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Schlagwortarchiv für: genehmigung

Charlotte Schippers

Grundzüge des Minderjährigenrechts für die BGB-AT-Klausur

BGB AT, Für die ersten Semester, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

In Kürze stehen die Abschlussklausuren, so auch im BGB AT, an. Besonders klausurrelevant ist hier das Minderjährigenrecht. Beherrscht werden sollte daher in diesem Zusammenhang die Prüfung des Zustandekommens von Verträgen mit beschränkt Geschäftsfähigen und von Herausgabeansprüchen. Wichtig zur gelungenen Klausur ist eine strukturierte Herangehensweise an die Falllösung, wobei der folgende Beitrag helfen soll.
 
A) Zustandekommen von Verträgen
Zunächst stellt sich also die Frage nach dem Abschluss eines Vertrags mit beschränkt Geschäftsfähigen. Prüft man einen solchen Vertragsschluss, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Normen und Überlegungen in die Prüfung einzubauen. So ist es möglich, zunächst den Vertragsschluss an sich zu bejahen und ihn dann auf seine Wirksamkeit hin zu untersuchen. Aber auch direkt iRd Willenserklärung des Minderjährigen kann eine Prüfung der Normen sinnvoll sein. Grundsätzlich steht der Aufbau insofern frei.
 
I. Ausgangspunkt der Prüfung: § 107 BGB
1. Rechtlich lediglich vorteilhaft?
Am Beginn der Prüfung steht die Frage, ob das Rechtsgeschäft für den beschränkt Geschäftsfähigen (Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren, §§ 2, 106 BGB) rechtlich lediglich vorteilhaft ist. Solche Rechtsgeschäfte darf er nämlich selbst vornehmen, sie fallen in seine eigene Rechtsmacht. Voraussetzung ist, dass seine Rechtsstellung hierdurch ausschließlich verbessert wird. Maßgeblich bei der Bestimmung, ob das der Fall ist, ist ausschließlich die rechtliche Sichtweise. Wirtschaftliche Gesichtspunkte bleiben nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut außer Betracht. Allerdings sind mit einer teleologischen Reduktion der Norm auch rechtlich neutrale Geschäfte hiervon erfasst (arg. ex § 165 BGB).
 
2. Beispiele

  • Der Abschluss eines Kaufvertrags bedeutet für den beschränkt Geschäftsfähigen einen rechtlichen Nachteil: Er verpflichtet sich hierdurch gem. § 433 Abs. 2 BGB zur Kaufpreiszahlung. Ob der Vertrag wirtschaftlich sinnvoll oder gar ein Schnäppchen ist, ist nicht relevant.
  • Gibt der beschränkt Geschäftsfähige das verbindliche Angebot auf Abschluss des Kaufvertrags ab, beinhaltet dieses bereits den rechtlichen Nachteil: Das Zustandekommen des ihn verpflichtenden Vertrags liegt nicht mehr in seinen Händen, sondern ist alleine von der Annahme des Erklärungsempfängers abhängig.
  • Eine dingliche Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB, die auf Eigentumsübertragung an den Minderjährigen gerichtet ist, ist rechtlich lediglich vorteilhaft.

 
3. Zwischenfazit
Stellt sich also die Willenserklärung als rechtlich lediglich vorteilhaft heraus, ist sie auch ohne Zustimmung wirksam. Ist sie es hingegen nicht, geht die Prüfung weiter:
 
II. Einwilligung
1. Einwilligung nach § 183 S. 1 BGB
Zu prüfen ist dann, ob die gesetzlichen Vertreter, i.d.R. die Eltern, §§ 1626, 1629 Abs. 1 BGB, ihre Einwilligung erteilt haben. Hierbei handelt es sich um die vorherige Zustimmung, vgl. § 183 S. 1 BGB. Sie kann als Einzeleinwilligung, also für ein bestimmtes Geschäft, oder (beschränkter) Generalkonsens, also noch nicht näher bestimmte Geschäfte z.B. für eine Reise mit Freunden, erteilt werden. Eine ausdrückliche Erklärung hierüber ist nicht erforderlich.
 
2. Der Taschengeldparagraph: § 110 BGB
Wenn es an einer ausdrücklichen Einwilligung fehlt, ist an § 110 BGB (Taschengeldparagraph) zu denken: Hiernach wird ein durch einen beschränkt Geschäftsfähigen geschlossener Vertrag wirksam, wenn dieser seine vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen worden sind. Ein Bewirken der Leistung setzt voraus, dass der Leistungserfolg vollständig erbracht wurde, vgl. auch § 362 Abs. 1 BGB.
Bei der Überlegung, ob Mittel zur freien Verfügung überlassen worden sind, ist auch die Frage einzubeziehen, ob das infrage stehende Rechtsgeschäft mit dem von den Eltern zu verfolgenden Erziehungszweck der Mittelüberlassung (s. dazu auch Art. 6 Abs. 1, 2 GG) in Einklang steht.
Hinsichtlich des Bewirkens gilt zu beachten, dass auch die Vereinbarung von Ratenzahlung grundsätzlich zwar möglich ist. Ein Bewirken liegt aber erst dann vor, wenn die letzte Rate bezahlt wurde.
 
