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Schlagwortarchiv für: Gebot der Rücksichtnahme

Dr. Yannik Beden, M.A.

Die 15 wichtigsten Begriffe im Bauplanungsrecht

Baurecht, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Von Studenten oftmals unterschätzt, kommt dem öffentlichen Baurecht in der juristischen Ausbildung eine mit dem Polizei- und Ordnungsrecht vergleichbare Klausurrelevanz zu. Einen Überblick zu den Basics im öffentlichen Baurecht wurde bereits in unserem Beitrag vom 20.11.2013 (s. hier) gegeben. Das bundesweit einheitliche Bauplanungsrecht ist dabei besonders häufig Gegenstand von Baurechtsklausuren, da es sich leicht in die Rechtmäßigkeitsprüfung eines baulichen Vorhabens integrieren lässt. Auch wenn in diesem Rechtsgebiet vergleichsweise wenig gefestigte Definitionen von Prüflingen erwartet werden, gibt es einige wenige Begriffe, die jedem Studierenden bekannt sein müssen.
 

  • „Bauliche Anlage“S.v. § 29 I BauGB

ist jede Anlage, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden ist und bodenrechtliche Relevanz hat.
 

  • „Bodenrechtliche Relevanz“ des Vorhabens als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 29 I BauGB

ist gegeben, wenn die bauliche Anlage die in § 1 V BauGB genannten Belange in einer Weise berührt oder berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.
 

  • „Ortsteil“S.v. § 34 I BauGB

ist jeder Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen, gewachsenen baulichen Siedlungsstruktur ist.
 

  • „Bebauungszusammenhang“S.v. § 34 I 1 BauGB

liegt vor, wenn eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck von Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt.
 

  • „Ortsgebundenheit“S.v. § 35 I Nr. 3 BauGB

besteht, wenn das Vorhaben seinem Wesen nach ausschließlich an einer bestimmten Stelle – aufgrund deren geographischer oder geologischer Eigenart – betrieben werden kann.
 

  • „Erschließung“ S.v. §§ 30 ff. BauGB

erfordert einen Anschluss des Grundstücks zumindest an das öffentliche Straßenverkehrsnetz, die Wasserversorgung und (jedenfalls im Innenbereich) die Stromversorgung und das Abwassersystem
 

  • Gebot der Gebietsverträglichkeit (zu beachten bei §§ 2-9 BauNVO)

ist verletzt, wenn ein Vorhaben in Bezug auf den Gebietscharakter des konkreten Baugebiets in seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Notwendig ist eine doppelte, typisierende Betrachtung, nämlich hinsichtlich (1) der typischen Nutzungsweise des Vorhabens und (2) der typischerweise vorherrschenden Nutzungsart des jeweiligen Gebiets.
 

  • Passiver Bestandsschutz

zielt darauf ab, die rechtmäßig erlangte Nutzungsbefugnis an einem Grundstück oder Gebäude auch dann zu aufrechtzuerhalten, wenn die maßgebenden baurechtlichen Vorgaben sich geändert haben und das Bauwerk nach dem aktuell geltenden Recht nicht mehr zulässig wäre.
 

  • Gebot der planerischen Konfliktbewältigung

verpflichtet die Gemeinde, die durch einen Bebauungsplan geschaffenen oder diesem zurechenbare Konflikte im Bebauungsplan selbst zu lösen. Die Planung darf deshalb nicht dazu führen, dass durch den Bebauungsplan hervorgerufene Konflikte zulasten der Betroffenen ungelöst bleiben.
 

  • Kommunales Abstimmungsgebot i.S.v. § 2 II 1 BauGB

fordert in materieller Hinsicht, dass die Bauleitpläne bzw. städtebaulichen Belange der benachbarten Gemeinde von der planenden Gemeinde in ihre Abwägung einbezogen werden. In formeller Hinsicht ist ggf. eine Beteiligung der von der Planung potentiell betroffenen Nachbargemeinde erforderlich.
 

  • Gebot der Rücksichtnahme

bedeutet, dass Vorhaben und Nutzungen, die einander belasten, nur in rücksichtsvoller Art und Weise einander zugeordnet werden sollen. Das Gebot der Rücksichtnahme stellt kein eigenständiges, das gesamte Bauplanungsrecht umfassendes Gebot dar, sondern ein von der Rechtsprechung entwickeltes Rechtsinstitut zur Auslegung baurechtlicher Vorschriften.
 

