Begrenzung ergibt sich bei der leicht umsetzbaren Öffentlichkeitsfahndung über das Internet nicht, wie durch die aktuelle Praxis der Polizeibehörden bewiesen wird.
Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung nicht mehr verfassungsgemäß
Allein die Möglichkeit, durch die Öffentlichkeitsfahndung über das Internet effizienter zu ermitteln, kann nach alledem die oben genannte Gefahr des nachhaltigen Reputationsschadens für die Verdächtigen auch mittelschwerer Kriminalität nicht aufwiegen.
Die Vorschriften zur Öffentlichkeitsfahndung sind insofern, soweit damit auch Fahndungen nach einem Tatverdächtigen im Internet zugelassen werden, mangels Verhältnismäßigkeit nicht mehr verfassungsgemäß.
Dementsprechend wäre eine Revision der Ermächtigungsgrundlage zur Öffentlichkeitsfahndung über das Internet notwendig, um zukünftig nicht gänzlich auf diese effektive Ermittlungsmaßnahme zu verzichten.
Schlussbetrachtung
Das Persönlichkeitsrecht ist durch die heutige Nutzung des Internets leichter verletzbar geworden. Es liegt grundsätzlich in der Verantwortung jedes einzelnen Bürgers, wie er mit seinen Daten umgeht und welche er im Internet veröffentlicht.
Da, wo der Staat eine Rechtfertigung für den Zugriff auf den höchstpersönlichen Lebensbereich seiner Bürger schafft, sollte er sich seiner Vorbildfunktion gewahr sein. Wenn schon aufgrund staatlicher Legitimation die Schranken für einen Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht derart durchlässig sind, wie nach aktueller Gesetzeslage in Form der Fahndung nach einem Tatverdächtigen über das Internet, was hat dann der verantwortungsvolle Umgang des Bürgers mit seinen Daten noch für einen Sinn.
Die Schranke, die gewährleistet, dass die Reputation der Bürger nicht nachteilig und nachhaltig beeinträchtigt wird, sollte nicht so leicht zu öffnen sein, wie nach derzeit geltender Gesetzeslage. Die 1999 geschaffenen Regelungen zur Öffentlichkeitsfahndung haben mit der technischen Entwicklung nicht Schritt gehalten.
„Das Recht darf sich (…) der technischen Entwicklung nicht beugen” (BVerfG, NJW 1973, 1226 (1229)). Die Worte des Bundesverfassungsgerichts haben Bestand. Heute wie damals. Insofern sollten sich die Regelungen zur Öffentlichkeitsfahndung im Internet der technischen Entwicklung anpassen.
Der nachfolgende Beitrag stammt aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next und befasst sich mit auf der Online-Plattform Ebay geschlossenen Verträgen anhand eines aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs.
BGH Urteil vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14: Wirksamkeit eines im Rahmen einer Internetauktion geschlossenen Vertrages (Ebay), bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, Schadensersatzansprüche bei Abbruch der Auktion
Fundstelle: Entscheidungsdatenbank des BGH (https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=dcdadd3cdd2a6d09300a7ac388cee621&nr=69628&pos=0&anz=1)
I. Problemaufriss
Aktuell gibt es beim BGH zwei wichtige Entscheidungen zum Thema Abbruch von Internetauktionen bei Ebay sowie deren Folgen. In beiden Entscheidungen wird deutlich, dass es ein „Reuerecht“ des Verkäufers bei ungünstiger Entwicklung seines Angebots nicht gibt. Wenn er bewusst einen Startpreis weit unter Wert festsetzt ohne Angabe eines Mindestkaufpreises, so schützt ihn die Rechtsordnung nicht vor der Enttäuschung bei einem wirtschaftlich ungünstigen Ausgang der Auktion:
1) BGH vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14 (hier besprochene Entscheidung)
2) BGH vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 90/14 (Auslegung der Ebay-AGB a.F. bei vorzeitiger Beendigung des Angebots)
Kernfrage beider Entscheidungen ist, wann der Abbruch einer Auktion bei Ebay berechtigt ist und was die Folge eines unberechtigten Abbruchs ist. Bei der hier nicht besprochenen BGH Entscheidung werden die damals geltenden AGB von Ebay zum Thema Abbruch von Auktionen Punkt für Punkt ausgelegt. Streitpunkt war die damalige Formulierung bei Ebay, dass Angebote, die noch länger als 12 Stunden laufen, „ohne Einschränkungen“ vorzeitig beendet werden dürfen. Diese Formulierung muss jedoch laut BGH im Kontext der gesamten AGB gelesen werden, wonach Angebote eben nur aus bestimmten, näher definierten Gründen (z.B. Zerstörung oder Verlust der Sache) abgebrochen werden dürfen.
Ebay hat infolge dieser BGH-Entscheidung seine zumindest irreführenden AGB überarbeitet und in diesem Punkt komplett abgeändert. Diese Entscheidungen sind sehr praxisrelevant und auch für das Examen zentral von Bedeutung, da diese Konstellation sehr häufig vorkommen dürfte. Die Lektüre der anderen, hier nicht besprochenen Entscheidung des BGH ist daher dringend ratsam.
Das hier behandelte Urteil des BGH stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob bei einem bindenden Gebot weit unter dem tatsächlichen Marktpreis der Vertrag gem. § 138 Abs. 1 BGB oder § 242 BGB unwirksam ist. Der BGH verneint dies und billigt im Ergebnis dem Bieter bei einer unberechtigt abgebrochenen Auktion einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB zu. Der BGH hat die Revision des Beklagten daher zurück gewiesen.
II. Sachverhalt
Streitgegenstand sind Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten für dessen vorzeitig abgebrochenes Ebay-Angebot.
Der Beklagte stellte am Abend des 24. Mai 2012 einen gebrauchten VW Passat für 10 Tage zur Internetauktion bei Ebay mit einem Startpreis von 1 € ein. Einen Mindestpreis legte er nicht fest. Der Kläger nahm das Angebot wenige Minuten später an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 € festlegte. Nach rund 7 Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf dessen Nachfrage teilte der Beklagte mit, dass er einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden habe.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € mit der Behauptung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 € wert gewesen sei. Die Klage hat vor dem LG dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das OLG hat die Berufung des Beklagten hiergegen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die zulässige Revision hat keinen Erfolg und wird daher vom BGH zurückgewiesen.
III. Entscheidung des Gerichts
Das Gericht weist die zulässige Revision als unbegründet zurück, weil dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund der unberechtigt abgebrochenen Auktion besteht gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB.
Das Gericht prüft die Wirksamkeit des Vertrages vorbildlich wie in einer Examensklausur.
1. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag über das Fahrzeug entstanden durch Angebot und Annahme. Der Beklagte hat das Angebot ohne berechtigenden Grund vorzeitig abgebrochen (Genaueres findet sich hierzu im Urteil nicht, da die Feststellungen der Vorinstanz hier nicht angegriffen wurden. Hier wäre ggf. zu prüfen, ob der Abbruch berechtigt erfolgte z.B. wegen Zerstörung oder Verlust der Sache, siehe AGB a.F. von Ebay).
2. Eine Anfechtung des Vertrages durch den Beklagten nach §§ 119 ff. BGB wegen Irrtums greift nicht durch, da ein Irrtum nicht ersichtlich ist. Der Beklagte war daher nicht zur Anfechtung berechtigt.
3. Der Schadensersatzanspruch scheitert auch nicht an § 138 BGB. Der geschlossene Kaufvertrag ist nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwischen dem Maximalgebot des Beklagten von 555,55 € und dem tatsächlichen Marktwert des Fahrzeugs besteht zwar ein enormes, grobes Missverhältnis. Bei einer Internetauktion rechtfertigt dies allein jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden kann.
Die Begrenzung des Maximalgebotes auf 555,55 € – also deutlich unter dem Marktpreis – ist sittlich nicht zu missbilligen. Der Bieter muss sein Maximalgebot nicht am Marktpreis ausrichten. Es ist gerade Sinn und Reiz der Internetauktion bei Ebay, „Schnäppchen“ zu schlagen und Sachen unter Marktpreis zu ersteigern. Umgekehrt hat der Bieter die Chance, eine Sache durch den Mechanismus des Überbietens über Wert zu verkaufen.
4. Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB greift nicht durch. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
Das Gebot des Käufers unter Marktwert ist keine unzulässige Rechtsausübung. Denn es ist Sache des Verkäufers, sein Risiko, weit unter Wert zu verkaufen, durch Eingabe eines Mindestkaufpreises zu reduzieren. Der Beklagte ist vorliegend dieses Risiko ganz bewusst eingegangen, da er das Fahrzeug für 1 € eingestellt hat und keinen Mindestverkaufspreis festgelegt hat. Dieses selbst eingegangene Risiko hat sich vorliegend durch den unberechtigten Abbruch durch den Beklagten selbst voll verwirklicht und stellt damit keine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Beklagte hat die Ursache gesetzt und muss die Konsequenzen folgerichtig tragen.
