Das BVerwG hat sich grundsätzlich zur baurechtlichen Zulässigkeit von Krematorien, also Anlagen zur Einäscherung bzw. Verbrennung von Leichen, in Gewerbegebieten geäußert. Im Einzelnen ging es um die Definition der Gebietsbestimmung des „Gewerbegebiets“ und den Begriff der „Anlage für kulturelle Zwecke“ i.S.d. § 8 Abs. 3 BauNVO.
Auch wenn das Thema beim ersten Anschein mitunter doch äußerst uninteressant aussieht, darf die Examensrelevanz solcher Entscheidungen nicht unterschätzt werden. Gerichtliche Baurechtssachverhalte, die eine argumentative Auslegung der Normen der BauNVO zum Gegenstand haben, werden nämlich sehr häufig 1:1 für Examensklausursachverhalte übernommen. So wurde etwa die Ausgangsentscheidung des OVG Münster des hier besprochenen Falles im Februar 2011 in NRW und Hessen als Examenssachverhalt herangezogen. Aus diesem Grund folgen hier die maßgebenden Überlegungen, die das BVerwG für die Auslegung der BauNVO angestellt hat.
Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat das Krematorium als eine in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässige Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO eingeordnet. Dass ein Krematorium aus Gründen der Pietät in ein kontemplatives Umfeld einzubetten sei, widerspreche nicht der allgemeinen Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Baugenehmigung aufgehoben. Zwar fällt ein Krematorium mit Abschiedsraum, das – wie hier – die Voraussetzungen einer Gemeinbedarfsanlage erfüllt, unter den Begriff einer Anlage für kulturelle Zwecke i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Der Begriff ist ebenso offen angelegt wie der Begriff „Anlagen für kirchliche, soziale und gesundheitliche Zwecke“ und umfasst auch Einrichtungen der Bestattungskultur. Ungeachtet der Immissionsträchtigkeit der Verbrennungsanlagen stellt ein Krematorium mit Abschiedsraum ähnlich wie ein Friedhof einen Ort der Ruhe, des Friedens und des Gedenkens an die Verstorbenen dar. Eine solche Anlage verträgt sich aber entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht mit der Zweckbestimmung eines Gewerbegebiets, das geprägt ist von werktätiger Geschäftigkeit. Das schließt es nicht aus, dass die Beklagte das betroffene Gebiet im Rahmen eines Bebauungsplanverfahrens unter Beteiligung der Öffentlichkeit überplant und so eine bauplanungsrechtliche Grundlage für das zwischenzeitlich errichtete Krematorium schafft. (Quelle: Pressemitteilung des BVerwG).
Die Besonderheit des Falles lag mithin darin, dass das Krematorium nicht bloß eine Verbrennungsanlage, sondern darüber hinaus noch einen Sterberaum enthielt. Im Rahmen einer Klausur wäre also zu argumentieren, dass Krematorien grundsätzlich in Gewerbegebieten zulässig sein können, dass von diesem Grundsatz aber eine Ausnahme zu machen ist, sofern das Krematorium den Charakteristika eines Friedhofs gleichkommt.