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Schlagwortarchiv für: fernabsatzvertrag

Dr. Lena Bleckmann

BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Werkvertragsrecht, Zivilrecht

Vergangene Woche hat der BGH in einer Entscheidung zu Treppenliften grundlegende Fragen im Bereich des Verbraucherwiderrufsrechts geklärt. Die Entscheidung liefert darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse zur Abgrenzung von Kaufverträgen, Werkverträgen und Werklieferungsverträgen.  An Klausur- und Examensrelevanz dürfte eine solche Entscheidung kaum zu übertreffen sein.
I. Der Sachverhalt
Der Sachverhalt ist schnell erzählt. A vertreibt sog. Kurventreppenlifte – es handelt sich um Vorrichtungen, die an Treppenaufgängen befestigt werden, um insbesondere Personen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, den Treppenauf- und –abstieg zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. Die Schienen werden hierbei individuell an im jeweiligen Treppenhaus zu befahrende Kurven angepasst. A weist Verbraucher in Bezug auf diese Kurventreppenlifte darauf hin, dass im Rahmen des jeweiligen Vertrags, abgesehen von einem bestimmten Modell, kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Hiergegen wendet sich die Verbraucherzentrale V. Sie ist der Ansicht, dass sehr wohl ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht und nimmt die A  auf Unterlassung in Anspruch.

Anm.: Hierbei mag es sich um eine für eine Zivilrechtsklausur eher ungewöhnliche Konstellation handeln. Bearbeiter müssten sich mit der Anspruchsberechtigung der Verbraucherzentralen nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 4 UKlaG auseinandersetzen. Dass dies gefordert wird, ist nicht ausgeschlossen, aber selten. Der Fall lässt sich jedoch ohne größere Probleme abwandeln, indem man eine tatsächliche Bestellung eines solchen Kurventreppenlifts durch einen Verbraucher mit anschließender Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts konstruiert. Die eher unübliche Einkleidung sollte mithin nicht dazu verleiten, die Klausurrelevanz der Entscheidung zu verkennen.

II. Widerrufsrechte und Informationspflichten
Eine kurze Wiederholung der Fragen rund um das Widerrufsrecht im Verbraucherschutzrecht: Die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 312 ff. BGB sind nach § 312 Abs. 1 BGB auf Verbraucherverträge anwendbar, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Was Verbraucherverträge sind, definiert § 310 Abs. 3 BGB: Es handelt sich um Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer. Die übrigen Absätze des § 312 BGB enthalten sodann Einschränkungen des Anwendungsbereichs, die vorliegend aber keine weitere Beachtung finden sollen.
Möchte der Verbraucher nach Abschluss eines Vertrags i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB von diesem Abstand nehmen, kann ihm dies aufgrund eines Widerrufsrechts möglich sein. § 312g Abs. 1 BGB sieht ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge vor. In der Klausur ist an dieser Stelle daher eine saubere Subsumtion unter die Begriffe des außerhalb des Geschäftsräume geschlossenen Vertrags nach § 312b BGB bzw. des Fernabsatzvertrags nach § 312c BGB erforderlich. Für den konkreten Fall würde der Sachverhalt dann nähere Angaben enthalten, welche die Zuordnung zu dem einen oder anderen Begriff ermöglichen. Liegt ein Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor, greift grundsätzlich  § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB: Wird der Widerruf fristgerecht unter Wahrung der Anforderungen des § 355 Abs. 1 BGB erklärt, sind die Parteien an ihre auf Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden. Der Unternehmer ist nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Das alles gilt jedoch nicht, wenn das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2, 3 BGB ausgeschlossen ist.
III. Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB
Zurück zum Fall: Die Verbraucherzentrale V stützt sich für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG) auf die Informationspflicht des Unternehmers bei bestehenden Widerrufsrechten nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB. Sofern im Falle der Bestellung eines Kurventreppenlifts ein Widerrufsrecht bestünde, würde der Hinweis von Seiten der A, dass ein solches gerade nicht besteht, wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350). Zentrale Frage ist mithin, ob denn ein solches Widerrufsrecht bestünde, wenn es mit einem Verbraucher zum Abschluss eines Vertrags über Anfertigung und Einbau eines Kurventreppenlifts durch die A käme.
Die Vorinstanz hat das noch abgelehnt: Das OLG Köln sah die Voraussetzungen des Ausschlusses nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB als erfüllt an (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 351 f). Nach dieser Norm besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Dass die Laufschienen für Kurventreppenlifte individuell angefertigt werden und an die konkreten Gegebenheiten vor Ort angepasst werden, wird nicht bezweifelt. Der Problempunkt ist ein anderer: Bei dem Vertrag, der bei Bestellung eines Kurventreppenlifts abgeschlossen wird, müsste es sich um einen Vertrag zur Lieferung von Waren i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB handeln. Der Begriff geht auf Art. 16 lit. c Richtlinie 2011/83/EU zurück, der den Ausschluss des Widerrufsrecht vorsieht, wenn „Waren geliefert werden“.  Nun existieren im deutschen Zivilrecht mehrere Vertragstypen, die eine Lieferung von Waren umfassen: Sowohl ein Kaufvertrag nach § 433 BGB, als auch ein Werklieferungsvertrag nach § 650 BGB und ein Werkvertrag nach § 631 BGB kann Waren (es handelt sich hierbei ausschließlich um bewegliche Gegenstände, siehe § 241a Abs. 1 BGB) zum Gegenstand haben. Nicht alle dieser Vertragstypen fallen jedoch nach Ansicht des BGH unter den Begriff des Vertrags zur Lieferung von Waren, den § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB verwendet. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 hinsichtlich des Einbaus eines Senkrechtslifts äußerte sich der BGH dahingehend, dass § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Kaufverträge und Werklieferungsverträge, in aller Regel aber nicht Werkverträge umfasse.

