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Schlagwortarchiv für: Herausgabeanspruch

Simon Mantsch

OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht, Zivilrecht

Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur deshalb eignet sich der Fall ideal für Prüfungsarbeiten.

I. Der Sachverhalt

Der Sportwagenbegeisterte und Beklagte B wurde über die Internetplattform mobile.de auf einen zum Kauf angebotenen Lamborghini aufmerksam. Dieser wurde erst kurz zuvor nach Deutschland eingeführt und war hierzulande nur mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen. Angeboten wurde dieser von den Brüdern S, die angaben, stellvertretend im Namen des Eigentümers und Verkäufers V zu handeln. Die Brüder S waren für die Familie des B keine Unbekannten. An sie hatte der Bruder des B bereits ein Kfz verkauft, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre. Es kam zu einer Besichtigung auf dem Parkplatz einer Spielothek. Der Beklagte wollte den Lamborghini an Ort und Stelle kaufen, wurde von S jedoch vertröstet, da der Wagen noch für die Hochzeit eines Freundes benötigt werden würde. Man verabredete sich zwei Tage später „auf halbem Weg“ zwischen den Wohnorten von B und S an einer Tankstelle zum Abschluss des Kaufvertrages und zur Übereignung des Kfz. Mit mehrstündiger Verspätung trafen die Brüder S gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein und begründeten die Verspätung zunächst mit einem Stau auf der Autobahn, später jedoch mit einer zeitraubenden Polizeikontrolle. Es erfolgte eine Probefahrt. Um 1 Uhr nachts setzte man sich sodann in einem neben der Tankstelle befindlichen Schnellrestaurant zusammen und besprach die Kaufmodalitäten. Man kam überein, dass B zum Erwerb des Lamborghinis seinen alten Lamborghini für 60.000 EUR in Zahlung geben und zusätzlich 70.000 EUR in bar zahlen würde. Die Kaufabwicklung folgte noch in jener Nacht. K ließ sich auch die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vorlegen, die ihm zusammen mit dem Lamborghini und den dazugehörigen Schlüsseln übergeben wurden. Eine Vollmacht des V wurde zu keinem Zeitpunkt verlangt und auch nicht vorgelegt. Nur eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises von V hat B zu Gesicht bekommen. Die Angaben in den Zulassungsbescheinigungen erwiesen sich jedoch als nicht stimmig. In der Zulassungsbescheinigung Teil II wurde zwar V als Halter ausgewiesen, in Zulassungsbescheinigung Teil I jedoch nur mit dem Zusatz „Empfangsbevollmächtigter“. Auch gab es offensichtliche Unstimmigkeiten beim Namen. So wurde der Name des V in den Zulassungsbescheinigungen und dem Kaufvertrag anders wiedergegeben, als auf der Kopie des Personalausweises. B fuhr mit dem Lamborghini nach Hause. Der Versuch der Anmeldung des Fahrzeugs auf den eigenen Namen scheiterte jedoch, da sich der Lamborghini auf einer Fahndungsliste befand. Es sollte sich herausstellen, dass V gar nicht der Eigentümer war. Der Lamborghini stand nämlich ursprünglich im Eigentum des in Spanien lebenden Klägers K, der das Kfz nur an eine Agentur vermietet hatte. Diese hatte es wiederum an den V weitergegeben, der es nach Ende der Mietzeit nicht zurückgab. K verlangt von B nunmehr Herausgabe des Lamborghinis.

II. Die Entscheidung

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat einen gutgläubigen Erwerb des B nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht, dem K einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB folglich nicht zugesprochen. Gestützt wird dies auf die Erwägung, dass sich B die originalen Zulassungsbescheinigungen hat vorzeigen lassen, die jedenfalls keinen schwerwiegenden Fehler enthielten. Auch die sonstigen Umstände sollen nicht derart auffällig gewesen sein, dass man das Handeln des B als grob fahrlässig iSd § 932 Abs. 2 BGB qualifizieren könnte. Ferner ist dem klagenden K der Lamborghini durch die freiwillige Vermietung und der damit verbundenen Besitzübertragung nicht iSd § 935 BGB abhandengekommen.

