Wir freuen uns, heute einen weiteren Gastbeitrag von Marcel Kopper veröffentlichen zu können. Der Autor ist Gründer der Agentur GWriters, die wissenschaftliche Autoren, Lektoren, Coaches und Übersetzer vermittelt.
Was ist Ghostwriting?
Mit dem Begriff Ghostwriting wird das auftragsmäßige Anfertigen von Texten bezeichnet. Dabei bleibt der Urheber des Textes als Ghostwriter im Hintergrund. Er verkauft seinen Text an den Auftraggeber, der nach Außen als Urheber in Erscheinung tritt.
Die Tätigkeit des Ghostwriting blickt auf eine lange Tradition zurück. Bereits in der Antike wurden Reden oder schriftliche Arbeiten wie Briefe von Ghostwritern verfasst. Als prominenteste Beispiele sind die paulinischen Briefe oder auch die Reden von Nero und Cäsar zu nennen.
Seit dem 19. Jahrhundert ist Ghostwriting mitten in der Gesellschaft angekommen. Wie auch in der antiken Geschichtsschreibung bedient sich die Politik und Wirtschaft oftmals eines Ghostwriters. Verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit tritt jedoch Ghostwriting in der Wissenschaft. Hierbei stellen sich rechtliche Fragen zur Zulässigkeit des akademischen Ghostwritings. In diesem Artikel werden die mit dem Ghostwriting einhergehenden Problematiken aufgezeigt und Antworten auf die zentralen rechtlichen Fragen gegeben.
Was ist die rechtliche Basis für akademisches Ghostwriting?
Ein Ghostwriter-Auftrag ist ein Werkvertrag gem. § 631 BGB. Nach § 631 BGB verpflichtet sich der Auftragnehmer zur Erstellung der vereinbarten Leistung. Entsprechend der Werkdefinition des § 631 II BGB handelt es sich hierbei um den wissenschaftlichen Text. Der Auftraggeber hingegen verpflichtet sich zur vereinbarten Entlohnung. Dabei handelt es sich aus der zivilrechtlichen Perspektive um ein synallagmatisches Rechtsverhältnis, d.h. es ist durch Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpft. Beim Ghostwriting besteht die Besonderheit, dass in dem Werkvertrag zugleich ein Verzichtsanspruch des Autors zu sehen ist. Er verzichtet mit dem Vertrag auf seine urheberrechtlichen Ansprüche an den Text und überträgt die Nutzungsrechte an den Auftraggeber.
Beteiligt an einem Ghostwriter-Auftrag sind der Auftraggeber und der Auftragnehmer, der Ghostwriter. Mitunter kann sich der Auftraggeber auch direkt an ein Ghostwriting-Unternehmen wenden. In diesem Fall gilt keine wesentliche Besonderheit dadurch, dass sich das Unternehmen mehrerer Autoren bedient. Der vertraglich vereinbarte Verzichtsanspruch des Autors an seinen Text wird jedoch dann zumeist in den Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) fixiert, die Bestandteil seines Arbeitsvertrags mit der Agentur sind.
Auf andere besondere Vertragskonstellationen wie den öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist im Rahmen dieses Artikels nicht näher einzugehen.
Ist akademisches Ghostwriting legal?
Insbesondere in der jüngsten Vergangenheit gerieten Fälle von Plagiat in die Öffentlichkeit. Anders als beim Plagiat handelt es sich beim Ghostwriting jedoch nicht um eine widerrechtliche Übernahme und Verbreitung von fremden Texten ohne Kenntlichmachung der Quelle. Wie bereits eingangs dargestellt handelt es sich beim Ghostwriting um das Verfassen von Texten, bei dem der Autor nach außen nicht in Erscheinung tritt. Jedoch stellte sich im Zuge der damit verbundenen prominenten Fälle verstärkt die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen von Ghostwriting.
Als Grundsatzurteil zu der rechtliche Beurteilung zum Ghostwriting ist die Rechtsprechung des OLG Frankfurt (Az: 11 U 51/08) hinzuzuziehen. Im Urteilstenor heißt es, dass eine Ghostwriting-Vereinbarung grundsätzlich kein sittenwidriges Rechtsgeschäft iSd § 138 BGB sei. Dazu führte das OLG aus, die Frage nach der Legalität sei nicht von dem Bereich abhängig zu machen, in dem die Ghostwriter Tätigkeit in Anspruch genommen wird. Es ist vielmehr auf das Ghostwriting als Dienstleistung abzustellen. Das Erstellen von Vorstudien, Exposés o.ä. für wissenschaftliche Arbeiten ist damit ebenso legal, wie das Schreiben von Autobiografien, Reden etc.
