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Schlagwortarchiv für: Gewährleistung

Charlotte Schippers

Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?

Mietrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Etwas älter ist das nachfolgend besprochene Urteil des AG Bonn vom 25. März 2010 (Az.: 6 C 598/08). Nichtsdestoweniger ist der Sachverhalt unterhaltsam und sorgte für mediales Aufsehen. Mit dem Fall können einerseits das Basiswissen der Prüflinge im Mietrecht, einem beliebten Examensthema, und andererseits ihre Fähigkeit zur Argumentation mit den Sachverhaltsangaben abgefragt werden. Mithin ist das vorliegende Urteil auch für den Klausursteller im Examen attraktiv und sollte deshalb jedem Examenskandidaten geläufig sein.
Das AG Bonn hatte sich also nun damit zu beschäftigen, ob das Schnarchen eines Mieters für die Mieter der Nachbarwohnung einen Sachmangel an der Mietwohnung darstellt. Wie es dazu kam, ist schnell erzählt:
 
Sachverhalt (leicht abgewandelt und gekürzt)
Geklagt hatten die Mieter (M und N) gegen ihre Vermieterin (V). Die betreffende Altbauwohnung wurde unter anderem als „renoviert“, „modernisiert“ sowie „in ruhiger Lage“ befindlich inseriert. Auch beim dem Telefonat mit der Maklerin wurde auf Nachfrage darauf hingewiesen, dass es sich um eine ruhige Wohnung handle, über der Wohnung sei schließlich nur noch der Speicher. Allerdings war die Wohnung tatsächlich hellhörig. Insbesondere störend für M und N war, dass das Schnarchen des Mieters der unter ihrer Wohnung liegenden Wohnung so laut war, dass sie in ihrem eigenen Schlafzimmer nicht schlafen konnten, was auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führte. Ein Hinweis auf fehlende Schallisolierung sowie das Schnarchen erfolgte durch die Maklerin nicht.
V machte geltend, dass sich bisher noch kein Mieter über die schlechte Isolierung beklagt habe. Auch würden Mieter der unter dem schnarchenden Mieter liegenden Wohnung sich nicht darüber beschweren. Außerdem handelt es sich bei dem Haus um eines aus der Gründerzeit: Maßgeblich seien technischen Gegebenheiten zur Zeit der Errichtung des Gebäudes – der Schallschutz sei jedenfalls nicht schlechter als der, der bei Altbauten üblich ist.
M und N rügten eine fehlerhafte Schallisolierung der Wohnung und machten eine Minderung der Miete geltend.
War die Minderung gerechtfertigt?
 
Lösung
Infrage kommt eine Minderung der Miete nach § 536 BGB. Gem. § 536 Abs. 1 BGB ist der Mieter bei Vorliegen eines Mangels, der die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufhebt oder mindert, von der Pflicht zur Zahlung der Miete entweder vollständig oder in angemessener Höhe befreit.
Nach Feststellung, dass ein wirksamer Mietvertrag vorliegt, ist entscheidend, ob der Wohnung ein Mangel anhaftet. Ein Mangel ist jede negative Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit.
 
I. Zunächst ist die Frage nach einem Mangel mit Blick auf die möglicherweise nicht hinreichende Schallisolierung zu begutachten:
Hierfür ist der Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblich, vgl. BGH, Urt. v. 26.7.2004 – VIII ZR 281/03. So kann der Mieter von einem Altbau ohne besondere Absprachen mit dem Vermieter nicht mehr als einen Mindeststandard, der heutigen Maßstäben gerecht wird, erwarten. Das Gleiche gilt auch für ein modernisiertes Mietobjekt: Dass ein neuzeitlicher Standard bzgl. Schalldämmung etc. eingehalten wurde, kann nicht zugrunde gelegt werden; insbesondere wegen der für Altbauten typischen Deckenkonstruktionen. Da der Schallschutz aber, wie auch gutachterlich festgestellt wurde, nicht schlechter war als der, der bei Altbauten üblich ist, kann hierin also kein Mangel begründet werden.
 
II. Auch in den Schnarchgeräuschen des Nachbarn liegt kein Mangel:

„Zum einen kann bei der Anmietung einer Altbauwohnung, die regelmäßig über die für Altbauwohnungen charakteristischen Holzbalkendecken – (und damit nach Feststellungen des Sachverständigen einhergehend auch über geringeren Schallschutz) – verfügt, vom Mieter nicht vorausgesetzt werden, dass keinerlei Wohngeräusche der Nachbarn in die Wohnung dringen. […] Darüber hinaus haben die Parteien auch keine weitergehende Vereinbarung über den Schallschutz der Mietsache getroffen, wonach das aus der Nachbarwohnung durchdringende Geräusch eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit und damit einen Mietmangel darstellte.“

Der Mangel kann nach Auffassung des AG Bonn hierüber nur dann begründet werden,

„wenn die Parteien über den allgemein von einen (sic!) Altbau zu fordernden Schallschutz hinaus eine Vereinbarung dahingehend getroffen hätten, dass jedwede Wohngeräusche, auch solche mit einer tiefen Frequenz nicht aus der Nachbarwohnung zu vernehmen seien“.

Es untersuchte demnach noch, ob nicht eine Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der nachbarlichen Wohngeräusche getroffen wurde.
 
1. Eine solche könnte sich durch die Werbung für die Wohnung als „in ruhiger Lage“ begründen lassen. Allerdings sind nach der Verkehrsauffassung hiermit Lage und Außenverhältnisse gemeint, nicht aber die Geräuschquellen im Haus, sodass dies ausscheidet.
 
2. Die Vereinbarung, es handle sich um eine „ruhige Wohnung“ mit Bezug auf den darüber gelegenen Speicher spricht ebenfalls gegen eine Vereinbarung darüber, dass sonstige Wohngeräusche nicht zu vernehmen wären:

„Die Vereinbarung einer „ruhigen Wohnung” bezieht sich nach der Verkehrsanschauung in erster Linie auf das Wohnverhalten der Mitmieter und den damit einhergehenden Wohngeräuschen, insbesondere im Hausflur, Balkonen und Kellerräumen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass zur Begründung des Merkmals „ruhige Wohnung” nach dem Vortrag der Kl. auf den über der Wohnung liegenden Speicher Bezug genommen worden ist. Dass es sich vorliegend um ein „unruhiges Haus” handele, wonach durch entsprechendes Wohnverhalten der Mitmieter mannigfaltige Wohngeräusche in die Wohnung der Kl. dringen, wurde von den Kl. schon nicht vorgetragen.

