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Schlagwortarchiv für: gutgläubiger Erwerb

Monika Krizic

Die spezielle Nichtleistungskondiktion gemäß § 816 BGB

Aktuelles, Bereicherungsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Zivilrecht

Der Beitrag behandelt den examensrelevanten § 816 BGB. Welche Konstellationen regelt er? Was ist wichtig beim Umgang mit dem Nichtberechtigten im Bereicherungsrecht? Diesen Fragen geht unsere Gastautorin Monika Krizic in diesem Beitrag nach. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn.

Die speziellen Nichtleistungskondiktionen von § 816 BGB finden Eingang in zahlreiche Thematiken zivilrechtlicher Sachverhalte. Angesichts ihrer Spezialität zur allgemeinen Nichtleistungskondiktion, lohnt es sich ihre besonderen Voraussetzungen und Problematiken näher zu betrachten.

I. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB

1. Grundlegendes

Die Norm regelt den Fall, dass ein Nichtberechtigter über eine Sache verfügt. Es handelt sich folglich um einen gesetzlich geregelten Sonderfall der Eingriffskondiktion und damit um eine lex specialis (Peifer, Schuldrecht, 4. Aufl. 2014, § 10 Rn. 10). § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Kehrseite der Tatsache, dass das BGB einen Gutglaubenserwerb zulässt. Während sich der Erwerber aus Gründen des Verkehrsschutzes auf die §§ 932 ff. BGB berufen können soll, ist die vorliegende Norm damit beschäftigt dem Berechtigten einen Ausgleich für seinen erlittenen Rechtsverlust zu ermöglichen (Röthel, JURA 2015, 574). Vor dem Hintergrund, dass § 816 Abs. 1 S. 1 BGB auf jegliche Verschuldens- und Kenntniselemente verzichtet, gewährleistet er einen hohen Güterschutz (Peifer, Schuldrecht, 4. Aufl. 2014, § 10 Rn. 11).

2. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Verfügung

Zunächst bedarf es einer Verfügung. Dies ist jedes dingliche Rechtsgeschäft, durch das ein Recht aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert wird (Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2022, § 4 Rn. 42). Dazu gehören u.a. die Übertragung des Eigentums nach den §§ 873 ff., 929 ff. BGB, aber auch die Belastung des Eigentums mit beschränkt dinglichen Rechten wie etwa dem Pfandrecht (Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2022, § 4 Rn. 42).

aa) Schuldrechtliche Rechtsgeschäfte

Vor dem Hintergrund der teleologsichen Zweckrichtung, dass der Eigentümer sein Eigentum nach den §§ 932 ff. an einen redlichen Dritten verlieren kann und folglich schutzbedürftig ist, sind schuldrechtliche Rechtsgeschäfte grundsätzlich nicht von § 816 Abs. 1 S. 1 BGB erfasst. Gleichwohl wurde dies in den Fällen der sog. unberechtigten Untervermietung öfter problematisiert. Dabei wird immer wieder die analoge Anwendung der Norm als Lösungsversuch angebracht.

Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke bei Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus. Beide Voraussetzungen erscheinen hier fraglich. So stehen dem Eigentümer gegen den unberechtigten Untervermieter eine Reihe an vertraglichen Ansprüche sowie die zusätzlichen Regelungen der §§ 987 ff. BGB zur Seite, was eine planwidrige Regelungslücke zweifelhaft erscheinen lässt. Daneben fehlt es aber auch an einer vergleichbaren Interessenlage: Der Eigentümer erleidet durch die Untervermietung keinen Rechtsverlust, sodass es auch nicht des von der Norm intendierten Substanzwertausgleichs bedarf (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 37). Zudem handelt es sich bei dem Untermietzins auch nicht um eine Vermögensposition, die der Untervermieter anstelle des Eigentümers erzielt. Während eine Verfügung dazu führt, dass jegliche Verwertungs- und Gebrauchsmöglichkeit aufgehoben wird, ist der Eigentümer im Hinblick auf die vorliegende Konstellation begrifflich schon nicht in der Lage den Untermietzins zu erzielen. Mit Abschluss des Mietvertrags entscheidet allein der Vermieter über den Gebrauch der Sache (Petersen, JURA 2015, 459, 462). Daher scheidet auch eine analoge Anwendung aus.

bb) Faktisches Handeln – „Einbaufälle“

Die Analogiefähigkeit des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB wird ebenfalls in den sog. Einbaufällen diskutiert. In diesen baut der Nichtberechtigte Baumaterial derart in das Grundstück eines Dritten ein, dass dieser kraft Gesetzes gem. §§ 946 ff. BGB Eigentum erwirbt. Der Nichtberechtigte erhält dabei einen Erlös.

Der Einbau als solcher stellt einen Realakt dar, sodass es grundsätzlich an einem dinglichen Rechtsgeschäft fehlt. Dies hätte letztendlich aber zur Folge, dass die Geltendmachung des Anspruchs für den Berechtigten von der Zufälligkeit eines originären oder derivativen Eigentumserwerbs abhinge. Da sowohl im Fall einer Verfügung als auch im Fall eines Einbaus dieselben Rechtsfolgen eintreten, kann eine vergleichbare Interessenlage und damit auch eine Analogie bejaht werden (Wieling/Finkenauer, Bereicherungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 36).

b) Anspruchsgegner: Nichtberechtigter

Der Verfügende müsste auch Nichtberechtigter sein. Dies ist zum einen, wer nicht Inhaber des fraglichen Rechts und zum anderen, wer aus anderweitigen Gründen nicht verfügungsbefugt ist. Letzteres ist u.a. der Fall, wenn die Verfügungsbefugnis an einen Insolvenzverwalter gem. § 80 Abs. 1 InsO verloren wurde (Röthel, JURA 2015, 574, 575).

c) Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten

Des Weiteren müsste die Verfügung wirksam sein, d.h. der ursprünglich Berechtigte müsste sein Recht verloren haben. Die Wirksamkeit einer Verfügung kann sich insbesondere aus der Möglichkeit eines Gutglaubenserwerbs sowie einer Genehmigung ergeben. Hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs ist neben den §§ 932 ff. BGB vor allen Dingen auch an §§ 892 f., § 2366 (Erbschein) und § 366 HGB zu denken (Lorenz, JuS 2018, 654).

Scheitert eine Verfügung – etwa aufgrund von Bösgläubigkeit oder Abhandenkommens – kann der Berechtigte die Verfügung immer noch genehmigen. Gem. § 182 Abs. 1 BGB kann die Genehmigung sowohl gegenüber dem Nichtberechtigten als auch gegenüber dem Erwerber erklärt werden. Nach § 184 Abs. 1 BGB wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Angesichts dessen könnte angenommen werden, dass die Norm zu einer Art Zirkelschluss führt: Wirkt die Genehmigung zurück, so agierte der Anspruchsgegner doch von vornherein als Berechtigter? Allerdings bezieht sich die Rückwirkungsfunktion der Norm nur auf die auf die Rechtsfolge, nicht aber auf die Berechtigung selbst (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 37).

d) Rechtsfolge: Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten

Auf der Rechtsfolgenseite sind stets zwei Kernprobleme im Kopf zu behalten.

aa) Begriff des Erlangten

Zunächst sollte problematisiert werden, was überhaupt unter dem Begriff des „Erlangten“ zu verstehen ist. Zum einen wird hier auf die Befreiung von der Verbindlichkeit abgestellt und zum anderen auf den Veräußerungserlös selbst. Gegen das Abstellen auf Letzteres könnte angeführt werden, dass der Nichtberechtigte den Veräußerungserlös nicht durch die Verfügung, sondern vielmehr durch den Vertrag mit dem Dritten erhält (Lorenz, JuS 2018, 654, 655). Für diese Sichtweise spricht somit die Dogmatik des Bereicherungsrechts.

Allerdings könnte es eine systematische Betrachtung nahe legen, den Veräußerungserlös als tauglichen Herausgabegegenstand zu qualifizieren. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB gewährt im Falle einer unentgeltlichen Verfügung eine Durchgrifffskondiktion gegen den Erwerber. Diese Differenzierung zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Verfügung impliziert, dass der Veräußerungserlös das maßgeblich Erlangte ist. Zumal diese Ansicht auch den Vorteil hat, dass keine unbilligen Ergebnisse entstehen, wenn das schuldrechtliche Kausalgeschäft unwirksam ist und somit auch keine wirksame „Befreiung von der Verbindlichkeit“ erfolgen konnte (Finkenauer/Wieling, Bereicherungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 44).

bb) Herausgabe eines Gewinns?