  • Nachbarn bzw. benachbarte Grundstücke

bedeutet im Baurecht alle Grundstücke, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt werden können. Maßgeblich ist sowohl die Art des Vorhabens, als auch dessen konkrete Auswirkungen auf das benachbarte Grundstück. Zu den Nachbarn zählen im Grundsatz alle dinglich Berechtigten, wohingegen obligatorisch Berechtigte nach Ansicht des BVerwG i.d.R. nicht „Nachbarn“ sind.
 

  • Nachbar- bzw. drittschützende Wirkung

entfalten nach der Rechtsprechung des BVerwG alle baurechtlichen Vorschriften, die erkennen lassen, dass in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.
 

  • Gebietserhaltungsanspruch

gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung des Nachbarn ihn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht.
 

  • Gebietsprägungserhaltungsanspruch

ist der auf das Baugebiet begrenzte Abwehranspruch eines Dritten gegen ein Vorhaben, das in dem konkreten Baugebiet regelmäßig zulässig, also mit der Gebietsart vereinbar, jedoch (generell) gebietsunverträglich ist, weil es aufgrund seiner Nutzungsweise störend wirkt. Eine konkrete oder individuelle Betroffenheit des Dritten ist nicht notwendig.

30.10.2017/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2017-10-30 12:00:222017-10-30 12:00:22Die 15 wichtigsten Begriffe im Bauplanungsrecht
Dr. Jan Winzen

VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite

Das VG Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung vom 21.02.2014 (VG 13 L 274. 13) einen Eilantrag zurückgewiesen, mit dem sich der Eigentümer eines Wohnkomplexes in Berlin Pankow gegen eine Untersagungsverfügung des zuständigen Bezirksamts gewendet hatte.
I. Sachverhalt
Das streitbefangene mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung ist ganz überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Ab dem Frühjahr 2013 gingen beim Antragsgegner (dem zuständigen Bezirksamt) widerholt Mieterbeschwerden ein. Gegenstand der Beschwerden waren u.a. nächtliche und am Wochenende erfolgende Lärmbelästigungen durch den Ein- und Auszug von Feriengästen, laute Musik, versehentliches Klingeln und den Lärm von Reinigungskräften. Bei bauaufsichtlichen Kontrollen vor Ort stellte der Antragsgegner fest, dass eine Reihe der insgesamt etwa 30 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt wurden. Daraufhin untersagte der Antragsgegner der Hauseigentümerin nach vorheriger Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung der „Ferienwohnungen“. Hiergegen hat die Antragstellerin am 27. November 2013 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie macht geltend, die tatsächlich ausgeübte Nutzung halte sich im Rahmen der gewöhnlichen „Wohnnutzung“. Insbesondere liege kein Beherbergungsbetrieb vor. Davon abgesehen sei die Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft.
II. Entscheidung des Gerichts
Das VG Berlin weist den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zurück.
Auf die Zulässigkeit des Antrags geht das Gericht in seiner vorliegenden Entscheidung zwar nicht ein. Im Examen sollte man aber zumindest kurz etwas zur Statthaftigkeit und zum Rechtsschutzbedürfnis sagen (siehe zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausführlich hier).
In der Begründetheit prüft das Gericht die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Dies wäre in einer Klausur gutachterlich wie folgt darzustellen.
1. Obersatz
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Aussetzungsinteresse (auch: Suspensivinteresse) der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach der (summarisch geprüften) Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Erfolg. Ist der Verwaltungsakt rechtmäßig, bedarf es darüber hinaus noch eines besonderen Vollzugsinteresses der Behörde.
2. Ermächtigungsgrundlage
Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 79 Satz 2 BauO Bln. Danach kann eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgende Nutzung von baulichen Anlagen untersagt werden (in anderen Landesbauordnungen finden sich gleichlautende Ermächtigungsgrundlagen).
a) Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften
Eine Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften läge jedenfalls dann vor, wenn die Wohnungen, für die nur eine gewöhnliche Wohnnutzung genehmigt ist, als Ferienwohnungen genutzt werden, ohne dass die für diese Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung vorliegt.
aa) Definition „Nutzung als Ferienwohnung“
Eine Nutzung als Ferienwohnung ist nach dem VG Berlin gegeben, wenn