 
3. Eine weitere Auslegung dahingehend, dass eine Zusicherung getroffen werden sollte, dass über den normalen Schallschutz hinaus das Durchdringen sämtlicher Wohngeräusche, auch solcher wie Schnarchen des Nachbarn, ausgeschlossen sei, kann demnach nicht stattfinden. Dies bedürfe einer detaillierteren Vereinbarung, die dies ausdrücklich aufgreift.
Folglich liegt kein Mangel vor.
 
III. Damit waren M und N, da kein Mangel vorliegt, nicht zur Minderung der Miete gem. § 536 BGB berechtigt.
 
Fazit
Es zeigt sich, dass es in Fällen wie diesen auf die Kenntnis mietrechtlicher Gewährleistung ankommt. Infrage kommt beispielsweise auch die Überlegung, wie sie im Originalfall zugrunde lag, ob ein Kündigungsfolgeschaden geltend gemacht werden kann: Dabei käme es auf ein Kündigungsrecht von M und N an, also wiederum auf das Vorliegen eines Mangels. Maßgeblich geht es darum, die relevanten Punkte strukturiert in der Prüfung unterzubringen.

12.12.2019/3 Kommentare/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2019-12-12 09:12:032019-12-12 09:12:03Wohnraummiete: Schnarchen des Nachbarn als Mangel im Altbau?
Dr. Maximilian Schmidt

OLG Oldenburg: „Gekauft wie gesehen“ kein umfassender Gewährleistungsausschluss!

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

„Gekauft wie gesehen“ – eine Formulierung, die sich im Alltag bei Kaufverträgen verschiedenster Gegenstände etabliert hat. Im Fokus eines für Examensklausuren besonders „heißen“ Beschlusses des OLG Oldenburg steht aber mal wieder der Gebrauchtwagenkauf (v. 28.8.2017 – 9 U 29/17). Der Fall zeigt, dass die in der Praxis oft gewählte Formulierung für Verkäufer sehr gefährlich werden kann.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)

Eine Frau aus dem Emsland hatte von einem Mann aus Wiesmoor einen gebrauchten Peugeot für gut 5.000 Euro gekauft. Nach einiger Zeit wollte sie das Fahrzeug zurückgeben und ihren Kaufpreis zurückerhalten. Sie behauptete, das Fahrzeug habe einen erheblichen Vorschaden, von dem sie beim Kauf nichts gewusst habe. Der Verkäufer bestritt einen Vorschaden und berief sich außerdem darauf, dass man mit der benutzen Formulierung „gekauft wie gesehen“ Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen habe.

II. Rechtliche Würdigung
Die Klägerin könnte einen Anspruch aus §§ 346 Abs. 1 S.1, 437 Nr. 2, 434, 433, 323 BGB auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro gegen den Verkäufer haben.
Ein Kaufvertrag sowie die Lieferung einer mangelhaften Sache liegen vor. Durch den erheblichen Vorschaden weicht die Kaufsache jedenfalls nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB von der Beschaffenheit ab, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann: Der Pkw hat nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen einen erheblichen, nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden. Eine Fristsetzung war wegen der Unmöglichkeit der Nacherfüllung nicht erforderlich, § 326 Abs. 5 BGB.
Der Verkäufer könnte jedoch nach § 444 BGB die Gewährleistungsrechte der Käuferin ausgeschlossen haben. Dies könnte hier in Form der verwendeten Formulierung „Gekauft wie gesehen“ der Fall sein. Notwendig ist insoweit eine Auslegung der von den Vertragsparteien gewählten Vertragsformulierung „Gekauft wie gesehen“. Auslegungsmaßstab ist der objektive Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB. Ein objektiver Dritter versteht die Formulierung nach Auffassung des OLG Oldenburg als bloß beschränkten Gewährleistungsausschluss. Dieser umfasst demnach nur solche Mängel, die ein Laie ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen bei einer Besichtigung erkennen könne. Mängel, die dem verständigen Käufer bei bloßer Ansicht des Kaufgegenstandes verborgen bleiben, sind demnach nicht von der Gewährleistung ausgeschlossen. Vorliegend handelt es sich um einen sog. versteckten Mangel, der für einen Laien bei bloßer Außenansicht nicht erkennbar war. Insoweit greift der Gewährleistungsausschluss daher nicht.

Eine nachvollziehbare Entscheidung: Die Gewährleistung wird nur soweit ausgeschlossen, wie die Vertragsparteien von ihr durch Augenschein Kenntnis nehmen konnten. Ein weitergehender Ausschluss bedarf der konkreten Vereinbarung, da der Käufer im Zweifel nicht auf Rechte verzichtet, deren Umfang er überhaupt nicht abschätzen kann. Den Vertragsparteien bleibt es aber selbstverständlich möglich, einen umfassenden Ausschluss zu vereinbaren – dieser muss dann aber eben ausdrücklich erfolgen. Etwa: „Unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“.

Gepunktet werden kann an dieser Stelle noch mit gutem Systemverständnis der gleichsam zweistufigen Prüfung des § 444 BGB: Zunächst ist festzustellen, ob überhaupt ein den streitgegenständlichen Mangel umfassender Gewährleistungsauschluss vorliegt – was vorliegend bereits zu verneinen war. Erst in einem weiteren Schritt ist – bei Annahme des Ausschlusses der Gewährleistung – zu prüfen, ob der Verkäufer diesen arglistig verschwiegen hat. Liegt aber bereits kein Gewährleistungsausschluss vor, kommt es nach der Konzeption des Gewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB nicht auf die Kenntnis oder Arglist des Verkäufers an. Dieses ist insoweit, also hinsichtlich des Rücktritts als Lösungsrecht vom Vertrag, gerade verschuldensunabhängig ausgestaltet. Anders hingegen bei aus dem Mangel folgenden Schadensersatzansprüchen, die grundsätzlich verschuldensabhängig ausgestaltet sind (§ 280 Abs. 1 BGB).
Im Examen ist eine sorgsame Auslegung des Inhalts des Gewährleistungsausschlusses zu prüfen und sodann zu subsumieren. Letzteres dürfte leicht fallen, wenn der Mangel erst durch einen Sachverständigen aufgeklärt werden konnte und ansonsten für Laien nicht erkennbar war. Wieder einmal ein examensträchtiger Fall rund um Gebrauchtwagen – als gäbe es nicht bereits genug!