 „Dem Wortlaut nach umfasst § 312 g II 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrach Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst.

 Dies entspricht der Verbraucherrechte-RL, deren Umsetzung unter anderem § 312g BGB dient. Nach Art. 2 Nr. 5 Verbraucherrechte-RL ist ein „Kaufvertrag“ jeder Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich von Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Damit werden von dieser Definition Kauf- und Werklieferungsverträge umfasst, und zwar auch dann, wenn sich der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher zur Montage der zu liefernden Waren verpflichtet hat. Eine entsprechende Regelung enthalten §§ 474 I 2, 434 II 1, 433, 651 S. 1 BGB.

 In Abgrenzung zum „Kaufvertrag“ ist dagegen ein „Dienstleistungsvertrag“ jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechte-RL. Nach dieser Definition sind Werkverträge (§ 631 BGB) jedenfalls regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen. Ob Werkverträge im Sinne des deutschen Rechts in Ausnahmefällen als Verträge über die Lieferung von Waren iSd § 312g II 1 Nr. 1 BGB einzustufen sind, braucht nicht entschieden zu werden.

 (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381)

Zur Begründung führte der BGH auch ein systematisches Argument an: Zum Schutz der Unternehmer, die Werkverträge erbringen, sei ein Ausschluss des Widerrufsrechts nicht in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelt, sondern vielmehr in § 357 Abs. 3 S. 1 BGB.
Somit ist eine Abgrenzung der drei Vertragstypen notwendig. Grundsätzlich gilt: Der Verkäufer schuldet nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB allein Übergabe und Übereignung einer Sache, während ein Werklieferungsvertrag nach § 650 S. 1 BGB auf die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Sachen gerichtet ist. Der Unternehmer des Werkvertrags ist nach § 631 BGB zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet. Für eine Zuordnung zu einem dieser Vertragstypen muss der Vertragsschwerpunkt betrachtet werden: „Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen“ (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381).
Die Vorinstanz ist auf Basis dieser Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich um einen Werklieferungsvertrag. Die Lieferung des Treppenlifts stehe im Vordergrund, die Montage könne durch jede Fachfirma mit geringem Aufwand erfolgen (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 352). Der BGH ist anderer Ansicht. In der Pressemitteilung heißt es:

„Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.“

(BGH, Pressemitteilung Nr. 191/2021 v. 20.10.2021)

