Eine nicht mehr ganz aktuelle, aber offenbar erst kürzlich veröffentichte Entscheidung des FG Münster aus 2012 (4 K 562/09) befasst sich mit einer examensrelevanten Frage aus dem Handelsrecht.
§ 25 Abs. 1 Satz 1 HGB lautet:
Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers.
Im vorliegenden Fall schlossen die Klägerin und die DZ GbR im Jahr 2007 einen Pachtvertrag über eine als „Chinarestaurant“ bezeichnete Gaststätte (Räume + Inventar). Die Klägerin betrieb die Gaststätte – wie zuvor auch die DZ GbR – unter der Bezeichnung „Chinarestaurant“ fort. Die beklagte Finanzbehörde nahm die Klägerin mit Haftungsbescheid im Jahre 2008 gemäß § 25 HGB für rückständige (vor Pachtbeginn entstandene) Lohn- und Umsatzsteuern zzgl. Nebenleistungen der DZ GbR in Höhe von insgesamt 238.303,47 EUR in Anspruch. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin zunächst erfolgos Einspruch und dann Klage erhoben.
Rechtliche Beurteilung
Die Entscheidung des Finanzgerichts hängt letztlich von der nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB zu beurteilenden Frage ab, ob die Fortführung der Bezeichnung „Chinarestaurant“ den Tatbestand der Firmenfortfühung erfüllt.
I. „Chinarestaurant“ keine Firma im Sinne der §§ 17 ff. HGB
Dies verneint das Gericht mit der Begründung, bei der Bezeichnung „Chinarestaurant“ handele es sich nicht um eine handelsrechtliche Firma im Sinne des § 17 Abs. 1 HGB.
Die handelsrechtliche Firma muss nach § 18 Abs. 1 HGB zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Bei Einzelkaufleuten muss die Firma den Zusatz „eingetragener Kaufmann“ oder „eingetragene Kauffrau“ bzw. eine entsprechende Abkürzung enthalten (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 HGB), bei einer offenen Handelsgesellschaft die Bezeichnung „offene Handelsgesellschaft“ oder eine allgemein verständliche Abkürzung (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 HGB). An diesen Voraussetzungen fehlt es regelmäßig bei bloßen Geschäftsbezeichnungen (Etablissementbezeichnungen), die nicht den Unternehmer, sondern lediglich den Geschäftsbetrieb oder das Geschäftslokal spezifizieren. Anders ist dies allenfalls dann, wenn die Geschäftsbezeichnung Bestandteil einer Firma ist, also einen der in § 19 HGB genannten Zusätze enthält.
Die Klägerin hat keine Firma der früheren Geschäftsinhaberin (DZ GbR) fortgeführt. Die Bezeichnung „China-Restaurant “ stellt eine bloße Geschäftsbezeichnung dar, da sie keinen Hinweis auf den Unternehmensinhaber enthält. Anders als im Urteilsfall des OLG Düsseldorf (vom 12.07.1990 6 U 264/89, GmbHR 1991, 315) war die Geschäftsbezeichnung auch nicht Bestandteil einer Firma. Weder die frühere Geschäftsinhaberin noch die Klägerin verwendeten diese Bezeichnung mit einem in § 19 HGB genannten Zusatz. Die Vorgängerin konnte als GbR bereits keine Firma führen, da eine GbR nicht firmenfähig ist (Heidinger in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Aufl. 2010, § 17 Rn. 20 m.w.N.). Folgte man der Ansicht des Beklagten, dass der Betrieb des Chinarestaurants im Streitfall einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb erfordert und damit Handelsgewerbe ist, hätte die „DZ GbR“ den Zusatz „offene Handelsgesellschaft“ führen müssen, da die Gesellschaft dann zwingend eine OHG gewesen wäre (§ 105 Abs. 1 HGB).
II. Keine Haftung nach § 25 HGB bei isolierter Unternehmensfortführung
Immer wenn eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 HGB in Rede steht, sollte man sich (zumindest gedanklich) mit der von Karsten Schmidt begründeten Meinung auseinandersetzen, wonach Anknüpfungspunkt für die Haftung nach §§ 25 ff. HGB eigentlich die Fortführung eines (kaufmännischen) Unternehmens ist. Die Fortführung der Firma ist danach nur ein gewichtiges Indiz für die Unternehmensfortführung.
Im vorliegenden Fall würde diese Ansicht grundsätzlich wohl auch zu einer Haftung der Klägerin für die Steuerschulden führen, da die Klägerin das Handelsgeschäft der DZ GbR fortgeführt hat. Aber, das Gericht folgt der Ansicht von Karsten Schmidt nicht:
Eine analoge Anwendung des § 25 HGB auf die Fortführung von Geschäftsbezeichnungen scheidet aus (FG Münster, Urteil vom 12.03.2009 8 K 2496/06, EFG 2009, 989; OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.01.1998 10 U 30/97, NJW-RR 1998, 965). Der Senat folgt insoweit nicht der Auffassung von K. Schmidt (Handelsrecht, 4. Auflage 1994, § 8 II 1c)), wonach eine Firmenfortführung lediglich Indizfunktion habe. Die Firmenfortführung stellt vielmehr eine unverzichtbare Tatbestandsvoraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme dar. Dies ergibt sich aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut und der Stellung der Norm im dritten Abschnitt des ersten Buches des HGB, der mit „Handelsfirma“ überschrieben ist. Eine Auffassung, die eine Haftungsinanspruchnahme in anderen als den vom Gesetzeswortlaut erfassten Fällen zuließe, würde zu einer unzulässigen steuerbegründenden Analogie führen.
Fazit
Ein überschaubarer Sachverhalt zu einem handelsrechtlichen Thema, das sowohl in der Ausbildung als auch im Examen eine Rolle spielt. Da handelsrechtliche Fragestellungen in beiden Examen immer wieder in Klausuren eingebaut werden, empfiehlt es sich, zumindest den Umgang mit den Standardproblemen einzuüben. Dazu zählt auch das Firmenrecht im Zusammenhang mit § 25 HGB und der dazu vertretenen Ansicht von Karsten Schmidt.
Hingewiesen sei an dieser Stelle auch noch einmal auf den kürzlich hier veröffentlichten Beitrag zur kaufmännischen Rügeobliegenheit und unseren Beitrag zu § 15 HGB.
Einen speziellen steuerrechtlichen Tatbestand für die Hafung des Betriebsübernehmers enthält im Übrigen § 75 AO.