3. Beispiele

  • Die Eltern des minderjährigen M geben ihm 50 €, damit er sich neue Schulbücher kaufen kann, willigen also in solche Geschäfte ein.
  • Darüber hinaus bekommt M 10 € Taschengeld pro Woche, damit er lernt, mit Geld umzugehen. Hiervon kauft er sich meistens am Kiosk Comic-Hefte und Süßigkeiten, die er dort sofort bezahlt. Diese Verträge sind von Anfang an nach § 110 BGB wirksam.

 
4. Zwischenfazit
Wenn die Einwilligung der Eltern also wirksam erteilt wurde oder § 110 BGB einschlägig ist, ist das Rechtsgeschäft wirksam. Fehlt eine Einwilligung, ist noch an die Genehmigung zu denken, § 108 Abs. 1 BGB: „Schließt der Minderjährige einen Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung des gesetzlichen Vertreters, so hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab“. Die Willenserklärung ist also zunächst schwebend unwirksam.
 
III. Genehmigung
1. Genehmigungserteilung
Die Genehmigung ist die nachträgliche Zustimmung, durch sie wird das Rechtsgeschäft rückwirkend, also von Anfang an, ex tunc, wirksam gem. § 184 Abs. 1 BGB. Wird sie verweigert, ist der Vertrag endgültig unwirksam. Sie kann gem. § 182 Abs. 1 BGB sowohl gegenüber dem Minderjährigen als auch seinem Vertragspartner gegenüber erteilt werden.
 
2. Aufforderung zur Genehmigung, § 108 Abs. 2 BGB
Fordert der Vertragspartner den Vertreter des beschränkt Geschäftsfähigen zur Genehmigung auf, hat dies mehrere Folgen: Zunächst wird eine etwaige Genehmigung oder Verweigerung, die zuvor gegenüber dem Minderjährigen erteilt wurde, unwirksam, § 108 Abs. 2 S. 1 HS. 2 BGB. Eine Erklärung über die Genehmigung kann dann nur noch dem Geschäftspartner gegenüber erfolgen, § 108 Abs. 2 S. 1 HS. 1 BGB. Wird die Genehmigung nicht bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Empfang dieser Aufforderung (vgl. zur Fristberechnung §§ 187 ff. BGB), gilt sie als verweigert gem. § 108 Abs. 2 S. 2 HS. 2.
 
3. Minderjähriger wird volljährig, § 108 Abs. 3 BGB
Wird der Minderjährige volljährig, also voll geschäftsfähig, sind seine Eltern nicht mehr i.S.d. § 108 BGB für ihn zuständig – als Volljähriger hat er keine gesetzlichen Vertreter mehr. Deshalb kann er selbst ab diesem Zeitpunkt die erforderliche Genehmigung erteilen oder verweigern, § 108 Abs. 3 BGB. Das gilt auch, wenn die Eltern bereits zur Erklärung über die Genehmigung aufgefordert wurden. Wurde noch keine Aufforderung ausgesprochen, kann dies auch nur noch ihm gegenüber erfolgen (MüKo BGB/Spickhoff § 108 Rn. 36).
 
4. Zwischenfazit
Hier endet in der Regel die Prüfung des Vertragsschlusses. Entweder ist der Vertrag durch die Genehmigung ex tunc wirksam geworden oder aufgrund Verweigerung oder Verweigerungsfiktion endgültig unwirksam. Wichtig ist, hier gründlich mit den entsprechenden Vorschriften zu arbeiten und diese strukturiert durchzuprüfen.
 
B) Herausgabeansprüche im Kontext des Minderjährigenrechts
Häufig wird in der BGB-Klausur die Kaufsache auch schon an den Minderjährigen übergeben und übereignet worden sein, sodass sich darüber hinaus die Frage nach Herausgabeansprüchen stellen wird. Bekannt sein sollten euch auf jeden Fall § 985 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
 
I. § 985 BGB
985 BGB ist der Herausgabeanspruch des Eigentümers gegen den Besitzer ohne Besitzrecht. Dieser muss, wenn nach Herausgabe gefragt ist, zuerst geprüft werden.
 
1. Voraussetzungen
 

I. Anspruchssteller ist Eigentümer
II. Anspruchsgegner ist Besitzer
III. Besitzer hat kein Recht zum Besitz, § 986 BGB

 
Der Schwerpunkt der Prüfung wird normalerweise bei Punkt I. liegen. Hier ist die Prüfung chronologisch vorzunehmen, es kommt also darauf an, wer ursprünglicher Eigentümer war und an wen und wodurch er sein Eigentum verloren haben könnte.
 