10.10.2017/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2017-10-10 10:00:452017-10-10 10:00:45OLG Oldenburg: „Gekauft wie gesehen“ kein umfassender Gewährleistungsausschluss!
Florian Wieg

Keine Mietminderung wegen Diebstahls einer im Keller der Mietwohnung eingelagerten Einbauküche des Vermieters

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hat am 13. April 2016 – VIII ZR 198/15 einen examensrelevanten Fall zur Mietminderung entschieden. Der Sachverhalt ist wie geschaffen für Prüfungsvortrag und -gespräch, lässt sich aber auch sehr gut in eine Klausur einbinden.
 
 I. Sachverhalt 
M und V schließen am 26. März 2004 einen Mietvertrag über eine Berliner Wohnung. Sie vereinbaren einen Mietzins/Monat i.H.v. 573 Euro, wovon – wie sich aus einer wirksamen Nebenvereinbarung zum Mietvertrag ergibt – ein Teilbetrag i.H.v. 17 Euro auf die bauseits vorhandene Einbauküche entfällt. Im Jahr 2010 erklärt M gegenüber V, die fragliche Einbauküche durch eine eigene Kücheneinrichtung ersetzen zu wollen. V macht seine Zustimmung vom Versprechen der M abhängig, die bisherige Einbauküche sachgerecht zu lagern und bei Beendigung des Mietverhältnisses auf Verlangen den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Nachdem M die eigene Kücheneinrichtung eingebaut hat, zahlt sie den Mietzins in voller Höhe unverändert fort. Am 9.2.2014 wird die – absprachegetreu im Kellerraum gelagerte – Einbauküche gestohlen. Die Versicherung der M zahlt V daraufhin eine Entschädigungssumme i.H.v. 2790,- Euro. Ersatz für die gestohlene Einbauküche beschafft V nicht.
M meint, sie schulde künftig nur noch einen um 17 Euro geminderten Mietzins. V beharrt dagegen auf der monatlichen Zahlung von 573 Euro. Zu Recht?
 
II. Lösung
Nach § 535 Abs. 2 BGB kann V von M den vereinbarten Mietzins i.H.v. 573 Euro/Monat beanspruchen, es sei denn M ist gem. § 536 Abs. 1 BGB von der Entrichtung der Miete ganz oder teilweise befreit. Für eine solche Mietminderung müsste die Mietsache zunächst einen Mangel haben, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt (§ 536 Abs. 1 S. 1 BGB) oder nicht unerheblich mindert (§§ 536 Abs. 1 S. 2, 3 BGB). § 536 Abs. 1 BGB geht von einem subjektiven Fehlerbegriff aus: ob die Mietsache mangelhaft ist, bemisst sich in erster Linie danach, welchen Gebrauch die Vertragsparteien als vertragsgemäß verabredet haben, §§ 133, 157 BGB. Ergänzend kann die Verkehrssitte in Verbindung mit der Art und Lage der Mietsache herangezogen werden (zum Ganzen Staudinger/Emmerich, § 536 BGB Rn. 5).
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs bejahten die Richter der 63. Zivilkammer des Berliner Landgerichts am 4. August 2015 – 63 S 378/14, dass die von M gemietete Wohnung wegen der gestohlenen Einbauküche sachmangelbehaftet sei.

„Ein Sachmangel ist gegeben. Ein solcher liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht. Der vertragsgemäße Zustand besteht vorliegend durch die Zusatzvereinbarung in der Überlassung der Einbauküche durch die [V]. […] Der Ist-Zustand weicht von diesem Soll-Zustand ab. Die von der [V] gestellte Einbauküche ist nicht mehr vorhanden. […] Der Ist-Zustand ist nicht unter Berücksichtigung der derzeit in der Wohnung vorhandenen eigenen Küche der [M] zu beurteilen, denn er umfasst nur die vom Vermieter zur Verfügung gestellte oder ihm zurechenbare Ausstattung.“

Auch die Vereinbarung von M und V über den Ausbau der bauseits vorhandenen Einbauküche und den Einbau einer eigenen Küchenausstattung stehe dem Mangelbefund nicht entgegen.
1. Kein Mietmangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB
Zur gegenteiligen Bewertung gelangte nun der BGH, wie die Pressemitteilung zu o.g. Entscheidung verrät:

„Der Verlust der im Keller eingelagerten Einbauküche führt nicht zur Minderung der Miete. Denn mit der im Jahr 2010 getroffenen Abrede […] haben die Parteien den Mietvertrag unter Beibehaltung der vereinbarten Gesamtmiete dahingehend abgeändert, dass sich die Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters jedenfalls solange nicht auf eine Einbauküche erstreckte, als die [M] die Wohnung selbst mit einer Küche ausgestattet hatte.

Ist V nach dem Mietvertrag (aktuell) nicht verpflichtet, den Gebrauch einer Einbauküche zu gewähren (§§ 133, 157), kann die fehlende Gebrauchsmöglichkeit nach dem subjektiven Fehlerbegriff des § 536 Abs. 1 BGB (aktuell) keinen Mietmangel begründen. Anders gesagt:

„Durch das Abhandenkommen der im Keller eingelagerten und von der [M] derzeit nicht benötigten Kücheneinrichtung ist also keine nachteilige Abweichung der Ist-Beschaffenheit von der Soll-Beschaffenheit eingetreten, so dass ein […] Mangel der Mietsache nicht vorliegt.“

Für die Vertragsauslegung des BGH spricht insbesondere, dass V (!) sich in der Vereinbarung von 2010 vorbehält, von M nach Beendigung des Mietverhältnisses den Wiedereinbau der bauseits vorhandenen Küche zu verlangen. Die Einlagerung derselben erfolgt mithin vornehmlich im Interesse der V, was die Suspendierung der Gebrauchsgewährleistungspflicht nahe legt. Eine Mietminderung gem. § 536 Abs. 1 BGB scheidet hiernach aus, weil die von M angemietete Wohnung der V keinen Mangel aufweist, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder nicht unerheblich mindert. V kann von M Zahlung des ungeminderten Mietzinses i.H.v. 573 Euro/Monat gem. § 535 Abs. 2 BGB verlangen.
2. Kein treuwidriges Verhalten der V
Dem Zahlungsbegehren der V kann die M auch nicht den Einwand treuwidrigen Verhaltens (§ 242 BGB), also eine unzulässige Rechtsausübung (vgl. BeckOGK/Kähler, § 242 BGB Rn. 925 ff.) entgegenhalten:

„Die [V] verhält sich auch nicht treuwidrig […], indem sie einerseits die von der Versicherung der [M] gezahlte Versicherungssumme in Höhe von 2.790 € für die Küche behält, ohne derzeit eine neue Küche anzuschaffen, und gleichwohl auf der Zahlung der für die Küchennutzung vereinbarten Miete besteht. Denn der geleistete Entschädigungsbetrag war allein als geldwerter Ausgleich für den der [V] als Eigentümerin und Vermieterin der im Keller aufbewahrten Küchenteile entstandenen Schaden bestimmt. Diese Ersatzleistung, die wirtschaftlich an die Stelle der im Keller gelagerten Kücheneinrichtung getreten ist, hat keinen Einfluss auf die Frage, ob die [M] für die abhanden gekommene Kücheneinrichtung Miete zu zahlen hat. Die Mietzahlungspflicht beurteilt sich ausschließlich nach den von den Parteien getroffenen Absprachen, also nach der Genehmigungs-vereinbarung vo[n] […] 2010. Danach blieb die Höhe der Miete unberührt von dem Umstand, dass die [M] während der Nutzungszeit der neu eingebauten Küche kein in dieser Vereinbarung anerkanntes Interesse an einer Nutzung der im Keller gelagerten Kücheneinrichtung der [V] mehr hatte.“
 

III. Fazit
Ein spannender Fall, den jeder in der nächsten Prüfungsvorbereitung im Zivilrecht auf der Liste haben sollte!
 
 

23.04.2016/20 Kommentare/von Florian Wieg
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Florian Wieg https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Florian Wieg2016-04-23 10:00:082016-04-23 10:00:08Keine Mietminderung wegen Diebstahls einer im Keller der Mietwohnung eingelagerten Einbauküche des Vermieters
Dr. Thomas Granetzny

OLG Schleswig: Keine Gewährleistungsrechte bei Auftrag „ohne Rechnung“

Bereicherungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Werkvertragsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Mit seinem Urteil vom 21.12.2012 hat das OLG Schleswig entschieden, dass ein Auftraggeber, der mit einem Handwerker vereinbart, dass die in Auftrag gestellten Arbeiten „ohne Rechnung“ erfolgen sollen, keine Mängelgewährleistungsrechte geltend machen kann (1 U 105/11). Angesichts des griffigen Sachverhalts, der zum Teil auf Bewährtem aufbaut, aber auch einige Neuerungen beinhaltet, ist die Entscheidung vor allem auch für eine mündliche Prüfung interessant.
Sachverhalt
Die Parteien schlossen einen Werkvertrag über Pflasterarbeiten. Für die Pflasterung der Auffahrt des Auftraggebers war ein Preis von EUR 1.800 vereinbart worden, wobei die Arbeiten ohne Rechnung erbracht werden sollten. Kurz nach Durchführung der Pflasterung traten Unebenheiten auf. Zwar bemühte sich der Auftragnehmer darum, diese Unebenheiten zu beseitigen, allerdings erfolglos. Ein Gutachten ergab, dass die Sandschicht unterhalb des eigentlichen Pflasters zu dick aufgetragen worden war und es aus diesem Grund zu den Unebenheiten kam. Der Auftraggeber verlangte nunmehr von dem Auftragnehmer die Kosten für die Beseitigung der Unebenheiten, die er mit rund EUR 6.000 bezifferte.
Nichtigkeit des Werkvertrages wegen Verstoßes gegen das SchwArbG
Nach Auffassung des OLG Schleswig haben die Parteien mit ihrer Abrede, dass eine Rechnung nicht erteilt werde, einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 SchwArbG begangen, was wiederum die Nichtigkeit des Werkvertrages nach sich ziehe. Der Verstoß sei deswegen vorhanden, weil die Abrede keine Rechnung zu erteilen/zu verlangen, die Vorbereitung einer Steuerhinterziehung darstelle. Dies wiederum habe unmittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung, da der Preis infolge der nicht anfallenden Steuer niedriger ausfalle. Da aber der Preis essentieller Vertragsbestandteil sei, führe die Nichtigkeit dieses Teils der Abrede zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages.
Die Mitteilung des OLG Schleswig ist nicht sehr detailliert. Man wird aber annehmen können, dass das OLG sich hier in erster Linie auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG berufen hat (das SchwArbG ist umfassend neugestaltet worden mit dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit v. 23.7.2004, BGBl. I S. 1842), da als Nichtigkeitsgrund die Vorbereitung der Steuerhinterziehung hervorgehoben ist. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG geht davon aus, dass Schwarzarbeit im Sinne des Gesetzes geleistet wird, wenn Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden oder ihre Ausführung gestattet wird und dabei die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt werden, die die Person als Steuerpflichtigen aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen treffen. Es gibt eine Reihe solcher Pflichten, allen voran die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer (§ 41a EStG) und die Vorauszahlungspflicht bei der Umsatzsteuer (§ 18 UStG).
 