Was sind die rechtlichen Grenzen von Ghostwriting?
In Deutschland gibt es kein eindeutiges Verbotsgesetz zum Ghostwriting. Zwar stellte das OLG Düsseldorf mit seinem Urteil vom 08.02.2011 fest, das auftragsweisliche Erstellen von Hochschulabschlussarbeiten und Dissertationen sei rechtlich missbilligt, d.h. als unangemessen betrachtet. Jedoch folgt daraus nicht, dass es sich auch um eine verbotene Handlung handelt. Eine rechtlich missbilligte Tätigkeit ist als solche nicht strafbar.
Rechtliche Sanktionen ergeben sich jedoch aus den einzelnen Konstellationen sowohl in zivilrechtlicher Hinsicht im Hinblick auf § 134 BGB wie auch dem Strafrecht. Nach § 134 BGB ist ein Rechtsgeschäft nicht bereits dann unwirksam, wenn es gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Vielmehr müsse sich aus dem Gesetz nicht etwas anderes ergeben. Dabei kommen strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten als gesetzliche Verbotsnormen in Frage. Weitere Verbotsnormen können sich ebenfalls aus dem Hochschulgesetz zwischen Auftraggeber und seiner Universität ergeben.
Ist mit rechtlichen Sanktionen bei Ghostwriting zu rechnen?
Im Einzelnen gestalten sich die genannten Konstellationen wie folgt. Zwischen Ghostwriter und Auftraggeber kommen, wie bei jedem Geschäft, bei Verletzung der Vertragsvereinbarungen zivilrechtliche Ansprüche in Betracht wie die Schlechtleistung gem. §§ 280 ff. BGB.
Von größerer rechtlicher Bedeutung sind jedoch urheberrechtliche Ansprüche. Dazu gehören die Nutzungsrechte und die Urheberpersönlichkeitsrechte an den wissenschaftlichen Ausarbeitungen. Während der Auftraggeber eines Werkes die Nutzungsrechte erwirbt (§ 11, 29 II, 31 UrhG), behält der Autor die Urheberpersönlichkeitsrechte (§ 13 UrhG) inne. Mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht werden die Rechte bezeichnet, die dem Autor aufgrund seiner Beziehung zu seinem Werk zukommen und die nach deutschem Recht auch nicht abgegolten werden können.
Die Nutzungsrechte hingegen können nach § 31 UrhG übertragen werden. Auf welche Nutzungsarten sich die Übertragung bezieht bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck. Das gilt auch für die Bestimmung des Nutzungsrechts, d.h., ob es sich um ein einfaches oder ausschließliches Nutzungsrecht handelt bzw. wie weit Nutzungsrecht und Verbotsrecht im Einzelnen reichen und welchen Einschränkungen das Nutzungsrecht unterliegen kann. Den vertragliche Verzichtsanspruch erklärt der Autor gegen den Auftraggeber. Der Autor kann auf seine Nutzungsrechte auch gegenüber dem Ghostwriting-Unternehmen wirksam verzichten, was bei Ghostwriting-Unternehmen durch den Werkvertrag sichergestellt wird.
Macht sich ein Student bei Inanspruchnahme von Ghostwriting strafbar?
In der Realität gestaltet sich jedoch die Rechtslage bei dem Verhältnis zwischen Universität und Auftraggeber als weitaus schwieriger. Bei der Betrachtung dieses Rechtsverhältnisses muss die jeweilige Hoch- oder Prüfungsordnung berücksichtigt werden. Nach der Prüfungsordnung muss der Prüfling in den meistens Fällen eine eidesstattliche Erklärung einreichen. Mit der Erklärung versichert der Prüfling, dass er die Arbeit ohne Hilfe eines Dritten verfasst hat. Die Hilfe bezieht sich im Allgemeinen auf die inhaltliche Konzeptualisierung der Arbeit. Wird die Inanspruchnahme eines wissenschaftlichen Ghostwritings entdeckt, steht eine Strafbarkeit des Studenten wegen Falsche Versicherung an Eides statt gem. § 156 StGB im Raum. Darüber hinaus ist im Einzelfall mitunter mit einer Exmatrikulation oder einem Bußgeld zu rechnen.