2. Beispiel
V und der minderjährige M haben einen Kaufvertrag über ein Handy geschlossen, der aber mangels Zustimmung der Eltern des M unwirksam ist. V hat M das Handy bereits mit nach Hause gegeben und beide wollten auch, dass M das Eigentum hieran erhält.
Ursprünglich war also V Eigentümer des Handys. Er hat sein Eigentum an M durch Übergabe und Übereignung gem. § 929 S. 1 BGB verloren. Hierbei gilt es, i.R.d. dinglichen Einigung auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip zu achten: Während der Kaufvertrag (der hier gar nicht erst anzusprechen ist!) unwirksam ist, ist das Verfügungsgeschäft unabhängig davon wirksam: M erhält hierdurch Eigentum an dem Handy, also rechtlich lediglich einen Vorteil, sodass dieses keiner Zustimmung bedarf. Ein Anspruch aus § 985 BGB scheitert daher an der fehlenden Eigentümerstellung des V.
 
II. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Als nächstes zu prüfen ist der Anspruch aus Bereicherungsrecht, der eine ungerechtfertigte Bereicherung rückabwickeln soll.
 
Voraussetzungen
 

I. Etwas erlangt

  •  jeder vermögenswerte Vorteil

II. Durch Leistung

  •  bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens

III. Ohne rechtlichen Grund

 
Bei der Prüfung dieses Anspruchs ist darauf zu achten, dass iRd erlangten Etwas die genaue Rechtsposition zu benennen ist. Nicht ausreichend ist es, an dieser Stelle davon zu sprechen, der Minderjährige habe „das Handy“ erlangt. Richtig muss es heißen: „Eigentum und Besitz an dem Handy“.
I.R.d. Prüfung des rechtlichen Grundes kann es je nach Fallkonstellation auch vorkommen, dass die Prüfung des Zustandekommens des Vertrags hier eingeschachtelt werden muss. Hat man diese bereits vorgenommen, reicht insoweit ein Verweis.
 
C) Fazit
Das Minderjährigenrecht in der BGB-Klausur bietet viele Stellen, an denen der Klausursteller Wissen und Strukturverständnis abfragen kann. Mit einer gründlichen, strukturierten Lösung unter Zuhilfenahme der umfassenden Regelungen des BGB kann aber jede BGB-Klausur vernünftig gemeistert werden. Führt euch immer vor Augen, dass der Gesetzgeber den Minderjährigen vollumfänglich schützen wollte und schon das Gesetz euch daher für (fast) alle Fälle ausreichend wappnet, wenn ihr es nur richtig anwendet. Viel Erfolg bei den Klausuren!

20.01.2020/3 Kommentare/von Charlotte Schippers
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Charlotte Schippers https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Charlotte Schippers2020-01-20 09:29:362020-01-20 09:29:36Grundzüge des Minderjährigenrechts für die BGB-AT-Klausur
Dr. Stephan Pötters

Verteilung kostenloser Koranexemplare durch Salafisten – Rechtliche Implikationen

Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Wie in der Presse berichtet wurde (s. etwa den Beitrag in der Zeit oder im Spiegel), haben in zahlreichen deutschen Städten Anhänger der (radikalen) islamischen Strömung des Salafismus Koranexemplare gratis in Fußgängerzonen verteilt. Anfangs wurden die Informationsstände und Verteilaktionen wohl als Versammlung angemeldet, später hingegen nicht mehr.
Auch wenn es natürlich jetzt dem ein oder anderen Politiker unter den Fingern brennt, wird man letztlich gegen solche Verteilaktionen nichts unternehmen können, solange eben schlicht und einfach der Koran oder andere harmlose Schriften ausgegeben werden und eine öffentliche Hetze unterbleibt. Auch eine Genehmigungsbedürftigkeit für derartige Aktionen ist abzulehnen.
Versammlungsfreiheit tangiert?
Versammlungen sind nicht genehmigungspflichtig. Allenfalls besteht eine Anmeldepflicht, deshalb ist es natürlich verständlich, dass die Salafisten versucht haben, ihre Infostände und Verteilaktionen als Versammlungen anzumelden. Im Regelfall dürfte dies jedoch nicht gelingen, zumindest wenn man dem restriktiven Versammlungsbegriff des BVerfG folgt. Vorausgesetzt wird, dass der gemeinsame Zweck der Zusammenkunft auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet ist (BVerfGE 104, 92, 104). Infostände dienen eher dem Austausch von individuellen Meinungen, nicht aber der kollektiven Meinungsäußerung i.S.d. Art. 8 GG.
Genehmigungsbedürftige Sondernutzung nach Straßen- und Wegerecht?
Auch wenn damit der Schutz der Versammlungsfreiheit regelmäßig nicht greifen dürfte, bedeutet dies freilich nicht, dass es sich bei solchen Verteilaktionen etc. stets um eine genehmigungspflichtige Sondernutzung handelt.
Straßen- und Wegerecht ist zunächst Landesrecht, die Differenzierung zwischen Gemeingebrauch und genehmigungspflichtiger Sondernutzung ist jedoch in allen entsprechenden Regelungen gegeben – so z.B. §§ 14, 18 StrWG NRW:

§ 14 Gemeingebrauch
(1) Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet (Gemeingebrauch). Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Rechtsanspruch.
[…]
(3) Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist. Der Straßenanliegergebrauch (§ 14a) bleibt unberührt.
§ 18 Sondernutzungen
(1) Die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus ist unbeschadet des § 14a Abs. 1 Sondernutzung. Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde. […]

Es gibt in diesem Zusammenhang mehrere argumentative Ansatzpunkte, um die Genehmigungsfreiheit einer Koranverteilung zu begründen. Einerseits könnte man bei einer Fußgängerzone argumentieren, dass diese eben nicht bloß zur Fortbewegung gewidmet ist, sondern auch dem Verweilen und dem Gespräch mit anderen Bürgern dient (sog. kommunikativer Gemeingebrauch). In diese Richtung geht etwa die Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 8.4.1998 – 5 Ss OWi, NJW 1998, 2375):

„Die freihändige entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe von Schriften, Büchern und CDs religiösen Inhalts in einer Fußgängerzone durch einen Anhänger einer Glaubensgemeinschaft (hier: der Hare-Krishna-Bewegung) ist dem jedermann gestatteten Gemeingebrauch zuzurechnen und stellt keine erlaubnispflichtige Sondernutzung dar.
[…]
Gemeingebrauch ist der jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattete, ohne besondere gesetzliche Regelung gebührenfreie Gebrauch von öffentlichen Straßen, sofern sie vorwiegend zu dem Verkehr benutzt werden, dem sie zu dienen bestimmt sind (§ 14 I 1, III 1, IV NWStrWG). [… Es hat sich als] jetzt herrschende Auffassung durchgesetzt, daß innerörtliche Straßen, insbesondere Fußgängerbereiche, nach heutiger Anschauung nicht nur zur Fortbewegung von Menschen und Sachen bestimmt, sondern auch Ruhezonen sind, die Passanten zum Verweilen einladen und ihnen die Möglichkeit zum Austausch und Verbreiten von Informationen und Meinungen eröffnen sollen. Demgemäß sind Fußgängerzonen als ein allgemein zugängliches Forum der Kontaktaufnahme und Kommunikation zu betrachten. […] Daraus folgt: Nicht nur der mündliche Austausch bzw. die mündliche Verbreitung von Informationen und Meinungen, sondern auch die freihändige Verteilung von Zeitungen, Handzetteln, Flugblättern oder Tonträgern mit solchen Inhalten sind grundsätzlich dem jedermann erlaubnisfrei gestatteten Gemeingebrauch zuzurechnen.“

Will man diesen Weg nicht gehen, so ist es auch möglich, den unbestimmten Rechtsbegriff des Gemeingebrauchs „grundrechtsoffen“ im Lichte der Verfassung auszulegen. Diesen Weg scheint das BVerfG in einem Kammerbeschluss im Hinblick auf Art. 5 GG zu gehen (Beschluß vom 18.10.1991 – 1 BvR 1377/91, NVwZ 1992, 53). Ähnlich könnte man vorliegend im Hinblick auf das Recht auf freie Religionsausübung (Art. 4 Abs. 2 GG) argumentieren, denn das Werben für die eigenen Glaubensinhalte durch Verteilen kostenloser Koranexemplare ist sicherlich vom Schutzbereich der Religionsfreiheit erfasst.
Dies bedeutet freilich nicht, dass ein Einschreiten gegen die Salafisten in jedem Fall unmöglich wäre. Wenn etwa eine Straße vollständig blockiert wird, könnte eine ungenehmigte Sondernutzung vorliegen. Auch ist natürlich ein Einschreiten nach Polizei- und Ordnungsrecht möglich, wenn nicht mehr nur harmloses Material verteilt wird. Es muss dann eben im Einzelfall das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und/oder Ordnung geprüft werden. Nicht aber können solche Verteilaktionen pauschal unter einen Erlaubnisvorbehalt gestellt werden, sodass die freie Religionsausübung in das Ermessen einer Behörde gestellt würde.

26.04.2012/25 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2012-04-26 15:05:062012-04-26 15:05:06Verteilung kostenloser Koranexemplare durch Salafisten – Rechtliche Implikationen

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