Demnach handelt es sich bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts regelmäßig um einen Werkvertrag, auf den der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht anwendbar ist. Der Hinweis der A, ein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe nicht, ist daher unrichtig und wettbewerbswidrig. Der von V  geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 S. 1, § 312g Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB besteht.
IV. Ausblick
Der BGH knüpft mit dieser Entscheidung an seine viel diskutierte Rechtsprechung aus dem Jahr 2018 an und bleibt dabei, dass sich der Ausschluss des Widerrufsrechts in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB i.d.R. nicht auf Werkverträge bezieht. Das macht im konkreten Fall jeweils eine Zuordnung zum Vertragstyp des Kauf-, Werklieferungs- oder Werkvertrags erforderlich. Von Studenten und Examenskandidaten ist in vergleichbaren Fällen eine genau Auswertung des Sachverhalts zu fordern. Die Ausführung der Vorinstanz zeigen hier, dass auch abweichende Ergebnisse durchaus vertretbar hergeleitet werden können. Entscheidend ist – wie so oft – eine fundierte Argumentation.

25.10.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-10-25 08:00:182021-10-25 08:00:18BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen
Gastautor

Das reformierte Verbraucherschutzrecht – ein Überblick über Neuregelungen, Systematik und examensrelevante Themen

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Das reformierte Verbraucherschutzrecht – ein Überblick über Neuregelungen, Systematik und examensrelevante Themen
Auch im neuen Jahr veröffentlichen wir wieder einen Beitrag eines Mitglieds des Phi Delta Phi – Hoffmann Becking Inn. Der Beitrag stammt im Januar von Peter Stainer.
Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei in Frankfurt am Main und beginnt im Frühjahr 2015 sein Referendariat. Darüber hinaus ist er Mitautor des aktuellen Hemmer-Skripts zum Verbraucherrecht.
I. Die Verbraucherrechtsreform vom 13.06.2014
Das Widerrufsrecht soll vor vertraglichen Bindungen schützen, die der Verbraucher möglicherweise übereilt und ohne gründliche Abwägung eingegangen ist. Grund für die Durchbrechung des Grundsatzes „pacta sunt servanda“ ist manchmal die Situation, in welcher der Vertrag zustande gekommen ist, manchmal aber auch der schwierig zu durchschauende Vertragsgegenstand (Palandt, § 355 nF, Rn. 2).
Mit Wirkung zum 13.06.2014 trat das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechtsrichtlinie (VerbRRL) und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung (VerbRRG) in Kraft. Ziel des Gesetzes ist die Umstellung des deutschen Verbraucherschutzrechts vom europäischen Minimalstandard hin zu einer Vollharmonisierung im Geltungsbereich der Richtlinie (Palandt, Vorb v § 312 nF, Rn. 3; Schärtl, JuS 2014, 577).
II. Neuerungen
Die Verbraucherrechtsreform hat im Bereich der besonderen Vertriebsformen („Haustürgeschäft“ und Fernabsatzvertrag) sowie beim Widerrufsrecht selbst zu umfassenden Modifikationen geführt. Die wesentlichen Änderungen sind im Folgenden überblicksmäßig aufgeführt:

  • Die §§ 312–312h wurden komplett neu gefasst, neu eingefügt wurden §§ 312i–312k BGB. Die §§ 355–361 BGB sowie Art. 246–246c EGBGB wurden ebenfalls neu gefasst.
  • In §§ 312, 312a BGB ist nun ein „Verbrauchervertragsrecht AT“ kodifiziert, welches für alle Verträge gilt, die eine „entgeltliche Leistung“ zum Gegenstand haben (Ehmann/Forster, GWR 2014, 163).
  • Das „Haustürgeschäft“ wurde durch den weitergehenden Begriff des „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrages (AGV)“ gem. § 312b BGB ersetzt.
  • Die Informationspflichten des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher wurden in §§ 312d, 312e, § 312j BGB neu gestaltet.
  • Für die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge gem. § 312b BGB und Fernabsatzverträge gem. § 312c BGB gilt nun ein einheitliches Widerrufsrecht gem. §§ 312g, 355, 356 BGB.
  • Die neuen Bestimmungen zum Widerrufsrecht richten sich nunmehr nach den besonderen Verbrauchervertragstypen (Besondere Vertriebsformen, Teilzeit-Wohnrechteverträge, Verbraucherdarlehen, Ratenlieferungsverträge etc.).
  • Der Widerruf muss nun gem. § 355 I 2, 3 BGB ausdrücklich erklärt werden, wofür es jetzt ein EU-weit einheitliches Musterformular gibt. Allerdings genügt nun eine formlose Erklärung des Widerrufs.
  • Die Widerrufsfrist wurde EU-weit harmonisiert und beträgt nun einheitlich 14 Tage, im Falle unzureichender Information beträgt die Höchstdauer zwölf Monate und 14 Tage. Ein quasi „ewiges“ Widerrufsrecht besteht somit – außer bei Verträgen über Finanzdienstleistungen – nicht mehr. [Verträge über Finanzdienstleistungen wurden von der VerbRRL und – weitestgehend – auch vom VerbRRG nicht erfasst. Solche Finanzdienstleistungsverträge (Definition in § 312 V BGB) haben jedoch allenfalls in den Südbundesländern (geringe) Examensrelevanz und sollten zumindest keinen Schwerpunkt bei der Vorbereitung auf die Pflichtfachprüfung darstellen.]
  • Gestrichen wurde das Rückgaberecht gem. § 356 BGB aF als Alternative zum Widerruf.
  • Anders als bisher werden abweichende Widerrufsvorschriften bei besonderen Verbraucherverträgen (Teilzeit-Wohnrechte, Verbraucherdarlehen, Ratenlieferung) nicht mehr bei den einzelnen Vertragstypen, sondern zentral in den §§ 356a–356c, 357a–357c geregelt.
  • Die Rechtsfolgen des Widerrufs sind nun selbstständig geregelt, der Verweis auf die Rechtsfolgen des Rücktritts (§ 246 ff. BGB) ist entfallen.
  • § 357 VI BGB trägt der Verbraucher nun im Regelfall die Kosten der Rücksendung.