Nicht in Frage kommt die Urkundenfälschung gem. § 267 I StGB. Danach macht sich strafbar wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht. Als Urkunde wird hierbei die Hochschulabschlussarbeit gewertet, die eine verkörperte Gedankenerklärung abgibt. Jedoch macht sich der Auftraggeber einen Text zu Eigen. Dabei handelt es sich nicht um das Inverkehrbringen einer unechten Urkunde. Der § 267 I StGB schützt jedoch nicht den inhaltlichen Wahrheitsgehalt der Urkunde.
Macht sich ein akademischer Ghostwriter starfbar?
Sanktionen gegen den Ghostwriter hingegen kommen in der Regel nicht in Betracht. Mit der vertraglichen Vereinbarung zwischen Ghostwriter und Auftraggeber wird bei professionellen Ghostwriting-Anbietern bestimmt, dass die Arbeit nur als Vorlage genutzt werden darf. Eine Strafbarkeit des Autors wäre somit nur dann gegeben, wenn dieser vorsätzlich handelte, d.h., er Wissen und Wollen hatte, dass der Auftraggeber die Arbeit unter eigenen Namen bei der Hochschule einreicht. In dem Fall wäre eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Falsch Versicherung an Eides Statt §§ 156, 27 StGB möglich.
Fazit und Ausblick: Die Zukunft des Akademischen Ghostwriting
Wie aufgezeigt, gibt es in Deutschland keine direkte gesetzliche Grundlage zur Sanktionierung des Ghostwriting. Zwar zeigen sich in der jüngsten Gegenwart Tendenzen von Seiten der deutschen Hochschulen ein solches Verbot einzuführen. Der Deutschen Hochschulverband (DHV) fordert z.B. die Einführung des neuen Straftatbestandes “Wissenschaftsbetrugs”. Jedoch erweist sich die Umsetzung einer solches Gesetzesvorschlag als schwierig. Hierzu ist bereits danach zu fragen, wie eine Definition des “Wissenschaftsbetrugs” gestaltet sein sollte. Aufgrund der mangelnde Begriffsbestimmung würde ein Gesetzesentwurf an dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot Art. 20 III GG scheitern. Auch stellt sich im Detail die Frage nach der Beweisbarkeit des Vorsatzes bei dem Auftraggeber und auch den Auftragnehmer. Wegen solchen und anderen Unbestimmtheiten, äußerte sich die damalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) zurückhaltend auf den Gesetzesvorschlag des DHV. Hierbei sei vor allem auf die alternativen Möglichkeiten der Hochschulen zu verweisen, die gegen Wissenschaftsbetrug effektiv angewendet werden könnten.
Zusammenfassend gilt, dass Ghostwriter-Vereinbarungen grundsätzlich nach dem Grundsatz der Privatautonomie, d.h. dem persönlichen Recht auf freie Gestaltung der privaten Rechtsverhältnisse, zulässig sind.
Letztlich handelt es sich beim Ghostwriting um eine legitime wie auch legale Tätigkeit, wenn die rechtlichen Normierungen eingehalten werden. Dazu gelten die Bestimmungen zum Urheberrecht gem. §§ 13, 29 ff UrhG. wie auch die Einhaltung des bestimmenden Grundsatzes: Die Arbeit des Ghostwriters ist immer nur als Vorlage, Musterlösung etc. zu nutzen. Eine Arbeit als eigene einzureichen, wenn diese vollständig von einem Dritten verfasst wurde, führt bei Bekanntwerden für den Studenten zu einer Strafe wegen Falscher Versicherung an Eides statt und Sanktionen seitens der Hochschule.
Schlagwortarchiv für: Guttenberg
Gestern hat die Staatsanwaltschaft Hof die Ermittlungen gegen den ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg wegen der Plagiate in seiner Dissertation nach § 153a StPO eingestellt (Bericht von beck-online v. 23.11.2011).
