Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 17.09.2015 (Az.: C-257/14) entschieden, dass Luftfahrtunternehmen Fluggästen grundsätzlich auch bei Annullierung eines Fluges wegen unerwarteter technischer Probleme einen finanziellen Ausgleich leisten müssen. Ausnahmen bestünden nur, soweit der Defekt auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder aus terroristischen Handlungen resultieren.
Anspruchgrundlage ist Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004. Nach Artikel 5 Abs. 3 ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Bisher wurden hierunter insbesondere Streiks von Fluglotsen oder schlechtes Wetter gefasst.
Fraglich war nun, ob auch ein technisches Problem, das unerwartet auftritt, nicht auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen und auch nicht während einer regulären Wartung festgestellt worden ist, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ fällt. Hierzu bezieht der EuGH nun erstmals Stellung: (der Pressemitteilung entnommen)
Sodann weist der EuGH darauf hin, dass ein Ausfall, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellt. Dennoch bleibe ein solcher Ausfall untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, das vom Luftfahrtunternehmen oft unter schwierigen oder gar extremen Bedingungen, insbesondere Wetterbedingungen, betrieben wird, wobei kein Teil eines Flugzeugs eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Daher sei dieses unerwartete Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, und das Luftfahrtunternehmen sehe sich dieser Art von unvorhergesehenen technischen Problemen gewöhnlich gegenüber.
Der EuGH grenzt im Folgenden danach ab, wessen Risikosphäre der Ausfall zuzuordnen ist – eine Überlegung, die aus dem deutschen Recht bekannt ist:
Im Übrigen sei die Vorbeugung eines solchen Ausfalls oder der dadurch hervorgerufenen Reparatur, einschließlich des Austauschs eines vorzeitig defekten Teils, vom betroffenen Luftfahrtunternehmen zu beherrschen. Es sei seine Aufgabe, die Wartung und den reibungslosen Betrieb der Flugzeuge, die es zum Zweck seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten betreibt, sicherzustellen.
Für Passagiere bedeutet dies: Sofern ein technischer Defekt Grund einer Flugverspätung oder Annullierung ist, spricht auf den ersten Blick viel für das Entstehen eines Entschädigungsanspruchs. Nur sofern tatsächlich hinsichtlich der technischen Probleme außergewöhnliche Umstände vorliegen, kann der Anspruch entfallen – eine weitere Stärkung der Fluggastrechte durch den EuGH.
Fluggastrechte, Entschädigung, Annullierung, technische Probleme, außergewöhnliche Umstände