Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur deshalb eignet sich der Fall ideal für Prüfungsarbeiten.
I. Der Sachverhalt
Der Sportwagenbegeisterte und Beklagte B wurde über die Internetplattform mobile.de auf einen zum Kauf angebotenen Lamborghini aufmerksam. Dieser wurde erst kurz zuvor nach Deutschland eingeführt und war hierzulande nur mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen. Angeboten wurde dieser von den Brüdern S, die angaben, stellvertretend im Namen des Eigentümers und Verkäufers V zu handeln. Die Brüder S waren für die Familie des B keine Unbekannten. An sie hatte der Bruder des B bereits ein Kfz verkauft, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre. Es kam zu einer Besichtigung auf dem Parkplatz einer Spielothek. Der Beklagte wollte den Lamborghini an Ort und Stelle kaufen, wurde von S jedoch vertröstet, da der Wagen noch für die Hochzeit eines Freundes benötigt werden würde. Man verabredete sich zwei Tage später „auf halbem Weg“ zwischen den Wohnorten von B und S an einer Tankstelle zum Abschluss des Kaufvertrages und zur Übereignung des Kfz. Mit mehrstündiger Verspätung trafen die Brüder S gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein und begründeten die Verspätung zunächst mit einem Stau auf der Autobahn, später jedoch mit einer zeitraubenden Polizeikontrolle. Es erfolgte eine Probefahrt. Um 1 Uhr nachts setzte man sich sodann in einem neben der Tankstelle befindlichen Schnellrestaurant zusammen und besprach die Kaufmodalitäten. Man kam überein, dass B zum Erwerb des Lamborghinis seinen alten Lamborghini für 60.000 EUR in Zahlung geben und zusätzlich 70.000 EUR in bar zahlen würde. Die Kaufabwicklung folgte noch in jener Nacht. K ließ sich auch die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vorlegen, die ihm zusammen mit dem Lamborghini und den dazugehörigen Schlüsseln übergeben wurden. Eine Vollmacht des V wurde zu keinem Zeitpunkt verlangt und auch nicht vorgelegt. Nur eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises von V hat B zu Gesicht bekommen. Die Angaben in den Zulassungsbescheinigungen erwiesen sich jedoch als nicht stimmig. In der Zulassungsbescheinigung Teil II wurde zwar V als Halter ausgewiesen, in Zulassungsbescheinigung Teil I jedoch nur mit dem Zusatz „Empfangsbevollmächtigter“. Auch gab es offensichtliche Unstimmigkeiten beim Namen. So wurde der Name des V in den Zulassungsbescheinigungen und dem Kaufvertrag anders wiedergegeben, als auf der Kopie des Personalausweises. B fuhr mit dem Lamborghini nach Hause. Der Versuch der Anmeldung des Fahrzeugs auf den eigenen Namen scheiterte jedoch, da sich der Lamborghini auf einer Fahndungsliste befand. Es sollte sich herausstellen, dass V gar nicht der Eigentümer war. Der Lamborghini stand nämlich ursprünglich im Eigentum des in Spanien lebenden Klägers K, der das Kfz nur an eine Agentur vermietet hatte. Diese hatte es wiederum an den V weitergegeben, der es nach Ende der Mietzeit nicht zurückgab. K verlangt von B nunmehr Herausgabe des Lamborghinis.
II. Die Entscheidung
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat einen gutgläubigen Erwerb des B nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht, dem K einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB folglich nicht zugesprochen. Gestützt wird dies auf die Erwägung, dass sich B die originalen Zulassungsbescheinigungen hat vorzeigen lassen, die jedenfalls keinen schwerwiegenden Fehler enthielten. Auch die sonstigen Umstände sollen nicht derart auffällig gewesen sein, dass man das Handeln des B als grob fahrlässig iSd § 932 Abs. 2 BGB qualifizieren könnte. Ferner ist dem klagenden K der Lamborghini durch die freiwillige Vermietung und der damit verbundenen Besitzübertragung nicht iSd § 935 BGB abhandengekommen.
Das OLG Oldenburg hat die Umstände in wesentlichen Teilen anders gewertet. Nach Feststellung der internationalen Zuständigkeit (hier folgend aus Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 [EuGVVO]) und der Anwendbarkeit deutschen Rechts gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB, hatte sich das Gericht umfassend mit dem Vorliegen eines Anspruchs aus § 985 BGB zu beschäftigen. Dazu müsste eine Vindikationslage bestehen, K also Eigentümer und B Besitzer ohne Besitzrecht sein.