IV. Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts überzeugt. Das Gericht prüft Schritt für Schritt beinahe wie in einer Examensklausur die Wirksamkeit des Vertrages. Dabei kommt es konsequent zu dem Ergebnis, dass der Kaufvertrag entgegen §§ 138 Abs. 1, 242 BGB wirksam ist. Da der Beklagte die Sache anderweitig veräußert hat, steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu.
V. Examensrelevanz
Die Entscheidung zeichnet insgesamt eine sehr leichte Lesbarkeit aus. Die Urteilsbegründung ist aus sich heraus sehr gut verständlich. Das gleiche gilt für die Parallelentscheidung des BGH, in der die AGB a.F. von Ebay durchgeprüft und ausgelegt werden. Daher können beide Entscheidungen gut als Vorlage für eine Examensklausur herangezogen werden.
Beide Entscheidungen haben Examensrelevanz. Zum eine muss der Bearbeiter BGB AT prüfen (Kaufvertrag bei Ebay, Anfechtung, §§ 138, 242 BGB). Zum anderen kann das AGB-Recht eingehend geprüft werden. Die Tatsache, dass eine Regelung der AGB von Ebay, die ja nicht Vertragsbestandteil zwischen den Parteien sind, zur Auslegung herangezogen wird, ist spannend. Außerdem legt der BGH eine eigentlich eindeutige Regelung, wonach Angebote, die noch länger als 12 Stunden andauern, ohne Einschränkungen abgebrochen werden dürfen, im Kontext der übrigen AGB aus. Eigentlich contra Wortlaut braucht es laut BGH doch eines berechtigten Grundes zum Abbruch. Diese höchstrichterliche Rechtsanwendung wird nicht jedem Bearbeiter ins Auge springen und ist daher besonders zur Verwendung im Examen geeignet.
Hinweis: Eine gute Zusammenfassung der Urteile findet sich bei JM (Juris Monatszeitschrift) 04, 2015 Seite 152 ff.
Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Lukas Knappe veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Jura an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.
A. Einführung
Mit Gesetz vom 15.03.2012 hat der Gesetzgeber im Rahmen der Änderung des Rechts der Verbraucherinformation einen neuen § 40 Ia LFGB normiert, der am 01.09.2012 in Kraft getreten ist.
Die Norm lautet:
(1a) Die zuständige Behörde informiert die Öffentlichkeit unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels sowie unter Nennung des Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmens, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel oder Futtermittel hergestellt oder behandelt oder in den Verkehr gelangt ist, wenn der durch Tatsachen, im Falle von Proben nach § 39 Absatz 1 Satz 2 auf der Grundlage mindestens zweier unabhängiger Untersuchungen von Stellen nach Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004, hinreichend begründete Verdacht besteht, dass
1. in Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes festgelegte zulässige Grenzwerte, Höchstgehalte oder Höchstmengen überschritten wurden oder
2. gegen sonstige Vorschriften im Anwendungsbereich dieses Gesetzes, die dem Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Gesundheitsgefährdungen oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen, in nicht nur unerheblichem Ausmaß oder wiederholt verstoßen worden ist und die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens dreihundertfünfzig Euro zu erwarten ist.
Dieser stand nicht nur im Zentrum einer Diskussion in der rechtswissenschaftlichen Literatur, sondern hat bereits eine Vielzahl von Verwaltungsgerichten beschäftigt und war zudem auch Thema einer Klausur im ersten juristischen Staatsexamen, so dass sich eine intensivere Beschäftigung mit der Norm lohnt. Dabei soll die Auseinandersetzung problemorientiert anhand eines kleineren Falles erfolgen, der in abgewandelter Weise die Verwaltungsrechtsprechung beschäftigt hat, wobei die ebenfalls problematische Vereinbarkeit der Norm mit dem Unionsrecht unterstellt werden soll (vgl. dazu Schoch, NvWZ 2012, 1497).
B. Sachverhalt
A betreibt in der Stadt B eine kleine Imbissbude. Anlässlich einer Kontrolle seines Betriebes am 1.12.2013 stellt das Gewerbeamt der Stadt mehrere Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften fest. Gegen die angeordnete Schließung des Betriebs legt A Widerspruch ein. Nachdem eine Nachkontrolle keine weiteren Beanstandungen ergeben hatte, wurde dem A die Fortführung seiner Imbissbude gestattet. Am 10.12.2013 hatte der Oberbürgermeister jedoch angekündigt, dass er nach § 40 Ia LFGB eine Veröffentlichung im Internet beabsichtige. Diese soll unter Nennung des Namens des A und der Imbissbude den Hinweis erhalten: „Mängel bei der Betriebshygiene. Ekelerregende Zustände“. Zudem soll der Eintrag auch mit folgender Rubrik versehen werden: „Mängel bei Nachkontrolle wieder beseitigt“. Mit Schreiben vom 15.12.2013 fordert A erfolglos die Stadt B auf, die Eintragung zu unterlassen. Am 20.12.2013 ersucht A das zuständige Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz.
Hat der Antrag des A auf vorläufigen Rechtsschutz Erfolg?
C. Rechtliche Würdigung
Anm. Nachfolgend sollen lediglich die wesentlichen Probleme des Fall angesprochen werden.
I. Zulässigkeit
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
In einer Klausur wäre zunächst im Rahmen der Zulässigkeit des vorläufigen Rechtsschutzes die Frage nach der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in der Hauptsache aufzuwerfen. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung müsste entsprechend der Generalklausel des § 40 I 1 VwGO eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vorliegen und keine abdrängende Sonderzuweisung gegeben sein.
Als erstes Problem ist hier auf den Umstand hinzuweisen, dass der A gegenüber der Behörde mit dem Unterlassungsanspruch ein ambivalentes Rechtsinstitut geltend macht. Darunter sind Rechtsinstitute zu verstehen, die ihrer Art nach sowohl auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts als auch auf dem des Privatrechts existieren (weitere ambivalente Rechtsinstitute sind unter anderem vertragliche bzw. vertragsähnliche Ansprüche, Rückforderungsansprüche, Beseitigungsansprüche und die GoA). Für die Abgrenzung im Rahmen von Abwehransprüchen kommt es dabei nach allgemeiner Ansicht unter Anwendung des Actus Contrarius-Gedankens auf die Rechtsnatur der Störung an. Entscheidend ist mithin, dass die Behörde im Rahmen der ihr obliegenden öffentlichen Aufgaben nach außen in Erscheinung tritt.[1]
Die zuständige Behörde hat die beabsichtigte Veröffentlichung auf § 40 Ia LFGB gestützt, der ausdrücklich einen Hoheitsträger im Zusammenhang mit dem Vollzug der Vorschriften des LFGB berechtigt. Dabei handelt es sich nach der modifizierten Subjektstheorie um eine öffentlich-rechtliche Norm, so dass eine Streitigkeit auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts gegeben ist.
Darüber liegt auch mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit keine verfassungsrechtliche Streitigkeit vor, da es sich hier um eine Streitigkeit zwischen Staat und Bürger handelt. Mangels abdrängender Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg mithin gemäß § 40 I 1 VwGO eröffnet.
2. Statthafte Antragsart
Die Frage nach der statthaften Antragsart richtet sich bei der Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz (um den es hier ausdrücklich geht) nach § 88 VwGO analog. A wendet sich hier gegen die beabsichtigte Veröffentlichung der Ekelliste durch die Behörde auf der Internetseite der Stadt und begehrt deren Unterlassung.
In Betracht kommt somit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 I VwGO. Die zentrale Frage ist dabei nach § 123 V VwGO die Abgrenzung zu den Fällen der §§ 80, 80a VwGO. Die §§ 80, 80a VwGO regeln ein Aussetzungsverfahren, welches das Ziel verfolgt, die aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Verfahrens gemäß § 123 I VwGO ist mithin, dass kein belastender VA vorliegt, gegen den in der Hauptsache die Anfechtungsklage zulässig wäre[2].
Der Antragsteller macht in der Hauptsache einen Unterlassungsanspruch geltend, der mit einer Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2, § 111 und § 113 Abs. 4 VwGO), nicht mit einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO durchzusetzen ist. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Veröffentlichung des Ergebnisses der Kontrolle im Internet nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG handelt. Die Veröffentlichung dient lediglich der Information der Öffentlichkeit; sie ist somit nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet, sodass ihr das Merkmal der Regelung im Sinne des § 35 Satz 1 LVwVfG fehlt (vgl. Wollenschläger, DÖV 7, 10 f.; Wehlau, in: Voit, Lebensmittelinformation zwischen Aufklärung und Skandalisierung, 2012, S. 51 ff., 59; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl. 2012, Einf. Rn. 71). (VGH Mannheim 9 S 2423/12, Rn. 11)
Die Informationsveröffentlichung weist somit keinen regelnden Charakter im Sinne des § 35 VwVfG auf, so dass sich der Betroffene gegen ein rein tatsächliches Verhalten, also einen Realakt, wendet.[3]
Möglicherweise könnte das Handeln der Behörde infolge der Ankündigung, die Ekelliste zu veröffentlichen, als eine Art zweistufiges Verfahren ausgestaltet sein. So erlässt die Verwaltung im Rahmen der Informationsgewährung nach den modernen Informationsgesetzen zunächst einen vorgelagerten VA, mit dem sie entscheidet, ob ein Anspruch auf die Vornahme der tatsächlichen Maßnahme besteht oder nicht, während die eigentliche Informationsgewährung dann eine Maßnahme im tatsächlichen Sinne darstellt.[4]
Gegen eine Vergleichbarkeit spricht jedoch, dass in einem derartigen Fall das Verfahren eindeutig zweistufig ausgestaltet ist, während die Verwaltung hier lediglich ankündigt, ein vom Bürger unerwünschtes Verwaltungshandeln vorzunehmen. Das Vorgehen ist anders als im Verfahren nach den Informationsgesetzen nicht als Verwaltungsverfahren ausgestaltet. Zudem spricht gegen eine Vergleichbarkeit auch der Umstand, dass die modernen Informationsgesetze das Verfahren auf Erteilung einer Information regeln. In der hier vorliegenden Konstellation will der Betroffene jedoch gerade ein Informationshandeln der Behörde verhindern.
3. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Der Vollständigkeit halber sollen auch die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen für § 123 VwGO kurz genannt werden:
- Antragsbefugnis, § 42 II VwGO analog
- Richtiger Antragsgegner, § 78 VwGO analog
- Rechtsschutzbedürfnis (Existiert ein leichterer und einfacherer Weg, das Rechtsschutzziel zu erreichen?)
II. Begründetheit
1. Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs
Im Folgenden hat man sich im Rahmen der Begründetheit des Antrags auf Erlass einer Sicherungsanordnung gemäß § 123 I 1 VwGO mit der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs auseinanderzusetzen. Dabei nehmen die Gerichte bei der Frage nach dem Bestehen eines sicherungsfähigen Rechts eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren vor. In einer Klausur ist in der Begründetheit eine vollständige Prüfung der materiellen Rechtslage vorzunehmen. Ein sicherungsfähiges Recht seitens des A könnte in Form des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs bestehen. Dieser ist nach allgemeiner Ansicht gewohnheitsrechtlich anerkannt, wobei jedoch seine genaue Herleitung umstritten ist: Während teilweise auf die Abwehrfunktion der Grundrechte zurückgegriffen wird, nach der der Staat infolge seiner Grundrechtsbindung rechtswidrige Eingriffe unterlassen muss, wollen anderen auf den Rechtsgedanken des § 1004 BGB rekurrieren.[5] Infolge dessen, dass die Voraussetzungen dieses Anspruchs jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannt sind, kann jedoch eine Streitentscheidung dahinstehen.
Die Voraussetzungen für den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch lauten[6]:
1. Hoheitliche Maßnahme einer Behörde
Infolge dessen, dass man sich bereits im Rahmen der Frage nach der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg mit dem Problem auseinandergesetzt hat, inwieweit die Informationsgewährung als öffentlich-rechtlich einzuordnen ist, kann dieser Prüfungspunkt hier kurz abgehandelt werden.
2. Eingriff in ein subjektiv-öffentliches Recht
Hier wäre in einer Klausur noch eine exakte Prüfung der betroffenen Grundrechte vorzunehmen. So kann im Rahmen von Art. 14 GG kurz die umstrittene Frage erörtert werden, ob und inwieweit das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb von der Eigentumsfreiheit geschützt ist.
Zudem muss eine Auseinandersetzung mit dem Grundrechtseingriff durch Informationshandeln des Staates (vgl. hier) erfolgen, so dass eine Abgrenzung zwischen dem klassischen und modernen Eingriffsbegriff vorzunehmen ist. Eine Besonderheit besteht hier darin, dass es sich um eine Warnung handelt, die in Form einer Ekelliste ausgestaltet ist, und somit eine besondere Intensität erreicht.
3. Rechtswidrigkeit des Eingriffs
Innerhalb des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs ist schließlich die Frage aufzuwerfen, ob das Handeln der Behörde nicht durch § 40 Ia LBFG gerechtfertigt sein könnte. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn die Norm anwendbar und mit geltendem Verfassungsrecht vereinbar ist.
a) Anwendungsbereich des § 40 Ia LBFG
Zunächst ist zu fragen, ob § 40 Ia LBFG anwendbar ist. Im Kern steht dabei die Fragestellung zu welcher Art von Informationsveröffentlichung § 40 Ia LFGB die Behörden überhaupt ermächtigt, also zu einer generellen Information über Verstöße gegen Hygienevorschriften, oder vielmehr zu Veröffentlichungen mit Bezug zu einem konkreten Lebensmittel:
Nach Ansicht des OVG Rheinland-Pfalz kann im Rahmen des § 40 I LFGB eine Information der Öffentlichkeit bereits dann erfolgen, wenn das konkrete Produkt zwar nicht unmittelbar unter einem Verstoß gegen hygienerechtlichen Vorschriften leidet, sondern bereits dann, wenn lediglich das Arbeitsumfeld nicht den hygienerechtlichen Anforderungen entspricht. Es sei nicht erforderlich, dass gerade eine nachteilige Beeinflussung eines bestimmten Lebensmittels nachgewiesen worden ist. Das OVG begründet seine Auffassung insbesondere damit, dass
bei Lebensmitteln, die in einem solchen Umfeld hergestellt werden, je nach der Art des festgestellten Hygieneverstoßes ein deutlich erhöhtes Risiko für eine nachteilige Beeinflussung, etwa durch die Kontamination mit Schimmelpilzsporen oder Mikroorganismen über die Raumluft oder das Personal bei unzureichender Handhygiene, bestehen kann. (OVG Rheinland-Pfalz 6 B 10035/13, Rn.19).
Eine derartige Auslegung wird vor allem vor dem Hintergrund präferiert, dass das Gesetz allgemein auf die Herstellung von mehr Transparenz abziele, was daher nicht dazu veranlasse, den Anwendungsbereich der Norm und die damit verbundene Informationsveröffentlichung auf einen konkreten Produktbezug zu beschränken.
Demgegenüber geht eine große Anzahl anderer verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen davon aus, dass § 40 LFGB nicht zu einer Veröffentlichung von allgemeinen Mängeln der Betriebshygiene ermächtige. Vielmehr erfasse
§ 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB angesichts seines Wortlauts, wonach die Information unter Nennung der Bezeichnung des (jeweiligen) Lebensmittels oder Futtermittels erfolgt, allein solche Verstöße gegen hygienische Anforderungen, die sich einem Lebensmittel oder Futtermittel zuordnen lassen. (OVG Münster 12 B 215/13, Rn. 50; VG Karlruhe 2K 2430/12, Rn.14; VG Gelsenkirchen 19 L 1730/12, Rn. 13).
Für eine entsprechende Auslegung der zu untersuchenden Norm kann zunächst insbesondere ihr Wortlaut angeführt werden. So ermächtigt § 40 I LFGB insbesondere zur Veröffentlichung „ unter Nennung der Bezeichnung des Lebensmittels oder Futtermittels“. Die Norm knüpft schon in ihrem ersten Satz unmittelbar an ein Lebensmittel bzw. Futtermittel an und stellt somit unmissverständlich einen produktbezogenen Kontext her. Allgemeine, betriebsbezogene Angaben werden demgegenüber nicht erwähnt (vgl. auch VG Gelsenkirchen 19 L 1730/12, Rn. 15).
Darüber hinaus stellt auch § 1 I LFGB, der den allgemeinen Zweck des LFGB umschreibt, auf das einzelne Produkt ab, und sieht keine Erstellung von Ekellisten über die allgemeine Betriebshygiene vor. Für das Abstellen auf einen unmittelbaren Produktbezug spricht auch, dass gemäß § 1 Ia LFGB vor allem vor Täuschungen im Falle zum Verzehr ungeeigneter Lebensmittel geschützt werden soll. Erneut wird hier der Begriff „Lebensmittel“ in den Vordergrund gerückt und nicht auf den jeweiligen Betrieb abgestellt.
Mit dem VG Gelsenkirchen kann zudem der mit der Informationsveröffentlichung im Sinne von § 40 LFGB verfolgte Zweck für eine produktbezogene Regelung angeführt werden. So soll das Handeln der Verwaltung in erster Linie Transparenz herstellen, um den Verbraucherschutz sicherzustellen, der jedoch durch das LFGB lediglich produktbezogen gewährleistet wird (VG Gelsenkirchen 19 L 1730/12, Rn.19).
Nach der hier vertretenen Auffassung ermächtigt § 40 Ia LFGB mithin nicht zur Erstellung von Ekellisten über die allgemeine Betriebshygiene, sondern verlangt einen unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Produkt, so dass die vorgenommene Informationsveröffentlichung auch dahingehend nicht auf § 40 Ia LFGB gestützt werden kann.
b) Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsprinzip
Die gegen die Norm eingewandten verfassungsrechtlichen Bedenken richten sich zuvörderst gegen die mangelnde Vereinbarkeit mit dem aus dem Rechtstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebot.