eine Wohnung ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird. Eine solche gewerbliche Kurzzeitvermietung stellt zwar regelmäßig (noch) keinen Beherbergungsbetrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne dar, bildet aber eine eigenständige planungsrechtliche Nutzungsart, nämlich eine besondere Art der gewerblichen Nutzung, die von der gewöhnlichen Wohnnutzung zu unterscheiden ist. Darüber besteht soweit ersichtlich Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Einigkeit besteht ferner darüber, dass der „vorübergehende“ Charakter des Aufenthalts nicht nur einen wenige Tage dauernden, sondern auch einen nach Wochen bemessenen Aufenthalt umfasst. Maßgeblich für die auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die den Begriff des Wohnens prägt, ist darüber hinaus nach Ansicht der Kammer, dass es bei den abgeschlossenen Mietverträgen typischerweise zu einer Anmeldung i. S. des Melderechts kommt.

Gemessen an diesen Kriterien spricht nach Ansicht des VG Berlin, bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung, alles dafür, dass die streitgegenständlichen Wohnungen als Ferienwohnungen i. S. der dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung genutzt werden. Das Gericht lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

  • Die Auslobung der Wohnungen zur (auch) tageweisen Vermietung im Internet auf mehreren Webseiten sowie die aktenkundigen Beschwerden mehrerer Hausbewohner über die „in kurzen Intervallen“ an- und abreisenden Touristengruppen und die von diesen ausgehenden, konkret beschriebenen, Störungen stellen gewichtige Indizien dafür dar, dass eine gewerbliche Kurzzeitvermietung stattfindet.

  • Dasselbe gilt für die auf den Klingelschildern der entsprechenden Wohnungen angebrachten Fantasienamen (ohne entsprechenden Melderegistereintrag), den Wäscheservice (Wäschewechsel nach Ein- und Auszug, spezieller Kellerraum zur Lagerung der Wäsche) sowie die Informationsblätter in englischer Sprache, die ganz augenscheinlich für die Kurzzeitmieter bestimmt sind und u. a. eine „check-in time“ und „check-out time“ festlegen sowie einen Briefkasten angeben, in den der Wohnungsschlüssel bei Abreise einzuwerfen ist. Anmeldungen erfolgen offensichtlich nicht.

Der Einwand der Antragsstellerin, die ensprechenden Mietverträge sähen überwiegend eine Mietzeit von mehreren Wochen oder Monaten vor, greift nach Ansicht des Gerichts nicht durch,

da eine Nutzung als Ferienwohnung auch dann vorliegen kann, wenn die Nutzungsüberlassungen nicht lediglich tageweise erfolgen, sondern sich jeweils über mehrere Wochen erstrecken. Eine äußerste Grenze dürfte nach Ansicht der Kammer bei 12 Wochen zu ziehen sein. Dabei dürften einzelne Überschreitungen ebenso unerheblich sein wie eine gelegentliche (Mit-)Nutzung durch den Eigentümer oder Hauptmieter selbst, weil solche „Einsprengsel“ das Gesamtbild einer gewerblichen Kurzzeitvermietung nicht beeinflussen.

Die Wohnungen werden im Ergebnis also als Ferienwohnungen genutzt.
bb) Genehmigungspflicht
Die als Ferienwohnung genutzten Wohnugen werden im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt, wenn für diese Nutzungsänderung eine Baugenehmigung erforderlich ist und nicht vorliegt.
Nach dem VG Berlin liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, wenn

sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen), durch die Baugenehmigung dokumentierten Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen ist oder unterworfen sein kann, also die der bisherigen Nutzung eigene, gewisse Variationsbreite verlassen wird und durch die Veränderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können.

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die streitgegenständlichen Wohnungen erfüllt:

Das ist für eine Nutzung als gewerbliche Ferienwohnung im Verhältnis zur gewöhnlichen Wohnnutzung ersichtlich der Fall (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -; VG Schwerin, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 A 621/11 -). Die Nutzung durch Feriengäste ist gegenüber der „normalen“ Wohnnutzung typischerweise andersartig; ihr Nebeneinander kann zu städtebaulichen Konflikten führen, weil damit Unruhe in ein Wohngebiet getragen wird (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2013 – 1 LA 49/13 -; VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -).

