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Schlagwortarchiv für: Inhaltsirrtum

Dr. Melanie Jänsch

OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€

BGB AT, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
 
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
 
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
 
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
 
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
 
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
 
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
 
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
 
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
 
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets  Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
 

23.07.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-07-23 08:35:432020-07-23 08:35:43OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€
Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum

BGB AT, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

In seinem Urteil vom 4. April 2019 (Az.: 5 U 40/18) hat sich das OLG Hamm jüngst mit einer Fülle klausurrelevanter Probleme des BGB AT auseinandergesetzt. Konkret ging es um die schwierige Abgrenzung des Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB und des Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB beim Identitätsirrtum („error in objecto“) im Rahmen der Anfechtung einer dinglichen Einigung. Insbesondere war hierbei darauf zu achten, in strikter Befolgung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips zwischen schuldrechtlicher und dinglicher Ebene zu differenzieren. Die Entscheidung gleicht einem BGB AT-Lehrbuchfall und soll daher zum Anlass genommen werden, diese Grundprobleme – deren sichere Beherrschung nicht nur für Erstsemester unentbehrlich ist – durch Erläuterung im Gutachtenstil verständlicher zu machen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
K und V hatten einen Kaufvertrag über ein Pferd namens „H“ geschlossen, welches von V an K veräußert und übereignet wurde. Die Parteien kamen überein, dass der K die Möglichkeit erhalten sollte, das Pferd „H“ gegen ein anderes Pferd des V zu tauschen. Am 13.12.2016 teilte der V dem K per E-Mail mit, dass dieser „H“ gegen das Pferd „F“ tauschen könne. Das Pferd „F“ stamme aus einer sog. besonderen „Linienzucht“. Der K bat daraufhin um die Übersendung eines Fotos. Ein Mitarbeiter des V hatte jedoch nicht die Stute „F“ aus dem Stall geholt, um diese zu fotografieren, sondern das Pferd „G“. Folglich wurde dem K ein Foto des Pferdes „G“ gesendet. Die Parteien vereinbarten, dass der K sich zum Gut des V begeben und sich dort zunächst das Pferd anschauen sollte. Dabei ging der K davon aus, es handele sich bei dem Pferd, welches er im Austausch für „H“ erhalten solle, um das Pferd, dessen Fotografie ihm vorab zugesandt worden war. Am 15.12.2016 begab sich der K vereinbarungsgemäß zum Hof des V. Durch einen Mitarbeiter des V wurde dem K sodann die Stute „G“ vorgeführt. Der K sah sich das Pferd an und glich es mit der vorab vom V erhaltenen Fotografie ab. Die Parteien waren sich dann einig, dass der Beklagte das vorgeführte Pferd im Austausch für „H“ erhalten sollte. Der V ging jedoch davon aus, dass es sich bei dem vorgeführten Pferd um das von ihm in seiner E-Mail erwähnte und bezüglich der Abstammung näher beschriebene Pferd „F“ handele. Die Parteien unterzeichneten nach Besichtigung des Pferdes einen schriftlichen Kaufvertrag. In diesem Vertrag ist als Verkaufsobjekt das Pferd „F“ genannt. Der K ging bei der Vertragsunterzeichnung davon aus, dass es sich bei dem in dem Kaufvertrag bezeichneten Pferd „F“ um das Pferd handele, welches ihm zuvor vorgeführt worden war. Tatsächlich wurde dem K das Pferd „G“ ausgehändigt. Zudem wurde ihm der Equidenpass für das Pferd „F“ überreicht. Der K verbrachte das Tier und den Equidenpass nach Hause. Dort las er den in dem übergebenen Pferd zu Identifikationszwecken implantierten Mikrochip aus und stellte fest, dass der ihm überreichte Equidenpass nicht zu dem ihm übergebenen Pferd gehörte. Dies teilte er dem V mit.
Der V äußerte sofort, das Pferd „G“ wolle er auf jeden Fall zurück. Er sei ja dann wohl noch Eigentümer des Pferdes „G“, denn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und insbesondere der Angaben aus dem Kaufvertrag sei stets deutlich gemacht worden, dass sich sein Übereignungswille lediglich auf das Pferd „F“ bezogen habe. Zudem erkläre er vorsorglich die Anfechtung seiner Willenserklärung, die auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war, denn es sei offensichtlich zu einer Verwechslung gekommen. Der K dagegen möchte das Pferd „G“ gerne behalten; er sei sehr wohl Eigentümer geworden und der V müsse ihm vielmehr den entsprechenden Equidenpass aushändigen.
Hat V gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB?
 