§ 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenwärtig nicht, weil er die vorgesehene Information der Öffentlichkeit zeitlich nicht eingrenzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigung. Der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs müssen in der Ermächtigung grundsätzlich bereichsspezifisch und präzise festgelegt werden. Die konkreten Anforderungen an die Bestimmtheit richten sich nach dem Gewicht des Eingriffs (OVG Münster 13 B 215/13, Rn. 26)
Bedenken unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit werden darauf gestützt, dass es für die von der Behörde anzustellende Prognose über die Verhängung eines Bußgelds in bestimmter Höhe an einem objektiven und transparenten Maßstab – etwa in Gestalt eines Bußgeldkatalogs – fehle, um zumindest über einen Rahmen für die Zuordnung festgestellter Verstöße zur Höhe des Bußgelds zu verfügen. Die daraus folgende Gefahr einer stark unterschiedlichen Gewichtung der Verstöße und damit einer uneinheitlichen Veröffentlichungspraxis der zahlreichen Behörden werde dadurch verstärkt, dass die Prognose über das Gewicht eines Verstoßes noch durch den Umstand erschwert werde, dass die Bußgeldhöhe auch von subjektiven Faktoren bzw. persönlichen Umständen abhängt (z. B. vorsätzliche oder fahrlässige Begehung, Schuldeinsicht, wiederholte Begehung, Einkommen des Betroffenen usw).
(VGH Mannheim 9 S 2423/12, Rn.27)
Das in Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitete Argument der mangelnden Normenklarheit erweist sich als erster schwerwiegender Einwand gegen die Verfassungskonformität der Norm. Zwar ist die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe durch den Gesetzgeber nicht unüblich, da diese in der Regel durch die Rechtsprechung konkretisiert werden (so auch OVG Münster, 13 B 215/13, Rn. 53), jedoch knüpft § 40 Ia Nr. 2 LFGB nicht nur an den unbestimmten Rechtsbegriff „unerhebliches Ausmaß“ an, sondern verlangt zugleich auch eine Überschreitung der Bußgeldschwelle von 350€.
Die Vorschrift enthält jedoch keinen genauen Katalog, der einen Maßstab für die Verhängung des Bußgelds bildet, so dass die Gefahr einer uneinheitlichen Verwaltungspraxis eröffnet wird. Zudem hängt gerade die Einstufung der Schwere des Verstoßes gegen die relevanten Vorschriften von den subjektiven Einschätzungen und Prognosen des jeweiligen Beamten ab, so dass auch hier der gesetzlichen Norm nicht klar zu entnehmen ist, wann ein Fehlverhalten zu einer Information durch die Verwaltung führt. Eine Konkretisierung durch eine verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, sondern der Verwaltung werden durch den Gesetzgeber weitreichende Entscheidungsspielräume überlassen.
Ergebnis: Die Norm ist mithin nicht mit dem verfassungsrechtlich fundierten Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar und kann daher die Informationsveröffentlichung bereits aus diesem Grund nicht rechtfertigen.
c) Verhältnismäßigkeit
Über das Argument der fehlenden hinreichenden Rechtsklarheit hinaus ergeben sich zudem Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Norm mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
aa) Zweck der Vorschrift ist es, den Verbraucher unabhängig vom Vorliegen einer Gesundheitsgefahr von Amts wegen über in der Vergangenheit liegende, herausgehobene Verstöße gegen dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften zu informieren. Damit zielt die Bestimmung nicht auf eine Warnung der Bevölkerung vor Gesundheitsgefahren ab; sie bezweckt vielmehr neben einem vorsorgenden Gesundheitsschutz vor allem eine Verbesserung der aktiven Information der Öffentlichkeit und damit der Transparenz staatlichen Handelns, um dem Verbraucher eine verlässliche Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen auf dem Markt zu bieten (VGH Mannheim 9 S 2423/12, Rn19).[7]
bb) Zwar erweist sich die Information als zweckförderlich, so dass die Norm geeignet ist, das verfolgte Ziel zu erreichen, jedoch bestehen erhebliche Zweifel, ob eine derartige Art der Informationsveröffentlichung noch erforderlich ist. Dies ist dann der Fall, wenn kein ebenso effektives Mittel vorhanden ist, welches auf die grundrechtlich geschützten Positionen weniger belastend wirkt. In Rechtsprechung und Literatur werden insbesondere vor dem Hintergrund, dass § 40 Ia LFGB dem ausdrücklichen Wortlaut nach eine zeitlich unbeschränkte Möglichkeit der Informationsveröffentlichung bietet, verfassungsrechtliche Bedenken erhoben.
Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit fällt dabei ins Auge, dass § 40 Abs. 1a LFGB keine Regelung hinsichtlich der Dauer der Veröffentlichung vorsieht. Dass die vom Gesetzgeber mit der Veröffentlichungspflicht verfolgten Ziele eine zeitlich unbegrenzte Veröffentlichung von Verstößen gegen dem Verbraucherschutz dienende Vorschriften erfordern, kann ausgeschlossen werden. Als milderes Mittel dürfte insoweit durch das Gesetz selbst oder auf dessen Grundlage eine Löschungsfrist vorzusehen sein (VGH Mannheim 9 S 2423/12, Rn.29).
Auch das OVG Münster (13 B 215/13, Rn. 26) stellt darauf ab, dass die von § 40 Ia Nr.2 LFGB vorgesehene Art der Informationsveröffentlichung unter Benennung des Lebensmittels und des betroffenen Unternehmers, die den Charakter einer jederzeit einsehbare Ekelliste erhält, angesichts der weitreichenden Folgen einen besonders tiefgreifenden Eingriff in die Grundrechte darstellt, so dass der Gesetzgeber die zeitliche Wirkung mit Hilfe einer Löschungsfrist hätte einschränken müssen. Die betreffende Regelung erscheint damit gerade vor dem Hintergrund der durch sie erzeugten Prangerwirkung in Kombination mit der fehlenden Löschungsfrist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.
cc) Auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ergeben sich Zweifel hinsichtlich der Verfassungskonformität der einschlägigen Norm.
So ist zum einen zu bedenken, dass für eine Veröffentlichung durch die Behörde auf der entsprechenden Internetseite bereits die Verhängung eines Bußgeldes in Höhe von 350 € ausreicht. Angesichts der mit der Veröffentlichung verbundenen Prangerwirkung der Ekelliste, und der daraus resultierenden Beeinträchtigung der Grundrechte der Betroffenen, erweist sich die Eingriffsschwelle als relativ niedrig und stellt keine besonders hohe Eingriffsschwelle für ein Tätigwerden der Verwaltung dar.[8]
Als besonders wichtiges Argument gegen eine angemessene Regelung der Problematik dürfte jedoch der Umstand anzuführen sein, dass § 40 Abs. 1a LFGB seinem eindeutigen Wortlaut nach eine zwingende Pflicht zur Veröffentlichung vorsieht. Angesichts dessen, dass der Behörde somit kein Ermessensspielraum eingeräumt wird, um eine Abwägung der jeweiligen betroffenen Belange vorzunehmen, werden erhebliche Bedenken dagegen eingewandt, ob dies noch einen angemessenen Ausgleich der jeweiligen grundrechtlich geschützten Positionen darstellt.
Die zwingende Veröffentlichungspflicht der Behörde weckt Zweifel, ob der Gesetzgeber noch einen angemessenen Ausgleich zwischen dem öffentlichen Interesse an der Information und dem grundrechtlichen Geheimhaltungsinteresse hergestellt hat (vgl. Schoch, NVwZ 2012, 1497, 1501 f.; Kühne/Preuß, ZLR 2012, 284, 307 f.; Becker, ZLR 2011, 391, 416 f). Dies gilt vor allem deshalb, weil sich die verfassungsrechtliche Konfliktlage unterscheidet von dem Fall behördlicher Warnungen vor produktbezogenen Gesundheitsgefahren. Dort wird angesichts der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abgeleiteten staatlichen Schutzpflicht für Leib und Leben dem Gesundheitsschutz des Verbrauchers in der Abwägung mit dem grundrechtlichen geschützten Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens grundsätzlich ein Vorrang zukommen. Ein entsprechendes verfassungsrechtliches Gewicht kommt dem mit § 40 Abs. 1a LFGB primär verfolgten Ziel des „schlichten“ Verbraucherschutzes nicht zu.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung sind die festgestellten Mängel regelmäßig beseitigt, sodass auch von einem konkreten gesundheitlichen Risiko nicht auszugehen sein dürfte (vgl. Wollenschläger, DÖV 2003, 7, 14). Deshalb bestehen mit Blick auf den gesetzlichen Ausschluss der Möglichkeit, die widerstreitenden Belange im Einzelfall abzuwägen, selbst bei Einbeziehung der generalpräventiven Wirkung der Information Bedenken, ob der wegen ihrer öffentlichen Prangerwirkung mit der Veröffentlichungspflicht verbundene schwerwiegende Grundrechtseingriff noch in einem angemessenen Verhältnis zu den mit der Regelung verfolgten Gemeinwohlinteressen steht. (VGH Mannheim 9 S 2423/12, Rn. 34).