Die nach §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln für die Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung liegt nicht vor.
Die Wohnungen werden im Ergebnis im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt.
b) Ermessen
Auf der Rechtsfolgenseite dürfte die Untersagungsverfügung schließlich nicht ermessensfehlerhaft sein. Dies erscheint hier zunächst insoweit unproblematisch, als eine Untersagungsverfügung (anders als eine Beseitigungsverfügung) bei (nur) formeller Illegalität ergehen kann. Anderenfalls würde das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren weitgehend unterlaufen und könnte das formelle Baurecht seine Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn, wenn die streitige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Mai 2007- OVG 2 S 26.07 -).
Das Gericht verneint in der vorliegenden Konstellation einen solchen Ausnahmefall. Der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit steht nach Ansicht des Gerichts entgegen, dass

wegen der von der Ferienwohnungsnutzung ausgehenden erheblichen Störungen ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot naheliegt.

Zur weiteren Begründung bezieht sich das Gericht auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts:

U. U. ist das Vorhaben bereits gebietsunverträglich, also aufgrund typisierender Betrachtungsweise mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht verträglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 B 8/13 -), weil allgemeine Wohnnutzung und Freizeitwohnen „grundverschieden“ sind (so BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 4 GN 7/12 -).

Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt, mangels milderer Mittel, nicht vor:

Ebenso wenig erscheint die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig. Mildere Mittel als eine (vollständige) Untersagung der Nutzung als Ferienwohnungen sind nicht ersichtlich.

Die Untersagungsverfügung stellt sich damit im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig dar.
3. Besonderes Vollzugsinteresse
Das bei einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche besondere Vollzugsinteresse sieht das Gericht schließlich auf der Grundlage folgender Erwägung als gegeben an:

Es liegt ein besonderes Vollzugsinteresse insbesondere wegen der Besorgnis einer negativen Vorbild- oder Nachahmungswirkung vor. Es ist geboten, die rechtswidrigen Zustände umgehend zu beenden, um die Ordnungsfunkti-on des formellen Baurechts zu sichern und zugleich den wirtschaftlichen Anreiz für illegale Nutzungsänderungen gegenüber einer sonst möglichen Ausnutzung des Suspensiveffektes von Widerspruch und Klage möglichst effektiv zu minimieren. Zudem liegen zahlreiche Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen vor

III. Fazit
Ein interessanter Fall zu § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gut für Klausuren des ersten und zweiten Staatsexamens eignet. Da der Sachverhalt relativ einfach und schnell erzählt ist, scheint der Fall auch für ein Prüfungsgespräch nicht ungeeignet, zumal § 80 Abs. 5 VwGO und bauordnungsrechtliche Grundlagen gerne auch zum Gegenstand mündlicher Prüfungen gemacht werden.
Die Originalentscheidung enthält zudem noch einige Passagen, die zum einen eher die tatsächliche Ebene betreffen. Dabei geht es um die Frage, ob die Antragstellerin richtige Adressatin der Untersagungsverfügung war (sie hatte geltend gemacht, die Vermietung sei doch eine dritte GmbH erfolgt) und ob die Verfügung inhaltlich hinreichend bestimmt war. Zum anderen enthält die Entscheidung noch eine teilweise übereinstimmende Erledigung und einen weiteren Antrag, der sich gegen eine Zwangsgeldandrohung richtet. Insgesamt also reichlich Themen, die sie für das zweite Staatsexamen besonders interessant machen. Die Lektüre der Originalentscheidung ist insoweit also durchaus zu empfehlen.

25.03.2014/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2014-03-25 09:00:302014-03-25 09:00:30VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig
Dr. Stephan Pötters

Grundlagenwissen Baurecht für das Assessorexamen

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht
Das Baurecht muss schon im ersten Staatsexamen in den Grundzügen beherrscht werden, besonders wichtig wird es aber für das Assessorexamen. Viele Probleme des Baurechts müssen dabei als abrufbares Wissen präsent sein, da – anders als etwa im Zivilrecht – keine Kommentierung als Hilfsmittel zugelassen ist. Die nachfolgende Übersicht mit den wichtigsten Wissensbausteinen kann als „Crashkurs“ bzw. Kurzwiederholung vor den Prüfungen dienen.
 