B. Rechtsausführungen
V könnte einen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Pferdes „G“ haben. Dies setzt voraus, dass V Eigentümer und K Besitzer des Pferdes ist und dieser kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB hat.
 
I. Besitzerstellung des K
K müsste hierfür Besitzer des Pferdes sein. Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine Sache, vgl. § 854 Abs. 1 BGB. Bei einem Pferd handelt es sich zwar um ein Tier und nicht um eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Gemäß § 90a S. 3 BGB finden indes die für Sachen geltenden Regelungen entsprechende Anwendung, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. K hat das Pferd „G“ zu seinem Hof verbracht, er hat folglich die unmittelbare Herrschaft erlangt und ist damit unmittelbarer Besitzer i.S.v. § 854 Abs. 1 BGB.
 
II. Eigentümerstellung des V
Der V müsste Eigentümer sein, § 903 BGB.
1. Ursprünglich war dies unstreitig der Fall, sodass es keines Rückgriffs auf die Vermutungsregelung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf.
2. V könnte jedoch sein Eigentum im Wege der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung gemäß § 929 S. 1 BGB an K verloren haben.
a) Hierfür bedarf es einer dinglichen Einigung zwischen K und V dahingehend, dass K Eigentümer des Pferdes „G“ werden soll. Problematisch ist hierbei, dass im Kaufvertrag das Pferd „F“ als Verkaufsobjekt genannt wurde. Angesichts des Abstraktionsprinzips, wonach Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in ihren rechtlichen Wirkungen voneinander unabhängig sind, bedeutet dies aber nicht, dass auch die dingliche Einigung auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war. Im Gegenteil ist der Inhalt der dinglichen Einigung unabhängig vom Kaufvertrag durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Hier ergeben die Umstände des Falls, dass die Willenserklärungen auf den Eigentumserwerb des K am Pferd „G“ gerichtet waren. Denn die Parteien waren sich vor Ort gerade dahingehend einig, dass die Übereignung desjenigen Pferdes, das fotografiert und später vorgeführt worden war, erfolgen sollte. Sofern sie dieses Pferd währenddessen fälschlicherweise als Pferd „F“ bezeichneten, handelt es sich hierbei um eine sog. falsa demonstratio non nocet.
 
Zur Erinnerung: Sofern die Parteien das übereinstimmend Gewollte unbewusst falsch bezeichnen, erlangt ihr übereinstimmender Geschäftswille und nicht die im Verkehr übliche Bedeutung der Erklärung Geltung, falsa demonstratio non nocet (= Falschbezeichnung schadet nicht). Haben die Vertragspartner sich trotz objektiv falscher Bezeichnung richtig verstanden, besteht kein Bedürfnis, ihrem gemeinsamen Willen die Rechtswirkung zu versagen. Denn nicht die Bezeichnung ist hier für die Bestimmung der Willenserklärung ausreichend, sondern auch der dahinter stehende Wille. Der prominenteste Fall aus der deutschen Rechtsgeschichte hierzu ist der Haakjöringsköd-Fall.
 