Gemäß Art. 229 § 32 I EGBGB richten sich vor dem 13.06.2014 entstandene Schuldverhältnisse grundsätzlich nach dem alten Recht, ab diesem Stichtag findet die neue Rechtslage Anwendung.
III. Systematik der §§ 355 ff. BGB
In verschiedenen Bestimmungen zu Verbraucherverträgen (klausurträchtig sind §§ 312g, 485, 495 I und § 510 II BGB) finden sich Tatbestände, bei deren Vorliegen ein Widerrufsrecht besteht. Diese Tatbestände verweisen auf § 355 BGB, welcher – als eine Art „Widerrufsrecht AT“ grundlegend die Art und Weise der Ausübung des Widerrufs bestimmt. § 355 BGB wird jedoch durch die §§ 356–356c BGB weiter konkretisiert, welche mit den besonderen Verbrauchervertragstypen (§§ 312g, 485, 495 I, § 510 II BGB) korrespondieren und speziellere Anforderungen – insbesondere Ausschlussfristen – für den jeweiligen Vertragstyp aufstellen. In §§ 357–357c BGB werden die Rechtsfolgen des Widerrufs – parallel zu §§ 356a–356c – für bestimmte Vertragstypen abschließend normiert.
Die Systematik lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Besondere Vertriebsformen (§§ 312b ff BGB):
Widerrufsrecht: §§ 355, 356                       Rechtsfolge: § 357 BGB
Teilzeit-Wohnrechtsverträge (§§ 481 ff. BGB):
Widerrufsrecht: §§ 355, 356a                     Rechtsfolge: § 357b BGB
Verbraucherdarlehensverträge (§§ 491 ff. BGB):
Widerrufsrecht: §§ 355, 356b                     Rechtsfolge: § 357a III BGB
Ratenlieferungsverträge (§§ 510 ff. BGB):
Widerrufsrecht: §§ 355, 356c                      Rechtsfolge: § 357c BGB
IV. Systematik der §§ 312 ff. BGB
Die §§ 312–312k BGB (Untertitel 2: Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besondere Vertriebsformen) folgen einer völlig neuen Regelungstechnik, deren Regelungsgegenstand zum Teil über Verbraucherverträge hinausgeht:
1. Kapitel 1 (§§ 312; 312a BGB): „Verbrauchervertragsrecht AT“
312 I BGB definiert den Anwendungsbereich für Kapitel 1 und 2, wonach diese nur auf Verbraucherverträge i.S.d. § 310 III BGB Anwendung finden, welche eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Der Verbrauchervertrag ist in § 310 III BGB legaldefiniert als ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (B2C). „Entgeltlich“ meint alle Verträge, in denen sich der Verbraucher zu einer Gegenleistung verpflichtet, die Bezeichnung der Gegenleistung ist dabei gleichgültig (Preis, Lohn, Honorar, Vergütung, Gebühr, usw.) und weit auszulegen.
Von erhöhter Klausurrelevanz sind die Bereichsausnahmen in § 312 II–IV BGB. § 312 II–VI BGB beschränken den sachlichen Anwendungsbereich der §§ 312–312h BGB durch Ausnahmetatbestände. Grund hierfür ist meist, dass in den genannten Fällen der Verbraucherschutz durch speziellere Normen ausreichend verwirklicht wird. Das Widerrufsrecht entfällt jedoch nur in den Fällen des § 312 II und VI BGB sowie bei Folgeverträgen bei Finanzdienstleistungen mit mehreren aufeinander folgenden Verträgen. Interessant im Zusammenhang mit den Bereichsausnahmen ist das Umgehungsverbot in § 312k I 2 BGB: Geschickte Unternehmer könnten den Versuch unternehmen, einen entgeltlichen Verbrauchervertrag formal unter die Voraussetzungen einer Bereichsausnahme zu fassen und das Widerrufsrecht aus § 312b BGB oder § 312c BGB auf diese Weise auszuhöhlen. Dies verhindert § 312k I 2 BGB, indem die Norm bei solchen Umgehungskonstellationen die Vorschriften des Untertitels trotzdem für anwendbar erklärt. Neben den Bereichsausnahmen des § 312 II–IV BGB findet der Ausnahmekatalog des § 312g II BGB Anwendung (für Einzelheiten und Fallbeispiele zu den Bereichsausnahmen siehe Hemmer/Wüst/d’Alquen/Stainer, Verbraucherschutzrecht, 4.Aufl., Rn. 304 ff).
Die in § 312a I, III–V BGB geregelten Informationspflichten gelten für alle Verbraucherverträge i.S.d. § 310 III BGB, während die in § 312a II BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB genannten Pflichten durch § 312d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB verdrängt werden. Die Informationspflichten nach § 312a II BGB i.V.m. Art. 246 EGBGB sind auch auf alle sonstigen Verbraucherverträge, die nicht unter §§ 312b; 312c BGB fallen, anwendbar, also auf sämtliche Geschäfte des stationären Handels oberhalb der Bagatellgrenze des Art. 246 II EGBGB. Die Pflichten und Grundsätze des § 312a I, III–V BGB werfen im Einzelnen keine Schwierigkeiten auf und lassen sich durch Lektüre des Gesetzes gut erschließen. Zu beachten ist, dass sich eine Nichtbeachtung des § 312a BGB nicht auf das Widerrufsrecht bzw. die Widerrufsfrist auswirkt, da die Sanktionen nach Abs. 3–5 den Verbraucherschutz bereits hinreichend gewährleisten (Palandt, § 356 nF, Rn. 7).
2. Kapitel 2 (§§ 312b–312h BGB): Besondere Vertriebsformen bei Verbraucherverträgen
a) Außergeschäftsraumverträge (AGV), § 312b BGB
Das Widerrufsrecht bei Außergeschäftsraumverträgen dient dem Schutz des Verbrauchers vor situativer Überrumpelung durch einen Unternehmer: Außerhalb von Geschäftsräumen muss ein Verbraucher nämlich regelmäßig nicht mit einem Vertragsschluss rechnen.
Ein Außergeschäftsraumvertrag liegt in den vier Fällen des § 312b I 1 Nr. 1–4 BGB vor. Hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsvarianten ist Folgendes zu beachten:

  • „Geschäftsräume“ sind in § 312b II BGB definiert. Die negative Abgrenzung in § 312b I Nr BGB geht deutlich über das „alte“ Verständnis des Haustürgeschäfts hinaus. Als außerhalb von Geschäftsräumen sind insbesondere die Privatwohnung, der Arbeitsplatz und allgemein zugängliche Verkehrsflächen anzusehen. Insoweit fallen auch Partyverkäufe in Privatwohnungen und Vertragsschlüsse in Hotels und Seniorenheimen unter § 312b I BGB. Ob der Besuch des Unternehmers durch den Verbraucher bestellt wurde, ist nach neuer Rechtslage nicht mehr entscheidend (Palandt, § 312b nF, Rn. 4).
  • 312b I 1 Nr. 2 BGB erweitert den Anwendungsbereich der Nr. 1 auf Fälle, in denen nur der Verbraucher seine bindende Erklärung abgibt, der Unternehmer den Antrag aber erst später (und möglicherweise in seinen Geschäftsräumen) annimmt. Voraussetzung ist allerdings die körperliche Anwesenheit des Unternehmers (oder seines Gehilfen, § 312b I 2 BGB).
  • Von § 312b I 1 Nr. 3 BGB erfasst werden Verträge, bei denen der Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers persönlich und individuell angesprochen, der Vertrag allerdings in unmittelbarem Anschluss in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird. Allerdings greift Nr. 3 nicht, wenn der Unternehmer in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um für ein Angebot Werbematerial abzugeben, Maße zu nehmen oder eine Schätzung vorzunehmen und der Verbraucher erst nach einer Prüfungs- und Bedenkzeit sein Angebot abgibt (Palandt, § 312b nF, Rn. 6).
  • 312b I 1 Nr. 4 BGB erfasst Fälle, bei denen anlässlich einer Ausflugsveranstaltung in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen werden. Erfasst werden insbesondere Kaffee- und Butterfahrten.