Das OLG sah es offenbar bereits als ausreichend an, dass die Abrede der Parteien dazu diente, eine Steuerhinterziehung vorzubereiten. Ob hier tatsächlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG bereits erfüllt ist, also eine konkrete steuerliche Verpflichtung verletzt wurde, lässt sich der Mitteilung nicht entnehmen. Allein aus der Vorbereitungshandlung zur Steuerhinterziehung kann aber die Nichtigkeit nicht gefolgert werden, denn an diese knüpft das Gesetz nicht den Begriff der (unzulässigen) Schwarzarbeit, sondern an die Verletzung der Pflicht als Steuersubjekt. Da aber offensichtlich ist, wozu die Abrede diente, kann man wohl zumindest dahin argumentieren, dass bereits in dem Abschluss der Vereinbarung, die Leistungen ohne Rechnung zu erbringen, eine Verletzung einer steuerlichen Verpflichtung liegt, nämlich gegen die entsprechende steuerliche Dokumentationsverpflichtung.
Folgt man dem OLG Schleswig und bejaht einen Verstoß gegen das SchwArbG, so ist die Nichtigkeitsfolge richtig und konsequent. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass solchen Geschäften, die unter den im SchwArbG umschriebenen Umständen zustande gekommen sind, die rechtliche Wirksamkeit versagt werden soll. Dies erfolgt primär um das Allgemeinwohl zu schützen. Dieses wird in erster Linie deshalb negativ von Schwarzarbeit betroffen, weil es zu Ausfällen in der Sozialversicherung und im Steueraufkommen kommt.
Konsequenz: Ausschluss von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen
Durchaus folgerichtig kommt das OLG Schleswig sodann zu dem Ergebnis, dass infolge der Nichtigkeitsanordnung des § 134 BGB eine vertragliche Grundlage für den gegenseitigen Leistungsaustausch entfallen ist, so dass Mängelgewährleistungsansprüche grundsätzlich nicht in Betracht kommen können. Damit befindet sich das OLG Schleswig im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der sich ebenfalls bereits vor längerer Zeit in diesem Sinne geäußert hat (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
Ausnahme: Fortbestehen von Ansprüchen auch ohne Vertrag
Schon der BGH in seiner o.g. Entscheidung und auch das OLG Schleswig erkennen an, dass die Nichtigkeitsanordnung im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Um dies zu vermeiden wird ein Ausgleich über § 242 BGB gesucht, der auch im Bereich unwirksamer Vereinbarungen Anwendung finden kann da dieser Grundsatz das gesamte Rechtsleben beherrscht (BGH v.23.9.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, m.w.N.). Allerdings wurde dem Kläger im vorliegenden Fall auch dieser letzte „Rettungsanker“ versagt: So ist es schlechterdings nicht einzusehen, warum hier ausnahmsweise doch Ansprüche des Auftragsgebers wegen mangelhafter Ausführung bestehen sollen. Es ist das Risiko desjenigen, der sich sehenden Auges auf eine unwirksame Vereinbarung stützt, dass die Rechtsordnung ihm die Rechte versagt, die ihm zustünden, wenn er sich entsprechend den Vorgaben der Rechtsordnung verhalten hätte. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass der Auftraggeber, der an dem Verstoß gegen das SchwArbG mitgewirkt hat keine Sanktion im Hinblick auf das eigentliche Austauschverhältnis fürchten müsste (ggf. käme aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG in Betracht).
In der Tat könnte man sich aber fragen, ob nicht die Gegenseite – also der Auftragnehmer – ihrerseits treuwidrig handelt, wenn er – um sich den Gewährleistungsrechten zu entziehen – auf die Nichtigkeit der Vereinbarung beruft. Problematisch ist ein solches Berufen nämlich deshalb, weil der Werkunternehmer, der seine Werkleistungen gerade unter Verstoß gegen die Vorschriften des SchwArbG erbracht hat, nicht fürchten braucht, weiteren Ansprüchen ausgesetzt zu sein, obwohl die Regelung sein Verhalten sanktionieren will. Letztlich handelt es sich hierbei aber nur um die Kehrseite des Umstandes, dass der Auftraggeber fürchten muss Gewährleistungsansprüche zu verlieren. Will man sie dem Auftraggeber versagen, muss man dem Auftragnehmer zubilligen, dass er hier zur Leistung nicht verpflichtet ist. Eine „Feinsteuerung“ kann hier weiterhin auf der Grundlage von § 242 BGB erfolgen, so dass Abweichungen bei besonderen Fallkonstellationen durchaus denkbar sind. Indes lagen solche Besonderheiten im Fall des OLG Schleswig nicht vor.
Andere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen im Bereich der Schwarzarbeit
In Konstellationen, bei denen der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das SchwArbG unwirksam ist, kommen v.a. Rückabwicklungsansprüche in Betracht. Diese können im Einzelfall wirtschaftlich ein vergleichbares Ergebnis zu dem erreichen, was der Anspruchssteller in erster Linie erstrebt. Neben Ansprüche aus cic. sind hierbei vor allem zu denken an die Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht. Es folgen dann die „klassischen“ Probleme , nämlich ob bei einem nichtigen Vertrag die Grundsätze der GoA in Betracht kommen (so der BGH) oder aber vorrangig Bereicherungsrecht anzuwenden ist (so die wohl h.L.). Gerade für die Frage, ob ein Werkunternehmer, der seine Werkleistungen unter Verstoß gegen das SchwArbG aber im Voraus erbracht hat, nicht doch einen „Werklohn“ verlangen kann, hat der BGH bereits in der Vergangenheit entschieden, dass zwar Ansprüche aus GoA ausgeschlossen sind (weil es sich bei den erbrachten Leistungen nicht um „erforderliche“ Aufwendungen gehandelt hat), wohl aber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB in Betracht kommt. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB hat er dabei gerade unter Berufung auf den oben erwähnten § 242 BGB nicht zur Anwendung gebracht (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
 
 

14.02.2013/7 Kommentare/von Dr. Thomas Granetzny
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Thomas Granetzny https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Thomas Granetzny2013-02-14 14:00:122013-02-14 14:00:12OLG Schleswig: Keine Gewährleistungsrechte bei Auftrag „ohne Rechnung“
Gastautor

BGH: Rücktrittsrecht ohne Nachfristsetzung bei Vielzahl einzelner Mängel – Montagsauto

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Erneut können wir heute einen Gastbeitrag von Marvin Granger veröffentlichen. Diesmal zu einem aktuellen und sehr examensrelevanten Urteil des BGH.

Der BGH hat am 23.01.2013 in einem Urteil (Az.: VIII ZR 140/12) entschieden, wann der Käufer eines Fahrzeugs vom Kaufvertrag ohne Nachfristsetzung zurücktreten darf und wann nicht. Bislang liegt nur die Presseerklärung vor.

I. Sachverhalt

Der Kläger hatte im Juni 2008 ein Wohnmobil zum Preis von knapp 134.000 Euro gekauft, das ihm im April 2009 geliefert wurde. Von Mai 2009 bis März 2010 brachte er das Wohnmobil dreimal zwecks Durchführung von Garantiearbeiten in die Werkstatt der Beklagten. Der K rügte dabei zahlreiche Mängel (u.a. Flecken in der Spüle, schief sitzende Abdeckplatten der Möbelverbinder, lose Stoßstange).

Nachdem trotz der erfolgten Reparaturarbeiten, die der K teilweise selbst vorgenommen hatte, weitere Mängel auftraten, erklärte er am 1. April 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beseitigung der bestehenden Mängel würde laut einem Sachverständigengutachten fast 5.500 Euro kosten. Ein Fasthalten am Kaufvertrag sei ihm wegen der Vielzahl der aufgetretenen Mängel nicht mehr zumutbar und er dürfe deswegen ohne weitere Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten.

Die Vorinstanzen hatten ein solches Rücktrittsrecht abgewiesen. Der BGH schloss sich dem jetzt an.

II. Gründe

Er begründete seine Entscheidung damit, dass nicht jedes Fahrzeug, welches eine Vielzahl von Sachmängeln aufweist, als sog. „Montagsauto“ einzustufen sei mit der Berechtigung des Käufers, gem. § 323 II Nr. 3 BGB oder nach § 440 Satz 1 Var. 3 BGB ohne Nachfristsetzung vom Kaufvertrag zurückzutreten. Es stellt sich damit die Frage, wann die Vielzahl der Mängel ein Festhalten am Vertrag unzumutbar machen.