Auch wenn also bei der Übergabe das Pferd „G“ als Pferd „F“ bezeichnet wurde, so ging es den Parteien doch offensichtlich um dasjenige Pferd, das vor ihnen stand. Dieses wollten sie übereignen. Das stellt auch das OLG Hamm in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest:

„Zu Recht hat das Landgericht klargestellt, dass es wegen des Abstraktionsprinzips in dem Moment von Einigung und Übergabe nicht auf die Bezeichnung des Pferdes im Kaufvertrag vom 15.12.2016 angekommen ist. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob dieser Kaufvertrag vor oder nach der Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden ist. Hier ist der Kaufvertrag sogar unstreitig erst nach Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden.“ (Rn. 67)

Mithin liegt eine dingliche Einigung zwischen K und V bezogen auf das Pferd „G“ vor.
b) Die Willenserklärung des V könnte aber infolge einer Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig sein. Dazu müsste – neben der Anfechtungserklärung und der Wahrung der Anfechtungsfrist– zunächst ein tauglicher Anfechtungsgrund vorliegen, der sich gerade auf die dingliche Willenserklärung
 aa) Der V behauptet, er sei einem Irrtum über die Identität des Übereignungsgegenstandes („error in objecto“) insofern erlegen, als er bei der Übereignung davon ausgegangen sei, dass er ein bestimmtes Pferd aus der sog. Linienzucht mit einem bestimmten Alter übereignen würde. Dies treffe auf das Pferd „G“ aber nicht zu, sondern nur auf das Pferd „F“. Zu prüfen ist, ob und inwiefern es sich hierbei um einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum handeln kann. Möglich erscheint das Vorliegen eines Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB, der dann besteht, wenn er Erklärende über den objektiven Sinngehalt des Erklärten irrt. Kurz gesagt: Er erklärt objektiv etwas anderes, als er subjektiv erklären will. Ein Inhaltsirrtum kann aber auch dann gegeben sein, „wenn der Erklärende zwar das richtige Erklärungsmittel verwendet, um seinen rechtsgeschäftlichen Willen kundzugeben, die Willenserklärung aber durch Bezugnahme auf bestimmte Umstände, über die der Erklärende sich im Irrtum befindet, erst ihre volle, vom Erklärenden nicht gewollte Bedeutung erhält“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 77). Dies ist insbesondere beim Identitätsirrtum der Fall. Denn: „Hier dient das verwendete Erklärungszeichen der Bezeichnung einer konkreten Person oder eines konkreten Gegenstandes; allein wegen der konkreten Umstände trifft es nicht auf die gemeinte Person oder den gemeinten Gegenstand zu“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 78). In Betracht kommt neben dem Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 BGB aber auch ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB als Sonderfall des Motivirrtums. Das OLG Hamm hat daher die beiden Anfechtungsgründe voneinander abgegrenzt:

„Bei einem Inhaltsirrtum entspricht der äußere Tatbestand der Erklärung dem Willen des Erklärenden. Dieser irrt aber über die Bedeutung oder Tragweite der Erklärung. Er weiß also was er sagt, weiß aber nicht, was er damit sagt. (Vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 11). Dem gegenüber stimmen bei einem Eigenschaftsirrtum Wille und Erklärung überein. Der Erklärende irrt nicht über die Erklärungshandlung oder den Erklärungsinhalt, sondern über Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit. Es handelt sich also um einen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 23).“ (Rn. 72 f.)

Dies zugrunde legend stelle sich die Einordnung im vorliegenden Fall als schwierig dar, wie das Gericht einräumt:

„Ein derartiger Irrtum dürfte einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB darstellen, wobei die Abgrenzung zwischen einem Inhaltsirrtum und einem Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB in einem solchen Fall schwierig sein kann (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 119 Rdn. 45 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 119 Rdn. 14).“ (Rn. 71)

Damit vermag das OLG Hamm zunächst zur Annahme eines Inhaltsirrtums zu tendieren, lässt die Abgrenzung letztlich aber offen, da im konkreten Fall jedenfalls ein Eigenschaftsirrtum gegeben sei:

„Der skizzierte Abgrenzungsstreit kann hier dahingestellt bleiben. Nach seiner Darstellung will der Kläger nämlich bei der Abgabe der Einigungserklärung im Sinne von § 929 S. 1 BGB davon ausgegangen sein, nicht die Stute „G“, sondern die Stute „F“ mit einem ganz bestimmten Alter (3,5 Jahre) und einem ganz bestimmen Stammbaum (Mutter: „Q2“; Vater und Großvater: „Q“) zu übereignen. Dem gegenüber war die Stute „G“ im Dezember 2016 erst 2,5 Jahre alt, ihre Mutter war „X“ und ihr Vater ebenfalls „Q“. Alter und Stammbaum sind bei einem Pferd wertbildende Merkmale und daher verkehrswesentliche Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Singer, a.a.O., Rdn. 80 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 27). Mithin ist der Kläger jedenfalls einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB erlegen gewesen.“ (Rn. 74 ff.)