Die Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität der Norm erweisen sich gerade vor dem Hintergrund, dass die Behörde keine Möglichkeit hat, auf besondere Umstände und Härten im Einzelfall zu reagieren, als derart tiefgreifend, dass §40 Ia LFGB keinen angemessenen Ausgleich der geschützten Interessen darstellt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass 40 LFGB nicht primär der Gefahrenabwehr dient, sondern vielmehr nach dem Gesetzeszweck gemäß § 1 Nr. 2 lit.a LFGB das Ziel hat, die Unterrichtung der Verbraucher beim Verkehr mit Lebensmitteln sicherzustellen. Der damit verbundene Zweck ist im Hinblick auf die mit der Informationsveröffentlichung betroffenen Grundrechte und die erzeugte Prangerwirkung nicht derart gewichtig, dass er eine zwingende Informationsveröffentlichung rechtfertigen kann. Im Vordergrund steht nämlich nicht die Gefahrenabwehr, sondern die Gewährleistung von Verbrauchertransparenz, die zu einer sicheren und breiteren Entscheidungsgrundlage führen soll.
§ 40 Ia LFGB ist somit vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes als verfassungswidrig anzusehen und kann von der Verwaltung mithin nicht als taugliche Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden.
Ergebnis: Das Handeln der zuständigen Behörde ist mithin insgesamt rechtswidrig, so dass der damit verbundene Eingriff in die grundrechtlich geschützten Positionen des Betroffenen nicht gerechtfertigt werden kann.
d) Besonderheiten des vorläufigen Rechtsschutzes: Interessenabwägung
Im Rahmen des Anordnungsanspruchs ist zuletzt darauf hinzuweisen, dass vor allem verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der Norm erhoben werden. In einem Hauptsacheverfahren sind die Verwaltungsgerichte dabei gemäß Art. 100 GG zur Vorlage an das BVerfG im Rahmen der konkreten Normenkontrolle verpflichtet.
Im verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz bestehen jedoch unter Berücksichtigung der Garantie auf effektiven Rechtsschutz Besonderheiten:
Dann verlangt Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beispielsweise, dass sich die Gerichte auch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit berechtigten Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und damit Gültigkeit von entscheidungserheblichen Normen und ihrer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung auseinandersetzen. (VGH Mannheim 9 S 2324/12, Rn. 14).
Gerade die mit der Informationsveröffentlichung verbundene Prangerwirkung und die daraus resultierende Gefahr einer erheblichen Verletzung von Grundrechten der Betroffenen rechtfertigen es hier, bereits im Rahmen des Anordnungsanspruchs eine mögliche Verfassungswidrigkeit der Norm innerhalb der Interessensabwägung zu berücksichtigen. Könnte der A den öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nicht auf die Zweifel an der Verfassungskonformität stützen, würde unter Umständen durch ein verändertes Verbraucherverhalten seine wirtschaftliche Existenz bereits unumkehrbar bedroht sein.
2. Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes
Zudem muss der Betroffene im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO auch das Bestehen des gemäß § 123 I1 VwGO notwendigen Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht haben. Dies erfordert den Nachweis des Bestehens der Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Gerade die mit der Informationsveröffentlichung verbundene jederzeitige allgemeine Einsehbarkeit, sowie die daraus resultierende Prangerwirkung, die bereits im Vorfeld des Hauptsacheverfahrens zu irreversiblen existenzgefährdenden bzw. existenzvernichtenden Auswirkungen führen könnten, sind zugunsten des jeweils Betroffenen geltend zu machen.
Bereits …. hat überzeugend ausgeführt, dass das Verwaltungshandeln durch amtliche Information irreversibel ist und dass daran bei Fehlinformationen auch spätere Gegendarstellungen, Richtigstellungen oder sonstige Korrekturen nichts ändern, da die faktischen Wirkungen von Information regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden können (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 13.09.2010 – 10 S 2/10 -, VBlBW 2011, 72, 73; Wollenschläger, DÖV 2013, 7, 13). Eine Verbraucherinformation zu – angeblichen – Rechtsverstößen eines Unternehmens kann für dieses existenzgefährdend oder sogar existenzvernichtend wirken. Die öffentliche Zugänglichmachung von Verbraucherinformationen verdrängt außerdem, soweit es sich um personenbezogene Informationen handelt, die datenschutzrechtliche Zweckbindung (§ 18 Abs. 4 Landesdatenschutzgesetz) und ermöglicht dem Empfänger der Information deren Verwendung für beliebige Zwecke. (VGH Mannheim 9 S2324/12, Rn.11)
V. Schlussbetrachtung
§ 40 Ia LFGB wirft mithin zahlreiche Fragestellungen auf, die in einer Klausur von besonderer Relevanz sein dürften. Neben den hier erörterten verfassungsrechtlichen Problemen wie die Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgebot und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, erscheint auch die bisherige Anwendungspraxis durch die Verwaltung problematisch. Mit guten Gründen kann eine mangelnde Verfassungskonformität herausgearbeitet werden, so dass die Norm daher keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für die Informationsveröffentlichung darstellt. In einer Klausur kommt es hier insbesondere darauf an, mit einer unbekannten Norm umzugehen und bekannte grundrechtliche Problemkreise auf sie anzuwenden.
Darüber hinaus erscheint auch die bislang verbreitete Verwaltungspraxis, auf Grundlage des § 40 Ia LFGB allgemeine Ekellisten zur Betriebshygiene zu veröffentlichen, problematisch. Nach der hier vertretenen Auslegung verlang die Norm vielmehr einen produktbezogenen Zusammenhang, der bei einem derartigen Handeln wie hier nicht erfüllt ist.
Erneut hat sich das OLG Hamm (Urteil vom 4.11.2013, 2 U 94/13) zu der Frage geäußert, wann bei einer ebay-Auktion der Vertragsschluss zustande kommt und wie eine Abkehr von einem möglichen Vertrag erfolgen kann (PM siehe hier).
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Gericht mit einem ähnlichen Urteil für Aufsehen gesorgt: auch hier ging es (unter anderem) um die Frage, zu welchem Zeitpunkt bei ebay ein Vertrag zustande kommt. Siehe hierzu auch unsere Besprechung. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle sowohl die äußerst relevante Diskussion über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Internet zusammengefasst werden als auch auf die Besonderheiten des aktuellen Falls hingewiesen werden.
I. Sachverhalt
Dem Geschehen lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der volljährige Sohn des Beklagten hatte über den ebay-Account seines Vaters einen Audi A4 2.0 TDI ohne Angabe eines Mindestpreises angeboten. Kurz nach dem Einstellen brach er die Auktion ab und stellte den Wagen erneut ein, diesmal mit der Angabe eines Mindestpreises. Zum Zeitpunkt des Abbruchs war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Gebot von 7,10 Euro Höchstbietende. Nach der Übernahme des Geschäftsbetriebs dieser Gesellschaft hat der Kläger aus Passau vom Beklagten die Herausgabe des PKW für 7,10 Euro verlangt und die Ansicht vertreten, es sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichte, den PKW für diesen Preis abzugeben.
Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay enthalten folgende Regelung:
Stellt ein Anbieter, auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.
Weiterhin findet sich unter dem Punkt „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ noch folgende Regelung:
In den folgenden Fällen dürfen Sie Ihr Angebot jedoch vorzeitig beenden: (…) Sie haben beim Eingeben des Angebots, des Startpreises oder des Mindestpreises einen Fehler gemacht.
II. Zeitpunkt Vertragsschluss
Das OLG Hamm bleibt bei seiner Linie, dass der Vertragsschluss nicht erst mit Zeitablauf eintritt, sondern direkt bei jedem einzelnen Gebot (auflösend bedingt) erfolgt. Welche Rechtsfolgen dies hat, ist insbesondere bei § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ersichtlich (siehe hierzu unseren Beitrag).
Nach Ansicht des OLG Hamm liegt bereits im Einstellen der Auktion ein verbindliches Angebot (und keine invitatio ad offerendum), das durch die Abgabe des Höchstgebots angenommen wird. Diese Willenserklärung unterliegt einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB, die dann eintritt, wenn ein höheres Gebot abgegeben wird.
Der Vertrag wird damit direkt bei Gebotsabgabe geschlossen. Anders sah dies noch der BGH im sog. ricardo-Urteil. Hier blieben die Einzelheiten des Vertragsschlusses unklar. Das Gericht legte dar:
Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt.
Zumindest das OLG Hamm scheint seine Linie zum Vertragsschluss nun aber beizubehalten. Dies ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen, obgleich die praktischen Unterschiede zwischen den Ansichten im Regelfall gering sein dürften.
III. Abkehrmöglichkeit vom Vertrag
Nimmt man das OLG damit beim Wort, würde folglich ein Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer bestehen, mit der Folge, dass der Käufer Übereignung des PKW Zug um Zug gegen Zahlung der 7,10 Euro verlangen könnte. Auch auf den Einwand, es läge ein Wuchergeschäft vor, könnte er sich – da dies die immanente Gefahr eines solchen Geschäfts darstellt – nicht berufen (siehe hierzu unseren Beitrag).
Wie könnte sich aber der Verkäufer noch vom Vertrag lösen? In Betracht kommt die Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums (über die Art des Irrtums lässt sich je nach Fallgestaltung trefflich diskutieren). Hier ist dann aber das Problem, dass den Anfechtenden die Folgen des § 122 BGB treffen könnten. Er wäre damit am besten gestellt, wenn er sich folgenlos vom Vertrag lösen könnte.