Das OLG Oldenburg hat die Umstände in wesentlichen Teilen anders gewertet. Nach Feststellung der internationalen Zuständigkeit (hier folgend aus Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 [EuGVVO]) und der Anwendbarkeit deutschen Rechts gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB, hatte sich das Gericht umfassend mit dem Vorliegen eines Anspruchs aus § 985 BGB zu beschäftigen. Dazu müsste eine Vindikationslage bestehen, K also Eigentümer und B Besitzer ohne Besitzrecht sein.

K war jedenfalls der ursprüngliche Eigentümer. Er hat sein Eigentum nicht durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB an die Agentur verloren, da insoweit nur eine Mietvereinbarung, gleichwohl aber keine dingliche Einigung zum Eigentumsübergang getroffen wurde.

Er könnte sein Eigentum jedoch durch gutgläubigen Eigentumserwerb des B von V gem. §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren haben. B einigte sich mit V nicht dinglich über den Eigentumsübergang, wohl aber mit den Brüdern S. Diese gaben eine eigene Willenserklärung ab, handelten dabei jedoch offenkundig im Namen und mit Einverständnis des V, womit die Voraussetzungen einer Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 vorliegen. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ändert daran nichts, da das Vorliegen einer solchen im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben ist. Auch kam es zu der Übergabe des Lamborghinis an B.

Da jedoch zu keiner Zeit mit dem Berechtigten K verhandelt wurde, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten V in Betracht. Das dafür erforderliche Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts sowie ein objektiver Rechtsscheintatbestand liegen – vermittelt durch die Übergabe des Kfz und der damit zum Ausdruck gebrachten Besitzverschaffungsmacht – vor. § 932 Abs. 1 BGB schließt den Erwerb jedoch aus, wenn – vom Kläger zu beweisen – B beim Erwerb in Bezug auf die Eigentumsstellung des V nicht in gutem Glauben gewesen wäre. Der Erwerber ist nach § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Jedenfalls positiv bekannt war B die fehlende Eigentumsstellung des V nicht.

Nach Ansicht des OLG Oldenburg handelte B jedoch grob fahrlässig. Für die Frage nach dem Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens muss aus Verkehrsschutzgesichtspunkten auf objektive Maßstäbe abgestellt werden. Ob jemand gute Erfahrungen mit dem Erwerb von Kfz unter Umständen wie den oben geschilderten gemacht hat (Straßenkauf), ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig, wie die guten Erfahrungen eines Familienmitglieds mit den täuschenden Brüdern S. Auch wenn es höchstrichterlich anerkannt ist, dass den Erwerber zumindest grundsätzlich keine Nachforschungspflichten treffen, so ist jedenfalls für den gutgläubigen Erwerb von gebrauchten Kfz geklärt, dass sich der Erwerber der Veräußerungsbefugnis des Verkäufers durch Einsichtnahme in die Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) verschaffen muss (BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 222/95). Darüberhinausgehende Nachforschungspflichten bestehen regelmäßig nicht (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12). Das OLG Oldenburg vertritt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – jedoch die Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die einen Verdacht erregen können oder sogar müssen, die fehlende Gutgläubigkeit auch bei Einsicht in die Zulassungsbescheinigung Teil II vorliegen kann. Die Einsicht in die originalen Zulassungsbescheinigungen Teil I und II kann den Käufer daher nicht pauschal entlasten. Vielmehr erblickt das OLG Oldenburg mehrere Umstände, die ein grob fahrlässiges Handeln des B begründen sollen.

Nach Ansicht des OLG waren die Auffälligkeiten dabei so groß, dass auch nicht mehr ins Gewicht fällt, ob der Kaufpreis von der Höhe her angemessen war oder ob sich auch aus einer besonders niedrigen Festsetzung konkrete Zweifel bei B hätten ergeben müssen. B ergriff durch Einsicht in die Zulassungsbescheinigungen und in die Personalausweiskopie zu wenige Maßnahmen, damit trotz der ungewöhnlichen Begleitumstände keine grobe Fahrlässigkeit hätte angenommen werden können. B konnte infolgedessen kein Eigentum erwerben. Das Eigentum verblieb insoweit bei E.