I. Materiell-rechtliche Probleme
- Urheberrechtsverletzungen: Der Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG ist wohl erfüllt. Jedenfalls die Staatsanwaltschaft Hof ging hiervon aus.
§ 106 UrhG Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke:(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
- Möglicherweise § 263 Abs. 1 StGB (Betrug) gegenüber dem Deutschen Bundestag durch Nutzung dessen wissenschaftlichen Dienstes für private Zwecke. Hier fehlt es wohl vor allem am Schaden.
- Möglicherweise § 266 Abs. 1 StGB (Untreue) durch dieselbe Handlung. Insofern ist jedoch schon das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht (nach h.M. für beide Tatvarianten erforderlich) mehr als fraglich.
- §§ 267, 274 StGB (Urkundenfälschung, Unterdrückung von Urkunden): Schützen nicht die inhaltliche Richtigkeit.
- Amtsanmaßung (§ 132a StGB): Der Titel war wirksam verliehen, daher durfte Guttenberg ihn auch führen.
In der Prüfung ist insofern in erster Linie Problembewußtsein und dann eigenständige Argumentation gefragt. Zu den materiell-rechtlichen Problemen ausführlicher unser Artikel: „Noch einmal aus aktuellem Anlass: Strafbarkeit bei plagiierten Dissertation“ und, insbesondere zum Betrug und der zivilrechtlichen Seite „Plagiat in der Dissertation von Bundesverteidigungsminister zu Guttenberg – rechtliche Implikationen und andere interessante Fälle„.
II. Die Einstellung nach § 153a StPO
Vorliegend hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 153a StPO gegen Zahlung von 20.000€ an die Deutsche Kinderkrebshilfe eingestellt. Die Einstellung nach § 153a StPO ist ein in der Praxis häufiges Mittel, wenn eine Einstellung nach § 153 StPO wegen geringer Schuld (und fehlendem öffentlichen Interesse) nicht mehr in Betracht kommt.
§ 153a StPO geht in zweierlei Hinsicht über § 153 StPO hinaus, nämlich sowohl hinsichtlich des Grades der Schuld wie auch hinsichtlich des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung: Während § 153 StPO eine Einstellung nur zulässt, wenn die Schuld Täters „gering“ ist UND KEIN öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, ermöglicht § 153a StPO eine Einstellung „soweit die Schuld des Täters nicht entgegensteht“ – also bei einem höheren Maß an Schuld. Außerdem trotz eines zunächst bestehenden öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt werden, soweit dieses durch Auflagen nach § 153a Abs. 1 S. 2 StPO beseitigt wurde.
§ 153a [Einstellung des Verfahrens bei Erfüllung von Auflagen und Weisungen]
Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. […]
Vorliegend ist die Schwere der Schuld sicherlich kein Einstellunghindernis: Insgesamt ist der wirtschaftliche Schaden durch die sicher erfüllten Urheberrechtsverletzungen als gering zu bewerten und zu Guttenberg ist Ersttäter. Bei der Beurteilung der Schuld kann man durchaus auch einbeziehen, dass in der wissenschaftlichen Praxis „Plagiate“ wenn nicht stillschweigend hingenommen, so doch kaum verfolgt wurden. Wenn man sich vor Auge hält, dass auch Verkehrsdelikte mit Personenschäden und sogar Fälle fahrlässiger Tötung unter § 153a StPO fallen können, ist die Schuld zu Guttenbergs sicherlich am unteren Rande anzusiedeln. Dazu und allgemein zu der Schwere der Schuld vgl. Beck’scherOK-StPO/Beukelmann, § 153a Rn. 12ff.).
Problematisch ist jedoch, ob das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt werden kann. Zunächst ist im Falle zu Guttenbergs vor allem zu klären, wonach sich dieses Interesse bemisst: Geht es nur um „die Tat als solche“ oder dürfen auch Gründe aus seiner Person, und hier insbesondere seine Stellung im öffentlichen Leben, einbezogen werden?