Nicht jede Art, jedes Ausmaß und jede Bedeutung von Mängeln machten eine Nachfristsetzung entbehrlich bzw. die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar. Bei der Entscheidung über dieses Kriterium hätten die Tatrichter vielmehr einen Beurteilungsspielraum. Die Gerichte müssten dabei aus der Sicht eines verständigen Käufers entscheiden, ob die bisher aufgetretenen Mängel die Befürchtung rechtfertigen, dass das Fahrzeug „wegen seiner auf herstellungsbedingten Qualitätsmängeln beruhenden Fehleranfälligkeit insgesamt mangelhaft ist und auch zukünftig nicht frei von herstellungsbedingten Mängeln sein wird“, heißt es in der Presseerklärung. Letztlich hat das Gericht also ein Prognose vorzunehmen, wann Mängel in einer solchen Qualität und Quantität vorliegen, dass ein sofortiger Rücktritt möglich ist.

Zwar hat der BGH im konkreten Fall ebenso wie die Vorinstanz eingeräumt, dass in einer recht kurzen Zeit zahlreiche Mängel an dem Wohnmobil aufgetreten seien. Diese Bagatellmängel beträfen aber nicht die Funktionstüchtigkeit des Fahrzeugs, sondern seien nur optische Lästigkeiten.

Die Nachfristsetzung zur Beseitigung der Sachmängel war somit weder gem. § 323 II Nr. 3 BGB entbehrlich noch war nach § 440 Satz 1 Var. 3 BGB dem K die Nacherfüllung unzumutbar.

III. Anmerkungen für Prüfungen

  • Dieser vom BGH entschiedene Fall ist für Examensklausuren und mündliche Prüfungen geradezu prädestiniert. Es geht thematisch wieder einmal um das Kaufgewährleistungsrecht, das regelmäßig in Prüfungsaufgaben abgefragt wird. In der Sache dreht die Entscheidung sich um die Auslegung der §§ 323 II Nr. 3, 440 Satz 1 Var. 3 BGB dahingehend, wann Art, Ausmaß und Bedeutung von Sachmängeln die Nachfristsetzung entbehrlich bzw. die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar machen. Gerade hier ist die Kenntnis des „case law“ sehr wichtig.
  • Zum Schluss möchte ich noch auf eine lerntechnische Sache hinweisen: Man liest und hört (auch in der Uni) immer wieder, man müsse sich unbedingt merken, dass im Kaufgewährleistungsrecht die Nacherfüllung nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB grds. Vorrang vor Rücktritt und Schadensersatz bzw. Preisminderung hat. Letzteres stimmt zwar, man muss sich das aber nicht merken, sondern das ergibt sich aus dem Gesetz. Für den Rücktritt vom Vertrag bestimmt § 323 I BGB, dass bei fälliger nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung der Gläubiger, „wenn er dem Schuldner eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat“, zurücktreten darf. Für den Schadensersatz statt der (möglichen) Leistung bestimmt § 281 I 1 BGB Entsprechendes. Für die Kaufpreisminderung nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB gilt das Gleiche, weil der Käufer gem. § 441 I 1 BGB den Preis mindern kann  „statt zurückzutreten“. Die Minderung setzt also ein Rücktrittsrecht voraus, welches man zunächst (am Gesetz orientiert, versteht sich) prüfen muss – und da sind wir wieder bei § 323 I BGB. Nach dem gerade Gesagten dürfte es niemanden mehr verwundern, weshalb auch im Werkgewährleistungsrecht gem. §§ 634 ff. BGB die Nacherfüllung grds. Vorrang vor Rücktritt, Minderung und Schadensersatz statt der Leistung hat. Auch die Selbstvornahme darf i.d.R. erst nach erfolglosem Ablauf einer gesetzten Nachfrist erfolgen (§ 637 I BGB).

 

25.01.2013/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-01-25 17:00:572013-01-25 17:00:57BGH: Rücktrittsrecht ohne Nachfristsetzung bei Vielzahl einzelner Mängel – Montagsauto
Dr. Christoph Werkmeister

Verjährung und Nacherfüllung im Kaufrecht

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Schon gelesen?, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht

Das Kaufrecht ist das mit Abstand am häufigsten abgeprüfte Rechtsgebiet in juristischen Staatsexamina. Aus diesem Grund ist die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung in diesem Bereich unabdingbar (s. dazu hier). Im gleichen Maße interessant für die Prüfer sind daneben diejenigen Konstellationen, die obschon ihrer Praxisrelevanz noch keine höchstrichterliche Klärung erfahren haben. Einen solchen umstrittenen Problemkreis stellt die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 Abs. 1 BGB dar. Der folgende Beispielsfall soll dazu dienen, das Problem zu umschreiben.
Beispielsfall
Der A kauft am 04.03.2010 ein Navigationsgerät. Die Ortung der Satelliten funktioniert allerdings nach über einem Jahr nicht mehr richtig, was auf einen Mangel am Gerät zurückzuführen ist. Der A bringt das Gerät am 05.01.2012 in den Laden, bei dem er es erworben hat und verlangt unter Verweis auf seine Mängelrechte die Reparatur oder Nachlieferung des Geräts. Der Verkäufer nimmt das alte Gerät kommentarlos entgegen und tauscht es gegen ein neues aus. Nach gut einem Jahr, am 03.01.2013 funktioniert auch das ausgetauschte Gerät aufgrund desselben Fehlers nicht mehr. Der A geht erneut in den Laden und verlangt ein neues Gerät unter Verweis auf seine Mängelrechte. Der Ladeninhaber bestreitet nicht, dass das nachgelieferte Gerät auch mangelhaft ist. Er geht allerdings davon aus, dass mögliche Ansprüche des A längst verjährt sein müssen. Es könne doch nicht angehen, dass der A Mängelgewährleistungsrechte noch drei Jahre nach Erwerb der Sache gelten machen könnte.
Verjährung im Kaufrecht
Grundsätzlich steht dem A hier ein Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB zu, da die nachgelieferte Sache immer noch einen Mangel enthält. Fraglich ist jedoch, ob dieser Nacherfüllungsanspruch nicht bereits verjährt ist. Gemäß § 214 Abs. 1 BGB kann ein verjährter Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden.
Beginn und Lauf der Verjährung sind im Kaufrecht spezialgesetzlich in § 438 BGB niedergelegt. Der Verjährungsbeginn fängt gemäß § 438 Abs. 2 BGB beim Kauf von beweglichen Sachen mit der Übergabe der Sache an den Käufer. Da der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorliegen muss, damit das Mängelgewährleistungsrecht greift, verjährt der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB demnach ab dem Zeitpunkt der Lieferung bzw. der Übergabe.
Fraglich ist nun, ob im Falle einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung ein neuer Nacherfüllungsanspruch mit erneuter Verjährung nach § 438 BGB entsteht oder ob bloß der alte Anspruch und damit der alte Lauf der Verjährungsfrist Bestand hat. Die Stimmen sind in dieser Hinsicht geteilt: Nach Palandt/Weidenkaff, § 438 BGB, Rz. 16a ist im Falle des Nachlieferns an sich grundsätzlich ein Neubeginn der Verjährung anzunehmen (ähnlich Graf v. Westphalen, ZGS 2002, 19, 21). Beim Nachbessern liege hingegen im Regelfall kein solcher Fall vor. Ebenso argumentiert Jauernig/Berger, § 438 BGB, Rz. 15. Für die pauschale Annahme des Verjährungsneubeginns spricht natürlich der Schutz des Käufers. Andererseits kann dies erhebliche Folgen für den Verkäufer haben (so insb. Auktor/Mönch, NJW 2005, 1687). Bei einem strikten Befolgen einer solchen Dogmatik könnte der Käufer im besten Fall eine erhebliche Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken. Auch der Gesetzgeberwille spricht dafür, dass mit der verkürzten Verjährung im Kaufrecht möglichst schnell Rechtssicherheit hergestellt werden soll.
Eine vermittelnde Lösung, die auf die konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall abstellt, erscheint zwar zunächst interessengerecht. Eine solche Betrachtung bringt allerdings den Nachteil mit sich, dass es schwer fällt, Kriterien für eine Einzelfallabgrenzung zu normieren  (zurückhaltend auch OLG Celle, NJW 2006, 2643). Aus diesen Gründen erscheint eine restriktive Auslegung des § 439 bzw. des § 438 BGB durchaus gut vertretbar. Selbst bei Annahme einer solchen Ansicht ist der Käufer allerdings nicht gänzlich schutzlos gestellt, da die im Folgenden zu diskutierenden verjährungsrechtlichen Mechanismen bestehen.
Hemmung der Verjährung
Der Lauf der Verjährung kann zum einen regelmäßig gemäß § 203 BGB durch „Verhandlungen“ gehemmt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wen der Kaufgegenstand vom Händler auf Mängel überprüft wird. Sofern die Ware also eingeschickt werden muss, geht dies nicht zu Lasten der Verjährung des Käufers (vgl. Reinking, ZGS 2002, 140; Wagner, ZIP 2002, 789).
Neubeginn der Verjährungsfrist
Darüber hinaus beginnt die Verjährungsfrist sogar neu zu laufen, wenn § 212 Abs 1 Nr 1 BGB einschlägig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Verkäufer den Anspruch auf Nacherfüllung anerkennt. Ein solches „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB liegt dann vor, wenn der Verkäufer aus Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits Maßnahmen zur Nacherfüllung ergreift (vgl. BGH NJW 1988, 254; BGH NJW 1999, 2961). Fraglich ist jedoch, wie der hier geschilderte Fall unter diese Definition zu subsumieren ist. Der Verkäufer kam bei der ersten Forderung nach Nacherfüllung ohne große Argumentation dem Begehren des A nach. Ob sich aus einer solchen Handlung bereits ein Anerkennen i.S.d. § 212 BGB ergibt ist fraglich.
Es lässt sich an dieser Stelle mit den obigen Argumenten zur restriktiven Auslegung des Verjährungsneubeginns argumentieren. Andererseits sprechen auch gute Gründe dafür, beim freiwilligen Nacherfüllen ein pauschales „Anerkennen“ des Mängelgewährleistungsanspruchs und damit den Neubeginn der Verjährung zu bejahen. Ansonsten läge nämlich beinahe nie ein „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB vor, da sich der Verkäufer stets auf ein Handeln aus „Kulanz“ berufen könnte. Sofern man argumentiert, dass im anstandslosen Nacherfüllen ein solches Anerkennen liegt, steht der Verkäufer gleichwohl nicht völlig schutzlos da. Er kann sich bei einer solchen Auslegung nämlich trotzdem vor der Rechtsfolge des § 212 BGB schützen, indem er die Nacherfüllungshandlung explizit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durchführt. In der Praxis könnte dies beispielsweise auf einer entsprechenden Quittung vermerkt werden. Fehlt ein solcher Vermerk, so liefe die Verjährung erneut.
Auch, wenn man § 212 BGB in solchen Fällen restriktiv handhabt, ist daran zu denken, dass immer noch eine Hemmung durch Verhandeln i.S.d. § 203 BGB vorliegen kann. Für welche Ansicht man sich entscheidet, ist angesichts des Fehlens einer höchstrichterlichen Vorgabe nebensächlich. Wichtig ist lediglich, dass man den Grundkonflikt erkennt und möglichst auf allen Ebenen argumentiert.
Beweisprobleme
In Sachverhalten abseits der Klausuren gilt es allerdings gewichtige Beweisprobleme zu berücksichtigen. Im Regelfall wird es dem Käufer nach Ablauf einer so langen Zeit nämlich schwer fallen, zu beweisen, dass der Mangel auch bereits bei Gefahrübergang vorlag. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf hilft nach Ablauf von sechs Monaten auch nicht mehr weiter. In einer Klausur im ersten Examen stehen die Sachverhalte allerdings fest, so dass die Beweisprobleme unerheblich sind. Auch im zweiten Examen kann die Problematik Eingang in eine Klausur finden, sofern das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang unstrittig ist.
Auswirkungen auf andere Forderungen
Zu beachten ist im Übrigen, dass Neubeginn und Hemmung der Verjährung nach den o.g. Normen jeweils nicht nur den Nacherfüllungsanspruch selbst betreffen. Über § 218 Abs. 1 S 1 BGB sind ebenso auch das Rücktritts- und Minderungsrecht betroffen. Über § 213 BGB gelten die gleichen Verjährungsverlängerungen auch für Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und den Aufwendungsersatz.