B hat jedoch den unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB erlangt. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB, das einer Vindikationslage entgegenstünde, ist nicht feststellbar. Insbesondere kann das Kausalverhältnis zwischen B und den Brüdern S nicht als solches angeführt werden, da insoweit die Relativität der Schuldverhältnisse gilt.

III. Einordnung der Entscheidung

Es handelt sich um eine Entscheidung, die sich ausschließlich mit Prüfungsstoff für das erste Staatsexamen auseinandersetzt. Angesichts der Vorliebe von „PKW-Fällen“ bei den Justizprüfungsämtern ist zu erwarten, dass diese Entscheidung früher oder später so oder ähnlich gelagerte Einzug in eine Prüfungsarbeit erhält.

Spannend ist dabei (auch für eine Prüfungsaufgaben) der Einstieg in die Fallbearbeitung. Denn bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug muss zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts sowie die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet werden. Hierfür bedarf es keiner tiefgreifenden IPR-Kenntnisse. Was die internationale Zuständigkeit betrifft, so ist ein Blick in die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu werfen. Diese gilt gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO für alle Zivil- uns Handelssachen, soweit kein Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 EuGVVO greift. Für den zeitlichen Anwendungsbereich ist Art. 66 EuGVVO zu beachten, wonach es sich um einen nach dem 10.01.2015 eingeleiteten Rechtsstreit handeln muss. Über Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gelangt man sodann zur deutschen Zuständigkeit, weil der Beklagte B hier seinen Wohnsitz hat. Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten sodann die bekannten Vorschriften aus ZPO und GVG. Mit der Feststellung der internationalen Zuständigkeit ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen, welches Recht Anwendung findet. Dafür ist zunächst ein Blick in Art. 3 EGBGB zu werfen. Danach ist zunächst auf die Anwendbarkeit europäischer Verordnungen zu achten, die sodann das anwendbare Recht bestimmen. Ist eine solche – wie hier – nicht einschlägig, so ist auf zweiter Ebene die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Bestimmungen zu prüfen, die entsprechende Rückschlüsse auf das anwendbare Recht erlauben. Mangelt es – wie hier – auch an solchen, so bestimmt sich das einschlägige Recht nach den Art. 3 ff. EGBGB. Nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB unterliegt das Recht an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Angesichts des Belegenheitsortes des Lamborghini in Deutschland, ist demzufolge das nationale (Sachen)Recht anzuwenden.

Inhaltlich sind die Wertungen des OLG durchaus nachvollziehbar. Freilich ist die Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil II immer ein wichtiges Indiz, das dem Grunde nach gegen ein bösgläubiges Verhalten des Käufers spricht. Drängen sich aber zwielichtige Umstände geradezu auf, muss diese Wertung korrigiert werden. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 932 BGB. Geschützt werden soll derjenige, der nicht erahnen konnte, dass die Sache nicht demjenigen gehört, der sie veräußert. Bei beweglichen Sachen vermittelt allein die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers regelmäßig die Befugnis zur Veräußerung. Hier gibt es kein verbrieftes Recht! Doch können besondere Umstände zum Ausschluss der Gutgläubigkeit führen. Für den Erwerb von PKW gilt insoweit nichts anderes. Hier kommt der Zulassungsbescheinigung Teil II nur deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie – anders als bei anderen beweglichen Sachen – die Haltereigenschaft verbrieft. Sie ist aber kein Garant dass sonstige Umstände unbeachtlich sind und allein die Einsichtnahme zum gutgläubigen Erwerb führt. Derartige Privilegierungen beim Erwerb von Kfz ggü. dem Erwerb sonstiger beweglicher Gegenstände sind nicht intendiert, geschweige denn notwendig.