I. Verfassungsrechtliches

1. Bundeskompetenzen nach Art. 74 I Nr. 18, 30 und 31 GG
2. Verwaltungskompetenz der Länder für gesamtes BauR nach Art. 83 GG
3. Planungshoheit als Teil der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 II GG)
4. „Baufreiheit“ als Teil des Privateigentums nach Art. 14 I 1 GG? Sehr problematisch wegen Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 I 2 GG; idR keine unmittelbaren Ansprüche aus Art. 14 GG ableiten, aber: verfassungskonforme Auslegung des einfachen Baurechts kann mitunter auch in der Klausur wichtig sein, insb. bei § 35 II BauGB (hier idR Ermessensreduktion zugunsten des Bauherren) und bei Verhältnismäßigkeitsprüfung im GefahrenabwehrR
 
II. Der Bebauungsplan
1. Enthält die rechtsverbindlichen Festsetzungen für die städtebauliche Ordnung, § 8 BauGB; positive und negative Wirkung, d.h. er bestimmt verbindlich welche Vorhaben zulässig sind i.S.v. §§ 30-33 BauGB
2. Die in § 9 Abs. 1 bis Abs. 4 BauGB genannten Festsetzungen sind eine erschöpfende Aufzählung; Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung i.S.v. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB müssen solche der BauNVO sein

  • Art der baulichen Nutzung: §§ 1 ff. BauNVO
  • Maß der baulichen Nutzung: §§ 16 ff. BauNVO

3. Rechtsnatur: Satzung (§ 10 BauGB); Rechtmäßigkeit mit Normenkontrolle § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO überprüfbar
4. Formelle Rechtmäßigkeit eines BPlans (insb. § 2 bis § 4c, § 9 Abs. 8 und § 10 BauGB)

  • Aufstellungsbeschluss (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 2 BauGB) und ortsübliche Bekanntmachung
  • Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials (§ 2 Abs. 3 BauGB, Material: § 1 Abs. 6 und § 1a BauGB)
  • Umweltprüfung (§ 2 Abs. 4 BauGB), Ausnahme § 13 Abs. 3, 13a Abs. 2 Nr.1 BauGB
  • Erstellung einer Begründung zum Bebauungsplanentwurf und Anfertigung eines Umweltberichts (§ 2a BauGB)
  • Vorgezogene Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 3 Abs. 1 Satz 1, § 4a BauGB)
  • Vorgezogene Behördenbeteiligung (§ 4 Abs. 1 BauGB, § 4a BauGB)
  • Bekanntmachung von Ort und Dauer der Auslegung (§ 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB)
  • Auslegung des Bebauungsplans (§ 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB)
  • Einholung von Behördenstellungnahmen (§ 4 Abs. 2, § 4a BauGB) und Prüfung
  • Mitteilung des Ergebnisses der Prüfung von Stellungnahmen (§ 3 Abs. 2 Satz 4 und 5 BauGB)
  • Ordnungsmäßiger Satzungsbeschluss (§ 10 Abs. 1 BauGB i.V.m. den landesrechtlichen Gemeindeordnungen)
    –> Vereinbarkeit des Satzungsbeschlusses mit den kommunalrechtlichen Vorschriften!
  • Begründung des Beschlusses (§ 9 Abs. 8 BauGB)
  • Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde (§ 10 Abs. 2 BauGB)
  • Bekanntmachung des Beschlusses bzw. der Genehmigung (§ 10 Abs. 3 BauGB)

5. Materielle Rechtmäßigkeit eines BPlans

  • Erforderlichkeit der Planung (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB)
  • Einhaltung der zulässigen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 bis 7 BauGB = Typenzwang
  • Anpassungsgebot (§ 1 Abs. 4 BauGB)
  • Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB)
  • Interkommunales Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB)
  • Ordnungsgemäße Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB (die zu berücksichtigenden Belange werden in § 1 Abs. 6 und § 1a BauGB aufgezählt)
  • Fehler im Abwägungsvorgang, die nicht (nur) die Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungsmaterials nach § 2 Abs. 3 BauGB betreffen: Abwägungsausfall, Abwägungsfehleinstellung (planfremde Ziele), Abwägungsfehleinschätzung
    –> nach § 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB jedenfalls dann beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind
  • Fehler im Abwägungsergebnis: Abwägungsdisproportionalität –> stets beachtlich!

6. Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit, §§ 214 f. BauGB: Soweit Fehler unbeachtlich sind (§ 214 BauGB) oder unbeachtlich geworden (§ 215 BauGB) sind, ist der Bebauungsplan trotz des Fehlers wirksam und für jedermann verbindlich. Soweit ein Fehler beachtlich ist, ist der Bebauungsplan „ungültig“ und „unwirksam“ (vgl. § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO) und entfaltet keine Rechtswirkungen. Nach § 214 Abs. 4 BauGB kann durch ein „ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern“ der Bebauungsplan auch rückwirkend in Kraft gesetzt werden. Hieraus folgt, dass der unwirksame Bebauungsplan bis zur Behebung des Fehlers im ergänzenden Verfahren nur „schwebend unwirksam“ ist.
 
III. Schema: Zulässigkeit eines Vorhabens im Innenbereich, § 34 BauGB
1. Vorhaben i.S.d. § 29 BauGB
2. Innenbereich (§ 34 Abs. 1, 4 BauGB)
3. Sich-Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung
a) nach Art der baulichen Nutzung

  • § 34 Abs. 2 BauGB (–> BauNVO, § 31 BauGB)
  • § 34 Abs. 1 BauGB

b) nach Maß der baulichen Nutzung
c) Bauweise
d) überbaubare Grundstücksfläche
e) Abweichung gem. § 34 Abs. 3a BauGB
4. § 34 Abs. 1 S. 2 BauGB: Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, keine Beeinträchtigung des Ortsbildes
5. keine Beeinträchtigung zentraler Versorgungsbereiche (§ 34 Abs. 3 BauGB)
6. gesicherte Erschließung
 
IV. Schema: Zulässigkeit eines Vorhabens im Außenbereich, § 35 BauGB
1. Vorhaben
2. im Außenbereich
3. privilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs.1 BauGB)

  • einer der Fälle des § 35 Abs.1 Nr. 1-6 BauGB
  • kein Entgegenstehen öffentlicher Belange (i.S.v. § 35 Abs. 3 BauGB) –> grundsätzliche Zulässigkeit der privilegierten Vorhaben (–> „entgegenstehen“)

4. sonstiges Vorhaben (§ 35 Abs.2 BauGB)

  • kein Fall des § 35 Abs.1 BauGB
  • keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange
    –> Zulässigkeit der nichtprivilegierten Vorhaben nur im besonderen Einzelfall („nicht beeinträchtigt“), dann aber kein Ermessen (verfassungskonforme Auslegung, hM)

5. teilprivilegiertes Vorhaben (§ 35 Abs.4 BauGB): Unbeachtlichkeit bestimmter öff. Belange
6. gesicherte Erschließung
 
V. Wichtige Definitionen

  • Vorhabenbegriff (§ 29 BauGB) = Anwendungsbereich des Bauplanungsrechts
    –> Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung einer baulichen Anlage im planungsrechtlichen Sinne (eigenständige Definition!): Anlagen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind und planungsrechtliche Relevanz aufweisen (d.h. Belange iSv § 1 Abs. 6 BauGB nicht unerheblich berührt werden)
  • gesicherte Erschließung: Ermöglichung einer gefahrlosen, geordneten, baulichen Nutzung (insb. Straßen, Abwasser, Energie etc.); gesichert ist Erschließung dann, wenn die Erschließungsanlagen voraussichtlich bis zur Fertigstellung des baulichen Vorhabens funktionsfähig sind
  • im Zusammenhang bebauter Ortsteil (§ 34 BauGB): Ortsteil: Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Bebauungszusammenhang: aufeinander folgende Bebauung muss trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermitteln; keine Unterbrechung durch Baulücken, nicht nur Splittersiedlung.
    alternativ: Klarstellungssatzung (§ 34 Abs. 4 S.1 Nr.1 BauGB), Entwicklungssatzung (§ 34 Abs. 4 S.1 Nr.2 BauGB), Ergänzungssatzung (§ 34 Abs. 4 S.1 Nr.3 BauGB)
  • Sich-Einfügen (§ 34 BauGB): Bauvorhaben muss der näheren Umgebung entsprechen, Rücksichtnahme auf die Eigenart der näheren Umgebung (kein „architektonischer Ausrutscher“ oder Fremdkörper), aber: § 34 Abs. 3a BauGB
  • Außenbereich: § 35 BauGB hat Auffangfunktion für alle Flächen, die nicht einem anderen Bereich (räumlicher Geltungsbereich eines Bebauungsplans oder im Zusammenhang bebauter Ortsteile) zuzuordnen sind.