Die wohl überwiegende Meinung bejaht letzteres – bei einem Prominenten kann daher wegen der Vorbildfunktion ein (größeres) öffentliches Interesse an der Strafverfolgung zu bejahen sein als bei einer unbekannten Person (vgl. KarlsruherKo-StPO/Schoreit, § 153 Rn. 23 m.w.N.). Insbesondere soll das bei „politischen Verwerfungen“ gelten (KarlsruherKo-StPO/Schoreit, § 153 Rn. 25 m.w.N). Die Gegenansicht dagegen möchte Gründe, die in der Person des Täters liegen, eher ausblenden (etwa Löwe/Rosenberg/BeulkeStPO § 153 Rn. 33). Ein bloßes Interesse der Medien an dem Fall reicht jedenfalls nicht (LG Bonn NStZ 2001, 375).
Letztlich muss man sich hier eine eigene Meinung bilden. Ich halte eine vermittelnde Ansicht für richtig: Der Sinn der Strafverfolgung ist es sicherlich nicht, ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu befriedigen, sondern sollte sich nach general- oder spezialpräventiven Gesichtspunkten richten. Denn letztlich dient die Strafverfolgung den gleichen Zwecken wie die Strafe selbst. Im Rahmen dieser kann dann durchaus die Vorbildfunktion des Prominenten einbezogen werden.
Das gilt insbesondere im Falle zu Guttenbergs, der sich auf der politischen Bühne mit dem Ruf der Integrität zu profilieren suchte. Stellt sich heraus, dass diese Fassade unrichtig war, liegt der Gedanke, dass auch andere diesem negativen Vorbild folgen würden, nicht fern. Es bestand also durchaus ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung.
Ob dieses durch die Auflage in Höhe von 20.000€ beseitigt wurde, mag man diskutieren. Dort heißt es bei Beck’scherOK-StPO/Beukelmann, § 153a Rn. 17ff: Für die Einstellung spricht,
„[…] wenn die langwierige Durchführung des Verfahrens durch mehrere Instanzen nicht mehr im Verhältnis zur Tat oder zum Schutzgehalt und damit auch zur eventuellen Höhe der Strafe stünde, eine verständliche Motivlage des Beschuldigten, seine fehlende kriminelle Vorbelastung und seine Person als solches, eine fehlende Wiederholungsgefahr, Bemühung um Schadenswiedergutmachung und geringe Tatfolgen“.
Ich denke im Ergebnis sind 20.000 € gut vertretbar. Es ist sicherlich eine recht hohe Summe im Verhältnis zu den eingetretenen Schäden. Damit wird dann dem aus der Person des Ex-Verteidigungsminister fließenden höheren öffentlichen Intersse genügt.
Bundesverteidigungsminister Guttenberg hat den Anfang seiner Dissertation aus einem F.A.Z.-Artikel abgeschrieben. Der einleitende Absatz der Arbeit deckt sich fast wörtlich mit einem Text der Politikwissenschaftlerin Barbara Zehnpfennig. „Das ist eindeutig ein bewusstes Plagiat“, sagte Medienwissenschaftler Weber gegenüber FAZ.NET.
Guttenberg soll mindestens 24 Textteile in seiner Dissertation mit dem Titel „Verfassung und Verfassungsvertrag. Konstitutionelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU“ eingefügt haben, ohne die Urheberschaft kenntlich zu machen, wie dies nach einschlägigen Gerichtsurteilen geboten ist. Für die Arbeit, die von mehreren Gutachten geprüft worden war, erhielt er 2007 von der juristischen Fakultät der Universität Bayreuth die Bestnote „summa cum laude“, siehe zum Zitat hier.
Dieser Fall ist nicht nur deshalb so interessant, da er (angehenden) Doktoranden aufzeigt, wie wichtig es ist, nach den Regeln der Kunst zu zitieren, sondern auch, weil sich hieraus interessante straf- und zivilrechtliche Probleme ergeben, die sehr gut im mündlichen Prüfungsgespräch abgefragt werden können.
§ 132a StGB – unbefugtes Anmaßen von Titeln
Zunächst einmal kommt durch das Tragen des Titels eine Strafbarkeit nach Paragraph 132a Abs. 1 StGB in Betracht. Hiernach macht sich strafbar, wer unbefugt inländische oder ausländische Amts- oder Dienstbezeichnungen, akademische Grade, Titel oder öffentliche Würden führt.
