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Schlagwortarchiv für: Gehsteigberatung

Tom Stiebert

VG Dresden: Gemeingebrauch vs. Sondernutzung: Zulässigkeit eines Staffellaufs auf Bundesstraße

Kommunalrecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das Verwaltungsgericht Dresden hat in einem Beschluss vom 23.04.2013 (Az. 6 L 82/13) festgestellt, dass die Nutzung einer Bundesstraße durch einen Staffellauf unzulässig ist und demzufolge eine entsprechende Sondernutzungserlaubnis nicht erteilt werden kann (der beck-Ticker berichtete).
Die Fallgestaltung eignet sich sehr gut, um die – auch im Studium und Examen wichtige – Materie des Straßen- und Wegerechts zu wiederholen. Vertieft werden kann in diesem Zusammenhang insbesondere die Differenzierung zwischen Sondernutzung und Gemeingebrauch.
I. Gesetzliche Grundlagen
Die gesetzlichen Regelungen hierzu sind dem Landesrecht zuzuordnen. In NRW und Bayern bspw. entstammen sie dem Straßen- und Wegegesetz; andere Länder bezeichnen das Gesetz lediglich als Wegegesetz (Hamburg) oder Straßengesetz (bspw. Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Thüringen). Eine Übersicht über die Gesetze findet sich hier.
Für den Gemeingebrauch findet sich stets folgende bzw. eine ähnliche Regelung:

Der Gebrauch der öffentlichen Straßen ist jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften gestattet (Gemeingebrauch).

Wichtig ist dabei zu wissen, dass der Gemeingebrauch stets erlaubnisfrei zulässig ist.
Im Gegensatz dazu lautet für die Sondernutzung die Regelung:

Die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus ist Sondernutzung. Die Sondernutzung bedarf der Erlaubnis der Straßenbaubehörde.

II. Gemeingebrauch/ Sondernutzung im Einzelfall
1. Allgemeine Begriffsbestimmung
Die Schwierigkeit ist damit im konkreten Fall zu bestimmen, ob in einer bezweckten Nutzung Gemeingebrauch oder Sondernutzung zu erkennen ist.
Entscheidend zur Definition ist damit der Zweck der Straße. Grundsätzlich ist ihr Hauptzweck die Benutzung zur Ortsveränderung. Damit ist jeder straßenrechtlich zugelassene ruhende und fließende Verkehr als Gemeingebrauch anzusehen. Dies zeigt sich auch in der Widmung der Straße als Bundesstraße o.ä. Wenn es sich hingegen um eine Fußgängerzone handelt, so ist auch die Benutzung durch Fußgänger zur Fortbewegung als Gemeingebrauch anzusehen. Auch solche Straßen sind ebenso wie bspw. Fuß- und Radwege unter den Anwendungsbereich des Straßen- und Wegegesetzes zu subsumieren (vgl. für NRW § 2 StrWG).
Dessen ungeachtet tritt aber nach der Rechtsprechung zumindest in besonderen Bereichen auch der kommunikative Aspekt zusätzlich zum eigentlichen Fortbewegungszweck hinzu. Die Straße/ der Weg dient nicht allein dem ungehinderten (Fußgänger)Verkehr, sondern auch der Kommunikation der Fußgänger untereinander. Damit sind bspw. auch das Betrachten von Schaufenstern sowie im Grundsatz auch kommunikative Aspekte als Gemeingebrauch anzusehen, wenn sie zumindest noch einen Bezug zur Fortbewegung haben.
Hierzu hat bspw. der VGH Mannheim (Urteil v. 31.01.2002 – 5 S 3057/99) dargelegt:

Unter „Verkehr“ im klassischen Sinn ist die Benutzung der Straße zum Zwecke der Ortsveränderung bzw. der Fortbewegung von Menschen und Sachen – unter Einschluss des „ruhenden Verkehrs“ – zu verstehen. In Fußgängerbereichen, ebenso in verkehrsberuhigten Bereichen zählen hierzu auch sonstige verkehrsbezogene Nutzungen wie etwa das Herumstehen oder das Sitzen/Ausruhen auf einer Bank. Darüber hinaus entspricht es dem modernen Funktionsbild vor allem von Fußgängerbereichen, aber auch verkehrsberuhigten Bereichen, dass hier auch andere Verhaltensweisen üblich sind, wie etwa das Betrachten von Schaufenstern oder sehenswerten Gebäuden sowie die Begegnung und Kommunikation mit anderen Passanten. Ein solch „kommunikativer Verkehr“ ist in der Aufenthaltsfunktion eines Fußgängerbereichs wie auch eines verkehrsberuhigten Bereichs angelegt und wird vom Widmungszweck dieser Verkehrsflächen gefördert.

