Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
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In einer aktuellen Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: VIII ZR 267/17) hat sich der BGH abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret ging es um die Haftung eines Gebrauchtwagenverkäufers bei der Eintragung des Fahrzeugs in die Fahndungsliste des Schengener Informationssystems (SIS) nach Gefahrübergang. Der Fall, der sich hervorragend eignet, um die Feinheiten des Mängelrechts aufzuzeigen und daher problemlos Einzug in Klausuren finden kann, hat zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Abgrenzung des Sach- vom Rechtsmangel im Falle öffentlich-rechtlicher Beschränkungen; vor allem aber – und das ist das Neue an der vorliegenden Entscheidung – stellt sich die Frage, ob ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang dann angenommen werden kann, wenn zwar nicht der Rechtsmangel an sich, aber die Umstände, die kausal zum Rechtsmangel geführt haben, im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen.
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.07.2011 von V einen gebrauchten Pkw. Noch am selben Tag wurde der Kaufpreis entrichtet und das Fahrzeug, zusammen mit einer rechtmäßig ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, die den V als Eigentümer auswies, an den K übergeben. Am 06.03.2013 wurde der K mit dem Fahrzeug bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Das Fahrzeug wurde dort auf der Grundlage einer Interpol-Meldung mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht. Über das Polizeipräsidium Dortmund erhielt der Kläger in der Folgezeit zudem die Mitteilung, dass das Fahrzeug seit dem 22.05.2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zwecks Sicherstellung ausgeschrieben sei. Als Fahrzeughalter sei in Rumänien seit dem 22.12.2008 das Unternehmen U und die B als Besitzerin gemeldet. An dieses Unternehmen wurde das beschlagnahmte Fahrzeug in der Folge herausgegeben. Der K ist empört und wendet sich an V: Er begehre die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug, hilfsweise sofortige Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen.
In erster Instanz wurde die Klage vollständig abgewiesen. Das LG Köln hat es für erwiesen erachtet, dass das Fahrzeug nicht abhandengekommen war; deshalb habe der K gutgläubig das Eigentum erwerben können, sodass weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel anzunehmen sei (LG Köln, Urt. v. 26.10.2016 – 12 O 254/14, n.v.). Das OLG Köln hat in der Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den V auf den Hilfsantrag zur Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen verurteilt (OLG Köln, Urt. v. 09.11.2017 – 18 U 183/16, n.v.). In der Revisionsinstanz verfolgte der V nunmehr die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
B) Rechtsausführungen
Damit stellte sich für den BGH die Frage, ob dem V ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB zustand.
I. Kaufvertrag
Ein Kaufvertrag zwischen den Parteien besteht ohne Zweifel. Da aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, ob dem V eine Strafbarkeit, etwa wegen Hehlerei (§ 259 StGB), anzulasten ist, ist insbesondere nicht von der Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB oder § 138 BGB auszugehen (zur Unwirksamkeit eines Kaufvertrags bei Verstoß gegen § 259 StGB s. MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 42).
II. Rechtsmangel bei Gefahrübergang
Weiterhin dürfte der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verschaffung der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln nicht nachgekommen sein. Es müsste also – wie der K vorträgt – ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang vorliegen.
1. Rechtsmangel
Bei der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS müsste es sich also zunächst um einen Rechtsmangel handeln. Gemäß § 435 S. 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Zur vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht obliegt es dem Verkäufer also nicht nur, das Eigentum als solches zu übertragen. Er muss vielmehr auch sicherstellen, dass dem Käufer die Sache frei von Rechten Dritter verschafft wird, damit dieser als Eigentümer – wie es § 903 S. 1 BGB vorsieht – mit der Sache nach Belieben verfahren kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Hiervon ausgehend ist ein Rechtsmangel dann gegeben, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers darstellen, indem sie geeignet sind, ihn an der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 S. 1 BGB zustehenden Rechtsposition zu hindern (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 4; BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 6). In Betracht kommen dabei grundsätzlich alle dinglichen Rechte (beispielsweise (Grund-)Pfandrechte, Dienstbarkeiten wie Nießbrauch), aber auch obligatorische Rechte eines Dritten, soweit ihre Ausübung den Käufer in seiner aus § 903 BGB folgenden Eigentümerstellung beeinträchtigt (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 7). Erfasst werden hiervon auch solche Eingriffsbefugnisse, Einschränkungen und Bindungen, welche auf öffentlichem Recht beruhen (hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 10). Öffentlich-rechtliche Einschränkungen können indes auch einen Sachmangel bedeuten. Denn für die Qualifikation eines Umstandes als Sachmangel ist nicht allein seine physische Beschaffenheit maßgeblich. Vielmehr können auch Umstände, die sich letztlich als Nutzungs- oder Verwendungsbeeinträchtigungen auswirken, als Sachmangel einzuordnen sein. Daher ist an dieser Stelle eine Abgrenzung des Rechtsmangels vom Sachmangel erforderlich.
Anmerkung: Die Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel ist nicht nur theoretischer Natur. Die Einordnung als Rechtsmangel hätte unter anderem zur Folge, dass der auf Sachmängel zugeschnittene § 477 BGB (Beweislastumkehr bei Verbraucherverträgen) keine Anwendung findet.