 
Die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum ist auch in der Literatur umstritten (s. hierzu ausführlich MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 79). Die Einordnung des Irrtums könnte indes sogar offen gelassen werden; angesichts der gleichen Anfechtungsfrist ist eine Entscheidung für oder wider den einen oder anderen Anfechtungsgrund praktisch folgenlos (so auch BeckOK BGB/Wendtland, 51. Ed., Stand: 01.08.2019, § 119 BGB Rn. 35).
 
bb) Der V hat die Anfechtung auch gemäß § 143 Abs. 1, 2 BGB gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner erklärt.
cc) Dies geschah auch ohne schuldhaftes Zögern, mithin unverzüglich i.S.v. § 121 BGB, sodass auch die Anfechtungsfrist gewahrt wurde.
dd) Die Willenserklärung des V wurde also wirksam angefochten und ist damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig.
c) Es besteht nach erfolgter Anfechtung keine dingliche Einigung zwischen K und V.
3. V hat das Eigentum an dem Pferd „G“ nicht an den K im Wege rechtsgeschäftlicher Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB verloren. Er ist also noch Eigentümer.
 
III. Recht zum Besitz, § 986 BGB
Ferner dürfte der K auch kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB haben. Ein solches könnte aus dem zwischen K und V abgeschlossenen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB ergeben. Indes ist als Kaufobjekt ausdrücklich das Pferd „F“ bezeichnet. Aus dem Kaufvertrag kann K damit kein Besitzrecht bezogen auf das Pferd „G“ herleiten.
 
Anmerkung: wiederum Achtung – Abstraktionsprinzip! Auch wenn sich die Übereignung ursprünglich auf das Pferd „G“ bezogen hat, ist Kaufgegenstand offensichtlich Pferd „F“.
 
IV. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB.
 
C. Fazit
Es gilt damit: Bei einem Identitätsirrtum kann ein Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB vorliegen, wobei die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass ein Eigenschaftsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB nach den Darlegungen des Klägers sicher gegeben war, sodass der Abgrenzungsstreit offenbleiben konnte. Muss dieser jedoch – in einem weniger eindeutigen Klausurfall – geführt werden, wird es, da die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum lebhaft umstritten ist, hierbei weniger auf ein bestimmtes Ergebnis ankommen. Wichtig ist vielmehr eine gute Argumentation, auf deren Basis sich dann für den Inhalts- oder Eigenschaftsirrtum entschieden wird.
 
 

10.10.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-10-10 09:00:162019-10-10 09:00:16OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum
Dr. Maximilian Schmidt

BGH: Zustandekommen eines Vertrages über „Sofort-Kaufen“-Funktion – Auslegung und Anfechtung

BGB AT, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Eine äußerst examensrelevante Entscheidung hat der BGH mit Urteil vom 15. Februar 2017 – VIII ZR 59/16 zum Zustandekommen eines Vertrags über den „Sofort-Kaufen“- Button auf der Plattform Ebay getroffen. Der Sachverhalt wirft zwei (vom BGH abschließend beantwortete) Fragen zur Auslegung und Anfechtung eines über diesen Button geschlossenen Kaufvertrages auf und sollte in jeder Examensvorbereitung behandelt werden – spielen doch beide Problemkreise im Allgemeinen Teil des BGB.

I. Sachverhalt (gekürzt, dem Urteil entnommen)

Der Beklagte bot im Oktober 2014 über die Internet-Plattform eBay unter Nutzung der Festpreis-Funktion „Sofort-Kaufen“ ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen Sofortkaufpreis von 100 € und Versandkosten von 39,90 € ein. Die auf der Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung lautete:
 
„Pedelec neu einmalig 2600 € Beschreibung lesen!!“
 
Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte – wiederum in Großbuchstaben – folgende Angaben hinzugefügt:
 
„Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 € mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie mir einfach ein Angebot! Danke.“
 
Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16. Oktober 2014 die Schaltfläche („Button“) „Sofort-Kaufen“ auf der Angebotsseite, um das E-Bike zu erwerben. 
 