2. Abgrenzung im Einzelfall
Gemeingebrauch scheidet freilich dann aus, wenn der kommunikative oder werbende Aspekt in den Vordergrund rückt und die Fortbewegung lediglich von untergeordneter Bedeutung ist. Hierfür finden sich in der Rechtsprechung zahlreiche Beispiele:

  • So ist beispielsweise das Musizieren oder auch Malen in Fußgängerzonen stets als Sondernutzung anzusehen (BVerwG v. 19.12.1986 – 7 B 144/86); BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 20.05.1987 – 1 BvR 386/87).
  • Auch das Aufstellen von Werbeständen ist als Sondernutzung anzusehen.

Umstritten ist, ob die das bloße (gezielte) Ansprechen von Passanten als Sondernutzung anzusehen ist, wenn keine weiteren Hilfsmittel verwendet werden (sog. Gehsteigberatung). Starke Tendenzen in der Rechtsprechung gehen dahin, dies zu verneinen (BVerfG , Beschl. v. 18.10.1991 – 1 BvR 1377/91; BVerwG, Urt. v. 07.06.1978 – 7 C 5.78; zuletzt VGH Bad.-Württemberg v. 11.10.2012 – 1 S 36/12). Siehe zu dieser sehr examensrelevanten Materie auch unseren Beitrag.
Ebenso zählt auch das Parken am Fahrbahnrand unstrittig zum Gemeingebrauch. Zwar dient dies nicht mehr unmittelbar der Fortbewegung, allerdings erfordert eine Fortbewegung im öffentlichen Verkehr bei objektiver Betrachtung eben auch das Parken. Die Grenze zur Sondernutzung ist aber dann überschritten, wenn das Parken lediglich oder überwiegend zu Werbezwecken erfolgt. Gleiches gilt auch, wenn Autofahrten lediglich werbende Zwecke haben. Hierzu legt bspw. das OVG NRW mit Urteil v. 12.07.2005 (Az. 11 A 4433/02) dar:

Das Abstellen eines zugelassenen und betriebsbereiten Kraftfahrzeuges auf einer zum Parken zugelassenen öffentlichen Straßenverkehrsfläche ist grundsätzlich ein straßenverkehrsrechtlich zulässiges Parken und damit eine Benutzung der Straße im Rahmen des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs. […]
Eine andere Sichtweise ist jedoch bei Fahrzeugen geboten, die allein oder überwiegend zu einem anderen Zweck als dem der späteren Wiederinbetriebnahme „geparkt“ werden mit der Folge, dass eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung der Straße vorliegt. Denn damit wird das Fahrzeug zu einer auf die Straße aufgebrachten verkehrsfremden „Sache“, nicht anders als jeder beliebige sonstige körperliche Gegenstand. Derartige Vorgänge fallen bereits aus der Widmung zum Verkehr und damit aus dem einschlägigen Gemeingebrauch heraus, da sie nicht „zum Verkehr“ geschehen. […]
Dies ist etwa der Fall, wenn die Straße trotz einer scheinbar äußerlichen Teilnahme am Straßenverkehr zum alleinigen oder überwiegenden Zweck der Werbung benutzt wird. Der Verkehrsraum wird dann zu verkehrsfremden Zwecken in Anspruch genommen, das Fahrzeug seiner Eigenschaft als Transportmittel entkleidet und als (motorisierte) Reklamefläche verwendet. Es ist daher in der Rechtsprechung im Grundsatz anerkannt, dass der Einsatz von Werbefahrzeugen den Gemeingebrauch überschreitet und eine straßenrechtliche Sondernutzung darstellen kann. Dies gilt sowohl für reine Werbefahrten mit Kraftfahrzeugen oder Anhängern […]
als auch für das Abstellen eines Kraftfahrzeuges zu Werbezwecken […] oder das Abstellen eines Reklameanhängers.