Hier wäre im objektiven Tatbestand das Merkmal unbefugt zu diskutieren. Ohne sich vorher einmal mit dem strafrechtlichen Verbot auseinandergesetzt zu haben, müsste eine Definition dahingehend ausfallen, dass der Täter keine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Tragen eines solchen Titels innehat. Im vorliegenden Fall wurde das Promotionsverfahren ordnungsgemäß abgeschlossen und Herrn von Guttenberg ein Doktordiplom ausgehändigt. Diese öffentlich-rechtliche Befugnis, die zum Tragen des Titels befähigt, muss nicht auf rechtmäßigem Wege im Einklang mit der Promotionsordnung erlangt worden sein; wichtig ist lediglich, dass der Titel nur so lange geführt wird, wie auch die öffentlich-rechtliche Erlaubnis vorliegt. Sollte der Doktortitel entzogen werden, verliert das Doktor-Diplom seine Wirkung ex nunc, so dass ab diesem Zeitpunkt ein unbefugtes Führen des Titels vorliegt. Eine Strafbarkeit liegt somit nicht in Form des Titelanmaßens vor.
§ 263 StGB – Betrug
Bei der Prüfung eines Betrugs werden insbesondere zwei Tatbestandsmerkmale problematisch sein, nämlich das Vorliegen einer Täuschung und das des Schadens. Fraglich ist zudem, wem gegenüber einem Betrug begangen sein könnte. Im Falle von zu Guttenberg erscheint diese Prüfung redundant, da der Doktortitel keine Voraussetzung für politische Ämter ist und somit niemandem ein Schaden entstanden sein kann.
Wandelt man den Fall jedoch ein wenig ab, ergeben sich interessante strafrechtliche Probleme: man nehme an, ein ähnlicher Plagiatsvorwurf hat bei einem Rechtsanwalt zum Entzug des Doktortitels geführt. Ein Jahr zuvor hat dieser Rechtsanwalt bei einer Großkanzlei einen Arbeitsvertrag unterschrieben, demzufolge er 100.000 € jährlich als Gehalt erhalten soll. Beim Bewerbungsgespräch wurde ihm erläutert, dass er ohne den Doktortitel lediglich einen armseligen Betrag in Höhe von 95.000 € jährlich erhalten hätte, was auch der policy der Kanzlei entspricht, welche auch für Außenstehende Publik ist.
Ein Vermögensschaden ließe sich in diesem Fall u.U. begründen. Fraglich ist bei einer gutachterlichen Prüfung des § 263 Abs. 1 StGB allerdings zunächst, ob eine tatbestandliche Täuschung über Tatsachen vorliegt. Tatsachen sind in diesem Sinne alle Umstände, die dem Beweis zugänglich sind. Vorliegend also die Tatsache, dass beim Erstellen der Doktorarbeit in einer Vielzahl von Fällen fremde Texte kopiert und nicht deutlich als Zitat gekennzeichnet wurden, wodurch das Risiko einer Aberkennung der Doktorwürde besteht. Eine Täuschungshandlung liegt vor, wenn der Täter durch sein Verhalten auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen einzuwirken sucht. Die Täuschung kann auch durch konkludentes Handeln begangen werden. Maßgebend ist, welcher Erklärungswert der Handlung zukommt. Ebenso kommt eine Täuschung durch Unterlassen in Betracht.
Eine explizite Täuschungshandlung liegt nicht vor, da der Berufsaspirant nicht explizit über solche Umstände befragt wurde. Denkbar ist es allerdings, dass durch das Eingehen auf das Angebot der Kanzlei konkludent erklärt wurde, dass der Doktortitel, der maßgeblich bzw. ausschließlich für den Gehaltssprung verantwortlich ist, keinem Risiko der Aberkennung ausgesetzt ist. Angesichts der Rechtsprechung des BGH zum Wettbetrug können konkludente Täuschungen durchaus sehr weitgehend sein. Andererseits halte ich es für vertretbarer, in diesem Kontext lediglich einen konkludenten Erklärungsgehalt dahingehend zu deuten, dass der Bewerber in diesem Zeitpunkt tatsächlich einen Doktortitel führt und dass dieser auch von einer öffentlich-rechtlichen Befugnis gedeckt ist.