Als Faustformel lässt sich festhalten, dass solche Mängel, die an die Beschaffenheit der Sache anknüpfen, Sachmängel darstellen, auch wenn sie dazu führen, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können, die ihn in der ungestörten Ausübung der Eigentümerbefugnisse beeinträchtigen (BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 10 m.w.N.). Das heißt: Solche öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (beispielsweise Enteignungen, Beschlagnahmen), die ihre Grundlage in der Beschaffenheit der Sache (also ihrer Zusammensetzung, ihrem physischen Zustand) haben, sind als Sachmangel einzuordnen (BGH, Urt. v. 26.2.2020 – VIII ZR 267/17, BeckRS 2020, 4703, Rn. 13; Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 18 ff.). In der Vergangenheit wurde dies beispielsweise für Beschränkungen der Bebaubarkeit, die an die Beschaffenheit (insbesondere die Lage) eines Grundstücks anknüpfen, angenommen (hierzu BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396; Urt. v. 17.03.1989 – V ZR 245/87, NJW 1989, 2388). Auch gilt dies konsequenterweise für Beschlagnahmen, wenn sich das Recht zur Beschlagnahme aus der Zusammensetzung bzw. dem Zustand der Kaufsache ergibt, so etwa bei Lebensmitteln, bei denen der Verdacht des Salmonellenbefalls besteht (BGH, Urt. v. 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, NJW 1972, 1462). Anders ist dagegen zu urteilen – also ein Rechtsmangel anzunehmen – wenn das Recht zum öffentlich-rechtlichen Eingriff aus „äußeren“ Umständen, die zwar eine Beziehung zur Sache aufweisen, ihr aber nicht unmittelbar anhaften, herrührt, wie beispielsweise aus der Nichtzahlung von Abgaben für die Sache. Wie aber ist in Bezug auf die SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zu urteilen? Die SIS-Ausschreibung bedeutet, dass das betreffende Fahrzeug zwecks Sicherstellung oder Beweissicherung in einem Strafverfahren gesucht wird. Damit gründet der dem Fahrzeug anhaftende Mangel (Gefahr der Beschlagnahme) nicht auf der physischen Beschaffenheit (beispielsweise technischen Aspekten), sondern auf dem äußeren Umstand, dass das Fahrzeug im Kontext einer Straftat verwendet wurde. Wendet man konsequent die Faustformel an, kommt man auf dieser Basis unzweifelhaft zur Annahme eines Rechtsmangels. Denn – so der BGH:
„[M]it der SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs zur Fahndung ist die konkrete, im gesamten Schengen-Raum bestehende Gefahr verbunden, dass das Fahrzeug bei einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle von staatlichen Behörden rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird (Senatsurteil vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 24) mit der Folge, dass es der Käufer – unabhängig von einem etwaig bestehenden, für die Beurteilung eines Rechtsmangels nicht maßgebenden Eigentumsherausgabeanspruch eines (Vor-)Eigentümers – nicht mehr ungestört im In- und Ausland nutzen kann.“ (Rn. 13).
Ein Rechtsmangel liegt damit vor.
Anmerkung: Lesenswert – und zur Vertiefung des Verständnisses empfehlenswert – ist auch das Urteil vom 18.01.2017, in dem der BGH ausführlich erörtert hat, dass die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem SIS zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung einen erheblichen Rechtsmangel bedeutet, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Im Zuge dessen hat der BGH eine ausführliche Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen in Bezug auf die Kaufsache vorgenommen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666).
2. Bei Gefahrübergang
Der Rechtsmangel muss aber auch im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – und hierin liegt die Krux des Falls – vorgelegen haben. Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist hier gemäß § 446 Abs. 1 BGB nach den Ausführungen des BGH der Zeitpunkt der Übergabe, also im konkreten Fall der 12.07.2011. Die SIS-Ausschreibung erfolgte aber erst am 22.05.2014, weshalb man vor diesem Hintergrund – ganz simpel – das Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs verneinen müsste.
Anmerkung: Die – soweit erkennbar – allgemeine Meinung in der Literatur sieht das bei Rechtsmängeln gleichwohl anders. Hiernach soll der maßgebliche Zeitpunkt anders als beim Sachmangel nicht die Übergabe, sondern der Zeitpunkt sein, in dem sich der Erwerb vollziehen soll, also regelmäßig der Zeitpunkt des Eigentumserwerb (der zugegebenermaßen oftmals mit der Übergabe zusammenfallen wird), s. hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 6 m.w.N. Hierauf soll jedoch nicht näher eingegangen werden, dient der Beitrag der Besprechung der BGH-Entscheidung, in der bei der Beurteilung konsequent auf den Zeitpunkt der Übergabe abgestellt wurde.
Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar der unmittelbare Rechtsmangel erst am 22.05.2014 begründet wurde, der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, aber schon am 12.07.2011 vorgelegen habe. Dass dies zur Annahme eines Mangels bei Gefahrübergang aber nicht genüge, hat der BGH in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt:
„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang nicht schon dann vor, wenn die letztlich zur späteren Eintragung in das SIS führende Ausgangslage […] bereits bei der nach § 446 Satz 1 BGB den Gefahrübergang herbeiführenden Übergabe des Fahrzeugs bestanden hat. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senatsurteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 14; vom 26. April 2015 – VIII ZR 233/15, aaO). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SISFahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SISFahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist […] für die Annahme eines Rechtsmangels nicht genügt.“ (Rn. 14 ff.)