Abzugrenzen ist somit, ob die Teilnahme am Verkehr tatsächlich der Fortbewegung dienen soll oder andere Zwecke im Vordergrund stehen.
In diesem Kontext wird auch die Benutzung von Bierbikes behandelt. Auch hier steht nach Ansicht der Rechtsprechung die Fortbewegung nur im Hintergrund, sodass es sich um erlaubnispflichtige Sondernutzung handelt. (Siehe hierzu unsere Beiträge zum Urteil des BVerwG und OVG.)
3. Betrachtung im konkreten Fall
Bei der Entscheidung des VG Dresden ging es um die Zulässigkeit eines Staffellaufs. Zwar steht hier auf den ersten Blick die Fortbewegung im Vordergrund, allerdings erfolgt diese hier allein anlässlich eines sportlichen Wettkampfs. Zudem ist sie auch außerhalb der Widmung der Bundesstraße, darf diese gerade nicht von Fußgängern genutzt werden. (Schwieriger wäre die Frage damit zu beantworten, wenn der Lauf in einer Fußgängerzone stattfinden sollte).
III. Voraussetzung einer Erlaubnis zur Sondernutzung
Ob eine Sondernutzungserlaubnis erteilt wird, steht im Ermessen der jeweiligen Straßenbehörde. Zu berücksichtigen sind dabei bspw. Grundrechte (insbes. bei der Genehmigung von Versammlungen und bei künstlerischen oder wissenschaftlichen Darbietungen etc.). Letztlich ist in jedem Fall gesondert abzuwägen. Dabei ist insbesondere die Stärke der Einschränken des widmungsgemäßen Verkehrs zu berücksichtigen. Hinweis:  Ist Art. 8 GG betroffen, so kann offenbleiben, ob es sich bei einer Versammlung um Sondernutzung oder Gemeingebrauch handelt (für letzteres VGH Hessen v. 29.12.1987 – 3 TH 4068/87), da die Erlaubnisfreiheit aus Art. 8 GG bzw. aus dem VersG dann spezieller ist. Es bedarf damit lediglich der Anmeldung nach Art. 14 Abs. 1 VersG.
Ein solcher Fall lag hier aber nicht vor. Die Behörde hat die unterschiedlichen Interessen auch ausreichend berücksichtigt:

Die zuständigen Behörden führten aus, dass die Sperrung einer Bundesstraße nur in engen Ausnahmefällen in Betracht komme. Diese Straßen seien insbesondere zur Nutzung durch den überörtlichen Verkehr bestimmt. Eine Zustimmung zu ihrer Vollsperrung komme nur in Betracht, wenn dies aufgrund der Art der vorgesehenen Veranstaltung unumgänglich sei und andere Straßen nicht zur Verfügung stünden. Dies sei hier nicht der Fall, da die Stadt über einen großen Marktplatz und geeignete untergeordnete Straßen verfüge.

IV. Fazit/ Examensrelevanz

Die Lösung des VG Dresden überrascht nicht. Dennoch eignet sich der Fall sehr gut das Wissen zum Straßen- und Wegerecht aufzufrischen. Dies ist gerade deshalb notwendig, da in letzter Zeit, wie gezeigt, einige sehr examensrelevante Fälle in diesem Rechtsgebiet entschieden wurden, die allesamt allein eine Abgrenzung von Gemeingebrauch und Sondernutzung erforderten. Hier ist dann ein gutes Problembewusstsein wichtig, um auch neue unbekannte Konstellationen lösen zu können.

28.04.2013/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-28 14:00:592013-04-28 14:00:59VG Dresden: Gemeingebrauch vs. Sondernutzung: Zulässigkeit eines Staffellaufs auf Bundesstraße
Zaid Mansour

VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Der VGH Baden-Württemberg hat entschieden, dass das gezielte Ansprechen von Frauen auf Schwangerschaft oder Abtreibung in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle (sog. „Gehsteigberatung“) durch unbekannte Dritte weiterhin verboten bleibt  (Urteil vom 19.10.2012 – Az. 1 S 915/11). Die „Gehsteigberatung“ verletze aller Voraussicht nach das allgemeine Persönlichkeitsrecht der angesprochenen Frauen, so der VGH Baden-Württemberg.
Sachverhalt
Die Stadt Freiburg hat im zugrunde liegenden Fall dem Kläger (einem gemeinnützigen Verein) mittels einer sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung und unter Androhung eines Zwangsgeldes i.H.v. 250 €, verboten, in unmittelbarer räumlicher Nähe zu einer Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle Personen auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation anzusprechen oder ihnen unaufgefordert Broschüren, Bilder oder Gegenstände zu diesem Thema zu zeigen oder zu überreichen. Der Verein (Kläger) hat zunächst – ohne Erfolg – einstweiligen Rechtsschutz gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung ersucht. Das Verwaltungsgericht Freiburg hat die Klage im Hauptsacheverfahren ebenfalls abgewiesen. Der VGH bestätigte nunmehr – nachdem in der Berufungsverhandlung zahlreiche Zeugen angehört wurden – dieses Urteil.
Rechtliche Würdigung
Man wird zunächst bei der gutachterlichen (Begründetheits)Prüfung der Klage untersuchen müssen, auf welche Ermächtigungsgrundlage die Behörde ihre Untersagungsverfügung stützen konnte. Dabei sollte vorliegend nicht voreilig auf die polizeiliche bzw. ordnungsbehördliche Generalklausel rekurriert werden. Vielmehr sollte zunächst geprüft werden, ob entsprechende Vorschriften des Landesstraßenrechts einschlägig sind (die Landesstraßengesetze finden Sie hier). Nach Maßgabe der straßenrechtlichen Vorschriften kann die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Beendigung der Straßenbenutzung anordnen, wenn und soweit die Straße ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis benutzt wird (vgl. etwa § 22 Satz 1 StrWG NRW). Die landesrechtlichen Vorschriften des Straßenrechts legen fest, dass eine über den Gemeingebrauch der Straße hinausgehende Sondernutzung einer behördlichen Erlaubnis bedarf. Der Gemeingebrauch wird regelmäßig dahingehend definiert, dass der Gebrauch der öffentlichen Straßen jedermann im Rahmen der Widmung und der Straßenverkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen gestattet ist. Öffentliche Straßen sind nur Straßen, Wege und Plätze, die dem öffentlichen „Verkehr“ gewidmet sind (vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW). Der klassische Verkehrsbegriff erfasst dabei nach allgemeinem Verständnis die Benutzung zum Zwecke der Ortsveränderung bzw. Fortbewegung von Menschen und Sachen, einschließlich des ruhenden Verkehrs. In Fußgängerbereichen umfasst dies auch sonstige verkehrsbezogene Nutzungen, wie etwa das bloße Herumstehen oder Ausruhen auf einer Bank. Allerdings wird nunmehr auch dem kommunikativen Aspekt des Gemeingebrauchs Rechnung getragen. Danach sind insbesondere Fußgängerzonen nicht nur zur Fortbewegung bzw. zum kurzzeitigen Verweilen bestimmt, sondern dienen auch dazu, Fußgängern die Möglichkeit zum Austausch und Verbreiten von Informationen und Meinungen zu geben. Das bloße Verteilen von Flugblättern und Ansprechen von Passanten wird dabei im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG generell als Gemeingebrauch gewertet. Gleiches gilt mit Blick auf Art. 4 Abs. 1 GG für das Verbreiten religiöser bzw. weltanschaulicher Schriften und Missionierungstätigkeiten. Eine erlaubnispflichtige Sondernutzung wird hingegen regelmäßig bejaht, wenn die Leichtigkeit und Sicherheit des Fußgängerverkehrs etwa durch das Aufstellen von Schildern oder sonstigen Hindernissen beeinträchtigt wird oder wenn mit dem Verteilen von Flugblättern gewerbliche Zwecke verfolgt werden. Vorliegend dürfte das Verhalten des Klägers noch dem kommunikativen Verkehr und damit dem Gemeingebrauch zuzurechnen sein, sodass straßenrechtliche Eingriffsbefugnisse nicht einschlägig sind.
Bei der sodann anstehenden Prüfung der polizei- bzw. ordnungsbehördlichen Generalklausel kommt es zunächst primär darauf an, ob das dem Kläger zurechenbare Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt. Eine Gefahr liegt bei einem Lebenssachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an polizeirechtlich geschützten Gütern führt.  Der Gefahrenbegriff setzt eine Prognose im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts voraus, wobei das zu erwartende Schadensausmaß Berücksichtigung finden muss.  Dabei gilt: Je größer das Ausmaß des Schadens, umso geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit und die zeitliche Nähe des Schadenseintritts zu stellen. Maßgeblich ist dabei die ex-ante Perspektive eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Beamten. Die öffentliche Sicherheit umfasst drei Schutzgüter: den Schutz von Individualrechten, den Schutz der Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung und den Schutz des Bestandes und der Veranstaltungen des Staates und anderer Hoheitsträger.

Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit zähle auch das durch das Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG). Die gezielte Ansprache auf eine Schwangerschaftskonfliktsituation durch unbekannte Dritte auf der Straße verletze das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen. In der Frühphase der Schwangerschaft befänden sich die meisten Frauen in einer besonderen seelischen Lage, in der es in Einzelfällen zu schweren Konfliktsituationen komme. Diesen Schwangerschaftskonflikt erlebe die Frau als höchstpersönlichen Konflikt. Diese Situation begründe ein hohes Schutzniveau für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Frauen hätten daher gerade in dieser Lebensphase ein Recht darauf, von fremden Personen, die sie auf der Straße darauf ansprächen, in Ruhe gelassen zu werden. Die für den Kläger tätige Gehsteigberaterin missachte mit der gezielten Ansprache auf eine Schwangerschaft das Persönlichkeitsrecht der Frauen. Erschwerend komme hinzu, dass die Ansprache in der Öffentlichkeit auf einer belebten Straße und in einer für unbeteiligte Dritte wahrnehmbaren Weise erfolge. Dies hätten zahlreiche Zeuginnen bestätigt. Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts werde noch weiter verstärkt durch die den angesprochenen Frauen angebotenen Faltblätter mit teilweise einschüchternden und verstörend wirkenden Bildern von Föten und Teilen von Föten.

Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bedarf es sodann einer Abwägung zwischen den sich im konkreten Fall gegenüberstehenden Grundrechtspositionen. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts:

Der Kläger könne sich nicht auf den grundgesetzlichen Schutz der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) berufen. Denn die „Gehsteigberatung“ ziele allein auf eine individuelle Kommunikation mit Einzelpersonen. Im Rahmen der Abwägung müsse auch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) des Klägers im konkreten Fall gegenüber dem Persönlichkeitsrecht der Frauen zurücktreten. Denn auch bei einem Thema von besonderem öffentlichen Interesse wie dem eines Schwangerschaftsabbruchs schütze das Recht auf Meinungsfreiheit keine Tätigkeiten, mit denen anderen eine bestimmte Meinung aufgedrängt werden solle. Gerade hierauf ziele aber die Gehsteigberatung ab. Die Meinungsfreiheit des Klägers und seiner Mitglieder werde durch das Verbot der „Gehsteigberatung“ ferner nicht unverhältnismäßig beschränkt. Denn außerhalb der Humboldtstraße bleibe die Gehsteigberatung möglich. Eine allgemeine Kritik an der Möglichkeit der Abtreibung könnte darüber hinaus – ohne eine gezielte Ansprache von möglicherweise schwangeren Frauen – auch in der Humboldtstraße geäußert werden. Weiterhin komme dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen Vorrang auch gegenüber dem durch Art. 4 Abs. 1 GG geschützten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers zu.
Das Einschreiten der Stadt sei auch im öffentlichen Interesse geboten, da eine unbestimmte Vielzahl schwangerer Frauen von der mit der „Gehsteigberatung“ einhergehenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen sei. Eine zeitnahe wirkungsvollere Abwehr der Beeinträchtigungen sei nicht zu erreichen. Schließlich leide die Untersagungsverfügung an keinen Ermessensfehlern.

Examensrelevanz
Die vorliegende Entscheidung ist geradezu prädestiniert, um in naher Zukunft in schriftlichen und/oder mündlichen Examensprüfungen abgefragt zu werden. Ihr kann mithin eine äußerst hohe Examensrelevanz beigemessen werden. Der Fall lässt sich verwaltungsprozessual wunderbar einbetten (vor allem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes; s. dazu hier). Das erforderliche polizeirechtliche Standardwissen, die vorliegend bei der rechtlichen Würdigung ebenfalls heranzuziehenden grundrechtlichen Erwägungen sowie die Aktualität des Falles, dürfte einige Prüfer sicherlich dazu verleiten den Sachverhalt in naher Zukunft abzuprüfen.

23.10.2012/4 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-10-23 14:22:072012-10-23 14:22:07VGH Baden-Württemberg: Zur „Gehsteigberatung“ für Schwangere

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