 
VI. Veränderungssperre, § 14 BauGB
1. „Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst“ (§ 14 Abs. 1 BauGB); Erlass von Veränderungssperre und Aufstellungsbeschluss uU auch in derselben Ratssitzung möglich
2. „zur Sicherung der Planung erforderlich“ 8§ 14 Abs. 1 BauGB)

  • Planung muss ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Inhalt des zu erwartenden BPlans sein soll
  • Sicherungsbedürfnis, d.h. Gefährdung der Planungsabsichten

3. muss in Form einer Satzung beschlossen werden (§ 16 Abs. 1 BauGB)
4. enthält idR abstrakte Verbotstatbestände für Vorhaben iSv § 29 BauGB (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), d.h. ein grdsl. erlaubtes Vorhaben wird durch die Sperre unzulässig
 
VII. Gefahrenabwehr (nach BauO NRW)
1. allgemeine Aufgabenzuweisung: § 61 Abs.1 S.1BauO NRW
2. Bauüberwachung usw. (§ 81 f. BauO NRW)
3. Ermächtigungsgrundlage für repressive Maßnahmen: § 61 Abs. 1 S. 2 BauO NRW

  • Baueinstellungsverfügung (Stilllegungsverfügung): formelle Illegalität ausreichend
  • Beseitigungsanordnung (Abrissverfügung): formelle und materielle Illegalität notwendig
  • Nutzungsuntersagung: str., ob formelle und materielle Illegalität vorliegen müssen
  • Verfügungen gelten aufgrund dinglicher Wirkung der Baugenehmigung auch gegen Rechtsnachfolger

 
VIII. Drittschutz im Baurecht (s. K/S, § 42 VwGO Rn. 96 ff.)
vgl. hierzu ausführlich unseren Beitrag vom 29.06.2012
1. zwei Klausurkonstellationen: Drittanfechtung einer Baugenehmigung durch Nachbar oder Verpflichtungsklage auf Einschreiten der Bauaufsicht gegen Schwarzbau
2. generell-typisierenden Drittschutz (d.h. unabhängig von einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit) vermitteln folgende Schutznormen:

  • Gebietserhaltungsanspruch: jeder Grundstückseigentümer kann sich innerhalb des von ihm bewohnten Baugebiets i.S.d. BauNVO (auch bei § 34 II BauGB oder § 31 II BauGB!) gegen artfremde Bebauung wehren, also gegen alle Vorhaben, die nicht generell oder ausnahmsweise nach der BauNVO zulässig sind
  • Gebietsprägungserhaltungsanspruch: Drittschutz bei einem Vorhaben, das an sich unter die Regel- oder Ausnahmebebauung der §§ 2 ff. BauNVO subsumiert werden kann, das aber bei generell-typisierender Betrachtungsweise in dem einschlägigen Baugebiet gebietsunverträglich ist, weil es den prägenden Charakter des Baugebiets konterkariert (abzugrenzen von § 15 BauNVO: hier liegt bei genereller Betrachtung Gebietsverträglichkeit vor, aber im Einzelfall gebietsunverträgliches Vorhaben); es geht im Grunde um eine systematisch-teleologische Auslegung der BauNVO Vorschriften, ein Vorhaben mag vom Wortlaut her ausnahmsweise zulässig sein, auch wenn es gebietsunverträglich ist: zB (BVerwG): Dialysezentrum mit 33 Behandlungsplätzen, Zwei-Schicht-Betrieb und regem An- und Abfahrtsverkehr in Wohngebiet trotz § 4 II Nr.3 BauNVO unverträglich
  • § 15 I 1 BauNVO vermittelt allen Bewohnern eines Baugebiets einen Anspruch auf Erhalt des prägenden Gebietscharakters
  • Abstandsflächenregelungen nach BauO

3. einzelfallbezogener Drittschutz (iVm Gebot der Rücksichtnahme):
–> Drittschutz einer Norm (+), wenn in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist.
–> Gebot der Rücksichtnahme ist nicht per se drittschützend, sondern nur iVm einer konkreten Norm; anerkannt ist diese Verknüpfung insbesondere bei

