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Tom Stiebert

OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Der Fall ist ein absoluter Examensklassiker, der aus dem FF beherrscht werden sollte: Der Missbrauch von Scheckkarten, bzw. Kreditkarten, EC-Karten etc. Hier ist bekanntlich zunächst zwischen drei Stadien zu unterscheiden: Dem Erlangen der Karte, der Benutzung des Geldautomatens und der Entnahme des Geldes. Zudem ist noch zu differenzieren, wer die Karte benutzt – der berechtigte Inhaber, der aber sein Konto überzogen hat oder ein nichtberechtigter Dritter, der die Karte überlassen bekommen hat oder entwendet hat.
Bekanntlich sind hier stets eine Vielzahl von Delikten zu prüfen: Betrug (§ 263 StGB) beim Erlangen der Karte, ggf. Untreue (§ 266 StGB) dem Karteninhaber oder der Bank gegenüber, Computerbetrug (§ 263a StGB) beim Bedienen des Automatens, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB) beim Benutzen der Karte sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) bei Entnahme des Geldes. Hier besteht eine so ausdifferenzierte Fallpraxis, dass die Darstellung einen separaten Beitrag vorbehalten bleibt.
I. Sachverhalt
Hier soll es aber um einen ganz aktuell vom OLG Hamm entschiedenen Sonderfall gehen (Urteil v. 12.03.2015 – 1 RVs 15/15). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein – geschäftsfähiger – Rentner überließ seinem Pfleger seine Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000 Euro) zur freien Verfügung für eigene Zwecke. Nach dem Tod des Kreditkarteninhabers (wovon der Pfleger auch Kenntnis hatte erfuhr er, dass er nicht zu dessen Erben gehörte. Dennoch tätigte er mit der Kreditkarte weitere Umsätze in Höhe von 4.000 Euro.
Strafbarkeit des Pflegers?
II. Lösung
Das OLG Hamm verneinte hier – im Widerspruch zu den Vorinstanzen – eine Strafbarkeit des Pflegers. Abgelehnt wurde insbesondere eine Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB).
Hier könnte die Verletzung einer – gegenüber den Erben oder dem Erblasser – bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt worden sein. Eine solche muss bei einer Untreue nach § 266 StGB zwingend vorliegen. Das OLG Hamm hat eine solche abgelehnt:

Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (BGHSt 24, 386 f.).
Die Angeklagte traf hier eine solche Verpflichtung nicht. Die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Der Verfügungsrahmen der Kreditkarte war auf 5.000 Euro pro Monat begrenzt, eine Verwendung über diesen Betrag hinaus der Angeklagten mithin gar nicht möglich. Ein Spielraum verblieb ihr insoweit nicht. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.
Es ist auch kein Umstand erkennbar, der eine Vermögensbetreuungspflicht mit dem Ableben des Verstorbenen begründen könnte. Irgendwie geartete Vereinbarungen mit den Erben hat es nicht gegeben.

Entscheidendes Argument des Gerichts ist also, dass das Geld gerade zu eigenen Zwecken und nicht für die Zwecke des Karteninhabers oder Dritter abgehoben werden durfte (hierzu OLG Hamm 2 Ss 367/03). Hier grenzt sich das Gericht ausdrücklich von anderen Entscheidungen zu dieser Fallgestaltung ab. Hier ist also eine äußerst sorgfältige Falllektüre erforderlich. Keinesfalls darf vorschnell ein vermeintlich bekannter Fall wiederholt werden.
Eine Untreue scheidet damit mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
Auch weitere Delikte scheiden hier nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts aus.
Ein Betrug, bzw. Computerbetrug bei Benutzung der Karte wird verneint. Eine Vorstellung des Händlers über die Berechtigung (und damit ein Irrtum hierüber) wird verneint.
Auch eine Unterschlagung der Kreditkarte wird verneint. Hier fehlt es an einer Zueignung der Kreditkarte, wobei genau zu differenzieren ist, was im Einzelnen zugeeignet werden soll.
Auch ein Kreditkartenmissbrauch nach § 266b StGB scheidet aus.
Das Verhalten war damit straflos.
III. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz bedarf es kaum Ausführungen, die oben dargelegten Fallgestaltungen kennt wohl jeder Examenskandidat. Umso wichtiger ist es, auch neue Fallgruppen sauber durchzuprüfen. Dies gelingt auch dann, wenn man den konkreten Fall nicht „gelernt“ hat. Wichtig ist eine sauber und schrittweise Subsumtion. Dann kann man sowohl die Klassiker als auch neue Varianten sauber lösen. Es ist zu erwarten, dass gerade auf Grund der Neuerungen die hier aufgezeigte Konstellation Bestandteil von Prüfungen werden wird.

