In einer im vergangenen Jahr entschiedenen und nunmehr rechtskräftigen Sache des AG München (Urteil vom 19.04.2011 – Az. 224 C 33358/10) ging es um die Frage, ob der Besteller Mängel im Rahmen eines Werkvertrags geltend machen kann, wenn das bei einem Künstler in Auftrag gegebene Kunstwerk dem Besteller nicht gefällt.
Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt)
B ist Kunstliebhaberin und besitzt ein Wohnhaus in einer noblen Gegend in München. Um dem schon in die Jahre gekommenen Treppenhaus wieder den notwendigen Glanz zu verleihen, wendet sie sich im Mai 2010 an den Künstler K, der für seine ausgefeilten und einzigartigen Glasfenster bis an den Starnberger See hin berühmt ist. B, die die Werke des K aus einem Katalog kennt, beschreibt dem K ihre ungefähren Vorstellungen von dem neuen Fenster. Es müsse den typischen „Wow-Effekt“ haben, wie man es von den Werken des K gewohnt sei. Das Fenster solle B und vor allem ihre Besucher „umhauen“ und die besondere Exklusivität ihres Hauses unterstreichen. K solle sich an den Werken in seinem Katalog orientierten. Weitere Einzelheiten der Ausführung oder des Motivs werden nicht besprochen. Sie vereinbaren einen Preis in Höhe von 4000 Euro. K macht sich daraufhin an die Arbeit.
Im Juli 2010 teilt K der B die Fertigstellung des Fensters mit und lässt es auch sogleich montieren. B überweist eine erste Anzahlung in Höhe von 2000 Euro auf das Konto des K. Da sich B in der Folgezeit zunächst nicht meldet, kontaktiert K die B und verlangt das restliche Geld. B verweigert die weitere Zahlung und verlangt ihrerseits „ihr Geld“ wieder zurück. B führt aus, sie sei „maßlos enttäuscht“, weil sie sich eine „Sonnenuntergangsstimmung“ vorgestellt habe. Dies sei jedoch nicht erreicht worden. Bei dem Fenster stelle sich nicht der gewünscht „Wow-Effekt“ ein, sodass B sich veranlasst sehe, von der ganzen Sache Abstand zu nehmen. K hält an seinem Zahlungsverlangen fest.
Kann B von K die Rückzahlung der 2000 Euro verlangen?
Künstlerische Freiheit des Künstlers hat grundsätzlich Vorrang
Die Rückzahlung käme nur dann in Frage, wenn der fehlende „Wow-Effekt“ einen Sachmangel im Sinne von § 633 BGB darstellen würde und B damit Mängelrechte über § 634 BGB geltend machen könnte. Entgegen anderen Werkverträgen, die z.B. die Herstellung oder Reparatur eines Gegenstands zum Inhalt haben, ist bei einem Vertrag über die Herstellung einer Kunstinstallation die Besonderheit zu beachten, dass das Kunstwerk das Ergebnis eines Schaffensprozesses des Künstlers ist. Das Ergebnis ist damit grundsätzlich allein vom Wirken des Künstlers abhängig, der insoweit seinem Schöpferwillen Ausdruck verleiht. Dabei besitzt er eine gewisse Gestaltungsfreiheit. Sie geht bspw. aber nicht soweit, dass bei einem Portrait diejenige Person nicht mehr erkennbar und identifizierbar ist. Ebenso bei Textabweichungen bei einem Theaterstück (Palandt/Sprau, § 633, Rz. 13). Das Gericht führt dazu aus, dass
[d]iese Installation ordnungsgemäß erstellt worden [sei]. Grundsätzlich müsse jemand, der einen Künstler beauftrage, sich vorher mit dessen künstlerischen Eigenarten und Auffassungen vertraut machen. Der Künstler schaffe das Werk in eigener Verantwortung und in künstlerischer Freiheit. Solange der vereinbarte Zweck und die tragende Idee vorhanden seien, sei das Werk vertragsgemäß. Der Besteller trage das Risiko, ein Werk abnehmen zu müssen, das ihm nicht gefalle. Dies sei Ausfluss der Gestaltungsfreiheit des Künstlers.
Gestaltungsfreiheit einschränkbar durch Parteiabrede
Von dem obigen Grundsatz kann aber ohne Weiteres abgewichen werden, wenn zwischen dem Besteller und dem Künstler entsprechende Abreden bestehen, die das zu erstellende Werk näher konkretisieren. Beim Beispiel des Portrait-Gemäldes wird eine Konkretisierung bereits „in der Natur der Sache“ liegen, es sei denn, der Künstler wäre für seine abstrakten Portraits bekannt. Hier fehlt aber eine solche Einschränkung. Denn
[e]ine solche Abrede sei hier aber nicht erfolgt. Der Vertrag lege eindeutig fest, dass sich das Gemälde zwar an den anderen im Katalog orientiere, aber keine Kopie, sondern ein eigenständiges Werk sei. Dass hinterher eine andere Vereinbarung getroffen wurde, habe [B] nicht beweisen können.
B kann daher eine Rückzahlung des Geldes nicht verlangen und ist darüber hinaus verpflichtet, auch den Restbetrag an K zu leisten.
Fazit
Der Fall bietet wenig Neues und bestätigt lediglich die BGH-Rechtssprechung zu dem Thema. Die Konstellation ist aber nicht nur für Examenskandidaten interessant, sondern auch für Studenten früherer Semester, da sie Raum zum Argumentieren lässt, auch ohne die Rechtsprechung zu kennen. Der griffige „Wow-Effekt“ (wörtliches Zitat in der Pressemitteilung!) und die wesentlichen Umstände des vorliegenden Falls ließen sich gut in den Text einer Fortgeschrittenenklausur einbauen und mit weiteren Problemen aus dem Vertragsrecht verbinden.