Eine andere Sichtweise würde die Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers in unzumutbarer Weise überdehnen:
„Denn dieser müsste selbst bei dem Verkauf von Fahrzeugen, die eine lückenlos dokumentierte Historie aufweisen, auf lange Zeit für ein bei Gefahrübergang für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen einstehen, das irgendwann einen staatlichen Zugriff auf das Fahrzeug ermöglicht.“ (Rn. 17).
Dies hatte der BGH indes schon einmal anders gesehen: In einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 hatte es der BGH bei einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs für die Annahme eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang als ausreichend erachtet, dass der Sachverhalt, aufgrund dessen die spätere Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang vorlag (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Die diesem Sachverhalt zugrunde liegende Konstellation unterscheide sich jedoch derart vom vorliegenden Fall, dass nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten. Konkret:
„Der in dem Senatsurteil vom 18. Februar 2004 (VIII ZR 78/03, aaO) zu beurteilende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, dass bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen – auch gegen den Käufer des Fahrzeugs – wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden, in deren Folge es 16 Tage nach der Übergabe zu einer (rechtmäßigen und danach richterlich bestätigten) Beschlagnahme durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden kam (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, aaO). Somit drohte in jenem Fall bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine alsbaldige behördliche Beschlagnahme, die die Annahme eines bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtsmangels begründen konnte. Eine derartig „verdichtete“ Situation einer unmittelbar drohenden behördlichen Beschlagnahme bestand angesichts der vom Berufungsgericht zum zeitlichen Ablauf hier getroffenen Feststellungen bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger jedoch nicht. Somit kann […] auch insoweit ein bei Gefahrübergang vorhandener Rechtsmangel nicht bejaht werden.“ (Rn. 19).
Im vorliegenden Fall kann die Tatsache, dass der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, also nur deswegen nicht zur Annahme eines Sachmangels „bei Gefahrübergang“ führen, weil sich die Situation zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht hinreichend verdichtet hatte im Sinne eines unmittelbar drohenden behördlichen Einschreitens.
III. Ergebnis
Letztlich scheitert nach Auffassung des BGH ein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch kein Rechtsmangel vorlag.
C) Fazit
Die wichtigsten Aussagen des BGH können wie folgt zusammengefasst werden:
- Ein Sachmangel liegt in Abgrenzung zum Rechtsmangel immer dann vor, wenn der betreffende Umstand an die Beschaffenheit der Sache anknüpft, auch wenn er dazu führt, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Hiervon ausgehend liegt in der SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zur Fahndung ein Rechtsmangel.
- Ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang liegt nicht bereits dann vor, wenn die Umstände, die zur späteren Ausschreibung führen, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Denn eine konkrete Beeinträchtigung der Eigentümerposition ist erst mit der Eintragung in das SIS zu befürchten, denn erst dann verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. Anders geurteilt werden kann allenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine „alsbaldige“ behördliche Maßnahme droht, wenn sich die Situation also bereits so verdichtet hat, dass die der Maßnahme zugrunde liegenden Umstände in engem zeitlichem Abstand zur Durchführung (hier: Eintragung in das SIS) führen.
Die Entscheidung des BGH ist in Bezug auf die Äußerungen zum Gefahrübergang mehr als zweifelhaft, aber für die Praxis hinzunehmen. Aus streng dogmatischer Sicht hat der BGH freilich recht – der Rechtsmangel und nicht die für ihn irgendwie kausalen Umstände müssen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen. Gleichwohl erscheint das Urteil gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung aus dem Jahre 2004, in der der BGH ausdrücklich anerkannt hat, dass bereits dem Rechtsmangel zugrunde liegende Umstände genügen können, nahezu willkürlich. Denn wann ist der zeitliche Zusammenhang noch gewahrt, dass von einem unmittelbar bevorstehenden behördlichen Eingriff ausgegangen werden kann? Als Eckpunkte kann man sich allenfalls – wenn auch wenig hilfreich – merken, dass eine Beschlagnahme, die 16 Tage nach Gefahrübergang folgt, wohl bereits hinreichend „drohte“; sind dagegen nach Übergabe drei Jahre vergangen, bevor es zur Eintragung ins SIS kommt, kann dies zur Annahme des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs nicht genügen – auch wenn die Umstände, die zur Maßnahme geführt haben, bereits in diesem Zeitpunkt abschließend vorlagen. In einer Klausur kommt es daher auf die Argumentation an: Wichtig ist, dass sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt wird, ob die öffentlich-rechtliche Beschränkung bereits hinreichend drohte. Nur dann kann ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang angenommen werden.
„Gekauft wie gesehen“ – eine Formulierung, die sich im Alltag bei Kaufverträgen verschiedenster Gegenstände etabliert hat. Im Fokus eines für Examensklausuren besonders „heißen“ Beschlusses des OLG Oldenburg steht aber mal wieder der Gebrauchtwagenkauf (v. 28.8.2017 – 9 U 29/17). Der Fall zeigt, dass die in der Praxis oft gewählte Formulierung für Verkäufer sehr gefährlich werden kann.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
Eine Frau aus dem Emsland hatte von einem Mann aus Wiesmoor einen gebrauchten Peugeot für gut 5.000 Euro gekauft. Nach einiger Zeit wollte sie das Fahrzeug zurückgeben und ihren Kaufpreis zurückerhalten. Sie behauptete, das Fahrzeug habe einen erheblichen Vorschaden, von dem sie beim Kauf nichts gewusst habe. Der Verkäufer bestritt einen Vorschaden und berief sich außerdem darauf, dass man mit der benutzen Formulierung „gekauft wie gesehen“ Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen habe.