24.04.2015/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-04-24 12:00:232015-04-24 12:00:23OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch
Tom Stiebert

OLG Hamm: Vertragsschluss bei ebay trotz Angebotsabbruch?

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Erneut hat sich das OLG Hamm (Urteil vom 4.11.2013, 2 U 94/13) zu der Frage geäußert, wann bei einer ebay-Auktion der Vertragsschluss zustande kommt und wie eine Abkehr von einem möglichen Vertrag erfolgen kann (PM siehe hier).
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Gericht mit einem ähnlichen Urteil für Aufsehen gesorgt: auch hier ging es (unter anderem) um die Frage, zu welchem Zeitpunkt bei ebay ein Vertrag zustande kommt. Siehe hierzu auch unsere Besprechung. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle sowohl die äußerst relevante Diskussion über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Internet zusammengefasst werden als auch auf die Besonderheiten des aktuellen Falls hingewiesen werden.
I. Sachverhalt
Dem Geschehen lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der volljährige Sohn des Beklagten hatte über den ebay-Account seines Vaters einen Audi A4 2.0 TDI ohne Angabe eines Mindestpreises angeboten. Kurz nach dem Einstellen brach er die Auktion ab und stellte den Wagen erneut ein, diesmal mit der Angabe eines Mindestpreises. Zum Zeitpunkt des Abbruchs war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Gebot von 7,10 Euro Höchstbietende. Nach der Übernahme des Geschäftsbetriebs dieser Gesellschaft hat der Kläger aus Passau vom Beklagten die Herausgabe des PKW für 7,10 Euro verlangt und die Ansicht vertreten, es sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichte, den PKW für diesen Preis abzugeben.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay enthalten folgende Regelung:

Stellt ein Anbieter, auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.

Weiterhin findet sich unter dem Punkt „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ noch folgende Regelung:

In den folgenden Fällen dürfen Sie Ihr Angebot jedoch vorzeitig beenden: (…) Sie haben beim Eingeben des Angebots, des Startpreises oder des Mindestpreises einen Fehler gemacht.

 
II. Zeitpunkt Vertragsschluss
Das OLG Hamm bleibt bei seiner Linie, dass der Vertragsschluss nicht erst mit Zeitablauf eintritt, sondern direkt bei jedem einzelnen Gebot (auflösend bedingt) erfolgt. Welche Rechtsfolgen dies hat, ist insbesondere bei § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ersichtlich (siehe hierzu unseren Beitrag).
Nach Ansicht des OLG Hamm liegt bereits im Einstellen der Auktion ein verbindliches Angebot (und keine invitatio ad offerendum), das durch die Abgabe des Höchstgebots angenommen wird. Diese Willenserklärung unterliegt einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB, die dann eintritt, wenn ein höheres Gebot abgegeben wird.
Der Vertrag wird damit direkt bei Gebotsabgabe geschlossen. Anders sah dies noch der BGH im sog. ricardo-Urteil. Hier blieben die Einzelheiten des Vertragsschlusses unklar. Das Gericht legte dar:

Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt.

Zumindest das OLG Hamm scheint seine Linie zum Vertragsschluss nun aber beizubehalten. Dies ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen, obgleich die praktischen Unterschiede zwischen den Ansichten im Regelfall gering sein dürften.
 
III. Abkehrmöglichkeit vom Vertrag
Nimmt man das OLG damit beim Wort, würde folglich ein Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer bestehen, mit der Folge, dass der Käufer Übereignung des PKW Zug um Zug gegen Zahlung der 7,10 Euro verlangen könnte. Auch auf den Einwand, es läge ein Wuchergeschäft vor, könnte er sich – da dies die immanente Gefahr eines solchen Geschäfts darstellt – nicht berufen (siehe hierzu unseren Beitrag).
Wie könnte sich aber der Verkäufer noch vom Vertrag lösen? In Betracht kommt die Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums (über die Art des Irrtums lässt sich je nach Fallgestaltung trefflich diskutieren). Hier ist dann aber das Problem, dass den Anfechtenden die Folgen des § 122 BGB treffen könnten. Er wäre damit am besten gestellt, wenn er sich folgenlos vom Vertrag lösen könnte.
Hier könnte ein Widerruf in Betracht kommen, der zumindest in den AGB von ebay angedeutet ist. Allerdings sind diese Geschäftsbedingungen kein Bestandteil des Vertrages zwischen V und K geworden; sie gelten nur gegenüber der Plattform. Und dennoch wendet das Gericht diese AGB mit folgendem Trick auf das konkrete Vertragsverhältnis an: Die Willenserklärung des V wird nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt; in diesen werden aber die Wertungen der AGB hineingelesen. Folglich lautet die Wertung des OLG:

Ein bei ebay eingestelltes Angebot stehe unter dem Vorbehalt, dass kein Widerrufsgrund nach den ebay-Bedingungen gegeben sei. Ein Widerrufsgrund liege unter anderem dann vor, wenn dem Anbieter beim Einstellen des Angebots ein Fehler unterlaufen sei. Das könne auch ein Fehler bei der Angabe des Mindestpreises sein. Im Fall eines Widerrufgrundes könne der Anbieter sein Angebot zurückziehen und damit wirksam widerrufen.

Das Angebot unterliegt folglich im Ergebnis den Vorgaben der AGB, die in die Auslegung einzubeziehen sind. Über diesen „Umweg“ kommt das OLG folglich zu dem Ergebnis, dass das Angebot nachträglich – aufgrund der Widerrufsmöglichkeit – entfallen ist, mit der Folge, dass ein Vertragsschluss nicht (mehr) vorliegt.
 
IV. Stellungnahme
Im Ergebnis überzeugt die Darlegung des OLG Hamm; in der Herleitung freilich nicht.
Zum einen kommt das OLG überhaupt nur durch seine komplizierte Konstruktion des Vertragsschlusses zu der hier dargelegten Problematik. Dann hat der Verkäufer aber gerade auch die – abschließenden – Möglichkeiten der Anfechtung. Eines Rückgriffs auf die Regelungen der AGB bedarf es folglich nicht; ein Schutzdefizit ist nicht erkennbar.
Noch unklarer ist aber der Verweis auf die „gesetzlichen Regelungen“ in den ebay AGB. Das Gericht scheint hier – die exakten Urteilsgründe sind nicht verfügbar – die ergänzenden Vorschriften „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ als gesetzliche Vorschriften anzusehen. Dies überzeugt nicht, haben diese doch einen abweichenden und unverbindlichen Rechtscharakter. Eher ist der Verweis allein als ein Bezug auf die gesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften (also auch auf das Recht der Anfechtung) zur verstehen. Diese und insbesondere deren Rechtsfolgen übergeht man aber, wenn man die Anfechtungsvorschriften gleichzeitig als vertragliche ungeschriebene Widerrufsmöglichkeit ansieht. Eine solche Auslegung erscheint äußerst problematisch.
Besser wäre es damit entweder den Vertragsschluss bereits zu verneinen, oder aber den Verkäufer auf die Anfechtungsregeln zu verweisen.
 
V. Examensrelevanz
Vertragsschlüsse bei ebay sind und bleiben im Examen ein Dauerbrenner, wie auch die weiteren in diesem Beitrag verlinkten Artikel deutlich machen. Hier lassen sich Fälle beliebig modifizieren. Wichtig ist dabei, dass in der Klausur die bewährten Pfade nicht verlassen werden, sondern sauber gearbeitet und argumentiert wird. Ein richtiges Ergebnis gibt es – wie auch die Diskussion hier zeigt – nicht; eine falsche Begründung bzw. unsaubere Herleitung dagegen schon.

 

10.12.2013/4 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-12-10 16:50:222013-12-10 16:50:22OLG Hamm: Vertragsschluss bei ebay trotz Angebotsabbruch?
Tom Stiebert