Weiterhin stellt sich auch die Frage, ob die Norm nur eine Wert- oder darüber hinaus eine Gewinnhaftung mit sich zieht. Für eine bloße Werthaftung könnte sprechen, dass die Norm ein Unterfall der allgemeinen Nichtleistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ist und damit der allgemeine Rechtsgedanke nach § 818 Abs. 2 BGB greift (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 37).

Gleichwohl streiten mehrere Aspekte für eine Gewinnhaftung. Zunächst einmal differenziert das Gesetz in § 818 Abs. 2 BGB selbst zwischen dem Erlangten und dem Wert. Der Wortlaut von § 816 Abs. 1 S. 1 wiederum gibt keine Begrenzung auf den objektiven Sachwert her (Finkenauer/Wieling, Bereicherungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 41). Zudem könnte eine Gewinnhaftung auch mit dem Telos der Norm korrespondieren. Als Unterfall der Eingriffskondiktion soll § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vor Eingriffen in den Zuweisungsgehalt einer eigenen Rechtsposition schützen: Die Gewinnerzielungsmöglichkeit steht aber gerade nur dem Eigentümer zu (Röthel, JURA 2015, 574, 577).

cc) Entreicherung in Form eines gezahlten Kaufpreises

Gem. § 818 Abs. 2 BGB ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Eine Entreicherung liegt vor, wenn der Vermögensvorteil nicht mehr vorhanden ist (Peifer, Schuldrecht, 4. Aufl. 2014, § 8 Rn. 15). In diesem Kontext ist auch umstritten, ob ein vom Nichtberechtigten entrichteter Kaufpreis als Entreicherung gewertet werden kann.

Beispiel: E ist Eigentümer einer Sache. Dieb D stiehlt diese Sache und veräußert sie für 100 Euro an A, welcher die Sache wiederum für 150 Euro an B weiterveräußert.

Ein Eigentumserwerb nach den §§ 932 ff. BGB scheidet aufgrund Abhandenkommens aus. Genehmigt E die Verfügung von A an B, so hätte er gegen A einen Anspruch auf Herausgabe der 150 Euro aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Möglicherweise könnte sich A aber aufgrund des entrichteten Kaufpreises i.H.v. 100 Euro auf Entreicherung berufen.

Gegen eine solche Abzugsfähigkeit lassen sich indes teleologische Erwägungen anführen. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist seiner Natur ein Rechtsverfolgungsanspruch, der anstelle des verlorenen Vindikationsanspruchs aus § 985 tritt. Diesem Herausgabeanspruch könnte der Anspruchsgegner aber auch nicht einen etwaig gezahlten Kaufpreis entgegenhalten (Lorenz, JuS 2018, 654, 655).

II. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB

1. Grundlegendes

§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB stellt ebenfalls eine spezielle Nichtleistungskondiktion dar. Hinzu kommt aber auch noch, dass die Norm eine Durchgriffshaftung gegen den unentgeltlichen Erwerber ermöglicht (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 39). Entgegen dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungskondiktion -wonach grundsätzlich das Leistungsverhältnis zwischen Nichtberechtigtem und Erwerber vorrangig wäre – wird dem Berechtigten hier ein direkter Anspruch gegen den Dritten (Erwerber) gewährt. Teleologisch wird diese Ausnahme vom grundlegenden bereicherungsrechtlichen Prinzip des Vorrangs der Leistungskondiktion damit begründet, dass der Erwerber aufgrund mangelnden Vermögensopfers nicht schutzwürdig ist (Lorenz, JuS 2018, 654, 655).

2. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Verfügung eines Nichtberechtigten
b) Wirksam gegenüber dem Berechtigten
c) Unentgeltlich

Zentraler Dreh- und Angelpunkt der Norm ist das Tatbestandsmerkmal der Unentgeltlichkeit. Die Frage nach der (Un-)Entgeltlichkeit beurteilt sich danach, ob der Erwerber eine Gegenleistung erbracht hat, wobei dies Vermögensopfer jeglicher Art sein können (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 11 Rn. 33).

aa) Gemischte Schenkung

Problematischer gestaltet sich die Situation in Fällen der sog. gemischten Schenkung. Hier wird zum Teil darauf abgestellt, wo der Schwerpunkt liegt. Andere wiederum wollen § 816 Abs. 1 S. 2 BGB so weit anwenden, wie die Unentgeltlichkeit reicht. Ist auf der Rechtsfolgenseite die Teilbarkeit des Gegenstandes nicht möglich, wird nach § 818 Abs. 2 BGB dafür plädiert, den objektiven Schenkungswert zu ersetzen (Lorenz, JuS 2018, 654, 656).

bb) Rechtsgrundlose Verfügung

Darüber hinaus umstritten ist die Frage, ob die Norm auf entgeltliche, aber rechtsgrundlose Verfügungen analog anzuwenden ist. Die Tatsache, dass der Erwerber in beiden Fällen nicht zur Gegenleistung verpflichtet ist, lässt eine vergleichbare Interessenlage nahelegen (Röthel, JURA 2015, 574, 577). Allerdings berücksichtigt eine solche Sichtweise nicht hinreichend, dass der Dritte schutzwürdig ist, gerade weil er eine Gegenleistung an den Nichtberechtigten erbracht hat und bei einer Direktkondiktion ein Einwendungsabschnitt drohen würde. In einer solchen Situation ist vielmehr nach den grundlegenden bereicherungsrechtlichen Regeln „über’s Eck“ zu kondizieren, womit auch eine planwidrige Regelungslücke zu verneinen ist (Lorenz, JuS 2018, 654, 656).

III. § 816 Abs. 2 BGB

1. Grundlegendes

Im Gegensatz zu § 816 Abs. 1 BGB, erfasst Abs. 2 nicht Verfügungen von einem Nichtberechtigten, sondern schuldrechtliche Leistungen an einen Nichtberechtigten. Geschützt werden die Interessen des Forderungsinhabers, wenn ein Dritter an seiner Stelle die geschuldete Leistung entgegennimmt. Folglich liegt in der Entgegennahme einer fremden Leistung der maßgebliche Eingriff (Jacoby/von Hinden, Studienkommentar BGB, 18. Aufl. 2022, § 816 Rn. 6).

2. Tatbestandsvoraussetzungen
a) Bewirken einer Leistung an einen Nichtberechtigten

Nichtberechtigter i.d.S. ist jede Person, die nicht Forderungsinhaber ist oder nicht zur nicht zur Annahme der Leistung berechtigt ist (Peifer, Schuldrecht, 4. Aufl. 2014, § 10 Rn. 20).

b) Leistung gegenüber dem Berechtigten wirksam

Das Erlöschen einer Leistung durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB setzt u.a. voraus, dass an den richtigen Gläubiger geleistet wird. Daher erlischt eine Forderung gerade nicht bereits dann, wenn sie von einem Dritten eingezogen wird (Finkenauer/Wieling, Bereicherungsrecht, 5. Aufl. 2020, § 4 Rn. 47).

aa) Gesetzliche Bestimmungen

Etwas anderes kann sich aber aus gesetzlichen Ausnahmevorschriften ergeben. Zu den wichtigsten Anwendungsfällen gehören u.a. die Zahlung an den Zedenten (Altgläubiger) gem. § 407 Abs. 1 BGB, die Zahlung an den Inhaber eines Namenspapiers mit Inhaberklausel nach § 808 BGB oder die Zahlung an den Inhaber eines Erbscheins gem. §§ 2367 Var. 1, 2366 BGB.

bb) Möglichkeit der Genehmigung

Ergibt sich keine Wirksamkeit aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, so stellt sich die Frage, ob auch im Rahmen von § 816 Abs. 2 BGB eine nachträgliche Genehmigung in Betracht kommt. Der Wortlaut des § 362 Abs. 2 BGB stellt aber uneingeschränkt auf § 185 BGB und damit auf eine Genehmigungsmöglichkeit ab (Staake, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl. 2022, § 4 Rn. 62).

c) Rechtsfolge:  Herausgabe des Geleisteten
26.08.2024/0 Kommentare/von Monika Krizic
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Monika Krizic https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Monika Krizic2024-08-26 08:00:002025-05-12 10:48:49Die spezielle Nichtleistungskondiktion gemäß § 816 BGB
Simon Mantsch

OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz

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Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur deshalb eignet sich der Fall ideal für Prüfungsarbeiten.