Hier könnte ein Widerruf in Betracht kommen, der zumindest in den AGB von ebay angedeutet ist. Allerdings sind diese Geschäftsbedingungen kein Bestandteil des Vertrages zwischen V und K geworden; sie gelten nur gegenüber der Plattform. Und dennoch wendet das Gericht diese AGB mit folgendem Trick auf das konkrete Vertragsverhältnis an: Die Willenserklärung des V wird nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt; in diesen werden aber die Wertungen der AGB hineingelesen. Folglich lautet die Wertung des OLG:
Ein bei ebay eingestelltes Angebot stehe unter dem Vorbehalt, dass kein Widerrufsgrund nach den ebay-Bedingungen gegeben sei. Ein Widerrufsgrund liege unter anderem dann vor, wenn dem Anbieter beim Einstellen des Angebots ein Fehler unterlaufen sei. Das könne auch ein Fehler bei der Angabe des Mindestpreises sein. Im Fall eines Widerrufgrundes könne der Anbieter sein Angebot zurückziehen und damit wirksam widerrufen.
Das Angebot unterliegt folglich im Ergebnis den Vorgaben der AGB, die in die Auslegung einzubeziehen sind. Über diesen „Umweg“ kommt das OLG folglich zu dem Ergebnis, dass das Angebot nachträglich – aufgrund der Widerrufsmöglichkeit – entfallen ist, mit der Folge, dass ein Vertragsschluss nicht (mehr) vorliegt.
IV. Stellungnahme
Im Ergebnis überzeugt die Darlegung des OLG Hamm; in der Herleitung freilich nicht.
Zum einen kommt das OLG überhaupt nur durch seine komplizierte Konstruktion des Vertragsschlusses zu der hier dargelegten Problematik. Dann hat der Verkäufer aber gerade auch die – abschließenden – Möglichkeiten der Anfechtung. Eines Rückgriffs auf die Regelungen der AGB bedarf es folglich nicht; ein Schutzdefizit ist nicht erkennbar.
Noch unklarer ist aber der Verweis auf die „gesetzlichen Regelungen“ in den ebay AGB. Das Gericht scheint hier – die exakten Urteilsgründe sind nicht verfügbar – die ergänzenden Vorschriften „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ als gesetzliche Vorschriften anzusehen. Dies überzeugt nicht, haben diese doch einen abweichenden und unverbindlichen Rechtscharakter. Eher ist der Verweis allein als ein Bezug auf die gesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften (also auch auf das Recht der Anfechtung) zur verstehen. Diese und insbesondere deren Rechtsfolgen übergeht man aber, wenn man die Anfechtungsvorschriften gleichzeitig als vertragliche ungeschriebene Widerrufsmöglichkeit ansieht. Eine solche Auslegung erscheint äußerst problematisch.
Besser wäre es damit entweder den Vertragsschluss bereits zu verneinen, oder aber den Verkäufer auf die Anfechtungsregeln zu verweisen.
V. Examensrelevanz
Vertragsschlüsse bei ebay sind und bleiben im Examen ein Dauerbrenner, wie auch die weiteren in diesem Beitrag verlinkten Artikel deutlich machen. Hier lassen sich Fälle beliebig modifizieren. Wichtig ist dabei, dass in der Klausur die bewährten Pfade nicht verlassen werden, sondern sauber gearbeitet und argumentiert wird. Ein richtiges Ergebnis gibt es – wie auch die Diskussion hier zeigt – nicht; eine falsche Begründung bzw. unsaubere Herleitung dagegen schon.
Das OLG Köln hat mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) über eine Streitfrage des Urheberrechts entschieden, die allerdings auch allgemeine zivilrechtliche Kategorien betrifft. Es ging in der Sache darum, ob und wann ein Internetanschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen haftet, die von seinem (den Anschluss mitbenutzenden) Ehegatten begangen wurden. Das Urheberrecht, insbesondere die spezialgesetzlich geregelten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 97 UrhG, sind nicht examensrelevant. Gleichwohl eignet sich die Entscheidung hervorragend dazu, um Probleme wie die Störerhaftung und die Zurechnung von Verursachungsanteilen allgemein und ganz losgelöst von einem bestimmten Rechtsrahmen zu diskutieren. Deshalb und nicht zuletzt auch weil die Haftung für Rechtsverletzungen im digitalen Zeitalter eines der umstrittensten Themen der aktuellen Tagespresse darstellt (Stichwort: Piratenpartei), sollte das hier angemerkte Urteil für anstehende mündliche Prüfungen berücksichtigt werden.
Sachverhalt
In dem zur Entscheidung stehenden Fall wurde über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download angeboten. Die Inhaberin des Urheberrechts an diesem Spiel mahnte die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abmahnung nicht hin, sondern widersprach. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem LG Köln verteidigte sich die Beklagte damit, das Spiel sei nicht von ihr selbst angeboten worden. Der Anschluss sei auch und sogar hauptsächlich von ihrem – zwischenzeitlich verstorbenen – Ehemann genutzt worden. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Ehefrau zu Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Das OLG Köln hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Beweislast
Im zu entscheidenden Fall war zunächst problematisch, wie in einem derartigen Fall die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist. Dieser Problemkreis ist allgemeiner Natur und kann deshalb auch als Aufhänger für entsprechende Fragerunden im Beweisrecht dienen. Grundsätzlich gilt, vereinfacht ausgedrückt, dass alle anspruchsbegründenden Tatsachen vom Anspruchssteller, und damit vom Kläger zu beweisen sind. Im vorliegenden Fall lässt sich anhand der IP-Protokolle (siehe zur faktischen Verfolgbarkeit urheberrechtlicher Straftaten hier und hier) beweisen, dass die Verletzung vom Anschluss der Ehefrau ausging. Welche Person aber den Anschluss zum Zeitpunkt des Verstoßes benutzt hat, war zwischen den Parteien streitig. Es stellt sich damit die Frage, ob die Verletzung vom Anschlussinhaber selbst oder durch einem Dritten begangen worden ist.
Zu diesem Aspekt berief sich das OLG Köln auf die Rechtsprechung des BGH, wonach zwar eine Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen sei. Lege der Inhaber jedoch – wie hier – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes dar, müsse wiederum die klagende Seite den Beweis für die Täterschaft führen.
Zurechnung des Verhaltens des Ehemanns
Da eine Urheberrechtsverletzung durch die Ehefrau somit nicht bewiesen werden konnte, kam eine Haftung ihrerseits nur dann in Betracht, sofern ihr das Verhalten ihres Mannes haftungsrechtlich zuzurechnen war. Das OLG hatte somit zu klären, ob der Anschlussinhaber auch für Urheberrechtsverletzungen haftet, die nicht von ihm selbst, sondern von einem Dritten begangen werden.
Das OLG Köln vertrat in diesem Kontext, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keinerlei Haftung auslöse. Eine Haftung käme nur dann in Betracht, wenn die Ehefrau als Anschlussinhaber Kenntnis vom illegalen Verhalten des Dritten, in diesem Fall also des Ehemannes, habe. Zudem käme eine Haftung in Betracht, wenn eine Aufsichtspflicht der Ehefrau bestünde. Eine solche Pflicht in Form einer Prüf- und Kontrollpflicht könne nach dem OLG Köln etwa dann angenommen werden, wenn Eltern ihren Internetanschluss auch für ihre Kinder zugänglich machen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zum Ehepartner.
Eingang der Problematik ins allgemeine Zivilrecht
Im Ergebnis handelt es sich also um eine Problematik, die sich genauso im Rahmen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs nach §§ 1004, 823 BGB abspielen könnte. Insbesondere im Rahmen von Cyberkriminalität und anderen computerbezogenen Eingriffen (etwa in Form von Hackerangriffen) kommen die Erwägungen des OLG Köln auch im allgemeinen Zivilrecht zum Tragen. Bei Ansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB stellt sich dann die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer im Sinne der Anspruchsgrundlage eingeordnet werden kann. Bei Ansprüchen auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB ist dagegen zu fragen, ob ein schadensstiftendes Handeln oder Unterlassen seitens des Anschlussinhabers vorlag, was insbesondere im Falle der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Fall wäre.
Die Entscheidung des OLG geht dabei in die Richtung, dass der Anschlussinhaber nicht per se für jede Rechtsverletzung durch Dritte haftet. Nur dann, wenn eine bestimmte Überwachungspflicht, etwa in Form der elterlichen Fürsorge, besteht, könne von einer Zurechnung des Verhaltens ausgegangen werden. Im Ausgleich hierzu bestehen wiederum die besonderen beweisrechtlichen Vermutungsregeln, wonach der Anschlussinhaber darlegen muss, dass er selbst nicht den Anschluss genutzt hat.
More to come…
Die Entscheidung des OLG Köln stellt sicherlich nicht das Ende der Judikatur zur Frage der computerspezifischen Zurechnungsproblematik dar. Im hier besprochenen Fall wurde die Revision zum BGH zugelassen, so dass mit weiterer Rechtsprechung in diesem zukunftsträchtigen Feld zu rechnen ist.