K war jedenfalls der ursprüngliche Eigentümer. Er hat sein Eigentum nicht durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB an die Agentur verloren, da insoweit nur eine Mietvereinbarung, gleichwohl aber keine dingliche Einigung zum Eigentumsübergang getroffen wurde.
Er könnte sein Eigentum jedoch durch gutgläubigen Eigentumserwerb des B von V gem. §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren haben. B einigte sich mit V nicht dinglich über den Eigentumsübergang, wohl aber mit den Brüdern S. Diese gaben eine eigene Willenserklärung ab, handelten dabei jedoch offenkundig im Namen und mit Einverständnis des V, womit die Voraussetzungen einer Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 vorliegen. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ändert daran nichts, da das Vorliegen einer solchen im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben ist. Auch kam es zu der Übergabe des Lamborghinis an B.
Da jedoch zu keiner Zeit mit dem Berechtigten K verhandelt wurde, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten V in Betracht. Das dafür erforderliche Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts sowie ein objektiver Rechtsscheintatbestand liegen – vermittelt durch die Übergabe des Kfz und der damit zum Ausdruck gebrachten Besitzverschaffungsmacht – vor. § 932 Abs. 1 BGB schließt den Erwerb jedoch aus, wenn – vom Kläger zu beweisen – B beim Erwerb in Bezug auf die Eigentumsstellung des V nicht in gutem Glauben gewesen wäre. Der Erwerber ist nach § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Jedenfalls positiv bekannt war B die fehlende Eigentumsstellung des V nicht.
Nach Ansicht des OLG Oldenburg handelte B jedoch grob fahrlässig. Für die Frage nach dem Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens muss aus Verkehrsschutzgesichtspunkten auf objektive Maßstäbe abgestellt werden. Ob jemand gute Erfahrungen mit dem Erwerb von Kfz unter Umständen wie den oben geschilderten gemacht hat (Straßenkauf), ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig, wie die guten Erfahrungen eines Familienmitglieds mit den täuschenden Brüdern S. Auch wenn es höchstrichterlich anerkannt ist, dass den Erwerber zumindest grundsätzlich keine Nachforschungspflichten treffen, so ist jedenfalls für den gutgläubigen Erwerb von gebrauchten Kfz geklärt, dass sich der Erwerber der Veräußerungsbefugnis des Verkäufers durch Einsichtnahme in die Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) verschaffen muss (BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 222/95). Darüberhinausgehende Nachforschungspflichten bestehen regelmäßig nicht (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12). Das OLG Oldenburg vertritt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – jedoch die Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die einen Verdacht erregen können oder sogar müssen, die fehlende Gutgläubigkeit auch bei Einsicht in die Zulassungsbescheinigung Teil II vorliegen kann. Die Einsicht in die originalen Zulassungsbescheinigungen Teil I und II kann den Käufer daher nicht pauschal entlasten. Vielmehr erblickt das OLG Oldenburg mehrere Umstände, die ein grob fahrlässiges Handeln des B begründen sollen.
Nach Ansicht des OLG waren die Auffälligkeiten dabei so groß, dass auch nicht mehr ins Gewicht fällt, ob der Kaufpreis von der Höhe her angemessen war oder ob sich auch aus einer besonders niedrigen Festsetzung konkrete Zweifel bei B hätten ergeben müssen. B ergriff durch Einsicht in die Zulassungsbescheinigungen und in die Personalausweiskopie zu wenige Maßnahmen, damit trotz der ungewöhnlichen Begleitumstände keine grobe Fahrlässigkeit hätte angenommen werden können. B konnte infolgedessen kein Eigentum erwerben. Das Eigentum verblieb insoweit bei E.
B hat jedoch den unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB erlangt. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB, das einer Vindikationslage entgegenstünde, ist nicht feststellbar. Insbesondere kann das Kausalverhältnis zwischen B und den Brüdern S nicht als solches angeführt werden, da insoweit die Relativität der Schuldverhältnisse gilt.
III. Einordnung der Entscheidung
Es handelt sich um eine Entscheidung, die sich ausschließlich mit Prüfungsstoff für das erste Staatsexamen auseinandersetzt. Angesichts der Vorliebe von „PKW-Fällen“ bei den Justizprüfungsämtern ist zu erwarten, dass diese Entscheidung früher oder später so oder ähnlich gelagerte Einzug in eine Prüfungsarbeit erhält.