I. Der Sachverhalt

Der Sportwagenbegeisterte und Beklagte B wurde über die Internetplattform mobile.de auf einen zum Kauf angebotenen Lamborghini aufmerksam. Dieser wurde erst kurz zuvor nach Deutschland eingeführt und war hierzulande nur mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen. Angeboten wurde dieser von den Brüdern S, die angaben, stellvertretend im Namen des Eigentümers und Verkäufers V zu handeln. Die Brüder S waren für die Familie des B keine Unbekannten. An sie hatte der Bruder des B bereits ein Kfz verkauft, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre. Es kam zu einer Besichtigung auf dem Parkplatz einer Spielothek. Der Beklagte wollte den Lamborghini an Ort und Stelle kaufen, wurde von S jedoch vertröstet, da der Wagen noch für die Hochzeit eines Freundes benötigt werden würde. Man verabredete sich zwei Tage später „auf halbem Weg“ zwischen den Wohnorten von B und S an einer Tankstelle zum Abschluss des Kaufvertrages und zur Übereignung des Kfz. Mit mehrstündiger Verspätung trafen die Brüder S gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein und begründeten die Verspätung zunächst mit einem Stau auf der Autobahn, später jedoch mit einer zeitraubenden Polizeikontrolle. Es erfolgte eine Probefahrt. Um 1 Uhr nachts setzte man sich sodann in einem neben der Tankstelle befindlichen Schnellrestaurant zusammen und besprach die Kaufmodalitäten. Man kam überein, dass B zum Erwerb des Lamborghinis seinen alten Lamborghini für 60.000 EUR in Zahlung geben und zusätzlich 70.000 EUR in bar zahlen würde. Die Kaufabwicklung folgte noch in jener Nacht. K ließ sich auch die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vorlegen, die ihm zusammen mit dem Lamborghini und den dazugehörigen Schlüsseln übergeben wurden. Eine Vollmacht des V wurde zu keinem Zeitpunkt verlangt und auch nicht vorgelegt. Nur eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises von V hat B zu Gesicht bekommen. Die Angaben in den Zulassungsbescheinigungen erwiesen sich jedoch als nicht stimmig. In der Zulassungsbescheinigung Teil II wurde zwar V als Halter ausgewiesen, in Zulassungsbescheinigung Teil I jedoch nur mit dem Zusatz „Empfangsbevollmächtigter“. Auch gab es offensichtliche Unstimmigkeiten beim Namen. So wurde der Name des V in den Zulassungsbescheinigungen und dem Kaufvertrag anders wiedergegeben, als auf der Kopie des Personalausweises. B fuhr mit dem Lamborghini nach Hause. Der Versuch der Anmeldung des Fahrzeugs auf den eigenen Namen scheiterte jedoch, da sich der Lamborghini auf einer Fahndungsliste befand. Es sollte sich herausstellen, dass V gar nicht der Eigentümer war. Der Lamborghini stand nämlich ursprünglich im Eigentum des in Spanien lebenden Klägers K, der das Kfz nur an eine Agentur vermietet hatte. Diese hatte es wiederum an den V weitergegeben, der es nach Ende der Mietzeit nicht zurückgab. K verlangt von B nunmehr Herausgabe des Lamborghinis.

II. Die Entscheidung

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat einen gutgläubigen Erwerb des B nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht, dem K einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB folglich nicht zugesprochen. Gestützt wird dies auf die Erwägung, dass sich B die originalen Zulassungsbescheinigungen hat vorzeigen lassen, die jedenfalls keinen schwerwiegenden Fehler enthielten. Auch die sonstigen Umstände sollen nicht derart auffällig gewesen sein, dass man das Handeln des B als grob fahrlässig iSd § 932 Abs. 2 BGB qualifizieren könnte. Ferner ist dem klagenden K der Lamborghini durch die freiwillige Vermietung und der damit verbundenen Besitzübertragung nicht iSd § 935 BGB abhandengekommen.

Das OLG Oldenburg hat die Umstände in wesentlichen Teilen anders gewertet. Nach Feststellung der internationalen Zuständigkeit (hier folgend aus Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 [EuGVVO]) und der Anwendbarkeit deutschen Rechts gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB, hatte sich das Gericht umfassend mit dem Vorliegen eines Anspruchs aus § 985 BGB zu beschäftigen. Dazu müsste eine Vindikationslage bestehen, K also Eigentümer und B Besitzer ohne Besitzrecht sein.

K war jedenfalls der ursprüngliche Eigentümer. Er hat sein Eigentum nicht durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB an die Agentur verloren, da insoweit nur eine Mietvereinbarung, gleichwohl aber keine dingliche Einigung zum Eigentumsübergang getroffen wurde.

Er könnte sein Eigentum jedoch durch gutgläubigen Eigentumserwerb des B von V gem. §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren haben. B einigte sich mit V nicht dinglich über den Eigentumsübergang, wohl aber mit den Brüdern S. Diese gaben eine eigene Willenserklärung ab, handelten dabei jedoch offenkundig im Namen und mit Einverständnis des V, womit die Voraussetzungen einer Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 vorliegen. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ändert daran nichts, da das Vorliegen einer solchen im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben ist. Auch kam es zu der Übergabe des Lamborghinis an B.

Da jedoch zu keiner Zeit mit dem Berechtigten K verhandelt wurde, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten V in Betracht. Das dafür erforderliche Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts sowie ein objektiver Rechtsscheintatbestand liegen – vermittelt durch die Übergabe des Kfz und der damit zum Ausdruck gebrachten Besitzverschaffungsmacht – vor. § 932 Abs. 1 BGB schließt den Erwerb jedoch aus, wenn – vom Kläger zu beweisen – B beim Erwerb in Bezug auf die Eigentumsstellung des V nicht in gutem Glauben gewesen wäre. Der Erwerber ist nach § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Jedenfalls positiv bekannt war B die fehlende Eigentumsstellung des V nicht.

Nach Ansicht des OLG Oldenburg handelte B jedoch grob fahrlässig. Für die Frage nach dem Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens muss aus Verkehrsschutzgesichtspunkten auf objektive Maßstäbe abgestellt werden. Ob jemand gute Erfahrungen mit dem Erwerb von Kfz unter Umständen wie den oben geschilderten gemacht hat (Straßenkauf), ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig, wie die guten Erfahrungen eines Familienmitglieds mit den täuschenden Brüdern S. Auch wenn es höchstrichterlich anerkannt ist, dass den Erwerber zumindest grundsätzlich keine Nachforschungspflichten treffen, so ist jedenfalls für den gutgläubigen Erwerb von gebrauchten Kfz geklärt, dass sich der Erwerber der Veräußerungsbefugnis des Verkäufers durch Einsichtnahme in die Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) verschaffen muss (BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 222/95). Darüberhinausgehende Nachforschungspflichten bestehen regelmäßig nicht (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12). Das OLG Oldenburg vertritt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – jedoch die Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die einen Verdacht erregen können oder sogar müssen, die fehlende Gutgläubigkeit auch bei Einsicht in die Zulassungsbescheinigung Teil II vorliegen kann. Die Einsicht in die originalen Zulassungsbescheinigungen Teil I und II kann den Käufer daher nicht pauschal entlasten. Vielmehr erblickt das OLG Oldenburg mehrere Umstände, die ein grob fahrlässiges Handeln des B begründen sollen.

Nach Ansicht des OLG waren die Auffälligkeiten dabei so groß, dass auch nicht mehr ins Gewicht fällt, ob der Kaufpreis von der Höhe her angemessen war oder ob sich auch aus einer besonders niedrigen Festsetzung konkrete Zweifel bei B hätten ergeben müssen. B ergriff durch Einsicht in die Zulassungsbescheinigungen und in die Personalausweiskopie zu wenige Maßnahmen, damit trotz der ungewöhnlichen Begleitumstände keine grobe Fahrlässigkeit hätte angenommen werden können. B konnte infolgedessen kein Eigentum erwerben. Das Eigentum verblieb insoweit bei E.

B hat jedoch den unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB erlangt. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB, das einer Vindikationslage entgegenstünde, ist nicht feststellbar. Insbesondere kann das Kausalverhältnis zwischen B und den Brüdern S nicht als solches angeführt werden, da insoweit die Relativität der Schuldverhältnisse gilt.

III. Einordnung der Entscheidung

Es handelt sich um eine Entscheidung, die sich ausschließlich mit Prüfungsstoff für das erste Staatsexamen auseinandersetzt. Angesichts der Vorliebe von „PKW-Fällen“ bei den Justizprüfungsämtern ist zu erwarten, dass diese Entscheidung früher oder später so oder ähnlich gelagerte Einzug in eine Prüfungsarbeit erhält.