II. Rechtliche Würdigung
1. Zunächst ist das Zustandekommen eines Kaufvertrages nach den §§ 133, 157 BGB zu prüfen. Grundsätzlich sind nach st. Rspr. des BGH Willenserklärungen auf der Plattform Ebay anhand der zugrunde liegenden AGB auszulegen.  Demnach müsste man zunächst einen Kaufpreis von 100€ annehmen, da der „Sofort-Kaufen“-Button den endgültigen Kaufpreis den AGB zufolge enthält. Anders aber im vorliegenden Fall: Der Anbieter machte sowohl in der Überschrift als auch in der Beschreibung deutlich, dass der Kaufpreis nicht 100€, sondern 2600€ betragen soll. Damit rückte er eindeutig von den AGB ab, weswegen diese nicht mehr zu Auslegung herangezogen werden können. Die AGB finden daher in der vorzunehmenden Auslegung keine Berücksichtigung mehr, so dass auch die Zweifelsregelung der §§ 305b/§305c BGB nicht weiterhilft. Vielmehr ist eine eigenständige Auslegung nach §§ 133, 157 BGB vorzunehmen.
 
Ausgangspunkt muss dabei das Angebot nach § 145 BGB sein. Worin besteht dieses tatsächlich? Zunächst liegt kein eindeutiges Angebot über 100€ vor  – Überschrift und Beschreibung treten der „Erklärung“ neben dem Button ja gerade entgegen. Der Button ist somit nur ein Auslegungskriterium unter mehreren. Auch liegt nicht bloß eine nicht ernstlich gemeinte Erklärung (§ 118 BGB) über 100€ vor, die zum Fehlen einer Willenserklärung über 2600€ führen würde. Vielmehr ist ein eindeutiges Angebot über 2600€ abgegeben. Es erschließt sich für den objektiven Betrachter, dass die 100€ nur aufgenommen wurden, um Gebühren zu sparen. Ernstlich wurde hingegen ein Verkaufsangebot ad incertas personas i.H.v. 2600€ abgegeben. Dieses verstößt nicht gegen § 134 BGB, da der Verstoß gegen die allein zwischen den Vertragspartnern und Ebay geltenden AGB jedenfalls keinen gesetzlichen Verstoß hinsichtlich deren Vertragsverhältnis begründet.
 
Dieses eindeutige Angebot hat der Kläger auch angenommen, da er vorbehaltlos den insoweit maßgeblichen Button betätigt hat, § 147 BGB. Er erklärte gerade nicht, nur zu 100€ kontrahieren zu wollen – womit ein neues Angebot verbunden wäre – sondern nahm das nach objektivem Empfängerhorizont auf 2600€ lautende Angebot an.
 
2. Der Kläger hat seine Willenserklärung aber wirksam angefochten, § 142 Abs. 1 BGB. Die Anfechtungserklärung wurde zwar nicht ausdrücklich, aber konkludent abgegeben. Der Kläger wollte am nächsten Tag das Geschäft nicht gegen sich gelten lassen, sondern verlangte Abwicklung zu einem Kaufpreis von 100€. Hierin liegt eine Eventualanfechtung, nämlich für den Fall, dass tatsächlich zu einem anderen Kaufpreis kontrahiert wurde. Dies ist keine echte (unzulässige) Bedingung, sondern eine bloße Rechtsbedingung: Die Wirkung der Anfechtung ergibt sich nämlich schon aus dem Recht bzw. für die Parteien aus der künftigen gerichtlichen Klarstellung. Die Ungewissheit besteht also gleichsam nur für die Parteien. Der BGH führt hierzu aus:
Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen, dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages durch den Beklagten nach Maßgabe des von ihm angenommenen Vertragsinhalts begehrt und insoweit von einem (Fort-) Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urteil vom 28. September 2006 – I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17 mwN). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist.
Auch liegt ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum nach § 119 BGB vor. Ein solcher Irrtum setzt ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus – oder wie ein alter Lehrspruch lautet: Der Erklärende weiß, was er sagt, aber nicht, was er damit sagt. Der Kläger ging davon aus, zu 100€ zu kontrahieren und gab eine entsprechende Erklärung ab. Sein Wille war also auf Abschluss eines Vertrages zu 100€ gerichtet; tatsächlich erklärte er aber eine Annahme über 2600€. Wille und Erklärung fallen mithin auseinander. Selbst wenn der Kläger aber das Angebot nicht zu Ende gelesen hätte, stünde dies einem Inhaltsirrtum nicht entgegen, solange sich der Erklärende eine bestimmte (Fehl-) Vorstellung über seinen Erklärungsinhalt gemacht hat. Insoweit ist der Fall also abzugrenzen vom vollständigen Fehlen einer Vorstellung – dann liegt kein Inhaltsirrtum vor.
 
III. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung
  • Grundsätzlich können die Ebay-AGB zur Auslegung des Vertragsschlusses zwischen zwei Nutzern herangezogen werden.
  • Etwas anderes gilt hingegen, wenn eine eindeutige Distanzierung von den AGB vorliegt, diese also gerade nicht Grundlage des Vertragsschlusses sein sollen.
  • Dies ist insbesondere der Fall, wenn unter dem „Sofort-Kaufen“-Button ein anderer Preis steht als im restlichen Angebot und eindeutig ist, welcher Preis gemeint ist.
  • Eine Anfechtungserklärung erfolgt konkludent, wenn gegenüber dem Kontrahierungspartner ein niedrigerer Preis als vereinbart durchzusetzen versucht wird.
  • Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Nutzer einer Fehlvorstellung über die Höhe des Preises unterliegt, da er allein formal auf den „Sofort-Kaufen“-Button abstellt und nicht – wie ein objektiver Dritter – den gesamten Angebotsinhalt zur Auslegung heranzieht.

 

02.06.2017/7 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2017-06-02 10:00:242017-06-02 10:00:24BGH: Zustandekommen eines Vertrages über „Sofort-Kaufen“-Funktion – Auslegung und Anfechtung
Tom Stiebert

Wo liegt eigentlich „Bordö“ – Irrtum bei der Reisebuchung

BGB AT, Reiserecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Mit einem äußerst kuriosen Fall hatte sich das AG Stuttgart Bad-Canstatt kürzlich zu befassen.
Eine Kundin wollte in einem Reisebüro einen Flug nach Porto buchen. Aufgrund ihres sächsischen Dialekts sprach sie den Zielort aber undeutlich als „Bordö“ aus (auf das Hinzufügen von Audiodokumenten wollen wir hier verzichten), sodass die Mitarbeiterin des Reiseunternehmens fälschlicherweise einen Flug nach Bordeaux buchte. Vorher wurde noch zweimal in, wie das Gericht ausführt, „korrekter hochdeutscher Sprache“ die Flugroute beschrieben.
Schlussendlich ging es dann darum, ob ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei und die Kundin demzufolge die Kosten von 300€ zu tragen hatte. Eine mögliche Anfechtung wurde offensichtlich nicht geprüft. Es wurde allein auf den Vertragsschluss abgestellt. Der Fall ist damit für das erste Semester ein Paradebeispiel bezüglich der Vertragsschlussproblematik und sollte damit in keiner AG und Vorlesung fehlen.
I. Vertragsschluss
Grundsätzlich kommt ein Vertrag durch  zwei korrespondierende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, Angebot und Annahme (§§ 145 ff. BGB) zustande.
Fraglich ist aber, welchen Inhalt die Erklärung der Kundin hatte. Sie wollte hier nach Porto, für die Ladeninhaberin schien es aber so, als solle ein Ticket nach Bordeaux gebucht werden. Zu ermitteln ist dies im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB nach dem objektiven Empfängerhorizont. Ziel der Auslegung von Willenserklärungen ist die Ermittlung des tatsächlichen Bedeutungsgehalts einer Erklärung (vgl. §§ 133, 157 BGB). Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen (um eine solche handelt es sich ja hier) ist das Interesse des Adressaten an Sicherheit und Klarheit schutzwürdig. Üblicherweise weiß er gerade nicht, was der Erklärende subjektiv meinen will, sondern muss dies aus dem objektiv Erklärten herleiten. Aus diesem Grund ist die Erklärung so auszulegen, wie sie ein objektiver Empfänger verstehen durfte. Maßgeblich dafür sind alle Umstände, die der Empfänger kannte oder kennen mußte, unter Berücksichtigung des Wortlauts, der Verkehrssitte sowie des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Allein auf den wirklichen Willen nach § 133 BGB kann damit nicht abgestellt werden, ergänzend ist das Verstehendürfen nach Treu und Glauben gemäß § 157 BGB zu beachten.