OLG Hamm: Scheidung eines iranischen Ehepaars nach iranischem Recht – „talaq“

Familienrecht, IPR, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat am 7.5.2013 einen spannenden Fall (Az. 3 UF 267/12) entschieden, der in keiner IPR-Vorlesung fehlen darf. Da die Grundzüge des IPR auch im Examen bekannt sein müssen, empfiehlt es sich, diesen Fall auch für die Klausuren zu wiederholen. Es geht dabei um die Frage, ob eine Ehe durch den (dreimaligen) Ausspruch „talaq“ (der soviel bedeutet wie „Ich verstoße dich“) durch ein deutsches Gericht geschieden werden kann, oder ob eine Anwendung dieses Grundsatzes im deutschen Recht nicht möglich.
Hier handelt es sich um ein spezielles IPR Problem. Zum Verständnis der IPR-Grundzüge empfehlen wir unseren allgemeinen einführenden Beitrag.
I. Sachverhalt/Einführung
Im Regelfall des „talaq“ steht dem Ehemann das Recht zur Scheidung durch die Verstoßung zu. Mit diesem Fall hatten sich deutsche Gerichte bereits mehrfach zu befassen und er muss als Klassiker des Internationalen Privatrechts angesehen werden. Im konkreten Fall lag die Besonderheit darin begründet, dass nicht der Ehemann sondern die Ehefrau die Scheidung ausgesprochen hat. Dies war möglich, da ihr durch die Heiratsurkunde eine „Vollmacht“ zustand, wonach auch sie die Scheidung durch talaq beantragen kann.
Fraglich ist nun, ob der von der Ehefrau erklärte talaq zur Wirksamkeit der Scheidung führt.
II. Zuständigkeit des OLG Hamm
Es stellt sich dabei zunächst die Frage, wie der Fall überhaupt zum OLG Hamm gelangen konnte, da das Ehepaar die iranische Staatsangehörigkeit hatte und die Ehe auch 2009 im Iran nach iranischen Recht geschlossen wurde.
Zu bestimmen ist die nationale Zuständigkeit nach den Grundsätzen des Internationalen Zivilprozessrechts. Vorrangig sind hier Regelungen durch Verordnungen; nur subsidiär können die Normen der ZPO auch die internationale Zuständigkeit bestimmen. Hier ergibt sich die Zuständigkeit aus der sog. Brüssel IIa -Verordnung (Verordnung EG VO Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung). Diese Verordnung hat die bisher geltende Brüssel II Verordnung (EuEheVO, Ordnungsnummer 103b im Schönfelder) abgelöst und regelt nun die Zuständigkeit.  Ein einer Klausur wäre die neue Verordnung auf jeden Fall abgedruckt.
Zuständig ist nach Art. 3a dieser Verordnung das Gericht des Staates, in dem die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Dies führt zur Zuständigkeit der deutschen Gerichte, da beide Ehepartner unstrittig zum zeitpunkt des talaq in Deutschland lebten. Die übrige sachliche, örtliche und instanzielle Zuständigkeit ergibt sich dann aus den Vorschriften des deutschen Prozessrechts  (hier ZPO, FamFG, GVG).
III. Anwendbares Recht
Die Feststellung, dass deutsche Gerichte zuständig sind, bedeutet aber nicht automatisch, dass auch deutsches materielles Familienrecht Anwendung findet. Vielmehr muss das anwendbare Recht erneut durch die jeweiligen (nationalen) Kollissionsnormen ermittelt werden. Bedeutend sind dabei insbesondere die Verordnungen Rom I, Rom II und Rom III, die in Grundzügen auch in der Klausur beherrscht werden sollten.
Hier muss das anzuwendende Sachrecht mittels der Rom III-Verordnung ermittelt werden, die das EGBG ab dem 21.6.2012 in ihrem Anwendungsbereich verdrängt. (siehe hierzu unseren ausführlichen Beitrag). Kurioserweise haben weder Amtsgericht, noch die Verfahrensbeteiligten in der ersten Instanz die Geltung der Rom III-Verordnung erkannt und stattdessen auf das EGBG als Kollissionsnorm abgestellt. Ein einer Klausur würde sich ein solcher Fehler sehr negativ auswirken.
Ohne Rechtswahl (Art. 5 Rom-III-Verordnung) ergäbe sich damit das anzuwendende materielle Recht aus Art. 8a Rom-III-VO, also dem Recht des Staates in dem die Parteien zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren Wohnsitz haben. Dies war hier Deutschland, sodass deutsches Scheidungsrecht anzuwenden wäre, wenn nicht die Geltung des Rechts eines anderen Staates vereinbart wurde.

Vorliegend haben die Beteiligten zwar während ihres ehelichen Zusammenlebens, ihrer Trennung und der Anrufung des Amtsgerichts ebenso wie im Beschwerdeverfahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland; sie haben in der Heiratsurkunde jedoch wirksam von der Möglichkeit einer Rechtswahl zugunsten des iranischen Scheidungsrechts Gebrauch gemacht. Neben den zwingenden gesetzlichen Regelungen ist es nämlich auch möglich, das anzuwendende Recht frei zu wählen, Art. 5 der Rom-III-Verordnung. Eine solche Rechtswahl ist grundsätzlich vorrangig vor der Regelung des Art. 8.