Spannend ist dabei (auch für eine Prüfungsaufgaben) der Einstieg in die Fallbearbeitung. Denn bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug muss zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts sowie die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet werden. Hierfür bedarf es keiner tiefgreifenden IPR-Kenntnisse. Was die internationale Zuständigkeit betrifft, so ist ein Blick in die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu werfen. Diese gilt gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO für alle Zivil- uns Handelssachen, soweit kein Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 EuGVVO greift. Für den zeitlichen Anwendungsbereich ist Art. 66 EuGVVO zu beachten, wonach es sich um einen nach dem 10.01.2015 eingeleiteten Rechtsstreit handeln muss. Über Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gelangt man sodann zur deutschen Zuständigkeit, weil der Beklagte B hier seinen Wohnsitz hat. Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten sodann die bekannten Vorschriften aus ZPO und GVG. Mit der Feststellung der internationalen Zuständigkeit ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen, welches Recht Anwendung findet. Dafür ist zunächst ein Blick in Art. 3 EGBGB zu werfen. Danach ist zunächst auf die Anwendbarkeit europäischer Verordnungen zu achten, die sodann das anwendbare Recht bestimmen. Ist eine solche – wie hier – nicht einschlägig, so ist auf zweiter Ebene die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Bestimmungen zu prüfen, die entsprechende Rückschlüsse auf das anwendbare Recht erlauben. Mangelt es – wie hier – auch an solchen, so bestimmt sich das einschlägige Recht nach den Art. 3 ff. EGBGB. Nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB unterliegt das Recht an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Angesichts des Belegenheitsortes des Lamborghini in Deutschland, ist demzufolge das nationale (Sachen)Recht anzuwenden.

Inhaltlich sind die Wertungen des OLG durchaus nachvollziehbar. Freilich ist die Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil II immer ein wichtiges Indiz, das dem Grunde nach gegen ein bösgläubiges Verhalten des Käufers spricht. Drängen sich aber zwielichtige Umstände geradezu auf, muss diese Wertung korrigiert werden. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 932 BGB. Geschützt werden soll derjenige, der nicht erahnen konnte, dass die Sache nicht demjenigen gehört, der sie veräußert. Bei beweglichen Sachen vermittelt allein die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers regelmäßig die Befugnis zur Veräußerung. Hier gibt es kein verbrieftes Recht! Doch können besondere Umstände zum Ausschluss der Gutgläubigkeit führen. Für den Erwerb von PKW gilt insoweit nichts anderes. Hier kommt der Zulassungsbescheinigung Teil II nur deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie – anders als bei anderen beweglichen Sachen – die Haltereigenschaft verbrieft. Sie ist aber kein Garant dass sonstige Umstände unbeachtlich sind und allein die Einsichtnahme zum gutgläubigen Erwerb führt. Derartige Privilegierungen beim Erwerb von Kfz ggü. dem Erwerb sonstiger beweglicher Gegenstände sind nicht intendiert, geschweige denn notwendig.

Nichts desto trotz ist eine ganz klare Linie in der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. So ging in diesem Fall auch die Vorinstanz von einem gutgläubigen Erwerb auch. Auch der BGH hat in seinem „Probefahrt-Urteil“ (Urt. V. 18.9.2020 – V ZR 8/19) die Gutgläubigkeit eines Erwerbers angenommen, der an einem Bahnhof ein Kfz zum Preis von 46.500 EUR in Bar kaufte, auf Wunsch des Verkäufers gleichwohl nur 43.500 EUR in das Vertragsformular aufgenommen wurden und seitens des Käufers ohne weiteres Anzweifeln nur Einsicht in die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II genommen wurde. Auch hier ergeben sich durch die Wahl des Bahnhofs als Verkaufsort und die Höhe des Bargeldgeschäfts durchaus Zweifel. Besondere Umstände, die zu besonderen Nachforschungspflichten führen, liegen nach den Ausführungen des BGH nicht vor. Unangreifbar ist dies gewiss nicht. Es gibt also durchaus noch offene Fragen beim gutgläubigen Erwerb unterschlagener PKW. Dies kommt Ihnen jedoch nur zugute, denn für Prüfungsarbeiten gilt wie so oft: Solange Sie gut argumentieren, können Sie vieles vertreten!

26.04.2023/2 Kommentare/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-04-26 06:00:002023-04-26 07:17:55OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
Tobias Vogt

BGH zum gutgläubigen Erwerb eines vom Veräußerer durch eine Probefahrt erlangten KFZ

Examensvorbereitung, Rechtsprechung, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht

Die brandaktuelle Entscheidung des BGH (Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19) ist wie gemacht für eine Examensprüfung. So können Grundlagen des Sachenrechts mit der bei den JPA äußerst beliebten Konstellation des gutgläubigen Erwerbs eines Gebrauchtwagens abgeprüft werden, graniert mit der sich anschließenden Frage der Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugpapieren. Diese Entscheidung sollte daher jeder Examenskandidat kennen und die darin enthaltenen Problematiken beherrschen!
I. Sachverhalt (verkürzt)
A betreibt ein Autohaus. Bei diesem erscheint der B und bekundet Interesse an dem Kauf eines Kraftfahrzeugs des A im Wert von 52.900 €. Nachdem B hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleiteten und auch nicht mittels GPS durch das Autohaus verfolgten Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das Fahrzeug, das Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Anschließend bot B das KFZ als privater zum Verkauf an. Er einigte sich mit dem C auf die Übereignung des KFZ an diesen und händigte ihm hierzu das KFZ, den Originalschlüssel sowie einen weiteren –jedoch nicht zu dem KFZ gehörenden – Schlüssel, sowie professionell gefälschte Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung Teil I sowie Zulassungsbescheinigung Teil II) aus.
A verlangt nun Herausgabe des KFZ sowie des Fahrzeugschlüssels. C hingegen fordert von A Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung Teil II.
II. Anspruch des A gegen den C auf Herausgabe des KFZ sowie des Schlüssels nach § 985 BGB?
Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt zunächst voraus, dass der A noch Eigentümer des KFZ samt Schlüssel ist.
Wie gewohnt ist hier eine chronologische Prüfung angezeigt. Ursprünglich war A Eigentümer. Er könnte sein Eigentum jedoch verloren haben.
1) Zunächst kommt ein Eigentumsverlust durch Übereignung von A an den B nach § 929 S. 1 BGB in Betracht, als A dem B das KFZ aushändigte.
Es fehlt hier jedoch an einer dinglichen Einigung. A und B einigten sich explizit nur auf eine Probefahrt. Nach dem Ablauf von einer Stunde sollte B das KFZ zurückbringen. Das Eigentum sollte also bei A verbleiben.
2) C könnte jedoch durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB von B das Eigentum erworben haben.
B und C einigten sich darüber, dass das Eigentum an KFZ und Schlüssel auf C übergehen solle, §§ 133, 157, 929 BGB. Auch eine Übergabe fand statt. B müsste aber auch zur Eigentumsübertragung berechtigt sein. Da B wie oben geprüft nicht Eigentümer war und auch sonst nicht berechtigt war, scheidet eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB aus.
3) Es kommt jedoch ein gutgläubiger Eigentumserwerb des C nach §§ 929 S. 1, 932 BGB in Betracht.
a) Neben der dinglichen Einigung, der Übergabe und eines hier unproblematisch vorliegenden Rechtsgeschäfts im Sinne eines Verkehrsgeschäfts bedarf es der Gutgläubigkeit des C, § 932 Abs. 1 S. 1, HS. 2.
Nach der Legaldefinition des § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört oder ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Hierbei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Bei einem Gebrauchtwagenverkauf begründet der Besitz des KFZ allein nicht den für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr ist der Erwerber, um sich nicht dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszusetzen, gehalten, sich mindestens die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen zu lassen und anhand der dortigen Eintragungen zu prüfen, ob der Besitzer des Fahrzeugs auch zur Übereignung desselben berechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12).
Im hiesigen Fall war der B nicht nur im Besitz des KFZ, sondern legte dem C zudem professionell gefälschte Zulassungsbescheinigungen, die ihn als berechtigten auswiesen, vor. Grobe Fahrlässigkeit ist bei der Vorlage einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil 2 jedoch nur anzunehmen, wenn auf den ersten Blick Auffälligkeiten zu erkennen sind, die auf eine Fälschung hindeuten. Von dem Erwerber kann hingegen nicht erwartet werden, dass er das ihm vorgelegte Dokument umfassend und detailliert untersucht, nachdem er sich die hierzu erforderliche Sachkunde angeeignet hat. Deshalb kann dem Erwerber keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn er eine professionell gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil 2 vorgelegt bekommt, die dem ersten Anschein nach echt wirkt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.01.2019 – 9 U 32/18).
C war demnach gutgläubig.
b) Das KFZ und der Schlüssel dürfen zudem nicht nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB abhanden gekommen Hier liegt der Hauptschwerpunkt der aktuellen Entscheidung des BGH, der im Gegensatz zu der Berufungsinstanz (OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 17. Dezember 2018 – 15 U 84/18) ein Abhandenkommen verneinte. Aber der Reihe nach:
Abhandenkommen ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Bei dieser Definition ist auf Genauigkeit zu achten – es kommt nicht auf den unfreiwilligen Verlust des (sämtlichen) Besitzes, sondern gerade auf den Verlust des unmittelbaren Besitzes an. Denn gerade indem der Eigentümer den unmittelbaren Besitz freiwillig aus der Hand gibt, trägt er selbst zu dem Rechtsschein des unmittelbaren Besitzes des unberechtigten Veräußerers bei und ist daher nicht schützenswerter als der gutgläubige Erwerber. Der Schutz des bisherigen Eigentümers genießt durch die Ausnahmevorschrift des § 935 BGB – wie sich aus dessen S. 2 sowie aus dem Vergleich mit den speziellen in S. 1 genannten Varianten „gestohlen worden, verloren gegangen“ ergibt – nur dann Vorrang, wenn der unmittelbare Besitz unfreiwillig verloren geht.
a) Fraglich ist also zunächst, ob A während der Probefahrt des B noch unmittelbaren Besitz an dem KFZ samt Schlüsseln hatte. Dies wäre zu bejahen, wenn der unmittelbare Besitz hier nur gelockert war, jedoch noch bei A verblieb. Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft. Ob während einer Probefahrt der Besitz nur gelockert ist und somit noch beim Eigentümer verbleibt oder bereits auf den vermeintlichen Kaufinteressenten übergegangen ist, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. So stellt der BGH in seiner aktuellen Entscheidung darauf ab, ob während der Probefahrt eine Begleitung etwa durch einen Angestellten des Autohauses als Beifahrer oder jedenfalls eine sonstige Überwachung der Probefahrt etwa in Form einer Verfolgung per GPS-Ortung erfolgt. Ist dies der Fall, könnte nach der Verkehrsanschauung die tatsächliche Sachherrschaft noch dem Autohaus zugeordnet werden, so dass dieses noch unmittelbaren Besitz hat. Da in dem zu entscheidenden Fall jedoch keinerlei Überwachung der Probefahrt stattgefunden hat, fehle es an einer beim Autohaus verbleibenden tatsächlichen Sachherrschaft, sodass der unmittelbare Besitz mit Beginn der Probefahrt auf den B übergegangen ist.
Unmittelbarer Besitz könne aber dennoch bei dem Autohaus verbleiben, wenn der vermeintliche Kaufinteressent B Besitzdiener gemäß § 855 BGB des A ist. Voraussetzung ist jedoch ein soziales oder vergleichbares Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Kaufinteressenten. Dass Letzterer in Bezug auf das Fahrzeug Weisungen bzw. Vorgaben des Verkäufers unterworfen ist, ändert hieran nichts. Denn sie entspringen dem Vertragsanbahnungsverhältnis und damit einem auf die Sache bezogenen Rechtsverhältnis im Sinne des § 868 BGB. Demgegenüber folgt die Weisungsunterworfenheit eines Besitzdieners aus einem über den rechtlichen Bezug zur Sache hinausgehenden Verhältnis zum Besitzherrn. Ein solches Verhältnis bestehe zwischen dem Verkäufer eines Fahrzeugs und einem Kaufinteressenten nicht, so der BGH in seiner Pressemitteilung. Folglich ist der unmittelbare Besitz mit Beginn der nicht überwachten Probefahrt auf den B übergegangen.
Das mögliche Vorliegen eines mittelbaren Besitzes nach § 868 BGB ist für die Frage des Abhandenkommens irrelevant, da es wie oben erläutert im Rahmen des § 935 BGB gerade auf den unmittelbaren Besitz ankommt.
b) In diesem Moment des Verlustes des unmittelbaren Besitzes muss dieser Besitzverlust des A unfreiwillig erfolgt sein. Hierbei kommt es nur darauf an, ob der Besitzverlust auf einem tatsächlichen Willentsentschluss ohne Zwang beruht. Wie der BGH in seiner Pressemitteilung ausführt, wird die Besitzübertragung ist nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung – etwa über das in Wahrheit nicht bestehende Kaufinteresse und die Absicht, das KFZ nach einer Stunde zurückzubringen – beruht.
Der Verlust des unmittelbaren Besitzes erfolgte somit freiwillig, so dass kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vorliegt. C hat somit gutgläubig nach §§ 929 S. 1, 932 BGB das Eigentum an dem KFZ und dem Schlüssel erworben. A ist nicht mehr Eigentümer.
A hat daher keinen Anspruch gegen C auf Herausgabe des KFZ samt Schlüssel aus § 985 BGB.
III Anspruch des C gegen A auf Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung aus § 985 BGB
C könnte Eigentümer der Zulassungsbescheinigung sein. Ursprünglich war A Eigentümer.
Rechtsgeschäftlich hat C kein Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II erlangt. Schon die dingliche Einigung bezog sich nur auf das gefälschte Dokument, auch fand keine Übergabe statt.
Das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II ist jedoch mit dem Eigentumserwerb an dem KFZ nach § 952 BGB analog auf den C übergegangen. Nach Rspr. und HM. ist diese nach dem Wortlaut nur auf Schuldurkunden anwendbare Vorschrift analog auf die Zulassungsbescheinigung Teil II anzuwenden. Es besteht eine planwidrige Regelungslücke und zudem auch eine vergleichbare Interessenlage. Diese ergibt sich aus dem auch bei KFZ bestehenden engen Zusammenhang zwischen dem KFZ als solchem und der Zulassungsbescheinigung Teil II. Diese gilt nach § 12 Abs. 6 FZV gegenüber der Zulassungsbehörde als Legitimation. Es besteht daher das Bedürfnis, formelle und materielle Legitimation in Einklang zu bringen. Das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil 2 folgt daher in analoger Anwendung des § 952 BGB stets dem Eigentum am KFZ.
Da A im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil 2 ist, jedoch nicht zum Besitz berechtigt ist, § 986 BGB, hat C einen Anspruch gegen A aus § 985 BGB auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil 2.
IV. Fazit
– Gutgläubigkeit bei einem Gebrauchtwagenkauf von einem Privaten setzt grds. voraus, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt und anhand der dortigen Eintragungen prüft, ob der Veräußerer berechtigt ist
– Wird dem Erwerber eine professionelle und als solche nicht auf Anhieb erkennbare Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt, so begründet das Nichterkennen der Fälschung keine Bösgläubigkeit.
– Während einer nicht durch einen mitfahrenden Angestellten oder etwa durch eine GPS-Ortung überwachten Probefahrt, verliert der Autohändler seinen unmittelbaren Besitz an den vermeintlichen Kaufinteressenten; dieser ist auch kein Besitzdiener.
– Da auch bei Täuschung über die wahren Absichten die Besitzüberlassung zur Probefahrt freiwillig erfolgt, kann ein Dritter mangels abhandenkommen Im Sinne des § 935 BGB gutgläubig das Eigentum am KFZ erwerben.
– Mit dem Eigentum am KFZ geht auch das Eigentum an der Original-Zulassungsbescheinigung Teil 2 gemäß § 952 BGB analog auf den gutgläubigen Erwerber über.

24.09.2020/5 Kommentare/von Tobias Vogt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tobias Vogt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tobias Vogt2020-09-24 09:00:472020-09-24 09:00:47BGH zum gutgläubigen Erwerb eines vom Veräußerer durch eine Probefahrt erlangten KFZ
Dr. Yannik Beden, M.A.