Ein sog. Dissens (d.h. keine Einigung – § 155 BGB) läge nur dann vor, wenn die Willenserklärungen in unlösbarem (!) Widerspruch stehende Regelungen enthalten würden, wenn sich also auch bei der Auslegung keine Übereinstimmung zeigen würde.
Hier versteht die Ladeninhaberin den Zielort aufgrund des Dialekts offensichtlich als Bordeaux. Ergänzend kommt hinzu, dass sich dieses Missverständnis durch die Erläuterung des Flugweges VOR Vertragsschluss noch verstärkt, so dass sie damit noch deutlicher davon ausgehen konnte, dass tatsächlich Bordeaux der Zielort sein sollte. Andererseits ist aber davon auszugehen, dass sie den Dialekt der Kundin bemerkt hatte und deshalb zumindest hinterfragen musste, ob tatsächlich Bordeaux gemeint war und nicht Porto. Hätte sie den tatsächlichen Willen erkannt, so wäre sie nicht schutzbedürftig und müsse sich an dem Gewollten festhalten lassen (BGHZ 20, 109; BGHZ 71, 243). Hierfür sind aber im konkreten Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Dennoch sprechen die Fakten im Zusammenspiel dafür, dass die Willenserklärung als Reise nach Bordeaux aufgefasst werden konnte.
Diese wurde auch angenommen. Demzufolge liegen zwei übereinstimmende Willenserklärungen bzgl. einer Reise nach Bordeaux vor, sodass ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist.
II. Mögliche Anfechtung
Offensichtlich nicht erhoben wurde die Einrede der Anfechtung. Diese dient ja gerade dazu, die Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung aufzulösen und den Erklärenden nicht mehr an dem nicht Gewollten festzuhalten. Zu beachten ist dabei nur der Schadensersatzanspruch des Vertrauensschadens nach § 122 BGB.
Hier liegt letztendlich ein Fall des Verlautbarungsirrtums  als Unterfall des Inhaltsirrtums vor. Der Erklärende weiß, was er sagt, nämlich „Bordö“, weiß aber nicht, was er damit sagt:  „Bordeaux“. Aus diesem Grund ist eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 Var. 1 BGB möglich. Wäre diese unmittelbar nach Vertragsschluss erfolgt, wäre auch ein Vertrauensschaden nach § 122 BGB zu verneinen, schließlich ist der Vertragspartner so zu stellen „als hätte er den Anfechtenden nie getroffen“.  Allenfalls kleinere Reservierungskosten wären zu zahlen.
Wäre die Anfechtung erst am Flughafen passiert- die Frist nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB wäre hier gewahrt, wenn erst dann Kenntniserlangung vom Irrtum vorlag- so wäre der Vertrauensschaden hingegen deutlich höher. Dies zumindest dann, wenn alle Tickets ausverkauft waren. Ansonsten wäre auch hier ein Schaden noch zu verneinen.
III. Fazit
Ein sehr lustiger Fall, der das Zeug zum Klassiker hat. Die spannendsten Fälle schreibt meistens doch das Leben. Zu dem Haakjöringsköd-Fall könnte mit dem Porto/Bordeaux-Fall damit in Zukunft ein weiteres Highlight hinzutreten.

17.09.2012/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-09-17 09:00:552012-09-17 09:00:55Wo liegt eigentlich „Bordö“ – Irrtum bei der Reisebuchung

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