Eine Rechtswahlvereinbarung hinsichtlich iranischem Recht und der Geltung des talaq lag damit vor, da die Regelung des talaq nahezu wortgleich auch im iranischen Scheidungsrecht enthalten ist. Zu prüfen war nur, ob diese Vereinbarung auch wirksam war. Die Schriftform nach Art. 7 Abs. 1 Rom-III-Verordnung war gewahrt. Beide Ehegatten hatten zum Zeitpunkt auch den gewöhnlichen Aufenthalt im Iran, sodass auch die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 a Rom-III-VO erfüllt sind. Unerheblich ist auch, dass die Rechtswahlvereinbarung vor Geltung der Rom-III-Verordnung geschlossen wurde (vgl. Art. 18 Rom-III-VO).
Damit ist iranisches Recht anwendbar.
IV. Scheidungsvoraussetzungen nach iranischem Recht
Das Vorliegen der Voraussetzungen des talaq und damit die Zulässigkeit der Scheidung werden vom Gericht anschließend ausführlich geprüft und bejaht.
V. Ausnahme: Ordre Public
Eine Scheidung wäre aber dann nicht möglich, wenn die Anwendung der Grundsätze des talaq gegen elementare Prinzipien des deutschen Rechts und damit gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Die Verordnung enthält einen solchen ordre-public-Vorbehalt in Art. 12 Rom III-VO. Dieser ist damit Einbruchstelle für die Grundrechte (BGH, NJW 1999, 2372). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen darf aber nicht vorschnell bejaht werden.
Voraussetzung ist eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts (entscheidungserheblicher Verstoß einer ausländischen Norm gegen die Verfassung), insb. Grundrechte. Art. 12 Rom-III-VO (vergleichbare Regelungen enthält jede Kollissionsnorm) ist ein Korrektiv, um wesentliche Widersprüche der Grundzüge der lex fori mit dem Ergebnis der Anwendung einer Norm der lex causae zu vermeiden.
Das Gericht verneint dies hier zutreffend, da auch nach deutschem Recht die Voraussetzungen einer Scheidung vorliegen würden. Die Rechtsfigur des talaq kann damit nicht generell gegen den ordre-public-Grundsatz verstoßen, sondern es ist eine Prüfung im Einzelfall geboten. Im konkreten Fall ist ein Verstoß schon deshalb ausgeschlossen, weil beiden Ehepartnern gleichermaßen das Recht zur Scheidung zusteht (Art. 10 Rom-III-VO) und weil die Voraussetzungen einer Scheidung nach nationalem Recht vorliegen (Art. 12 Rom-III-VO). Gegenstand der Prüfung kann immer nur ein konkretes Ergebnis (also hier Zulässigkeit der Scheidung im konkreten Fall), nicht die Norm (talaq) an sich sein. Selbst wenn man diese also für problematisch hält, bedeutet dies nicht, dass auch das Ergebnis unzulässig ist.
Bekannt sein sollte in diesem Zusammenhang der „Regelfall“ des talaq, wonach diese Möglichkeit der Scheidung allein den Männern zustehen würde. Hier liegt bereit ein Verstoß gegen das spezielle Gleichbehandlungsgebot aus Art. 10. Rom-III-VO nahe. Problematisch ist auch die Vereinbarkeit mit Art. 12 Rom-III-VO. Der talaq stellt nach h.M. nur dann einen Verstoß gegen diesen ordre-public-Vorbehalt dar, wenn die Ehe nicht gescheitert ist. Inzident wäre also an dieser Stelle auch das nationale (hier deutsche) Scheidungsrecht zu prüfen.
Im konkreten Fall stellten sich die Probleme nicht, sodass das Gericht zurecht die Wirksamkeit der Scheidung festgestellt hat.
VI. Bewertung und Examensrelevanz
Die Entscheidung vermag im konkreten Fall zu überzeugen, ist hier doch weder eine Benachteiligung der Frau an sich, noch eine Benachteiligung des Ehemannes als Adressat des „talaq“ erkennbar. Der Anwendbarkeit des talaq stehen damit zurecht keine Bedenken entgegen.
Erkannt werden sollte in diesem Zusammenhang auf jeden Fall die Anwendbarkeit der Rom-III-VO. Zudem sind auch die Unterscheide zum eigentlichen talaq-Fall augenscheinlich, dessen vorschnelle Wiedergabe in der Klausur im konkreten Fall wenig hilfreich wäre. Es handelt sich hier faktisch um den „talaq-reverse“-Fall, dessen Behandlung aber im Ergebnis ähnlichen Grundsätzen folgt. Bekannt sein muss damit vor allem, dass der ordre-public-Vorbehalt sehr sorgsam und restriktiv zu prüfen ist und nur im Einzelfall bejaht werden darf.
 

07.06.2013/9 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-06-07 13:00:282013-06-07 13:00:28OLG Hamm: Scheidung eines iranischen Ehepaars nach iranischem Recht – „talaq“

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