Beck-aktuell berichtet darüber, dass der deutsche Bundestag die Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes und damit das endgültige Aus für Netzsperren als Mittel zur Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet beschlossen hat.
Wir haben bereits öfters über die examensrelevanten Problemkreise im Zusammenhang mit diesem Gesetzesvorhaben berichtet, so dass an dieser Stelle ein Verweis auf die verwandten Artikel (s.u.) genügt.
In einer aktuellen Entscheidung des BGH (1 StR 529/10 – Beschluss vom 15.03.2011) geht es um die Frage, ob sich jemand wegen Betrugs gemäß § 263 Abs.1 StGB strafbar macht, wenn er die Verlosung eines Hauses im Internet veranstaltet, obwohl die erforderliche Erlaubnis der zuständigen Behörde fehlt.
Sachverhalt
T ist Eigentümer eines Hauses. Im Oktober 2008 veranstaltet er im Internet ein „Gewinnspiel“, bei dem die Teilnehmer zunächst ein Quiz absolvieren müssen, bevor sie an der Verlosung des Hauses des T teilnehmen können. Die zuständige Glücksspielbehörde teilt dem T daraufhin mit, dass die Verlosung unter § 3 GlüStV falle und daher erlaubnispflichtig sei.
T will das Gewinnspiel dennoch weiterhin durchführen. Hierfür sollen die Teilnahmebedingungen so abgewandelt werden, dass die Erlaubnispflicht entfällt. Eine anwaltliche Beratung ergibt, dass dies grundsätzlich möglich und „vertretbar, die Rechtslage jedoch „unklar“ sei. T solle sich jedenfalls mit den Behörden abstimmen, um ein rechtswidriges Verhalten zu vermeiden. In der Folge weist die Behörde den T mehrfach darauf hin, dass eine Erlaubnispflicht fortbestehe. Einem Antrag des T auf Bestätigung der Erlaubnisfreiheit wird nicht entsprochen.
Gleichwohl und in Kenntnis dieser Umstände nimmt T den Spielbetrieb auf. Auf seiner Internetseite und auch in den Teilnahmebedingungen wird wiederholt darauf hingewiesen, dass die Verlosung „auf jeden Fall zulässig“ sei und „den gesetzlichen Bestimmungen“ entspreche. Die Anmeldung erfolgt vollautomatisiert durch ein Computerprogramm. In der Folgezeit nehmen 18.294 Personen an der Verlosung teil. Insgesamt erhält T 404.833 Euro an Teilnahmegebühren. Der höchste überwiesene Einzelbetrag liegt bei 190 Euro. Einige Teilnehmer überweisen bis zu 874 Euro in mehreren Zahlungen, um ihre Gewinnchancen zu steigern. T verbraucht das Geld, lediglich ca. 4000 Euro werden insgesamt später an die Teilnehmer zurückgezahlt.
Die Glücksspielbehörde erlässt einen Bescheid, in dem auf die Rechtswidrigkeit der Verlosung nach § 4 Abs.4 GlüStV hingewiesen und die Untersagung des Spielbetriebs angedroht wird. T beendet daraufhin die Verlosung. Strafbarkeit von T? § 287 StGB ist nicht zu prüfen.
Objektiver Tatbestand von § 263 Abs.1 StGB erfüllt
Der BGH erkennt, dass T durch sein Handeln einen Irrtum bei den Teilnehmern des „Gewinnspiels“ hervorgerufen hat. Durch das Vorspiegeln, die Verlosung sei zulässig, wurden die Teilnehmer dazu veranlasst, einen zur Teilnahme einen bestimmten Geldbetrag zu überweisen. Dem stand aber kein vermögenswertes Äquivalent gegenüber, das zu einer Kompensation der Vermögenseinbuße geführt hätte.
Durch die wahrheitswidrigen Ausführungen auf seiner Internetseite rief der Angeklagte bei den Spielteilnehmern die Fehlvorstellung hervor, dass er die Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit des von ihm angebotenen Gewinnspiels abschließend geklärt habe und dass seinem Vorhaben von Seiten der zuständigen Behörden keine rechtlichen Bedenken entgegenstünden. Eine solche Klärung der Rechtslage war vor Aufnahme des Spielbetriebes aber gerade nicht erfolgt. Aufgrund des vorangegangenen Schriftverkehrs mit den Behörden, die den Angeklagten mehrfach auf ihre rechtlichen Zweifel an der Zulässigkeit des Gewinnspiels hingewiesen hatten, und der von ihm eingeholten Auskünfte von Rechtsanwälten, die die Rechtslage ebenfalls als „unklar“ bezeichnet und ein weiteres Vorgehen nur im Einvernehmen mit den Behörden angemahnt hatten, musste er vielmehr damit rechnen, dass ihm die weitere Durchführung seines Vorhabens einschließlich der Verlosung der von ihm als Hauptgewinn ausgelobten Immobilie umgehend untersagt werden wird, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist.
Im Vertrauen auf die Zusicherung des Angeklagten erbrachten die Teilnehmer ihre Spieleinsätze und erlitten insoweit auch einen Vermögensschaden. Die Gegenleistung des Angeklagten blieb infolge der drohenden Untersagung des Gewinnspiels hinter der vertraglich geschuldeten Leistung zurück, denn der Angeklagte war grundsätzlich weder willens noch in der Lage, den überwiegenden Teil der vereinnahmten Gelder, den er schon für eigene Zwecke verbraucht hatte, im Fall einer vorzeitigen zwangsweisen Einstellung des Spielbetriebes durch die Behörden an die Spielteilnehmer zurückzuzahlen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1983 – 3 StR 300/83; BGH, Urteil vom 3. November 1955 – 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 291). Dass er einen geringen Teil der Einsätze an einige der Spielteilnehmer – die ihm zum Teil mit einer Strafanzeige gedroht hatten – zurück erstattet hat, steht dabei der Annahme eines Betrugsschadens nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009- 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204). Das Landgericht hat die Teilrückzahlung zu Recht als bloße Schadenswiedergutmachung gewertet und bei der Strafzumessung berücksichtigt.
T handelt bedingt vorsätzlich
T hat es nach Ansicht des Gerichts billigend in Kauf genommen, dass es zum Eintritt des Vermögensschaden bei den Betroffenen kommen würde. T konnte im konkreten Fall nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass die Glücksspielbehörde die Verlosung noch genehmigen bzw. deren Erlaubnisfreiheit bestätigen würde.
Der Angeklagte, der dies alles erkannt und gewollt hat, handelte vorsätzlich. Da es ihm zudem darauf ankam, seinen eigenen Gewinn durch die Einsätze der getäuschten Spielteilnehmer zu steigern, ist bei ihm auch die Absicht gegeben, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Umstand, dass er bei der Tatbegehung möglicherweise darauf hoffte, dass die zuständigen Behörden letztlich keine Einwände erheben und ihm die Durchführung des Gewinnspiels einschließlich der Verlosung gestatten würden, lässt die Annahme eines (bedingten) Betrugsvorsatzes nicht entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2002 – 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264 mwN).
Keine Herbeiführung eines „Vermögensverlusts großen Ausmaßes“, § 263 Abs.3 Nr.2 1.Alt StGB
Der BGH bezieht Stellung dazu, ob ein Regelbeispiel gemäß § 263 Abs.3 Nr.2 1.Alt StGB erfüllt ist, da T über 400.000 Euro eingenommen und eine Vielzahl von Personen geschädigt hat.
Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, der Angeklagte habe im Hinblick auf den von ihm verursachten Gesamtschaden das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) verwirklicht. Das Landgericht verkennt hierbei, dass sich das Regelbeispiel nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer bezieht (NK-Kindhäuser, StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 394). Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt insoweit nur in Betracht, wenn die tateinheitlich zusammentreffenden Betrugstaten dasselbe Opfer betreffen (vgl. hierzu LK-Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 298; MüKo-Hefendehl, StGB, § 263 Rn. 777; NK-Kindhäuser aaO). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Auch die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB liegen hier nicht vor, da sich die Vorstellung des Täters auf die fortgesetzte Begehung mehrerer rechtlich selbständiger Betrugstaten richten muss (MüKo-Hefendehl aaO Rn. 779; NK-Kindhäuser aaO Rn. 395).
Dies ändert vorliegend jedoch nichts am verhängten Strafrahmen durch die Vorinstanz, da T jedenfalls „gewerbsmäßig“ im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB gehandelt hat.
Nur „eine Tat“ in mehreren tateinheitlich zusammentreffenden Fälle
Nicht zu beanstanden ist weiterhin die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Bewertung, wonach sich der Angeklagte nur wegen einer Tat des Betruges in mehreren tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren wesentliche Teile der Tatausführung „vollautomatisiert“, d.h. die Anmeldung der Spielteilnehmer, die Aufforderung zur Zahlung nach der Anmeldung, die Überwachung des Zahlungseingangs und die Übermittlung der Quizfragen erfolgten automatisch über das Internet durch den Einsatz eines Computerprogramms, ohne dass es eines weiteren Zutuns des Angeklagten bedurfte. Da seine Tathandlung im Wesentlichen in der Einrichtung und Überwachung der Internetseite bestand, über die das Gewinnspiel abgewickelt wurde, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die an sich selbständigen zahlreichen Abschlüsse der Spielverträge mit den Teilnehmern hier als Tateinheit verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 – 2 StR 74/03 mwN).