II. Rechtliche Würdigung
Die Klägerin könnte einen Anspruch aus §§ 346 Abs. 1 S.1, 437 Nr. 2, 434, 433, 323 BGB auf Rückgewähr des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro gegen den Verkäufer haben.
Ein Kaufvertrag sowie die Lieferung einer mangelhaften Sache liegen vor. Durch den erheblichen Vorschaden weicht die Kaufsache jedenfalls nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB von der Beschaffenheit ab, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann: Der Pkw hat nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen einen erheblichen, nicht vollständig und fachgerecht beseitigten Unfallschaden. Eine Fristsetzung war wegen der Unmöglichkeit der Nacherfüllung nicht erforderlich, § 326 Abs. 5 BGB.
Der Verkäufer könnte jedoch nach § 444 BGB die Gewährleistungsrechte der Käuferin ausgeschlossen haben. Dies könnte hier in Form der verwendeten Formulierung „Gekauft wie gesehen“ der Fall sein. Notwendig ist insoweit eine Auslegung der von den Vertragsparteien gewählten Vertragsformulierung „Gekauft wie gesehen“. Auslegungsmaßstab ist der objektive Empfängerhorizont, §§ 133, 157 BGB. Ein objektiver Dritter versteht die Formulierung nach Auffassung des OLG Oldenburg als bloß beschränkten Gewährleistungsausschluss. Dieser umfasst demnach nur solche Mängel, die ein Laie ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen bei einer Besichtigung erkennen könne. Mängel, die dem verständigen Käufer bei bloßer Ansicht des Kaufgegenstandes verborgen bleiben, sind demnach nicht von der Gewährleistung ausgeschlossen. Vorliegend handelt es sich um einen sog. versteckten Mangel, der für einen Laien bei bloßer Außenansicht nicht erkennbar war. Insoweit greift der Gewährleistungsausschluss daher nicht.
Eine nachvollziehbare Entscheidung: Die Gewährleistung wird nur soweit ausgeschlossen, wie die Vertragsparteien von ihr durch Augenschein Kenntnis nehmen konnten. Ein weitergehender Ausschluss bedarf der konkreten Vereinbarung, da der Käufer im Zweifel nicht auf Rechte verzichtet, deren Umfang er überhaupt nicht abschätzen kann. Den Vertragsparteien bleibt es aber selbstverständlich möglich, einen umfassenden Ausschluss zu vereinbaren – dieser muss dann aber eben ausdrücklich erfolgen. Etwa: „Unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung“.
Gepunktet werden kann an dieser Stelle noch mit gutem Systemverständnis der gleichsam zweistufigen Prüfung des § 444 BGB: Zunächst ist festzustellen, ob überhaupt ein den streitgegenständlichen Mangel umfassender Gewährleistungsauschluss vorliegt – was vorliegend bereits zu verneinen war. Erst in einem weiteren Schritt ist – bei Annahme des Ausschlusses der Gewährleistung – zu prüfen, ob der Verkäufer diesen arglistig verschwiegen hat. Liegt aber bereits kein Gewährleistungsausschluss vor, kommt es nach der Konzeption des Gewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB nicht auf die Kenntnis oder Arglist des Verkäufers an. Dieses ist insoweit, also hinsichtlich des Rücktritts als Lösungsrecht vom Vertrag, gerade verschuldensunabhängig ausgestaltet. Anders hingegen bei aus dem Mangel folgenden Schadensersatzansprüchen, die grundsätzlich verschuldensabhängig ausgestaltet sind (§ 280 Abs. 1 BGB).
Im Examen ist eine sorgsame Auslegung des Inhalts des Gewährleistungsausschlusses zu prüfen und sodann zu subsumieren. Letzteres dürfte leicht fallen, wenn der Mangel erst durch einen Sachverständigen aufgeklärt werden konnte und ansonsten für Laien nicht erkennbar war. Wieder einmal ein examensträchtiger Fall rund um Gebrauchtwagen – als gäbe es nicht bereits genug!
Verschiedene Probleme rund um den Autokauf – insbesondere Gebrauchtwagenkauf – sind absolute Klassiker, die immer wieder Einzug in Examensklausuren finden. Konstellationen wie in zwei kürzlich entschiedenen, sehr ähnlich gelagerten Fällen des OLG Hamm, in denen sich das Gericht unter anderem mit Nachforschungspflichten des Käufers beim Autokauf beschäftigte, eignen sich hervorragend, um sachenrechtliches Standardwissen abzuprüfen. Dass die Kaufverträge über das Internet geschlossen wurden, könnte die Sachverhaltsersteller inspirieren, auch schuldrechtliche Probleme (Stichwort: Vertragsschluss über eBay, s. auch hierzu unsere Rechtsprechungsübersicht) zu integrieren.
Die vereinfacht dargestellten Fälle sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, insbesondere die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – angewandt auf die konkreten Fälle – darzustellen.
I. Sachverhalte
1. Rechtsstreit 5 U 110/15
Der Kläger, ein privater Verkäufer, bot seinen PKW im Internet zum Verkauf an. Er einigte sich mit einem Kaufinteressenten, der jedoch – wie sich später herausstellte – einen falschen Namen benutzte. Zur Abholung des Wagens erschien eine Person, die sich als Beauftragter des Namensträgers auswies, und dem Kläger zudem eine gefälschte Quittung eines Bankinstituts über die angeblich getätigte Überweisung des Kaufpreises aushändigte. Der Kläger übergab daraufhin Pkw nebst Schlüsseln und Papieren, erhielt jedoch den Kaufpreis nicht.