Der gutgläubige Eigentumserwerb im Mobiliarsachenrecht

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Die Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB sind oftmals Gegenstand von universitären Prüfungen sowie Examensklausuren. Die Vorschriften über den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten bezwecken im Kern eine interessengerechte Verteilung des Erwerbs- und Verlustrisikos des Eigentums. Sie tragen letztlich zur Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft insgesamt bei. Da das Erwerbsinteresse des Gutgläubigen grundsätzlich dem Interesse des Eigentümers am Erhalt seiner Rechtsposition vorgezogen wird, führen die Gutglaubensvorschriften zu einer erhöhten Umlauffähigkeit des Eigentums. Für Studium und Examen sollten die wesentlichen Grundzüge der §§ 932 – 936 BGB sowie einige Standardprobleme beherrscht werden. Der nachstehende Grundlagenbeitrag soll einen ersten Einblick in die Systematik des Problemfeldes geben:
I. Systematischer Ausgangspunkt der Gutglaubensvorschriften
Allen Erwerbstatbeständen der §§ 932 ff. BGB liegen drei Voraussetzungen zugrunde, die bei jedem gutgläubigen Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten gegeben sein müssen. Fehlen diese, ist der (vermeintliche) Erwerber nicht schutzwürdig. Im Einzelnen gilt für alle Gutglaubensvorschriften Folgendes:
1. Ausreichender Rechtsschein durch Besitz
Für jeden Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten muss dieser entweder unmittelbarer oder mittelbarer Besitzer der Sache sein. Hat der nichtberechtigte Veräußerer keinerlei Form von Besitz, besteht aus Sicht des Erwerbers kein ausreichender Rechtsschein dahingehend, dass der Veräußerer Eigentum an der zu übereignenden Sache hat. Mit anderen Worten: Die Vermutungsregeln aus § 1006 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BGB müssen für den Nichtberechtigten anwendbar sein. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich der Sonderfall des § 934 Alt. 2 BGB (hierzu sogleich). 
2. Vollständiger Verlust des Besitzes auf Veräußererseite
Ein gutgläubiger Erwerb des Eigentums setzt zwingend den vollständigen Besitzverlust auf der Seite des Nichtberechtigten voraus. Der Veräußerer darf keinen „Restbesitz“ mehr haben.
3. Allgemeine Erwerbsvoraussetzungen
Ebenso wie beim Erwerb vom Berechtigten bedarf es für einen gutgläubigen Eigentumserwerb immer einer (1) Einigung i.S.v. § 929 S. 1 BGB und (2) einer Übergabe der Sache bzw. eines Übergabesurrogats. Zusätzlich darf für einen gutgläubigen Erwerb (3) der Erwerber nicht bösgläubig gem. § 932 Abs. 2 BGB sein. Danach ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
II. Überblick zu den einzelnen Erwerbstatbeständen
Nachfolgend soll ein Blick auf die einzelnen Erwerbstatbestände bzw. die dazugehörigen Gutglaubensvorschriften geworfen werden. Dabei gilt für alle Normen gleichermaßen, dass der Erwerb an der fehlenden Eigentümerposition des Veräußernden scheitert.
1. Gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 932 BGB
Ausweislich des ersten Absatzes bezieht sich § 932 BGB auf den Erwerbstatbestand aus § 929 BGB. § 932 BGB findet demnach Anwendung, wenn im Rahmen einer Veräußerung nach § 929 S. 1 BGB eine wirksame dingliche Einigung und Übergabe der Sache erfolgt sind, die Eigentumsübertragung jedoch an der fehlenden Eigentümerstellung des Veräußernden scheitert. § 932 Abs. 1 S. 1 BGB sieht in diesem Fall vor, dass der Erwerber trotzdem wirksam Eigentum an der Sache erlangen kann, wenn er zum Zeitpunkt des (eigentlichen) Erwerbs nicht bösgläubig war. § 932 Abs. 2 BGB statuiert, dass der Erwerber nicht in gutem Glauben ist, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Unter grober Fahrlässigkeit versteht der BGH ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden ist und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen“ (BGH Urteil v. 9.2.2005 – VIII ZR 82/03, NJW 2005, 1365). Daraus folgt zunächst, dass es jeweils einer konkreten Betrachtung der Umstände des Einzelfalls und einer verkehrsgerechten Wertung dergleichen Bedarf.
Eine der bekanntesten Konstellationen betrifft den gutgläubigen Erwerb von gebrauchten Kfz: Hier verlangt die Rechtsprechung, dass der nichtberechtigte Veräußerer die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegt. Der Besitz des Kfz reicht für sich genommen nicht aus, um den für einen guten Glauben notwendigen Rechtsschein im Rahmen von § 932 BGB zu begründen. Nur dann, wenn der Erwerber die Bescheinigung vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers prüfen zu können, kommt ein gutgläubiger Erwerb in Betracht (zuletzt BGH Urteil v. 1.3.2013 – V ZR 92/12, NJW 2013, 1946). Maßgeblich für den guten Glauben des Erwerbers ist stets derjenige Moment, indem sowohl die dingliche Einigung, als auch die Übergabe stattgefunden haben. Fallen diese beiden Momente zeitlich auseinander, ist auf die jeweils zuletzt eingetretene Erwerbsvoraussetzung abzustellen.
2. Gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 2, 932 BGB
Erfolgt der Eigentumserwerb „kurzer Hand“ nach § 929 S. 2 BGB, bedarf es gem. § 932 Abs. 1 S. 2 BGB einer weiteren Voraussetzungen für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums. Neben dem guten Glauben des Erwerbs muss dieser den Besitz der Sache vom Veräußerer erlangt haben. Diese zusätzliche Voraussetzung resultiert aus den dem begrenzten Rechtsschein des Besitzes: Dieser spricht nur dann für das vermeintliche Eigentumsrecht des Veräußerers, wenn der Erwerber den Besitz unmittelbar vom Veräußerer erworben hat. Der Erwerber ist deshalb nicht schutzwürdig, wenn er den Besitz von einem Dritten erlangt hat.
3. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB
933 BGB regelt den gutgläubigen Erwerb in der Konstellation, dass zwischen Veräußerer und Erwerb ein Besitzkonstitut nach § 930 als Surrogat für die eigentlich erforderliche Übergabe vereinbart wird. Auch hier gilt zunächst, dass zwischen den Parteien eine wirksame dingliche Einigung geschlossen worden sein muss. Für den gutgläubigen Erwerb reicht es allerdings nicht aus, dass der Erwerber in gutem Glauben i.S.v. § 932 BGB ist. Vielmehr muss ihm zusätzlich die Sache vom Veräußerer übergeben worden sein. Das Gesetz verlangt die Übergabe vom Veräußerer, da die reine Änderung der inneren Willensrichtung des Veräußerers vom (vermeintlichen) Eigen- zum Fremdbesitz nicht genügt, um auf der Seite des Erwerbers ausreichenden Rechtsschein zu produzieren. Erst wenn der Veräußerer seine Besitzposition durch die Übergabe der Sache vollständig aufgibt macht er deutlich, dass er den Übergang des Eigentums auch wirklich beabsichtigt.
4. Gutgläubiger Erwerb nach §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB
Die Gutglaubensvorschriften des § 934 BGB betreffen die wohl komplexesten Lebenssachverhalte. Die Norm regelt die Voraussetzungen des gutgläubigen Eigentumserwerbs für die Fälle, in denen die Übergabe gem. § 931 BGB durch eine Abtretung des gegen den Dritten bestehenden Herausgabeanspruchs ersetzt wird. Zu unterscheiden ist dabei die erste und zweite Alternative des § 934 BGB: Ist der Veräußerer zwar Nichtberechtigter, jedoch tatsächlich mittelbarer Besitzer der Sache, genügt es für einen gutgläubigen Eigentumserwerb, dass der Erwerber im Zeitpunkt der Abtretung des Herausgabeanspruchs in gutem Glauben ist. Anders als § 933 BGB bedarf es – jedenfalls dem Wortlaut der Norm zufolge – keiner Übergabe der Sache durch den Veräußerer. Genau hierin wird von Teilen der Literatur ein Wertungswiderspruch gesehen, da der Veräußerer bei einem Besitzkonstitut unmittelbarer Besitzer und dementsprechend „näher“ an der Sache ist als derjenige, dem lediglich ein mittelbarer Besitz zukommt. Ob eine teleologische Korrektur des § 934 Alt. 1 BGB notwendig ist, ist umstritten – BGH und die herrschende Lehrer verneinen eine solche (zum Streitstand allgemein BeckOK/Kindl, BGB, 46. Ed Stand 1.5.2018, § 934 Rn. 2 m.w.N.). Letztlich rechtfertigt sich die Konzeption des § 934 Alt. 1 BGB dadurch, dass der Veräußerer bei § 931 BGB durch die Abtretung des Herausgabeanspruchs sämtlichen Besitz vollständig verliert, während er bei § 930 BGB eine Besitzposition beibehält. Der mit der Abtretung einhergehende finale und vollständige Besitzverlust führt also dazu, dass der Erwerber von einer Berechtigung des Veräußerers ausgehen darf.
934 Alt. 2 BGB ermöglicht einen gutgläubigen Eigentumserwerb sogar dann, wenn der Nichtberechtigte nicht einmal einen wirksamen Herausgabeanspruch, den er abtreten könnte, hat. Hier fehlt es also neben der Berechtigung auch an einem wirksamen Besitzmittlungsverhältnis. Tatbestandlich bedarf es deshalb nicht nur eines guten Glaubens des Erwerbers, sondern darüber hinaus auch einer Übergabe der Sache an den Erwerber von dem Dritten, also dem vermeintlichen Besitzmittler. Dieser Zeitpunkt ist in der Folge auch maßgeblich für die Gutgläubigkeit des Erwerbers. Der Rechtsscheinträger ist bei § 934 Alt. 2 BGB nicht der unmittelbare oder mittelbare Besitz des Nichtberechtigten, sondern dessen (vermeintliche) Besitzverschaffungsmacht.
III. Gutgläubiger lastenfreier Erwerb nach § 936 BGB   
936 BGB erstreckt den Anwendungsbereich des gutgläubigen Erwerbs auf beschränkte dingliche Rechte. Die Norm ist sowohl beim Erwerb vom Berechtigten, als auch Nichtberechtigten anwendbar. Grundsätzlich gilt nach § 936 Abs. 1 S. 1 BGB, dass das beschränkte dingliche Recht eines Dritten mit dem Eigentumserwerb erlischt. Für den Eigentumserwerb nach § 929 S. 1 BGB bzw. §§ 929 S. 1 i.V.m. § 932 BGB ergeben sich insofern keine Besonderheiten. Weitere Voraussetzungen stellt das Gesetz jedoch an die anderen Erwerbstatbestände. Erfolgt die Übereignung „kurzer Hand“ nach § 929 S. 2 BGB, bedarf es auch mit Blick auf das beschränkte dingliche Recht des Dritten einer Besitzerwerbs vom Veräußerer, § 936 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Anforderungen an den Rechtsschein entsprechen hier also denjenigen aus § 932 Abs. 1 S. 2 BGB. Im Gleichklang zu den Bestimmungen der §§ 933, 934 Alt. 2 BGB bedarf es bei einem Besitzmittlungsverhältnis bzw. einer Abtretung eines nur vermeintlich existierenden Herausgabeanspruchs einer Besitzerlangung „auf Grund der Veräußerung“. Für die Fälle des Besitzmittlungsverhältnisses muss deshalb – in Anlehnung an § 933 BGB – eine tatsächliche Übergabe entsprechend den Vorgaben aus § 936 Abs. 1 S. 1 BGB stattfinden (MüKo/Oechsler, BGB, 7. Auflage 2017, § 936 Rn. 8). Handelt es sich um eine Abtretung eines vermeintlichen Herausgabeanspruchs, bedarf es für einen lastenfreien Erwerb nicht nur der Besitzerlangung durch den Dritten – diese muss vielmehr auch der Verfügung des Veräußerers zugeordnet werden können (vgl. MüKo/Oechsler, BGB, 7. Auflage 2017, § 936 Rn. 9). Eine letzte Besonderheit findet sich in § 936 Abs. 3 BGB, wonach der gutgläubige lastenfreie Erwerb ausscheidet, wenn das beschränkte dingliche Recht dem dritten (unmittelbaren) Besitzer zusteht. Da dieser eine besondere Nähe zu der Sache aufweist, wird das Interesse an der Aufrechterhaltung seiner Rechtsposition dem Verkehrsschutz vorgezogen. Zuletzt: § 935 BGB gilt (unmittelbar oder entsprechend) auch für den lastenfreien Erwerb nach § 936 BGB!
IV. Abhandenkommen der Sache nach § 935 BGB
Die Gutglaubensvorschriften der §§ 932 ff. BGB finden keine Anwendung, wenn die Sache dem Eigentümer gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen war. Dieser Schutz erstreckt sich nach § 935 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf den Eigentümer, der mittelbarer Besitzer ist, wenn die Sache dem unmittelbaren Besitzer abhandenkommt. § 935 BGB begrenzt die Reichweite des Verkehrsschutzes dort, wo der Eigentümer die Sache nicht mehr freiwillig in Umlauf bringt, den Besitz also nie aus eigenem Entschluss aufgegeben hat. Der Eigentumsschutz erstreckt dabei über den (vermeintlichen) Ersterwerb auch auf sämtliche weitere Verfügungen, die der ersten folgen. Mit anderen Worten: Eine einmal abhandengekommene Sache kann von niemandem gutgläubig erworben werden. Der Oberbegriff des Abhandenkommens wird dabei definiert als unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren Besitzes (BeckOK/Kindl, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 935 Vorbem.). Eine Ausnahme für diese Grundsätze statuiert § 935 Abs. 2 BGB, wonach ein gutgläubiger Erwerb trotz Abhandenkommen bei Geld, Inhaberpapieren sowie Sachen, die in öffentlichen Versteigerungen oder solchen nach § 979 Abs. 1a BGB veräußert werden, möglich ist.
V. Zusammenfassung
Die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb beweglicher Sachen nach den §§ 932 ff. BGB gehören zum Standardrepertoire eines jeden Examenskandidaten. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Regelungskomplex und der dahinterstehenden Systematik ist für Studium und Staatsexamen absolut notwendig. Empfehlenswert ist, sich in einem ersten Schritt mit den grundsätzlichen Zusammenhängen der Bestimmungen zu beschäftigen und zu verstehen, welche Gutglaubenstatbestände an welchen Erwerbsvorgang anknüpfen. In einem zweiten Schritt sollten dann die geläufigen Problemstellungen (gleichstufiger mittelbarer Nebenbesitz, Scheingeheiß, Rückerwerb vom Nichtberechtigten etc.) erlernt werden.

