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Schlagwortarchiv für: Fernabsatz

Dr. Lena Bleckmann

BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Werkvertragsrecht, Zivilrecht

Vergangene Woche hat der BGH in einer Entscheidung zu Treppenliften grundlegende Fragen im Bereich des Verbraucherwiderrufsrechts geklärt. Die Entscheidung liefert darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse zur Abgrenzung von Kaufverträgen, Werkverträgen und Werklieferungsverträgen.  An Klausur- und Examensrelevanz dürfte eine solche Entscheidung kaum zu übertreffen sein.
I. Der Sachverhalt
Der Sachverhalt ist schnell erzählt. A vertreibt sog. Kurventreppenlifte – es handelt sich um Vorrichtungen, die an Treppenaufgängen befestigt werden, um insbesondere Personen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind, den Treppenauf- und –abstieg zu erleichtern bzw. überhaupt erst zu ermöglichen. Die Schienen werden hierbei individuell an im jeweiligen Treppenhaus zu befahrende Kurven angepasst. A weist Verbraucher in Bezug auf diese Kurventreppenlifte darauf hin, dass im Rahmen des jeweiligen Vertrags, abgesehen von einem bestimmten Modell, kein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe. Hiergegen wendet sich die Verbraucherzentrale V. Sie ist der Ansicht, dass sehr wohl ein gesetzliches Widerrufsrecht besteht und nimmt die A  auf Unterlassung in Anspruch.

Anm.: Hierbei mag es sich um eine für eine Zivilrechtsklausur eher ungewöhnliche Konstellation handeln. Bearbeiter müssten sich mit der Anspruchsberechtigung der Verbraucherzentralen nach § 8 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 4 UKlaG auseinandersetzen. Dass dies gefordert wird, ist nicht ausgeschlossen, aber selten. Der Fall lässt sich jedoch ohne größere Probleme abwandeln, indem man eine tatsächliche Bestellung eines solchen Kurventreppenlifts durch einen Verbraucher mit anschließender Ausübung eines möglichen Widerrufsrechts konstruiert. Die eher unübliche Einkleidung sollte mithin nicht dazu verleiten, die Klausurrelevanz der Entscheidung zu verkennen.