Der Beklagte kaufte das Fahrzeug in der Folgezeit über ein Internetportal, wobei sich der Verkäufer, ein nach eigener Angabe gewerblicher Zwischenhändler, mit einem ausländischen Personalausweis auswies. Nach einer Besichtigung und Probefahrt des Fahrzeugs erfolgte die Bezahlung in bar, woraufhin der Beklagte das Auto sowie Schlüssel und Fahrzeugpapiere erhielt.
2. Rechtsstreit 5 U 69/16
Der Kläger verkaufte im Internet seinen Pkw. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin genannt. Bei dem Kaufinteressenten handelte es sich jedoch ebenfalls um einen Dritten, der sich unter falschem Namen gemeldet hatte.
Am Tag des Vertragsschlusses erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der Namensträger den Kaufpreis überwiesen hatte. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger den Pkw, die Schlüssel sowie die Fahrzeugpapiere wie vereinbart an ein Transportunternehmen aus, welches das Fahrzeug bei dem Dritten ablieferte. Den Kaufpreis erhielt er nicht. Der Dritte verkaufte den Wagen auf einem Gebrauchtwagenmarkt gegen Barzahlung an den Beklagten, wobei er sich mit einem ausländischen Reisepass auswies. Mit dem Pkw übergab er dem Beklagten auch Schlüssel und Fahrzeugpapiere.
II. Lösung
Fraglich ist in beiden Konstellationen, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist bzw. ob der Kläger gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat.
1. Ursprünglich Eigentum des Klägers
Zunächst war in beiden Fällen der Kläger Eigentümer.
2. Übereignung Kläger an Dritten
Das Eigentum könnte der Kläger jedoch durch die Veräußerung des Wagens an den Dritten gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben, was zunächst eine dingliche Einigung zwischen den Parteien erfordert. Fraglich ist hierbei aber, ob der Kläger das Eigentum an dem Wagen an den Handelnden oder an den im Kaufvertrag genannten Unbeteiligten übertragen wollte. Es ist folglich das Handeln unter falscher Namensangabe (Namenstäuschung) vom Handeln unter fremden Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. Maßgeblich ist hierbei, ob sich „das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird. Ein Eigengeschäft unter falscher Namensangabe – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden abschließen will. Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall sind die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.“ (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f.; s. auch v. 18.1.1988 – II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; v. 8.12.2005 – III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)
Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm in beiden Fällen angenommen, dass der Kläger sich mit dem Namensträger dinglich einigen wollte, also ein Handeln unter fremdem Namen vorliegt, was wie folgt begründet wird:
„[Der Kläger] hat […] Wert auf die Identität [seines Geschäftspartners] gelegt, wie sein gesamtes Verhalten bei der Geschäftsabwicklung deutlich macht. […] Angesichts dieser Zahlungsmodalitäten handelte es sich nicht um einen typischen Gebrauchtwagenkauf mit einem sofortigen und vollständigen Austausch der beiderseitigen Leistungen. Anders als in den Fällen, in denen das Eigeninteresse des Verkäufers in der Regel durch den sofortigen Erhalt des Kaufpreises in bar abgedeckt ist, bestand vorliegend die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die angebliche Überweisung seinem Konto nicht gutgeschrieben werde“ (s. Urteil v. 22.2.2016 – 5 U 110/15, Rn. 51, 42).
Da der Namensträger den Handelnden zu dem Erwerbsgeschäft aber weder bevollmächtigt noch dieses nachträglich genehmigt hat, fehlt es vorliegend an der dinglichen Einigung. Der Kläger hat sein Eigentum nicht durch die Veräußerung an den Dritten verloren.
Anmerkung: Hierbei sei darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung, ob ein Handeln unter falscher Namensangabe oder unter fremdem Namen vorliegt, stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen muss. Insbesondere ist auf das Urteil des BGH v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 zu verweisen, in dem der BGH bei einem sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen ein Handeln unter falscher Namensangabe angenommen hat.
3. Übereignung an den Beklagten
Durch die darauffolgende Übereignung an den Beklagten könnte dieser aber das Eigentum an dem Pkw erworben haben. Mangels Verfügungsberechtigung des Veräußerers kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 932 ff. BGB in Betracht. Bei einer wie in den vorliegenden Fällen erfolgten Übereignung im Wege des § 929 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 I 1 BGB. Da keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis bestehen, könnte dem Beklagten allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Hierunter fällt ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.)“.
Maßgeblich sind auch hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich bestehen keine Nachforschungspflichten. Für den Gebrauchtwagenkauf entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen muss, sowie überprüfen, ob der dort genannte Halter mit dem Veräußerer übereinstimmt. „Beim Kauf von Gebrauchtwagen sind bei fehlender Identität zwischen dem Veräußerer eines gebrauchten Pkw und dem letzten in dem Kraftfahrzeugbrief bzw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II verzeichneten Halter in aller Regel Verdachtsmomente vorhanden, die die Annahme einer Nachforschungspflicht rechtfertigen“ (vgl. BGH v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, Rn. 17, juris; v. 02.03.1989 – 5 U 202/88, juris; OLG Köln v. 28.4.2014 – 11 U 14/14, Rn. 4, juris).