15.08.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-08-15 10:00:212018-08-15 10:00:21Der gutgläubige Eigentumserwerb im Mobiliarsachenrecht
Redaktion

Schema: Erwerb der Vormerkung

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Ersterwerb der Vormerkung, §§ 883, 885 BGB

I. Bestehen eines wirksamen schuldrechtlichen sicherungsfähigen Anspruchs, § 883 I BGB
– Gem. § 883 I 1 BGB kann eine Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf eine dingliche Rechtsänderung eingetragen werden.
– Gem. § 883 I 2 BGB kann die Vormerkung auch zur Sicherung künftiger oder bedingter Ansprüche eingetragen werden.
II. Bewilligung der Vormerkung

1. Einseitige Bewilligung, § 885 I BGB, § 29 GBO oder

2. Einstweilige Verfügung, § 885 I BGB, §§ 935 ff. ZPO oder

3. Urteil gem. § 895 ZPO

III. Berechtigung des Bewilligenden
IV. Eintragung in das Grundbuch, § 883 I BGB
V. Einigsein zur Zeit der Eintragung
 

Gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung, §§ 892, 893 Fall 2 BGB

I. Bestehen eines sicherungsfähigen Anspruchs

II. Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes

III. Gutgläubigkeit des Erwerbers
Gutgläubigkeit muss sich auf die Berechtigung des Bewilligenden im Zeitpunkt des Eintragungsantrags beziehen (hM).

IV. Rechtsscheintatbestand
Unrichtigkeit des Grundbuchs und Legitimation des Verfügenden in Bezug auf die Berechtigung zur Bewilligung der Vormerkung

V. Keine Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch, § 899 BGB

 

Gutgläubiger Zweiterwerb der Vormerkung

I. Abtretungsvertrag
Zedent und Zessionar müssen sich über die Abtretung der durch die Vormerkung gesicherten Forderung geeinigt haben.

II. Kein Abtretungsausschluss
Insbesondere §§ 399, 400 BGB

III. Berechtigung des Zedenten

1. In Bezug auf die Forderung
Wenn der Zedent schon in Bezug auf die Forderung nicht berechtigt ist, dann scheidet ein gutgläubiger Zweiterwerb grundsätzlich aus, sofern nicht ausnahmsweise ein Fall von § 405 BGB vorliegt.

2. In Bezug auf die Vormerkung

In Bezug auf die Vormerkung kann die fehlende Berechtigung des Zedenten gem. § 892 BGB analog überwunden werden (hM).

a) Rechtsgeschäft im Seine eines Verkehrsgeschäftes
(P) Die Vormerkung selbst wird nicht durch Rechtsgeschäft erworben, sondern geht gem. § 401 BGB als akzessorische Sicherheit mit der Übertragung der Forderung über. Nach hM genügt jedoch, dass der Erwerb der Vormerkung jedenfalls mittelbar auf einem Rechtsgeschäft (der Abtretung der Forderung) basiert.

b) Rechtsscheintatbestand

c) Gutgläubigkeit des Erwerbers

d) Kein Widerspruch im Grundbuch eingetragen, § 899 BGB

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

03.08.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-08-03 10:00:562017-08-03 10:00:56Schema: Erwerb der Vormerkung
Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Nachforschungspflicht des Käufers beim Autokauf im Internet

BGH-Klassiker, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsprechung, Sachenrecht, Schuldrecht, Zivilrecht

Verschiedene Probleme rund um den Autokauf – insbesondere Gebrauchtwagenkauf – sind absolute Klassiker, die immer wieder Einzug in Examensklausuren finden. Konstellationen wie in zwei kürzlich entschiedenen, sehr ähnlich gelagerten Fällen des OLG Hamm, in denen sich das Gericht unter anderem mit Nachforschungspflichten des Käufers beim Autokauf beschäftigte, eignen sich hervorragend, um sachenrechtliches Standardwissen abzuprüfen. Dass die Kaufverträge über das Internet geschlossen wurden, könnte die Sachverhaltsersteller inspirieren, auch schuldrechtliche Probleme (Stichwort: Vertragsschluss über eBay, s. auch hierzu unsere Rechtsprechungsübersicht) zu integrieren.
Die vereinfacht dargestellten Fälle sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, insbesondere die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – angewandt auf die konkreten Fälle – darzustellen.
 