Spannend ist dabei (auch für eine Prüfungsaufgaben) der Einstieg in die Fallbearbeitung. Denn bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug muss zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts sowie die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet werden. Hierfür bedarf es keiner tiefgreifenden IPR-Kenntnisse. Was die internationale Zuständigkeit betrifft, so ist ein Blick in die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu werfen. Diese gilt gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO für alle Zivil- uns Handelssachen, soweit kein Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 EuGVVO greift. Für den zeitlichen Anwendungsbereich ist Art. 66 EuGVVO zu beachten, wonach es sich um einen nach dem 10.01.2015 eingeleiteten Rechtsstreit handeln muss. Über Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gelangt man sodann zur deutschen Zuständigkeit, weil der Beklagte B hier seinen Wohnsitz hat. Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten sodann die bekannten Vorschriften aus ZPO und GVG. Mit der Feststellung der internationalen Zuständigkeit ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen, welches Recht Anwendung findet. Dafür ist zunächst ein Blick in Art. 3 EGBGB zu werfen. Danach ist zunächst auf die Anwendbarkeit europäischer Verordnungen zu achten, die sodann das anwendbare Recht bestimmen. Ist eine solche – wie hier – nicht einschlägig, so ist auf zweiter Ebene die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Bestimmungen zu prüfen, die entsprechende Rückschlüsse auf das anwendbare Recht erlauben. Mangelt es – wie hier – auch an solchen, so bestimmt sich das einschlägige Recht nach den Art. 3 ff. EGBGB. Nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB unterliegt das Recht an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Angesichts des Belegenheitsortes des Lamborghini in Deutschland, ist demzufolge das nationale (Sachen)Recht anzuwenden.
Inhaltlich sind die Wertungen des OLG durchaus nachvollziehbar. Freilich ist die Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil II immer ein wichtiges Indiz, das dem Grunde nach gegen ein bösgläubiges Verhalten des Käufers spricht. Drängen sich aber zwielichtige Umstände geradezu auf, muss diese Wertung korrigiert werden. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 932 BGB. Geschützt werden soll derjenige, der nicht erahnen konnte, dass die Sache nicht demjenigen gehört, der sie veräußert. Bei beweglichen Sachen vermittelt allein die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers regelmäßig die Befugnis zur Veräußerung. Hier gibt es kein verbrieftes Recht! Doch können besondere Umstände zum Ausschluss der Gutgläubigkeit führen. Für den Erwerb von PKW gilt insoweit nichts anderes. Hier kommt der Zulassungsbescheinigung Teil II nur deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie – anders als bei anderen beweglichen Sachen – die Haltereigenschaft verbrieft. Sie ist aber kein Garant dass sonstige Umstände unbeachtlich sind und allein die Einsichtnahme zum gutgläubigen Erwerb führt. Derartige Privilegierungen beim Erwerb von Kfz ggü. dem Erwerb sonstiger beweglicher Gegenstände sind nicht intendiert, geschweige denn notwendig.
Nichts desto trotz ist eine ganz klare Linie in der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. So ging in diesem Fall auch die Vorinstanz von einem gutgläubigen Erwerb auch. Auch der BGH hat in seinem „Probefahrt-Urteil“ (Urt. V. 18.9.2020 – V ZR 8/19) die Gutgläubigkeit eines Erwerbers angenommen, der an einem Bahnhof ein Kfz zum Preis von 46.500 EUR in Bar kaufte, auf Wunsch des Verkäufers gleichwohl nur 43.500 EUR in das Vertragsformular aufgenommen wurden und seitens des Käufers ohne weiteres Anzweifeln nur Einsicht in die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II genommen wurde. Auch hier ergeben sich durch die Wahl des Bahnhofs als Verkaufsort und die Höhe des Bargeldgeschäfts durchaus Zweifel. Besondere Umstände, die zu besonderen Nachforschungspflichten führen, liegen nach den Ausführungen des BGH nicht vor. Unangreifbar ist dies gewiss nicht. Es gibt also durchaus noch offene Fragen beim gutgläubigen Erwerb unterschlagener PKW. Dies kommt Ihnen jedoch nur zugute, denn für Prüfungsarbeiten gilt wie so oft: Solange Sie gut argumentieren, können Sie vieles vertreten!