b) Fernabsatzverträge, § 312c BGB
Die Definition des Fernabsatzvertrages hat sich – im Vergleich zum „Haustürgeschäft / Außergeschäftsraumvertrag“ eher geringfügig verändert und vereinfacht. Sowohl der Begriff des Fernabsatzvertrages (§ 312c I BGB) als auch der des Fernkommunikationsmittels (§ 312c II BGB) sind nun legaldefiniert. Entscheidend für das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages ist, dass die Vertragsparteien nicht gleichzeitig körperlich anwesend sind, sondern eben nur mittels Fernkommunikationsmittel kommunizieren. Für die Klausur empfiehlt es sich hier, sich am Gesetzeswortlaut zu orientieren und in Zweifelsfällen richtlinienkonform – also verbraucherfreundlich – auszulegen.
c) Informationspflichten und Formalien, §§ 312d, 312e, 312f BGB
Gemäß § 312d I 1 BGB ist der Unternehmer bei Verträgen gem. § 312b I BGB verpflichtet, den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB zu informieren. Für Verträge über Finanzdienstleistungen gilt abweichend § 312d II BGB i.V.m. Art. 246b EGBGB. Die einzelnen Informationspflichten sind im EGBGB katalogartig aufgelistet und lassen sich durch die Gesetzeslektüre ohne weiteres erschließen.
d) Widerrufsrecht, § 312g BGB
312g I BGB enthält den Verweis auf § 355 BGB. § 312g II BGB enthält einen Katalog von Fällen, in welchen – vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung durch die Parteien – kein Widerrufsrecht besteht. Die einzelnen Ausnahmen sind wörtlich aus Art. 16 VerbRRL übernommen und teilweise sehr weit formuliert; ein Ergebnis intensiver Lobbyarbeit zugunsten der Unternehmen (Palandt, § 312g, Rn. 3). Im Zweifel ist auch hier richtlinienkonform (also verbraucherfreundlich) auszulegen, wegen § 312k II BGB trägt der Unternehmer die Beweislast für das Vorliegen einer Ausnahme. Dieser Ausnahmenkatalog gilt kumulativ mit den Bereichsausnahmen des § 312 II, V, VI BGB. § 312g III BGB stellt klar, dass die dort genannten spezielleren Widerrufsrechte dem § 312g I BGB vorgehen (zu den einzelnen Ausnahmen mit Fallbeispielen vgl. Hemmer/Wüst/d’Alquen/Stainer, Verbraucherschutzrecht, 4. Aufl. 2014, Rn. 317 ff.).
3. Kapitel 3 (§§ 312i, 312j BGB): Elektronischer Geschäftsverkehr
312i BGB dient der Umsetzung von Art. 10, 11 E-Commerce-Richtlinie (2000/31/EG). Vom persönlichen Anwendungsbereich werden daher nicht nur Verbraucherverträge, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse im elektronischen Geschäftsverkehr (also auch B2B und C2C) erfasst. Daher bezieht sich die Norm auf den weiten Begriff des „Kunden“ und nicht auf den Verbraucher i.S.d. § 14 BGB. Die Verortung des § 312i BGB im Untertitel 2 („Verbraucherverträge“) ist daher an sich systemwidrig. Sie wird allerdings in Zusammenschau mit der Folgenorm § 312j BGB verständlich, welche für Verbraucherverträge (B2C) im elektronischen Geschäftsverkehr – in Umsetzung von Art. 8 II, III VerbRRL – weitere, über § 312i BGB hinausgehende Anforderungen stellt.
Der Vertrag im elektronischen Geschäftsverkehr ist in § 312i I BGB legaldefiniert. Maßgebliches Kriterium ist die Verwendung von Telemedien zum Vertragsabschluss, wobei der Begriff Telemedien wie in § 1 TMG zu verstehen ist (BeckOK-BGB, § 312k, Rn. 9 ff.). Der Hauptanwendungsbereich liegt freilich in der Benutzung des Internets und internetbasierter Dienste (Online-Banking, Filesharing Dating-Plattformen).
Die allgemeinen Pflichten des Unternehmers gem. § 312i I Nr. 1–4 BGB (Nr. 1: Bereitstellung einer Korrekturmöglichkeit für Eingabefehler; Nr. 2: Informationspflichten nach Art. 246c EGBGB; Nr. 3: Unverzügliche Bestellbestätigung und Nr. 4: Möglichkeit des Abrufs und der Speicherung des Vertragswerkes einschließlich AGB) sind aus der Gesetzeslektüre heraus verständlich. Als Sanktion bei Pflichtverletzungen kommen allenfalls ein Schadenersatzanspruch aus §§ 311 II, 241 II, 280 I EGBGB, ferner Unterlassungsansprüche aus § 8 UWG und § 2 UKlaG in Betracht (Schulte u.a., § 312i BGB, Rn. 12). Auf das Widerrufsrecht ergeben sich insoweit keine Auswirkungen.
Der speziellere § 312j BGB sieht in § 312j I BGB besondere Informationspflichten für Webseiten für den elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (Online-Shops) vor und erklärt in § 312j II BGB im Anwendungsbereich des § 312 I BGB („entgeltliche Leistung“) die Belehrungspflichten des Art. 246a § 1 I 1 Nr. 1, 4, 5, 11, 12 EGBGB ergänzend zu Art. 246c EGBGB für anwendbar. Ähnlich wie bei § 312i BGB kommen bei Verletzung dieser Pflichten Ansprüche aus c.i.c. sowie aus dem UWG und dem UKlaG in Betracht mit dem Unterschied, dass wegen § 312k II BGB eine Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers stattfindet.
Die vormals in § 312g III 1 und 2 BGB aF geregelte Ausdrücklichkeitsanforderung und die sog. „Button-Lösung“ befinden sich nun – inhaltlich unverändert – in § 312j III 1 und 2 BGB. Ein konkludenter Abschluss von Verbraucherverträgen im Internet bleibt somit unmöglich (BeckOK-BGB, § 312j, Rn. 17).
312j IV BGB sanktioniert die Nichthaltung der formalen Anforderungen des § 312j III BGB mit der Unwirksamkeit des Vertrages. Diese Rechtsfolge – Unwirksamkeit eines Vertrages ex tunc aufgrund einer Pflichtverletzung – fügt sich nicht in die Dogmatik der Rechtsgeschäftslehre des BGB ein und stellt daher ein u.U. klausurtaugliches Problem dar. (siehe dazu unter V.).
4. Kapitel 4 (§ 312k BGB): Abweichende Vereinbarungen und Beweislast.

  • 312k BGB gilt für den gesamten Untertitel 2 und enthält drei Regelungen: § 312k I 1 BGB erklärt die vorhergehenden Bestimmungen für unabdingbar, während § 312k I 2 BGB ein Umgehungsverbot der Vorschriften des 2. Untertitels konstituiert. Gestaltungen, welche die Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers umgehen sollen, werden somit unwirksam (z.B. die Aufteilung eines einheitlichen Vertrages in Teilleistungen zu je 40 €, um den Vertrag gem. § 312 II Nr. 12 BGB aus dem Anwendungsbereich des Widerrufsrechts herauszunehmen).
  • 312k II BGB bürdet für den gesamten Unterabschnitt 2 die Beweislast in Bezug auf Informationspflichten dem Unternehmer auf, sofern ein Verbraucher auf einer Seite des Vertrages steht. Sofern in den Fällen des § 312i BGB keine Verbraucher involviert sind, gilt die Beweislastumkehr also entsprechend nicht, wohl aber für die Fälle des § 312j BGB.