I. Sachverhalte
 
1. Rechtsstreit 5 U 110/15
Der Kläger, ein privater Verkäufer, bot seinen PKW im Internet zum Verkauf an. Er einigte sich mit einem Kaufinteressenten, der jedoch – wie sich später herausstellte – einen falschen Namen benutzte. Zur Abholung des Wagens erschien eine Person, die sich als Beauftragter des Namensträgers auswies, und dem Kläger zudem eine gefälschte Quittung eines Bankinstituts über die angeblich getätigte Überweisung des Kaufpreises aushändigte. Der Kläger übergab daraufhin Pkw nebst Schlüsseln und Papieren, erhielt jedoch den Kaufpreis nicht.
Der Beklagte kaufte das Fahrzeug in der Folgezeit über ein Internetportal, wobei sich der Verkäufer, ein nach eigener Angabe gewerblicher Zwischenhändler, mit einem ausländischen Personalausweis auswies. Nach einer Besichtigung und Probefahrt des Fahrzeugs erfolgte die Bezahlung in bar, woraufhin der Beklagte das Auto sowie Schlüssel und Fahrzeugpapiere erhielt.
 
2. Rechtsstreit 5 U 69/16
Der Kläger verkaufte im Internet seinen Pkw. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin genannt. Bei dem Kaufinteressenten handelte es sich jedoch ebenfalls um einen Dritten, der sich unter falschem Namen gemeldet hatte. 
Am Tag des Vertragsschlusses erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der Namensträger den Kaufpreis überwiesen hatte. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger den Pkw, die Schlüssel sowie die Fahrzeugpapiere wie vereinbart an ein Transportunternehmen aus, welches das Fahrzeug bei dem Dritten ablieferte. Den Kaufpreis erhielt er nicht. Der Dritte verkaufte den Wagen auf einem Gebrauchtwagenmarkt gegen Barzahlung an den Beklagten, wobei er sich mit einem ausländischen Reisepass auswies. Mit dem Pkw übergab er dem Beklagten auch Schlüssel und Fahrzeugpapiere.
 
II. Lösung
Fraglich ist in beiden Konstellationen, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist bzw. ob der Kläger gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat.
 
1. Ursprünglich Eigentum des Klägers
Zunächst war in beiden Fällen der Kläger Eigentümer.
 
2. Übereignung Kläger an Dritten
Das Eigentum könnte der Kläger jedoch durch die Veräußerung des Wagens an den Dritten gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben, was zunächst eine dingliche Einigung zwischen den Parteien erfordert. Fraglich ist hierbei aber, ob der Kläger das Eigentum an dem Wagen an den Handelnden oder an den im Kaufvertrag genannten Unbeteiligten übertragen wollte. Es ist folglich das Handeln unter falscher Namensangabe (Namenstäuschung) vom Handeln unter fremden Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. Maßgeblich ist hierbei, ob sich „das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird. Ein Eigengeschäft unter falscher Namensangabe – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden abschließen will. Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall sind die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.“ (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f.; s. auch v. 18.1.1988 – II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; v. 8.12.2005 – III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)
Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm in beiden Fällen angenommen, dass der Kläger sich mit dem Namensträger dinglich einigen wollte, also ein Handeln unter fremdem Namen vorliegt, was wie folgt begründet wird:

„[Der Kläger] hat […] Wert auf die Identität [seines Geschäftspartners] gelegt, wie sein gesamtes Verhalten bei der Geschäftsabwicklung deutlich macht. […] Angesichts dieser Zahlungsmodalitäten handelte es sich nicht um einen typischen Gebrauchtwagenkauf mit einem sofortigen und vollständigen Austausch der beiderseitigen Leistungen. Anders als in den Fällen, in denen das Eigeninteresse des Verkäufers in der Regel durch den sofortigen Erhalt des Kaufpreises in bar abgedeckt ist, bestand vorliegend die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die angebliche Überweisung seinem Konto nicht gutgeschrieben werde“ (s. Urteil v. 22.2.2016 – 5 U 110/15, Rn. 51, 42).

Da der Namensträger den Handelnden zu dem Erwerbsgeschäft aber weder bevollmächtigt noch dieses nachträglich genehmigt hat, fehlt es vorliegend an der dinglichen Einigung. Der Kläger hat sein Eigentum nicht durch die Veräußerung an den Dritten verloren.
 
Anmerkung: Hierbei sei darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung, ob ein Handeln unter falscher Namensangabe oder unter fremdem Namen vorliegt, stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen muss. Insbesondere ist auf das Urteil des BGH v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 zu verweisen, in dem der BGH bei einem sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen ein Handeln unter falscher Namensangabe angenommen hat.
 
3. Übereignung an den Beklagten
Durch die darauffolgende Übereignung an den Beklagten könnte dieser aber das Eigentum an dem Pkw erworben haben. Mangels Verfügungsberechtigung des Veräußerers kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 932 ff. BGB in Betracht. Bei einer wie in den vorliegenden Fällen erfolgten Übereignung im Wege des § 929 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 I 1 BGB. Da keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis bestehen, könnte dem Beklagten allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Hierunter fällt ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.)“.
Maßgeblich sind auch hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich bestehen keine Nachforschungspflichten. Für den Gebrauchtwagenkauf entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen muss, sowie überprüfen, ob der dort genannte Halter mit dem Veräußerer übereinstimmt. „Beim Kauf von Gebrauchtwagen sind bei fehlender Identität zwischen dem Veräußerer eines gebrauchten Pkw und dem letzten in dem Kraftfahrzeugbrief bzw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II verzeichneten Halter in aller Regel Verdachtsmomente vorhanden, die die Annahme einer Nachforschungspflicht rechtfertigen“ (vgl. BGH v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, Rn. 17, juris; v. 02.03.1989 – 5 U 202/88, juris; OLG Köln v. 28.4.2014 – 11 U 14/14, Rn. 4, juris).
Vor diesem Hintergrund führte das OLG Hamm in seinem Urteil aus, es gehöre

„zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO a.F.) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. BGH v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, juris, Rn. 12; BGH v. 13.5.1996 – II ZR 222/95, Rn. 7, juris; BGH v. 01.3.2013 – V ZR 92/12, Rn. 14, juris). Aber auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Über ihm bekannte oder offen liegende Verdachtsgründe darf sich der Erwerber nicht hinwegsetzen (vgl. BGH v. 1.3.2013 – V ZR 92/12 , Rn. 13, juris, m.w.N.).“

Im Rechtsstreit 5 U 110/15 hatte der Veräußerer dem Beklagten lediglich seinen ausländischen Ausweis vorgelegt, war aber nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt. Insoweit bestand folglich eine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass er dieser nicht nachgekommen ist, begründet grobe Fahrlässigkeit.
 
Auch in der Pressemitteilung zum Rechtsstreit 5 U 69/16, bei dem die Ehefrau des Klägers als Halterin eingetragen war, werden diese Grundsätze bestätigt:

„Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.“ (s. hier)

Das OLG ging also in beiden Fällen von grober Fahrlässigkeit aus, sodass ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheiterte.
 
4. Ergebnis
Der Kläger hat in beiden Fällen sein Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Da der Beklagte Besitzer ist und ihm kein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB zusteht, hat der Kläger gegen ihn einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB.
 
III. Fazit
Die Examensrelevanz derartiger Konstellationen kann nicht oft genug betont werden. Besonders sei noch einmal darauf hinzuweisen, dass, gerade weil vielen Studenten das Urteil des BGH zur Abgrenzung des Handelns unter fremdem Namen vom Handeln unter falscher Namensangabe beim Gebrauchtwagenkauf geläufig ist, genau auf die Umstände des konkreten Sachverhaltes einzugehen ist. Hinsichtlich etwaiger Nachforschungspflichten ist festzuhalten, dass solche für den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Veräußerer nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter genannt wird.
 
 
 

13.03.2017/8 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2017-03-13 11:00:102017-03-13 11:00:10OLG Hamm: Nachforschungspflicht des Käufers beim Autokauf im Internet

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