Nichts desto trotz ist eine ganz klare Linie in der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. So ging in diesem Fall auch die Vorinstanz von einem gutgläubigen Erwerb auch. Auch der BGH hat in seinem „Probefahrt-Urteil“ (Urt. V. 18.9.2020 – V ZR 8/19) die Gutgläubigkeit eines Erwerbers angenommen, der an einem Bahnhof ein Kfz zum Preis von 46.500 EUR in Bar kaufte, auf Wunsch des Verkäufers gleichwohl nur 43.500 EUR in das Vertragsformular aufgenommen wurden und seitens des Käufers ohne weiteres Anzweifeln nur Einsicht in die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II genommen wurde. Auch hier ergeben sich durch die Wahl des Bahnhofs als Verkaufsort und die Höhe des Bargeldgeschäfts durchaus Zweifel. Besondere Umstände, die zu besonderen Nachforschungspflichten führen, liegen nach den Ausführungen des BGH nicht vor. Unangreifbar ist dies gewiss nicht. Es gibt also durchaus noch offene Fragen beim gutgläubigen Erwerb unterschlagener PKW. Dies kommt Ihnen jedoch nur zugute, denn für Prüfungsarbeiten gilt wie so oft: Solange Sie gut argumentieren, können Sie vieles vertreten!

26.04.2023/1 Kommentar/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-04-26 06:00:002023-04-26 07:17:55OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
Charlotte Schippers

Grundzüge des Minderjährigenrechts für die BGB-AT-Klausur

BGB AT, Für die ersten Semester, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

In Kürze stehen die Abschlussklausuren, so auch im BGB AT, an. Besonders klausurrelevant ist hier das Minderjährigenrecht. Beherrscht werden sollte daher in diesem Zusammenhang die Prüfung des Zustandekommens von Verträgen mit beschränkt Geschäftsfähigen und von Herausgabeansprüchen. Wichtig zur gelungenen Klausur ist eine strukturierte Herangehensweise an die Falllösung, wobei der folgende Beitrag helfen soll.
 
A) Zustandekommen von Verträgen
Zunächst stellt sich also die Frage nach dem Abschluss eines Vertrags mit beschränkt Geschäftsfähigen. Prüft man einen solchen Vertragsschluss, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Normen und Überlegungen in die Prüfung einzubauen. So ist es möglich, zunächst den Vertragsschluss an sich zu bejahen und ihn dann auf seine Wirksamkeit hin zu untersuchen. Aber auch direkt iRd Willenserklärung des Minderjährigen kann eine Prüfung der Normen sinnvoll sein. Grundsätzlich steht der Aufbau insofern frei.
 
I. Ausgangspunkt der Prüfung: § 107 BGB
1. Rechtlich lediglich vorteilhaft?
Am Beginn der Prüfung steht die Frage, ob das Rechtsgeschäft für den beschränkt Geschäftsfähigen (Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren, §§ 2, 106 BGB) rechtlich lediglich vorteilhaft ist. Solche Rechtsgeschäfte darf er nämlich selbst vornehmen, sie fallen in seine eigene Rechtsmacht. Voraussetzung ist, dass seine Rechtsstellung hierdurch ausschließlich verbessert wird. Maßgeblich bei der Bestimmung, ob das der Fall ist, ist ausschließlich die rechtliche Sichtweise. Wirtschaftliche Gesichtspunkte bleiben nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut außer Betracht. Allerdings sind mit einer teleologischen Reduktion der Norm auch rechtlich neutrale Geschäfte hiervon erfasst (arg. ex § 165 BGB).
 
2. Beispiele

  • Der Abschluss eines Kaufvertrags bedeutet für den beschränkt Geschäftsfähigen einen rechtlichen Nachteil: Er verpflichtet sich hierdurch gem. § 433 Abs. 2 BGB zur Kaufpreiszahlung. Ob der Vertrag wirtschaftlich sinnvoll oder gar ein Schnäppchen ist, ist nicht relevant.
  • Gibt der beschränkt Geschäftsfähige das verbindliche Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags ab, beinhaltet dieses bereits den rechtlichen Nachteil: Das Zustandekommen des ihn verpflichtenden Vertrags liegt nicht mehr in seinen Händen, sondern ist alleine von der Annahme des Erklärungsempfängers abhängig.
  • Eine dingliche Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB, die auf Eigentumsübertragung an den Minderjährigen gerichtet ist, ist rechtlich lediglich vorteilhaft.