II. Widerrufsrechte und Informationspflichten
Eine kurze Wiederholung der Fragen rund um das Widerrufsrecht im Verbraucherschutzrecht: Die verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 312 ff. BGB sind nach § 312 Abs. 1 BGB auf Verbraucherverträge anwendbar, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben. Was Verbraucherverträge sind, definiert § 310 Abs. 3 BGB: Es handelt sich um Verträge zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer. Die übrigen Absätze des § 312 BGB enthalten sodann Einschränkungen des Anwendungsbereichs, die vorliegend aber keine weitere Beachtung finden sollen.
Möchte der Verbraucher nach Abschluss eines Vertrags i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB von diesem Abstand nehmen, kann ihm dies aufgrund eines Widerrufsrechts möglich sein. § 312g Abs. 1 BGB sieht ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge vor. In der Klausur ist an dieser Stelle daher eine saubere Subsumtion unter die Begriffe des außerhalb des Geschäftsräume geschlossenen Vertrags nach § 312b BGB bzw. des Fernabsatzvertrags nach § 312c BGB erforderlich. Für den konkreten Fall würde der Sachverhalt dann nähere Angaben enthalten, welche die Zuordnung zu dem einen oder anderen Begriff ermöglichen. Liegt ein Fernabsatzvertrag oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag vor, greift grundsätzlich  § 312g Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 BGB: Wird der Widerruf fristgerecht unter Wahrung der Anforderungen des § 355 Abs. 1 BGB erklärt, sind die Parteien an ihre auf Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden. Der Unternehmer ist nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts zu informieren. Das alles gilt jedoch nicht, wenn das Bestehen eines Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2, 3 BGB ausgeschlossen ist.
III. Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB
Zurück zum Fall: Die Verbraucherzentrale V stützt sich für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch (§ 8 Abs. 1 UWG, § 3 Abs. 1 UWG, § 3a UWG) auf die Informationspflicht des Unternehmers bei bestehenden Widerrufsrechten nach § 312d Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 246a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB. Sofern im Falle der Bestellung eines Kurventreppenlifts ein Widerrufsrecht bestünde, würde der Hinweis von Seiten der A, dass ein solches gerade nicht besteht, wettbewerbswidriges Verhalten darstellen (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350). Zentrale Frage ist mithin, ob denn ein solches Widerrufsrecht bestünde, wenn es mit einem Verbraucher zum Abschluss eines Vertrags über Anfertigung und Einbau eines Kurventreppenlifts durch die A käme.
Die Vorinstanz hat das noch abgelehnt: Das OLG Köln sah die Voraussetzungen des Ausschlusses nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB als erfüllt an (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 351 f). Nach dieser Norm besteht ein Widerrufsrecht nicht bei Verträgen zur Lieferung von Waren, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Dass die Laufschienen für Kurventreppenlifte individuell angefertigt werden und an die konkreten Gegebenheiten vor Ort angepasst werden, wird nicht bezweifelt. Der Problempunkt ist ein anderer: Bei dem Vertrag, der bei Bestellung eines Kurventreppenlifts abgeschlossen wird, müsste es sich um einen Vertrag zur Lieferung von Waren i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB handeln. Der Begriff geht auf Art. 16 lit. c Richtlinie 2011/83/EU zurück, der den Ausschluss des Widerrufsrecht vorsieht, wenn „Waren geliefert werden“.  Nun existieren im deutschen Zivilrecht mehrere Vertragstypen, die eine Lieferung von Waren umfassen: Sowohl ein Kaufvertrag nach § 433 BGB, als auch ein Werklieferungsvertrag nach § 650 BGB und ein Werkvertrag nach § 631 BGB kann Waren (es handelt sich hierbei ausschließlich um bewegliche Gegenstände, siehe § 241a Abs. 1 BGB) zum Gegenstand haben. Nicht alle dieser Vertragstypen fallen jedoch nach Ansicht des BGH unter den Begriff des Vertrags zur Lieferung von Waren, den § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB verwendet. In einer Entscheidung aus dem Jahre 2018 hinsichtlich des Einbaus eines Senkrechtslifts äußerte sich der BGH dahingehend, dass § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB Kaufverträge und Werklieferungsverträge, in aller Regel aber nicht Werkverträge umfasse.

 „Dem Wortlaut nach umfasst § 312 g II 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrach Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst.

 Dies entspricht der Verbraucherrechte-RL, deren Umsetzung unter anderem § 312g BGB dient. Nach Art. 2 Nr. 5 Verbraucherrechte-RL ist ein „Kaufvertrag“ jeder Vertrag, durch den der Unternehmer das Eigentum an Waren an den Verbraucher überträgt oder deren Übertragung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, einschließlich von Verträgen, die sowohl Waren als auch Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Damit werden von dieser Definition Kauf- und Werklieferungsverträge umfasst, und zwar auch dann, wenn sich der Unternehmer gegenüber dem Verbraucher zur Montage der zu liefernden Waren verpflichtet hat. Eine entsprechende Regelung enthalten §§ 474 I 2, 434 II 1, 433, 651 S. 1 BGB.

 In Abgrenzung zum „Kaufvertrag“ ist dagegen ein „Dienstleistungsvertrag“ jeder Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt, Art. 2 Nr. 6 Verbraucherrechte-RL. Nach dieser Definition sind Werkverträge (§ 631 BGB) jedenfalls regelmäßig nicht als auf die Lieferung von Waren gerichtete Verträge einzustufen. Ob Werkverträge im Sinne des deutschen Rechts in Ausnahmefällen als Verträge über die Lieferung von Waren iSd § 312g II 1 Nr. 1 BGB einzustufen sind, braucht nicht entschieden zu werden.

 (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381)