V. Klausurrelevanz
Sofern in einer Klausur ein Widerrufsrecht gem. §§ 312g, 355 BGB in Betracht kommt, bietet sich das folgende Aufbauschema an:

  • Obersatz zu Rechtsfolgen:
    • 355 I BGB rechtsvernichtende Einwendung
    • § 357–357c BGB: Entstehen eines RückgewährSV (nur relevant bei AustauschV), u.U. Wertersatzpflicht des Verbrauchers
  • Bestehen eines Widerrufsrechts nach § §312b, 312g BGB
    • Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 III BGB
    • Entgeltliche Leistung, § 312 I BGB
    • keine Bereichsausnahme gem. § 312 II, V, VI BGB
    • Außergeschäftsraum-Situation gem. § 312b I Nr. 1–4 BGB oder Fernabsatzvertrag, § 312c I BGB
    • kein Ausschluss des Widerrufsrechts gem. § 312g II BGB
    • keine Subsidiarität gem. § 312g III BGB
    • kein Erlöschen des Widerrufsrechts gem. § 356 IV, V BGB
  • Frist- und formgerechter Widerruf:
    • 14 Tage ab Vertragsschluss gem. § 355 II BGB bei Belehrung, abweichender Fristbeginn gem. §§ 356 II, III; 356a–356c BGB. Ohne Belehrung erlischt das Widerrufsrecht 12 Monate und 14 Tagen gem. § 356 III BGB
    • Ausdrückliche Widerrufserklärung, § 355 I 3 BGB, ggf. unter Verwendung der Musterwiderrufserklärung gem. § 356 I BGB

Der erste größere Augenmerk in einer Klausur sollte auf den Bereichsausnahmen des § 312 II–VI BGB und dem Ausnahmekatalog des § 312g II BGB liegen, wobei das Umgehungsverbot des § 312k I 2 BGB stets gedanklich präsent sein sollte.
Bei § 312j IV BGB (bzw. § 312g IV BGB aF) bleibt bei Pflichtverletzungen im elektronischen Geschäftsverkehr das Problem der richtlinienkonformen Auslegung des § 312j IV BGB aktuell. Fraglich ist ob der Verbraucher trotz Pflichtverletzung des Unternehmers am Vertrag festhalten kann und die Leistung fordern darf: Während eine Ansicht wortlautkonform auch dem Verbraucher das Festhalten am Vertrag versagt (Palandt, § 312j BGB nF, Rn. 8 m.w.N.), soll auf der anderen Seite in richtlinienkonformer Auslegung des Art. 8 II VerbRRL der Verbraucher nicht gebunden und nur der Unternehmer am Vertrag festgehalten werden (Schulte u.a., § 312j, Rn. 3). Entscheidend sind wie immer die Identifikation des Problems und die argumentative Zuführung zu einer vertretbaren Lösung (zur Vertiefung: BeckOK-BGB, § 312j, Rn. 26 ff.; Weiss, JuS 2013, 590–594; Heinig, MDR 2012, 323–327; Alexander, NJW 2012, 1985–1990)
Die Handhabung des – zumindest in Bayern – als klausurrelevant gehandelten Widerrufs eines geschlossenen Fonds mit dem Problem, dass die § 357 I 1 aF i.V.m. 246 ff. BGB nicht auf die Beendigung einer Gesellschaft passten, dürfte sich zumindest nicht wesentlich verändert haben: Die nunmehr in § 355 III BGB geregelte „Rückgewähr empfangener Leistungen“ entspricht insoweit dem Wortlaut des § 346 I BGB, sodass die Lösung eines solchen Falles immer noch eine argumentative Auseinandersetzung erfordert [fehlerhafte Gesellschaft, Auseinandersetzungsanspruch (siehe MüKo-BGB, § 705, Rn. 329; BGH, NJW 2012, 3096)].
VI. Zur Vertiefung und Ergänzung
Schärtl, Der verbraucherschützende Widerruf bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen, JuS 2014, 577–583.
 

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