Vor diesem Hintergrund führte das OLG Hamm in seinem Urteil aus, es gehöre
„zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO a.F.) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. BGH v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, juris, Rn. 12; BGH v. 13.5.1996 – II ZR 222/95, Rn. 7, juris; BGH v. 01.3.2013 – V ZR 92/12, Rn. 14, juris). Aber auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Über ihm bekannte oder offen liegende Verdachtsgründe darf sich der Erwerber nicht hinwegsetzen (vgl. BGH v. 1.3.2013 – V ZR 92/12 , Rn. 13, juris, m.w.N.).“
Im Rechtsstreit 5 U 110/15 hatte der Veräußerer dem Beklagten lediglich seinen ausländischen Ausweis vorgelegt, war aber nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt. Insoweit bestand folglich eine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass er dieser nicht nachgekommen ist, begründet grobe Fahrlässigkeit.
Auch in der Pressemitteilung zum Rechtsstreit 5 U 69/16, bei dem die Ehefrau des Klägers als Halterin eingetragen war, werden diese Grundsätze bestätigt:
„Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.“ (s. hier)
Das OLG ging also in beiden Fällen von grober Fahrlässigkeit aus, sodass ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheiterte.
4. Ergebnis
Der Kläger hat in beiden Fällen sein Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Da der Beklagte Besitzer ist und ihm kein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB zusteht, hat der Kläger gegen ihn einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB.
III. Fazit
Die Examensrelevanz derartiger Konstellationen kann nicht oft genug betont werden. Besonders sei noch einmal darauf hinzuweisen, dass, gerade weil vielen Studenten das Urteil des BGH zur Abgrenzung des Handelns unter fremdem Namen vom Handeln unter falscher Namensangabe beim Gebrauchtwagenkauf geläufig ist, genau auf die Umstände des konkreten Sachverhaltes einzugehen ist. Hinsichtlich etwaiger Nachforschungspflichten ist festzuhalten, dass solche für den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Veräußerer nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter genannt wird.
Der vom BGH kürzlich entschiedene Fall (Urt. v. 1. März 2013 – V ZR 92/12) ist durchaus dazu prädestiniert, um künftig in Examens- und/oder Übungsklausuren abgeprüft zu werden, da die ihm zugrundeliegende Konstellation ein klassisches Problem des Stellvertretungsrechts in klausurtauglicher Weise mit einer sachenrechtlichen Fragestellung verknüpft. Eine Kombination, die sehr häufig Eingang in zivilrechtliche Klausuren erhält. Hinzu kommt der Umstand, dass der BGH vorliegend zu einer seit geraumer Zeit lebhaft umstrittenen Rechtsfrage Stellung bezogen hat, was den Fall sicherlich auch in den Fokus einiger Prüfer und Klausursteller gerückt haben dürfte.
A. Sachverhalt
Der Beklagte (B) vermietete ein in seinem Eigentum stehendes Wohnmobil an einen Dritten (V), von dem er es allerdings nach Ablauf der Mietzeit nicht zurückerhielt.
Der Kläger (K), ein Gebrauchtwagenhändler, kontaktierte, nachdem ihm ein Zeitungsinserat auffiel, in dem das Wohnmobil zum Verkauf angeboten wurde, den V und wies daraufhin seinen Mitarbeiter (M) an zum vereinbarten Ort zu fahren, um dort die Kaufabwicklung zu vollziehen. Nachdem der M entgegen der Vereinbarung niemanden am Treffpunkt antraf, kontaktierte er V telefonisch. Dieser gab an, verhindert zu sein. Der M solle sich aber zu einem Parkplatz im Bereich der Ortschaft E. begeben, auf dem sich das Wohnmobil befinde.
Auf dem Parkplatz angekommen traf M auf zwei von dem V beauftragte Personen. Nach Telefonaten, die der M mit V und K führte, einigte man sich auf einen Kaufpreis. Der M formulierte handschriftlich einen Kaufvertrag und unterschrieb ihn für K. Als Verkäufer wurde der Name des B eingetragen. Für den V unterschrieb einer der beiden von ihm beauftragten Personen mit dem Nachnamen des B. Der M übergab daraufhin seinen Verhandlungspartnern den Kaufpreis in bar. Im Gegenzug erhielt M das Wohnmobil sowie die auf den B ausgestellten Papiere des Fahrzeugs (Kraftfahrzeugschein und Kraftfahrzeugbrief) ausgehändigt. Der Kraftfahrzeugbrief war, wie sich später herausstellte, allerdings gefälscht. Das Wohnmobil überbrachte M dem K, bei welchem es von der Polizei später sichergestellt wurde. Diese gab das Wohnmobil wieder an den B heraus.
K verlangt von B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 BGB.
B. Rechtliche Problematik
K kann die Herausgabe des Wohnmobils von B verlangen, wenn eine Vindikationslage besteht. Dies setzt voraus, dass
- K Eigentümer des Wohnmobils ist,
- das Wohnmobil sich im Besitz des B befindet
- und dem B kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 BGB).
Zunächst wird man also prüfen müssen, ob der ursprüngliche Eigentümer B sein Eigentum am Wohnmobil durch das Geschehen auf dem Parkplatz an K verloren haben könnte. Dabei kommt es entscheidend auf die Frage an, wer im Rahmen der für den Eigentumserwerb erforderlichen dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB Vertragspartner des durch seinen Mitarbeiter M vertretenen K geworden ist.