Zur Begründung führte der BGH auch ein systematisches Argument an: Zum Schutz der Unternehmer, die Werkverträge erbringen, sei ein Ausschluss des Widerrufsrechts nicht in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB geregelt, sondern vielmehr in § 357 Abs. 3 S. 1 BGB.
Somit ist eine Abgrenzung der drei Vertragstypen notwendig. Grundsätzlich gilt: Der Verkäufer schuldet nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB allein Übergabe und Übereignung einer Sache, während ein Werklieferungsvertrag nach § 650 S. 1 BGB auf die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Sachen gerichtet ist. Der Unternehmer des Werkvertrags ist nach § 631 BGB zur Herstellung des versprochenen Werks verpflichtet. Für eine Zuordnung zu einem dieser Vertragstypen muss der Vertragsschwerpunkt betrachtet werden: „Liegt der Schwerpunkt des Vertrags auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz, liegt ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vor. Liegt der Schwerpunkt des Vertrags dagegen nicht auf dem Warenumsatz, sondern schuldet der Unternehmer die Herstellung eines funktionstauglichen Werks, ist ein Werkvertrag anzunehmen“ (BGH, Urt. v. 30.8.2018 – VII ZR 243/17, NJW 2018, 3380, 3381).
Die Vorinstanz ist auf Basis dieser Rechtsprechung zu dem Ergebnis gelangt, es handle sich um einen Werklieferungsvertrag. Die Lieferung des Treppenlifts stehe im Vordergrund, die Montage könne durch jede Fachfirma mit geringem Aufwand erfolgen (OLG Köln, Beschl. v. 13.5.2020 – 6 U 300/19, MMR 2021, 350, 352). Der BGH ist anderer Ansicht. In der Pressemitteilung heißt es:

„Im Streitfall liegt der Schwerpunkt des angestrebten Vertrags nicht auf der mit dem Warenumsatz verbundenen Übertragung von Eigentum und Besitz am zu liefernden Treppenlift, sondern auf der Herstellung eines funktionstauglichen Werks, das zu einem wesentlichen Teil in der Anfertigung einer passenden Laufschiene und ihrer Einpassung in das Treppenhaus des Kunden besteht. Auch der hierfür, an den individuellen Anforderungen des Bestellers ausgerichtete, erforderliche Aufwand spricht daher für das Vorliegen eines Werkvertrags. Bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts, der durch eine individuell erstellte Laufschiene auf die Wohnverhältnisse des Kunden zugeschnitten wird, steht für den Kunden nicht die Übereignung, sondern der Einbau eines Treppenlifts als funktionsfähige Einheit im Vordergrund, für dessen Verwirklichung die Lieferung der Einzelteile einen zwar notwendigen, aber untergeordneten Zwischenschritt darstellt.“

(BGH, Pressemitteilung Nr. 191/2021 v. 20.10.2021)

Demnach handelt es sich bei der Bestellung eines Kurventreppenlifts regelmäßig um einen Werkvertrag, auf den der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht anwendbar ist. Der Hinweis der A, ein gesetzliches Widerrufsrecht bestehe nicht, ist daher unrichtig und wettbewerbswidrig. Der von V  geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 312d Abs. 1 S. 1, § 312g Abs. 1 BGB und Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB besteht.
IV. Ausblick
Der BGH knüpft mit dieser Entscheidung an seine viel diskutierte Rechtsprechung aus dem Jahr 2018 an und bleibt dabei, dass sich der Ausschluss des Widerrufsrechts in § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB i.d.R. nicht auf Werkverträge bezieht. Das macht im konkreten Fall jeweils eine Zuordnung zum Vertragstyp des Kauf-, Werklieferungs- oder Werkvertrags erforderlich. Von Studenten und Examenskandidaten ist in vergleichbaren Fällen eine genau Auswertung des Sachverhalts zu fordern. Die Ausführung der Vorinstanz zeigen hier, dass auch abweichende Ergebnisse durchaus vertretbar hergeleitet werden können. Entscheidend ist – wie so oft – eine fundierte Argumentation.

25.10.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-10-25 08:00:182021-10-25 08:00:18BGH zum Widerrufsrecht beim Werkvertrag sowie zur Abgrenzung von Kauf- und Werklieferungsverträgen
Gastautor