Fazit
T hat sich nach § 263 Abs.1 StGB strafbar gemacht. Zu denken wäre ferner an eine Strafbarkeit nach § 287 StGB („Unerlaubte Veranstaltung einer Lotterie oder einer Ausspielung“), welches aber im vorliegenden Fall mangels entsprechender Feststellungen nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden war (vgl. 1 StR 529/10 Rz.6).
Der Fall lässt sich auch ohne genaue Kenntnis der zugrunde liegenden Entscheidung gut lösen. Die allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen von § 263 Abs.1 StGB sollten bekannt sein. Wichtig ist zu erkennen, dass der Vermögensschaden darin liegt, dass trotz der unmittelbar drohenden behördlichen Untersagung eine Rückzahlung durch T nicht möglich und auch nicht beabsichtigt gewesen war, da T das Geld schon frühzeitig verbraucht hatte. Weiterhin ist das Merkmal der „Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes“ zu diskutieren und nach den oben genannten Kriterien abzulehnen, wobei auf das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit zur Bejahung eines besonders schweren Falls des Betrugs in der Prüfung zurückgegriffen werden kann.
Und wieder einmal sind die gesetzlichen Grundlagen zur Sperrung von Internetseiten zur Vermeidung von Kinderpornos aktuell (s. etwa Beck aktuell).
Union und FDP vereinbarten bereits im Herbst 2009 in ihrem Koalitionsvertrag, die Sperren zunächst nicht anzuwenden und ein Jahr lang das Löschen zu testen, um dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Nun soll das Gesetz endgültig aufgehoben werden.
Über die rechtlichen Probleme, die ein solches Gesetz schafft, haben wir bereits öfters berichtet, so dass an dieser Stelle lediglich auf die einschlägigen Artikel verwiesen sein soll (m.w.N. s. hier).
Dem Artikel liegt zwar kein aktueller Sachverhalt zugrunde. Dennoch handelt es sich um ein kontemporäres Thema, das in meinen Augen in der breiten Öffentlichkeit noch nicht hinreichend kommuniziert wird.
Zunächst: Was ist überhaupt ein One-Click-Hoster?
Da die meisten Jurastudenten nicht gerade die Computer-Spezialisten in spe sind, muss ich wohl zunächst einmal erklären, was der Dienst Rapidshare (oder ähnliche Anbieter wie uploaded.to, filesharing.biz etc.) überhaupt anbietet:
Viele Nutzer haben große Dateien, die sie gerne verbreiten möchten. Da für E-Mail-Anhänge in der Regel Größenbeschränkungen gelten, werden so genannte One-Click-Hoster wie RapidShare immer beliebter. Auf deren Seiten lädt man die Dateien hoch. Anschliessend erhält man einen Link. Nur wer diesen kennt, kann den Download starten. Für eine solche Leistung muss man sich nicht einmal anmelden.
Was man wissen muss: Bei jedem Download und Seitenbesuch, den man im Internet tätigt, hinterlässt man Spuren in Form seiner IP-Adresse. Die IP-Adresse ist eine Art Nummernschild des Computers, über das die Anbieter von Internetzugängen ihre Kunden identifizieren können.
Rechtliche Aspekte beim Downloaden
Sofern dann urheberrechtlich geschützte Inhalte im Internet über Filesharing oder eben Dienste wie Rapidshare runtergeladen werden, macht man sich nach §§ 106 ff. UrhG strafbar. Zudem bestehen zivilrechtliche Unterlassungsansprüche nach § 97 UrhG und §§ 1004 I, 823 BGB analog (quasinegatorischer Unterlassungsanspruch).
Es bestehen außerdem Ansprüche auf Schadensersatz nach § 97 UrhG, § 823 I BGB und ein bereicherungsrechtlicher Anspruch nach § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Beim Schadensersatz und beim Bereicherungsrecht ist zu beachten, dass der Geschädigte eine sog. fiktive Lizenzgebühr einfordern kann. Sofern man beim Filesharing etwas runtergeladen hat (wobei ja gleichzeitig dieselbe Datei angeboten wird), kann euch das sogar richtig teuer zu stehen kommen: Man muss quasi den Betrag bezahlen, den man sonst bezahlt hätte, um z.B. ein Lied für eine Stunde im Internet (einer unbestimmten Anzahl an Nutzern) zur Verfügung zu stellen. Hierbei kann man schnell im 5-stelligen Bereich und drüber landen. Die meisten Geschädigten versuchen in der Praxis jedoch durch Vergleiche über eine Höhe von knapp 500€ pro Song schneller an ihr Geld zu kommen. Die fiktive Lizenzgebühr in dieser Größenordnung wird bei einem reinen Download von Rapidshare natürlich nicht anfallen (es sei denn, ihr habt dort etwas hochgeladen).
Kosten der ersten Abmahnung
Anzumerken bleibt im Übrigen, dass im Falle einer Urheberrechtsverletzung die Anwaltskosten nicht erst bei einer vorherigen Mahnung zu zahlen sind. Im Urheberrecht gilt gemäß § 97a Abs. I UrhG, dass die Kosten der ersten Abmahnung bereits vom Schädiger zu tragen sind.
Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs aber zumindest auf lediglich 100 Euro, vgl. § 97a Abs. 2 UrhG.
Kann man bei Rapidshare überhaupt erwischt werden?
Die trockene Antwort auf diese Frage lautet: „JA, wenn auch nicht so leicht wie beim Filesharing“.
Bei Rapidshare unterscheidet man zwischen Free-Usern und Premium-Usern: Besitzer von kostenpflichtigen Accounts (also Premium-User) bekommen für eine geringe Gebühr unter anderem erhöhte Bandbreite und mehr Webspeicher zur Verfügung als Free-User. Bei nicht zahlenden RapidShare-Usern wird gespeichert, welche Datenmenge von welcher IP-Adresse während der vergangenen 10 bis 100 Minuten heruntergeladen wurde. Diese Informationen blieben zirka zwei Stunden lang im System. Bei Premium-Usern wird die Datenmenge, welche binnen 24 Stunden von einer IP-Adresse heruntergeladen wurde, protokolliert. Diese Informationen bleiben derzeit knapp 30 Tage auf den Servern von RapidShare.
Sofern ein zivilrechtlicher Anspruch gegen einen Rapidshare-User, der illegal gedownloaded oder geuploaded hat, von einem Geschädigten geltend gemacht wird, besteht gegen Rapidshare ein Auskunftsanspruch entsprechend § 101 Abs. 2 UrhG. Markant ist dabei, dass dieser Anspruch augenscheinlich nicht nur die Provider betrifft. Hiernach ist Rapidshare zumindest verpflichtet, die IP-Adresse desjenigen herauszugeben, der die Datei auf Rapidshare verbreitet oder downgeloadet hat.
Es scheint, als hätte die Industrie mit dem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch nun das ultimative Mittel gefunden, um auch gegen Filehoster vorzugehen. Es bleibt hierbei rechtlich gesehen äußerst fraglich, ob nur deutsche Server durch den Auskunftsanspruch betroffen sind. Rapidshare betreibt zwar viele Server in den USA und der Schweiz – es befinden sich seit geraumer Zeit aber auch zahlreiche Rapidshare-Server in Deutschland, so dass das Risiko erfasst zu werden, auf jeden Fall besteht.
Die alte Regel, dass man nur beim Filesharing erwischt werden kann, gilt somit nicht mehr pauschal. Insofern ist illegales Downloaden aufgrund des erhöhten Risikos deutlich unattraktiver geworden. Im Zweifel werden kleine Fische zwar von den Strafverfolgungsbehörden in Ruhe gelassen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Musikindustrie auch kleinere Vergehen rigoros zivilrechtlich ahnden möchte. Dieses Geschäft ist zum einen lukrativ aufgrund der erhöhten Lizenzgebühren, die einen Erlös deutlich über den kommerziellen online-Vertrieb hinaus bieten. Zudem hat ein breitflächiges Vorgehen auf zivilrechtlicher Ebene auch eine erhöhte Abschreckungswirkung zur Folge.
Übertragbarkeit auf andere Webdienste
Im Übrigen bleibt anzumerken, dass die obigen Ausführungen sich nicht unbedingt alleine auf One-Click-Hoster beziehen müssen. Dienste, bei denen man Bilder, Musik oder Videos im Internet hochladen kann, können m.E. gleichermaßen vom Auskunftsanspruch nach § 101 UrhG erfasst sein.
Beim Anschauen von Videos auf youtube.com oder ähnlichen Seiten, stellt sich sodann die hoch umstrittene Frage, ob das bloße Laden in den Cache bereits eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Hierbei lässt sich in jeweils beide Richtungen argumentieren, wobei meines Wissens nach noch keine höchstrichterliche Klärung dieser Frage vorliegt.