Eine Täuschung durch Unterlassen käme lediglich in Betracht, wenn eine Garantenpflicht des Bewerbers zur Aufklärung über die Plagiatsfälle im Rahmen der Erstellung der Doktorarbeit bestünde. Eine solche aus dem vorvertraglichen Arbeitsverhältnis herzuleiten, erscheint allerdings konstruiert, da es einem promovierten, der immerhin die Korrekturen von zwei Hochschullehrern und eine Disputatio/Rigoros um gemeistert hat, kaum zuzumuten ist, seine Fehler beim Erstellen dieses Werks offen darzulegen. Eine Pflicht aus Ingerenz ist aus diesem Grunde ebenso zu verneinen. Somit fehlt es nach dieser Auffassung an einer tatbestandlichen Täuschungshandlung, womit auch in diesem Fall kein Betrug vorläge.
Zivilrechtliche Folgen
In zivilrechtlicher Hinsicht stellen sich ähnliche Fragen. Beim Fall von zu Guttenberg fehlt es wie gesagt bereits an einem Schaden betroffener Parteien.
Wie wäre es allerdings, wenn im obigen Anwaltsfall das Arbeitsverhältnis für ein Jahr bestand und der Arbeitsvertrag dann einverständlich aufgelöst wurde. Hat die Kanzlei dann gegen den Anwalt einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5000 €? Ein Anspruch könnte sich aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB (c.i.c.) ergeben. Hierzu bedarf es neben eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses jedoch auch einer relevanten Pflichtverletzung. Die Ermittlung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ verhält sich vorliegend deckungsgleich mit der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Täuschung über Tatsachen“ im Rahmen von § 263 StGB. Eine Sichtverletzung läge nämlich nur dann vor, wenn entweder konkludent getäuscht wurde oder wenn eine Pflicht zur Aufklärung über die Hintergründe der Promotion bestünde, was oben jedoch verneint wurde.
Anders gestaltet sich der Fall natürlich, wenn über das komplette Vorliegen des Doktortitels getäuscht worden wäre (man gibt sich also als Doktor aus, hat in Wirklichkeit aber gar keinen solchen Titel). Dann liegt eine Pflichtverletzung vor; fraglich ist jedoch, ob auch ein Schaden eingetreten ist. Gesetzt den Fall, dass der Anwalt genauso gut wie seine Kollegen ohne Doktortitel gearbeitet hat, hat die Kanzlei nämlich eine entsprechende Gegenleistung in Form von Arbeitskraft erhalten. Andererseits wurde explizit darauf hingewiesen, dass allein für den Doktortitel 5000 € jährlich dazu gezahlt wurden. Dies rechtfertigt sich im Fall der Kanzlei dadurch, dass der Doktortitel auf dem Briefkopf der Kanzlei Verwendung findet und somit das Renommee steigert. Hätte der Doktortitel nicht vorgelegen, hätte die Kanzlei lediglich 95.000 € angeboten. Insofern halte ich in diesem Fall die Annahme eines Schadens für gerechtfertigt.
In anderen Fällen, wo beispielsweise Anwälte, die keines der Staatsexamina abgelegt hatten, trotzdem in Kanzleien als Anwalt unterkamen, lassen sich die oben genannten Grundsätze allerdings nicht übertragen. Sofern die Arbeit des Laien dem Niveau eines Anwalts entsprach, hat die Kanzlei eine adäquate Gegenleistung für ihr Gehalt erhalten und kann somit keinen Schadensersatzanspruch geltend machen.
Weitere Probleme zur Diskussion
Zum Schluss noch einige interessante Probleme, die ich allerdings für die Diskussion offen lassen möchte:
- Besteht die Möglichkeit, einen Universitätsabschluss abzuerkennen, wenn bewiesen werden kann, dass der Absolvent in seinen Abiturklausuren geschummelt hat, wodurch er eigentlich nicht berechtigt wäre, sich zuvorderst an der Universität einzuschreiben.
- Besteht die Möglichkeit des Entzuges einer Professur auf Lebenszeit, sofern ähnliche Vorwürfe wie in dem Fall zu Guttenberg zu einem Entzug der Doktorwürde führen.
- Besteht die Möglichkeit eines Autors, dessen Beitrag in der Dissertation von zu Guttenberg wortwörtlich abgeschrieben wurde, ohne dass ein entsprechender Zitathinweis vorlag, Schadensersatz wegen Verletzung seiner Urheberrechte geltend zu machen.