 
3. Zwischenfazit
Stellt sich also die Willenserklärung als rechtlich lediglich vorteilhaft heraus, ist sie auch ohne Zustimmung wirksam. Ist sie es hingegen nicht, geht die Prüfung weiter:
 
II. Einwilligung
1. Einwilligung nach § 183 S. 1 BGB
Zu prüfen ist dann, ob die gesetzlichen Vertreter, i.d.R. die Eltern, §§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB, ihre Einwilligung erteilt haben. Hierbei handelt es sich um die vorherige Zustimmung, vgl. § 183 S. 1 BGB. Sie kann als Einzeleinwilligung, also für ein bestimmtes Geschäft, oder (beschränkter) Generalkonsens, also noch nicht näher bestimmte Geschäfte z.B. für eine Reise mit Freunden, erteilt werden. Eine ausdrückliche Erklärung hierüber ist nicht erforderlich.
 
2. Der Taschengeldparagraph: § 110 BGB
Wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung fehlt, ist an § 110 BGB (Taschengeldparagraph) zu denken: Hiernach wird ein durch einen beschränkt Geschäftsfähigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn dieser seine vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind. Ein Bewirken der Leistung setzt voraus, dass der Leistungserfolg vollständig erbracht wurde, vgl. auch § 362 Abs. 1 BGB.
Bei der Überlegung, ob Mittel zur freien Verfügung überlassen worden sind, ist auch die Frage einzubeziehen, ob das infrage stehende Rechtsgeschäft mit dem von den Eltern zu verfolgenden Erziehungszweck der Mittelüberlassung (s. dazu auch Art. 6 Abs. 1, 2 GG) in Einklang steht.
Hinsichtlich des Bewirkens gilt zu beachten, dass auch die Vereinbarung von Ratenzahlung grundsätzlich zwar möglich ist. Ein Bewirken liegt aber erst dann vor, wenn die letzte Rate bezahlt wurde.
 
3. Beispiele

  • Die Eltern des minderjährigen M geben ihm 50 €, damit er sich neue Schulbücher kaufen kann, willigen also in solche Geschäfte ein.
  • Darüber hinaus bekommt M 10 € Taschengeld pro Woche, damit er lernt, mit Geld umzugehen. Hiervon kauft er sich meistens am Kiosk Comic-Hefte und Süßigkeiten, die er dort sofort bezahlt. Diese Verträge sind von Anfang an nach § 110 BGB wirksam.

 
4. Zwischenfazit
Wenn die Einwilligung der Eltern also wirksam erteilt wurde oder § 110 BGB einschlägig ist, ist das Rechtsgeschäft wirksam. Fehlt eine Einwilligung, ist noch an die Genehmigung zu denken, § 108 Abs. 1 BGB: „Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab“. Die Willenserklärung ist also zunächst schwebend unwirksam.
 
III. Genehmigung
1. Genehmigungserteilung
Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung, durch sie wird das Rechtsgeschäft rückwirkend, also von Anfang an, ex tunc, wirksam gem. § 184 Abs. 1 BGB. Wird sie verweigert, ist der Vertrag endgültig unwirksam. Sie kann gem. § 182 Abs. 1 BGB sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch seinem Vertragspartner gegenüber erteilt werden.
 
2. Aufforderung zur Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB
Fordert der Vertragspartner den Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen zur Genehmigung auf, hat dies mehrere Folgen: Zunächst wird eine etwaige Genehmigung oder Verweigerung, die zuvor gegenüber dem Minderjährigen erteilt wurde, unwirksam, § 108 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB. Eine Erklärung über die Genehmigung kann dann nur noch dem Geschäftspartner gegenüber erfolgen, § 108 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB. Wird die Genehmigung nicht bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Empfang dieser Aufforderung (vgl. zur Fristberechnung §§ 187 ff. BGB), gilt sie als verweigert gem. § 108 Abs. 2 S. 2 HS. 2.
 
3. Minderjähriger wird volljährig, § 108 Abs. 3 BGB
Wird der Minderjährige volljährig, also voll geschäftsfähig, sind seine Eltern nicht mehr i.S.d. § 108 BGB für ihn zuständig – als Volljähriger hat er keine gesetzlichen Vertreter mehr. Deshalb kann er selbst ab diesem Zeitpunkt die erforderliche Genehmigung erteilen oder verweigern, § 108 Abs. 3 BGB. Das gilt auch, wenn die Eltern bereits zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert wurden. Wurde noch keine Aufforderung ausgesprochen, kann dies auch nur noch ihm gegenüber erfolgen (MüKo BGB/Spickhoff § 108 Rn. 36).
 