BGH: Wertersatzpflicht für übermäßige Prüfung der Sache bei Fernabsatzverträgen

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Wichtige Neuigkeiten für Examenskandidaten und Online-Shopper: Die bisherige Rechtsprechung des BGH in Sachen Wertersatzpflicht bei Widerruf von Fernabsatzverträgen war für Verbraucher äußerst günstig. Sie sollen den bestellten Gegenstand ausgiebig in Augenschein nehmen und ausprobieren dürfen, ohne dafür nach ausgeübtem Widerrufsrecht dem Unternehmer etwas zahlen zu müssen. Dass dieses Recht nicht grenzenlos ist und insbesondere nicht darüber hinausgehen kann, inwieweit der Käufer die Sache beim klassischen Kauf in einem Ladengeschäft hätte prüfen können, hat der BGH nun in seinem Urteil vom 12.10.2016 klargestellt (Az. VIII ZR 55/15).
I. Der Sachverhalt
Der Kläger hatte 2012 über die Beklagte, einen Online-Shop für Autoteile, einen Katalysator mit Montagesatz für insgesamt 386,58 Euro bestellt. Nachdem der Katalysator geliefert worden war, brachte der Kläger ihn und sein Fahrzeug in eine Fachwerkstatt, wo der Katalysator eingebaut wurde. Daraufhin unternahm er eine Probefahrt mit dem neu ausgestatteten Wagen und musste feststellen, dass dieser nicht mehr die vorherige Leistung erbrachte. Dies veranlasste den Kläger dazu seine Willenserklärung hinsichtlich des Kaufvertrags fristgerecht zu widerrufen und den Katalysator zurückzusenden. An dem Katalysator waren inzwischen jedoch aufgrund des Einbaus und des Gebrauchs beim Betrieb des Fahrzeugs deutlich sichtbare Spuren entstanden. Für die Beklagte war der Katalysator dadurch wertlos geworden, weswegen sie die Aufrechnung mit einem entsprechenden Wertersatzanspruch erklärte und sich deshalb auch weigerte den Kaufpreis zurückzuerstatten. Während das Amtsgericht den Rückzahlungsanspruch vollumfänglich bejahte, entschied das Landgericht, dass die Beklagte gegen den Rückzahlungsanspruch wirksam mit einem Wertersatzanspruch gemäß § 357 Abs. 3 BGB a.F. wegen der am Katalysator eingetretenen Verschlechterungen aufgerechnet habe. Dieses Berufungsurteil wurde vom BGH aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen.
II. Vorgehen in der Klausur
1. Anspruch des Käufers auf Rückerstattung entstanden
Ist in der Klausur nach der Begründetheit der Klage des Käufers gefragt, ist natürlich zunächst zu prüfen, ob ein etwaiger Anspruch des Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises entstanden ist. Anspruchsgrundlage ist vorliegend §§ 355 Abs. 3 S. 1, Abs. 1, 357 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312c, 356 BGB. Anschließend kann kurz festgestellt werden, dass zunächst ein wirksamer Kaufvertrag über den Katalysator zustande gekommen ist und der Käufer diesen auch bereits bezahlt hat. Anschließend sind dann das Bestehen eines Widerrufsrechts und dessen wirksame Ausübung zu prüfen. In der konkreten Konstellation lag hierin kein Problem, in einer Examensklausur wird das aber selten der Fall sein, weshalb hier noch einmal die dabei zu prüfenden Punkte im Überblick dargestellt werden:
a) Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 312 ff. BGB
aa) Vorliegen eines Verbrauchervertrages, § 312 Abs. 1 i.V.m. § 310 Abs. 3 BGB
bb) Entgeltliche Leistung des Unternehmers, § 312 Abs. 1 BGB
cc) Kein Ausschlusstatbestand, § 312 Abs. 3 BGB
b) Vorliegen eines Widerrufsrecht, §§ 312b ff. BGB (Hier §§ 312c Abs. 1, 312 g Abs. 1 Var. 1 BGB, da es sich um einen Fernabsatzvertrag handelt)
c) Kein Erlöschen des Widerrufsrechts, §§ 356 Abs. 4, 5 BGB
d) Wirksame Widerrufserklärung, § 355 Abs. 1 BGB
e) Einhaltung der Widerrufsfrist, § 355 Abs. 2, 356 Abs. 2-5 BGB
Gemäß § 357 Abs. 1 BGB sind die empfangenen Leistungen nach wirksam ausgeübten Widerruf innerhalb von 14 Tagen zurück zu gewähren, sodass der Käufer hier grundsätzlich einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises geltend machen konnte.
2. Aufrechnung mit Wertersatzanspruch
Hier hat jedoch der Verkäufer die Aufrechnung gem. §§ 387, 388 BGB mit einem Anspruch auf Wertersatz für die an dem Katalysator entstandenen Einbau- und Gebrauchsspuren erklärt. Voraussetzung dafür ist das Bestehen eines fälligen, durchsetzbaren und erfüllbaren Anspruchs im Gegenseitigkeitsverhältnis. Als Anspruchsgrundlage kommt hier §§ 357 Abs. 7 Nr. 1, 355 Abs. 1, 312g Abs. 1, 312c, 356 in Betracht. Dafür kommt es darauf an, ob „der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war“. An dieser Stelle kommt es jetzt ganz auf eine gute Argumentation an. Andere bereits entschiedene Fälle können dabei zur Abgrenzung helfen.
In einem bekannten, ebenfalls vom BGH entschiedenen Fall (BGH v. 3.11.2010 – VIII ZR 337/09) hatte der Käufer online ein Wasserbett bestellt, dieses zuhause auch entsprechend befüllt und anschließend in drei Nächten darauf geschlafen. Nach wirksam erklärtem Widerruf schickte er das Wasserbett an den Händler zurück, der dieses nun nicht mehr weiterverkaufen konnte und deshalb ebenfalls Wertersatz verlangte. Hier argumentierte der BGH mit dem Zweck der wertersatzfreien Prüfmöglichkeit durch den Käufer, eine der Begutachtung im traditionellen Handel nahekommende Prüfung der Sache zu ermöglichen. Er stellte dementsprechend fest, dass der Kunde, wenn er das Wasserbett in einem Geschäft gekauft hätte, dieses zwar auch nicht hätte auspacken und aufbauen können, dass in einem Ladengeschäft aber regelmäßig Musterstücke ausgestellt sind, die der Kunde in Augenschein nehmen und ausprobieren kann.
Im vorliegenden Fall gestaltete sich aber gerade dieser Punkt anders. In seiner Pressemitteilung vom 12.10.2016 erklärte der BGH:

„Nach Auffassung des BGH ist dem Verbraucher beim Fernabsatz vor der Ausübung seines Widerrufsrechts kein wertersatzfreier Umgang mit der Kaufsache gestattet, der nicht nur zu Verschlechterung der Ware führe, sondern auch über die Maßnahmen hinausgehe, die zum Ausgleich ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im stationären Handel erforderlich seien. (…) Jedoch sei eine Ware, die – wie vorliegend der Katalysator –bestimmungsgemäß in einen anderen Gegenstand eingebaut werden solle, für den Käufer auch im Ladengeschäft regelmäßig nicht auf ihre Funktion im Rahmen der Gesamtsache überprüfbar. Den streitgegenständlichen Katalysator hätte der Kläger im stationären Handel nicht – auch nicht in Gestalt eines damit ausgestatteten Musterfahrzeugs – dergestalt ausprobieren können, dass er dessen Wirkungsweise auf sein oder ein vergleichbares Kraftfahrzeug nach Einbau hätte testen können. Vielmehr wäre der Kläger bei einem Kauf im stationären Handel darauf beschränkt gewesen, das ausgewählte Katalysatormodell oder ein entsprechendes Musterstück eingehend in Augenschein zu nehmen und den Katalysator mit Alternativmodellen oder dem bisher verwendeten Teil zu vergleichen. Darüber hinaus hätte er sich beim Verkaufspersonal gegebenenfalls über die technische Daten des ausgewählten Modells erkundigen und sich über dessen Vorzüge oder Nachteile gegenüber anderen Modellen fachkundig beraten lassen können. Die vom Kläger ergriffenen Maßnahmen gingen über die Kompensation solcher ihm entgangener Erkenntnismöglichkeiten im Ladengeschäft hinaus.“