Bei dem hier in Rede stehenden Handeln unter fremden Namen ist danach zu unterscheiden, ob – aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des Erklärungsempfängers – ein Geschäft des Namensträgers oder ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegt. Ein Eigengeschäft unter Angabe eines falschen Namens – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – liegt in der Regel dann vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem gegenüberstehenden Handelnden abschließen will und ihm die Identität mit dem Namensträger gleichgültig ist (Namenstäuschung). Dies hat sodann zur Folge, dass ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (V) gemäß §§ 929, 932 BGB in Betracht kommt.
Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hindeutet und die andere Vertragspartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall wird das Handeln „unter“ fremden Namen wie das Handeln in fremden Namen behandelt (Identitätstäuschung), wobei die §§ 164 ff. BGB analoge Anwendung finden. Der Namensträger kann dann das Geschäft genehmigen, so dass er selbst Vertragspartner wird. Verweigert er die Genehmigung, bleiben die Willenserklärungen dessen, der unberechtigt unter seinem Namen gehandelt hat, unwirksam. Dieser schuldet dem Geschäftsgegner (K) dann nach Maßgabe des § 179 Abs. 1 BGB Erfüllung oder Schadensersatz.
C. Die Entscheidung des BGH
Dingliche Einigung
Der entscheidende Senat bestätigte im Ergebnis die vorinstanzliche Entscheidung, wonach die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 Satz 1 BGB) zwischen K, der durch M vertreten wurde, und V, der unter dem Namen des B auftrat und dabei durch die vor Ort handelnden Personen vertreten wurde, erfolgt ist. Danach handelte es sich vorliegend also um ein Eigengeschäft des V. Die Übereignung des streitgegenständlichen Wohnmobils an den klagenden B scheitere daher auch nicht daran, dass die vor Ort für den Veräußerer handelnden Personen nicht vom B bevollmächtigt waren und dieser das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt hat.
Der Senat fasst zunächst konzis die im Schrifttum und in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassungen hinsichtlich der Frage, wer beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeuges Geschäftspartner wird, wenn der Veräußerer unter fremden Namen auftritt, zusammen.
Eine Ansicht geht davon aus, dass dies der Namensträger ist. Zwar verbinde der andere Geschäftspartner mit dem Namen, unter dem gehandelt werde, zunächst keinerlei Vorstellungen. Nach Einblick in die ihm vorgelegten Papiere, die den Namenträger als den Halter des angebotenen Fahrzeuges auswiesen, sei seine Bereitschaft, das Geschäft zu tätigen, jedoch daran geknüpft, dass er es mit dem Namensträger und nicht mit einem anderen zu tun habe […]. Demgegenüber stellt eine andere Ansicht die Überlegung in den Vordergrund, dass der Geschäftspartner weder den Handelnden noch den Namensträger gekannt habe. Er gehe daher davon aus, dass sein Gegenüber sein Geschäftspartner sei. Zwar halte er diesen für den Namensträger. Dies ändere aber nichts an der Vorstellung, dass der tatsächlich Handelnde der Geschäftspartner sei. Eine andere Beurteilung sei nur gerechtfertigt, wenn dem Anderen der Name so wichtig gewesen sei, dass er das Geschäft nur mit dem Namensträger habe abschließen wollen. Davon könne jedoch angesichts des Bargeschäftscharakters eines typischen Gebrauchtwagenverkaufs keine Rede sein. Es fehle an der Identitätstäuschung des Veräußerers […].
Im Anschluss daran bezieht der Senat nunmehr selbst Position und stellt insoweit maßgeblich darauf ab, dass es sich um ein Bargeschäft handelte und die Person des Vertragspartners dem Käufer auch sonst unwichtig war.
Der Senat entscheidet diese Streitfrage dahingehend, dass allein das Auftreten des Veräußerers unter dem aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namen noch nicht zur Annahme führt, Kaufvertrag und – hier von Interesse – die dingliche Einigung seien mit dem Namensträger zustande gekommen. Zutreffend ist zwar, dass bei einer Übereinstimmung des Namens des Veräußerers mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren der Erwerber – vorbehaltlich anderweitiger Anhaltspunkte – auf die Eigentümerstellung des Veräußerers vertrauen kann, während ihn bei einer Abweichung im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB Erkundigungspflichten nach den bestehenden Eigentumsverhältnissen treffen […]. Daraus kann aber noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Käufer das Fahrzeug stets nur von dem Träger des aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namens, mithin von dem tatsächlichen Eigentümer, erwerben will. Für den Erwerber ist grundsätzlich die Übereinstimmung der Namen des Veräußerers und des aus dem Fahrzeugbrief ersichtlichen Halters von Belang, nicht aber die hinter dem Namen stehende Person. Gibt sich der Veräußerer eines unterschlagenen Kraftfahrzeuges unter Vorlage der Fahrzeugpapiere als dessen Eigentümer aus, so begründet dies allein noch keine Identitätsvorstellung des Erwerbers, hinter der die Person des verhandelnden Veräußerers zurücktritt […]. Von einer Identitätsvorstellung des Erwerbers kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn der Namensträger für den Erwerber eine besondere Bedeutung hatte. Ein solcher Ausnahmefall, der beispielsweise in Betracht käme, wenn kein sofortiger Leistungsaustausch stattfindet oder wenn es sich bei dem Verkäufer um eine bekannte Persönlichkeit handelt, liegt hier jedoch nicht vor.