4. Zwischenfazit
Hier endet in der Regel die Prüfung des Vertragsschlusses. Entweder ist der Vertrag durch die Genehmigung ex tunc wirksam geworden oder aufgrund Verweigerung oder Verweigerungsfiktion endgültig unwirksam. Wichtig ist, hier gründlich mit den entsprechenden Vorschriften zu arbeiten und diese strukturiert durchzuprüfen.
 
B) Herausgabeansprüche im Kontext des Minderjährigenrechts
Häufig wird in der BGB-Klausur die Kaufsache auch schon an den Minderjährigen übergeben und übereignet worden sein, sodass sich darüber hinaus die Frage nach Herausgabeansprüchen stellen wird. Bekannt sein sollten euch auf jeden Fall § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
 
I. § 985 BGB
985 BGB ist der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer ohne Besitzrecht. Dieser muss, wenn nach Herausgabe gefragt ist, zuerst geprüft werden.
 
1. Voraussetzungen
 

I. Anspruchssteller ist Eigentümer
II. Anspruchsgegner ist Besitzer
III. Besitzer hat kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

 
Der Schwerpunkt der Prüfung wird normalerweise bei Punkt I. liegen. Hier ist die Prüfung chronologisch vorzunehmen, es kommt also darauf an, wer ursprünglicher Eigentümer war und an wen und wodurch er sein Eigentum verloren haben könnte.
 
2. Beispiel
V und der minderjährige M haben einen Kaufvertrag über ein Handy geschlossen, der aber mangels Zustimmung der Eltern des M unwirksam ist. V hat M das Handy bereits mit nach Hause gegeben und beide wollten auch, dass M das Eigentum hieran erhält.
Ursprünglich war also V Eigentümer des Handys. Er hat sein Eigentum an M durch Übergabe und Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB verloren. Hierbei gilt es, i.R.d. dinglichen Einigung auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zu achten: Während der Kaufvertrag (der hier gar nicht erst anzusprechen ist!) unwirksam ist, ist das Verfügungsgeschäft unabhängig davon wirksam: M erhält hierdurch Eigentum an dem Handy, also rechtlich lediglich einen Vorteil, sodass dieses keiner Zustimmung bedarf. Ein Anspruch aus § 985 BGB scheitert daher an der fehlenden Eigentümerstellung des V.
 
II. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Als nächstes zu prüfen ist der Anspruch aus Bereicherungsrecht, der eine ungerechtfertigte Bereicherung rückabwickeln soll.
 
Voraussetzungen
 

I. Etwas erlangt

  •  jeder vermögenswerte Vorteil

II. Durch Leistung

  •  bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens

III. Ohne rechtlichen Grund

 
Bei der Prüfung dieses Anspruchs ist darauf zu achten, dass iRd erlangten Etwas die genaue Rechtsposition zu benennen ist. Nicht ausreichend ist es, an dieser Stelle davon zu sprechen, der Minderjährige habe „das Handy“ erlangt. Richtig muss es heißen: „Eigentum und Besitz an dem Handy“.
I.R.d. Prüfung des rechtlichen Grundes kann es je nach Fallkonstellation auch vorkommen, dass die Prüfung des Zustandekommens des Vertrags hier eingeschachtelt werden muss. Hat man diese bereits vorgenommen, reicht insoweit ein Verweis.
 
C) Fazit
Das Minderjährigenrecht in der BGB-Klausur bietet viele Stellen, an denen der Klausursteller Wissen und Strukturverständnis abfragen kann. Mit einer gründlichen, strukturierten Lösung unter Zuhilfenahme der umfassenden Regelungen des BGB kann aber jede BGB-Klausur vernünftig gemeistert werden. Führt euch immer vor Augen, dass der Gesetzgeber den Minderjährigen vollumfänglich schützen wollte und schon das Gesetz euch daher für (fast) alle Fälle ausreichend wappnet, wenn ihr es nur richtig anwendet. Viel Erfolg bei den Klausuren!

20.01.2020/3 Kommentare/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-01-20 09:29:362020-01-20 09:29:36Grundzüge des Minderjährigenrechts für die BGB-AT-Klausur

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