  • § 15 I 2 BauNVO „unzumutbare Störungen oder Belästigungen“ – Unzumutbarkeit ist anhand Abwägungsformel zu bestimmen: „Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, auf den Rücksicht zu nehmen ist, umso mehr kann an Rücksicht verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen“ (BVerwG)
  • § 31 II BauGB „Würdigung nachbarlicher Interessen“
  • § 34 I 1 BauGB „Einfügen“
  • § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB – „Schädliche Umwelteinwirkungen“ –> Rechtsgedanke § 3 BImSchG: schädliche Umwelteinwirkungen sind Immissionen, die geeignet sind, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen
  • Schutz privilegierter Vorhaben gegen heranrückende Bebauung

 
IX. Prozessuale Besonderheiten

  • notwendige Beiladung (§ 65 II VwGO) bei Nachbarklagen oder bei verweigertem Einvernehmen der Gemeinde gem. § 36 BauGB
  • für Nachbarn läuft idR mangels Bekanntgabe keine Klagefrist, aber Verwirkung denkbar, wenn er sichere Kenntnis vom Vorhaben hätte haben müssen
  • maßgebender Zeitpunkt für Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung ist der Erlass, nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind aber zu berücksichtigen; maßgebender Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Eingriffsverfügung ist der Abschluss der letzten mündl. Verhandl.
  • § 212a I BauGB stellt  Fall des § 80 II 1 Nr.3 VwGO dar; Nachbar kann vorläufigen Rechtsschutz nach §§ 80a III, 80 V VwGO beantragen
  • bei vereinfachtem Verfahren muss der Nachbar ggf. Anfechtungs- und Verpflichtungsklage kombinieren: Anf.kl. bzgl. drittschützender Normen, die bei der Baugenehmigung geprüft wurden, i.Ü. Verpfl.kl. auf bauaufsichtliches Einschreiten

20.11.2013/15 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2013-11-20 09:00:032013-11-20 09:00:03Grundlagenwissen Baurecht für das Assessorexamen
Samuel Ju

Krematorium mit Trauerhalle im allgemeinen Wohngebiet zulässig? – 1. Öffentliches Recht Examensklausur Februar 2011 NRW und Hessen

Baurecht, Examensreport, Öffentliches Recht, Verwaltungsrecht

Wie wir bereits berichtet hatten, ging es in der 1. Examensklausur im Öffentlichen Recht um die Rechtmäßigkeit einer Baugenehmigung für ein Krematorium / Feuerbestattungsstätte mit Trauerhalle in einem allgemeinen Wohngebiet.
Einer unserer Leser hat uns auf einen Kommentar auf der Seite von Andrea Klamser zu dieser Klausur aufmerksam gemacht:

Die erste ÖR-Klausur in Hessen und NRW war an OVG Münster 7 A 1298/09 – das Krematorium im Gerwerbegebiet angelehnt und VG Stuttgart 2 K 3558/10 – Aussegnungshalle in allgemeinem Wohngebiet. Wohl eine Kombination – Anwohnerklage.

Das Urteil des OVG Münster ist vom 25.10.2010. Dort ging es um die Frage, ob ein Krematorium mit einem Abschiedsraum für Trauergäste als Anlage für kulturelle Zwecke in einem Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig sein kann. (Artikel bei Wolter Kluwer)
Die Entscheidung des VG Stuttgart ist ganz frisch vom 27.01.2011 (Artikel bei juris) und zeigt einmal mehr, dass man sich längst nicht mehr  darauf verlassen kann, dass eine Entscheidung, die bereits einige Monate zurückliegt, in der Klausur gestellt wird. Auch die Klausurersteller sitzen heute am Rechner und konzipieren  beim Lesen aktueller Entscheidungen ihre Klausuren. Wir hoffen, mit unserem Blog weiter auf aktuelle examensrelevante Entscheidungen aufmerksam machen zu können. Gastbeiträge sind herzlich willkommen.
Du hast Interesse einen Gastartikel hier auf juraexamen.info zu veröffentlichen? Dann einfach eine E-Mail mit kurzer Vorstellung und Artikel an mail (at) juraexamen.info senden.

11.03.2011/4 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-03-11 10:08:362011-03-11 10:08:36Krematorium mit Trauerhalle im allgemeinen Wohngebiet zulässig? – 1. Öffentliches Recht Examensklausur Februar 2011 NRW und Hessen

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