Gutgläubiger Erwerb
Die mangelnde Berechtigung des V könnte im Wege eines Gutglaubenserwerbs gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB überwunden worden sein. Dies setzt voraus, dass es sich vorliegend um ein
- Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts handelt,
-
der Rechtsschein der Berechtigung auf Seiten des V gem. § 1006 Abs. 1 BGB gegeben war
- und K, der sich eine etwaige Bösgläubigkeit seines Vertreters gem. § 166 BGB zurechnen lassen müsste, guten Glaubens war (§ 932 Abs. 2 BGB).
Der BGH bejaht im Folgenden auch einen gutgläubigen Erwerb seitens des K. Danach könne dem K ein Verstoß gegen die aus § 932 Abs. 2 BGB erwachsenden Sorgfaltsanforderungen nicht zur Last gelegt werden. In den entscheidenden Passagen des Verdikts heißt es dazu:
Danach begründet beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeuges der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen […]. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt […]. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht […].
Soweit die Revision […] geltend macht, dass von einem gefälschten Kraftfahrzeugbrief kein Rechtsschein ausgehen und bereits deshalb kein gutgläubiger Erwerb stattgefunden haben könne, greift dies nicht durch. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO aF) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten […]. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen. Diese Prüfung hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und wird ihm ein gefälschter Kraftfahrzeugbrief vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten. Es ist auch vor dem Hintergrund der Funktion des Kraftfahrzeugbriefs kein Grund dafür ersichtlich, ihm wegen des Vorliegens einer für ihn nicht erkennbaren Fälschung den Gutglaubensschutz zu versagen. Auch in diesen Fällen hat der Schutz des Rechtsverkehrs Vorrang vor den Interessen des bisherigen Eigentümers. […] Ein Straßenverkauf führt aber als solcher noch nicht zu weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als nicht weiter auffällig darstellt.
Kein Abhandenkommen nach § 935 BGB
Ein Abhandenkommen i.S. des § 935 BGB scheidet vorliegend aus, da der ursprüngliche Eigentümer B das Wohnmobil willentlich in den Rechtsverkehr gegeben hat, sodass ein dem Eigentumserwerb des K am Wohnmobil entgegenstehendes Abhandenkommen vorliegend ausscheidet.
K hat somit wirksam Eigentum am Wohnmobil erworben und kann folglich vom unberechtigten Besitzer B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 verlangen.
D. Fazit
Wie eingangs bereits angemerkt, darf dem Fall eine erhöhte Examensrelevanz beigemessen werden, dies gilt auch und gerade im Hinblick auf anstehende mündliche Prüfungen. Zur Vertiefung sei an dieser Stelle noch auf einige hier veröffentlichten Beträge verwiesen, die im hiesigen Kontext durchaus hilfreich sein könnten.
- Allgemein zum Eigentumserwerb an beweglichen Sachen.
- Zur Bedeutung des KfZ-Briefes in der juristischen Klausur.
- Eine überblicksartige Auflistung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche.
- Handeln unter fremden Namen bei unbefugter Nutzung eines ebay-accounts.
- Zu den Hintergründen des Abstraktionsprinzips.
Merke: Gebrauchtwagenhändler sind im juristischen Sachverhalt idR nicht schutzwürdig!
Das AG München (Urteil v. 26.11.2008, Az.: 251 C 19326/08) hat neulich einen Fall zum Schuldrecht/BGB AT entschieden, der im allseits beliebten Milieu des Gebrauchtwagenmarktes spielt. Der Gebrauchtwagenhändler ist heute das, was zur Zeit der Entstehung des BGB (so 1890-1900) der Viehhändler war: Er ist grundsätzlich nicht schutzwürdig!
Diese Wertung sollte man für das Examen auf jeden Fall immer im Hinterkopf haben, dann hätte man auch mit dem vorliegenden Fall kein Problem gehabt.
AG München: Beschreibung eines Autos mit „Superzustand“ kann arglistige Täuschung sein
Im Internet pries der Verkäufer einen Mercedes SLK an. Das Auto sei in einem „Superzustand“. Die Gewährleistung wurde ausgeschlossen. Der Käufer musste jedoch bereits nach 20 bis 30 Kilometern feststellen, dass er das Auto nur auf 80 bis 100 km/h beschleunigen konnte. Noch bevor er zuhause ankam blieb das Auto dann ganz stehen. Der Käufer machte Mängelrechte geltend, der Verkäufer verweigerte jegliche Ansprüche.
Das AG München entschied nun, dass sich der Verkäufer gem. § 444 BGB nicht auf den Gewährleistungsausschluss berufen könne, da er den Käufer arglistig getäuscht habe.
Examensrelevanz
Die arglistige Täuschung ist ein Klassiker, denn sobald sie ins Spiel kommt, gibt es unzählige Ansprüche, die andiskutiert werden können: Gewährleistungsrechte, c.i.c., Anfechtung und dann Bereicherungsrecht, § 823 Abs. 1 BGB, §§ 823 Abs. 2 BGB iVm 263 StGB, § 826 BGB. Bei allen diesen Ansprüchen ist stets auch das Konkurrenzverhältnis äußerst problematisch. Wiederholt dafür die klassischen Streitigkeiten zur Konkurrenz von c.i.c. und Anfechtung nach § 123 BGB sowie jeweils die Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht. Am Ende kann man mit der Wertung „der arglistig Täuschende ist nicht schutzwürdig“ alle Ansprüche sogar bejahen. Auch an §§ 438 Abs. 3, 442, 444 BGB ist zu denken.