24.01.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-01-24 20:56:032012-01-24 20:56:03Verjährung und Nacherfüllung im Kaufrecht
Dr. Christoph Werkmeister

BGH: Höchstrichterliche Klärung der Frage des Erfüllungsortes bei Nacherfüllung im Fall von Mängeln im Kaufrecht

Schuldrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH hat sich gestern (13.04.2011 – VIII ZR 220/10) in einem Urteil mit dem Frage beschäftigt, an welchem Ort der Verkäufer einer mangelhaften Sache die zur Mangelbeseitigung geschuldete Nacherfüllung i.S.d. § 439 BGB vornehmen muss.
Bislang keine höchstrichterliche Entscheidung
Bei einer Beschäftigung mit dem Thema „Erfüllungsort bei Nacherfüllung im Kaufrecht“ fällt schnell auf, dass eine höchstrichterliche Entscheidung dazu bislang ausgeblieben war. Aus diesem Grund konnte sich eine Vielzahl an Meinungen zu diesem Thema herauskristallisieren.
Die Regierungsbegründung zur Schuldrechtsmodernisierung gab etwa Anlass zu der Annahme, dass nicht der ursprüngliche Erfüllungsort, sondern der momentane Belegenheitsort der Sache Erfüllungsort sein müsse. Der Gesetzgeber ging bei dieser Begründung davon aus, nur eine solche Auslegung mit Art 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar sei, so insb. BeckOK-BGB/Faust, § 439, Rn. 13, ebenso MüKo-BGB/Westermann, § 439, Rn. 7. Bei dieser Betrachtung spielt zudem die Regelung des § 439 Abs. 2 BGB eine bedeutende Rolle, da der Verkäufer hiernach die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat.
Andere Ansichten werden selbstredend auch vertreten. Skamel, DAR 2004, 565, 568 vertritt beispielsweise, Erfüllungsort bei der Nacherfüllung sei im Zweifel immer Wohnsitz des Verkäufers, dieser habe aber die Transportkosten, die für die Mängelbeseitigung entstehen, zu tragen.
Die o.g. Ansichten sind allesamt gut vertretbar, jedoch fehlt es diesen Vorgaben an Flexibilität. Der momentane Belegenheitsort der Sache erscheint eine probate Lösung zu Gunsten des Käufers – die Belange und Interessen des Verkäufers werden jedoch weitestgehend außer Acht gelassen. Eine interessengerechte Lösung durch den BGH wurde also erwartet.
Die Leitlinien des BGH
Der BGH hat entschieden, dass sich der Ort, an dem der Verkäufer die von ihm geschuldete Nacherfüllung zu erbringen hat, mangels spezieller Regelung im Kaufrecht nach § 269 Abs. 1 BGB richte. Hiernach ist grundsätzlich der Wohnsitz des Schuldners, also des Verkäufers, maßgeblicher Erfüllungsort. Wenn man also eine mangelhafte Sache in einem Kaufhaus erworben hat, hat die Nacherfüllung ebenfalls an diesem Ort zu erfolgen.
Der BGH schlussfolgert allerdings richtig, dass es bei dieser Grundsatzregelung nur solange bleiben kann, wie die Umstände des Einzelfalls oder eine Parteivereinbarung nichts anderes indizieren (vgl. den Wortlaut von § 269 BGB: „Ist ein Ort für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen, insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses, zu entnehmen […]“). Zu diesen Umständen gehören nach der Entscheidung des BGH die Ortsgebundenheit und die Art der vorzunehmenden Leistung sowie das Ausmaß der Unannehmlichkeiten, welche die Nacherfüllung für den Käufer mit sich bringt. Letzteres Kriterium folge aus den Vorgaben der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, nach deren Art. 3 Abs. 3 die Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen muss. Es hat also für jeden Fall eine gesonderte Interessen- und Umstandsabwägung zu erfolgen. Ein pauschales Ergebnis ist durch die Vorgabe des § 269 Abs. 1 BGB nicht intendiert.
Das Ergebnis des BGH überzeugt. Der Verkäufer hat zwar nach § 439 Abs. 2 BGB die Kosten für den Transport zu tragen. Es kann aber in bestimmten Fällen erwartet werden, dass der Käufer der Sache wenigstens in Vorleistung tritt und die Sache zum Verkäufer hin transportiert. Hierbei dürfte auch der Gedanke eine Rolle spielen, dass der Verkäufer die Sache zuvor auf das tatsächliche Vorliegen von Mängeln hin überprüfen möchte und dann auf dieser Basis entscheiden kann, ob die Erstattung der Transportkosten gerechtfertigt war.
Der vom BGH entschiedene Fall
Im vom BGH entschiedenen Fall ging es um den käuflichen Erwerb eines Camping-Anhängers, der im Nachhinein mehrere Mängel aufwies. Der Anhänger ließ sich jedoch noch ohne Weiteres transportieren. Da die Reparatur in solch einem Fall den Einsatz von geschultem Personal und Werkstatttechnik erforderte und ein Transport des Anhängers für den Kläger nach Ansicht des BGH zumutbar erschien, lag der Erfüllungsort der Nachbesserung am Firmensitz des Verkäufers. Dies sogar, obwohl der Käufer, ein gebürtiger Franzose, den Anhänger bereits in seine Heimat nach Frankreich verschafft hatte. Die Einzelfallabwägung ergab in diesem Fall also, dass der Käufer den Anhänger zur Durchführung der Nacherfüllung nach Deutschland zum Verkäufer bringen musste. Solange dies nicht geschah, konnten weitere mängelgewährleistungsrechtliche Schritte, insbesondere der Rücktritt vom Vertrag, nicht eingeleitet werden.
Folgen der Rechtsprechung
Die Entscheidung des BGH lässt somit Raum für Interpretation im Einzelfall. Insbesondere die Frage, ob der Ort der Nacherfüllung beim Wohnsitz des Verkäufers für den Verbraucher zumutbar und ohne „erhebliche Unannehmlichkeiten“ erreicht werden kann, ist eine wertungsmäßige Entscheidung im Einzelfall. Für die Klausur bedeutet dies, dass das Auswendiglernen einer Definition nicht weiterhilft. Der „momentane Belegenheitsort der Sache“ ist nicht länger das Maß der Dinge, das für die Bestimmung des Ortes der Nacherfüllung herangezogen werden kann. Vielmehr hat eine differenziertere Betrachtung zu erfolgen, wobei eine Auslegung allerdings auch stets im Lichte des Art. 3 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfolgen muss.

14.04.2011/11 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-04-14 09:20:432011-04-14 09:20:43BGH: Höchstrichterliche Klärung der Frage des Erfüllungsortes bei Nacherfüllung im Fall von Mängeln im Kaufrecht

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