Im Gegensatz zu der Sachlage im Wasserbett-Fall, hat der Kunde hier die Kaufsache also in einer Weise ausprobiert, die ihm auch beim klassischen Kauf im Geschäft nicht eröffnet gewesen wäre. Der Käufer beim Fernabsatzvertrag soll aber durch das besondere Widerrufsrecht nicht besser gestellt werden, sondern nur die gleichen Möglichkeiten wie ein gewöhnlicher Käufer erhalten. Deshalb bejaht der BGH hier zu Recht das Bestehen eines Wertersatzanspruchs, mit dem der Verkäufer aufrechnen kann.
IV. Fazit
Es handelt sich bei dem entschiedenen Sachverhalt um eine klassische Konstellation zum Verbraucherwiderrufsrecht. Hier liegt zwar der Schwerpunkt des Falles einzig auf der Wertersatzpflicht, dieser lässt sich aber problemlos beispielsweise durch Fristprobleme, insbesondere im Zusammenhang mit der Widerrufsbelehrung ergänzen. Im Übrigen kann die Frage nach der übermäßigen Prüfung der Kaufsache natürlich auch auf andere Gegenstände übertragen werden, sodass sie sich auch gut in andere (Examens-)Fälle einbauen lässt. Examenskandidaten können dabei mit einer Orientierung an den hier vorgestellten Konstellationen und einer an der Lebenswirklichkeit angeknüpften Argumentation überzeugen.
Autorin des Beitrags ist Sabine Vianden aus Bonn. Sabine hat nach Ihrem erfolgreichen Ersten Staatsexamen im Sommer 2016 den Schwerpunktbereich beendet und promoviert aktuell zu einem arbeitsrechtlichen Thema am Lehrstuhl von Professor Thüsing in Bonn, wo Sie auch als Mitarbeiterin tätig ist.

14.10.2016/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-10-14 14:45:122016-10-14 14:45:12BGH: Wertersatzpflicht für übermäßige Prüfung der Sache bei Fernabsatzverträgen
Tom Stiebert

BGH: Ausübung Verbraucherwiderrufsrecht bedarf keines Sachgrundes

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen ist äußerst examensrelevant. Noch relevanter sind in diesem Kontext aktuelle höchstrichterliche Entscheidungen. Aus diesem Grund sollte einer Entscheidung des BGH vom heutigen 16.3.2016 (Az. 1 C 194/14; Pressemitteilung hier) Beachtung geschenkt werden.
Es ging hier um die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucher sein Widerrufsrecht im Rahmen eines Fernabsatzgeschäfts (§ 355 BGB, § 312c BGB, § 312g Abs. 1 BGB) ausüben kann, bzw. wann dies unzulässig ist. Die Problematik rührt daher, dass das Gesetz lediglich anordnet, dass dem Verbraucher im Fall des Fernabsatzgeschäfts das Widerrufsrecht zusteht (§ 312g Abs. 1 BGB). Das Gesetz äußert sich dagegen nicht zu der Frage, ob dieses Widerrufsrecht an Voraussetzungen geknüpft ist.
I. Der Sachverhalt hier war denkbar einfach:
Der Kläger hatte bei der Beklagten über das Internet zwei Matratzen bestellt, die im Januar 2016 ausgeliefert und vom Kläger zunächst auch bezahlt worden waren. Unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters und eine „Tiefpreisgarantie“ des Verkäufers bat der Kläger um Erstattung des Differenzbetrags von 32,98 €, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe. Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin fristgerecht und sandte die Matratzen zurück.
Motiv des Widerrufs war hier also, dass der Verbraucher mit diesem Druckmittel seine Forderung bzgl. der Tiefpreisgarantie durchsetzen wollte. Der Verkäufer war der Ansicht, dies sei unzulässig und widerspreche dem Gedanken und Zweck des Widerrufsrechts. Aus diesem Grund weigerte er sich, den Kaufpreis zurückzuerstatten.
II. Der BGH teilte diese Ansicht nicht, sondern bejahte das Bestehen und die entsprechend wirksame Ausübung des Widerrufsrechts. Aus diesem Grund bestehe ein Anspruch aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB
Die tatbestandlichen Voraussetzungen der § 312g, 312 c BGB lagen hier vor. Es handelte sich um ein Fernabsatzgeschäft. Der Widerruf sei wirksam ausgeübt wurden.
Dem Käufer stand hier auch ein Widerrufsrecht zu.

Dem steht nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrags genügt allein, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird. Die Vorschriften über den Widerruf sollen dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Einer Begründung des Widerrufs bedarf es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht. Deshalb ist es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht.

Der BGH hält damit am klaren Gesetzeswortlaut fest. Das Gesetz fordert keine besonderen Bedingungen für die Ausübung des Widerrufs. Es genügt die formelle Rechtmäßigkeit. Dies ist sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Systematik der Widerrufsvorschriften herzuleiten. Auch das Telos steht dem nicht entgegen. Motiv des Widerrufsrechts ist es, den schutzwürdigen Verbraucher, der die Ware eben aus der Ferne erwirbt, zu schützen. Dieses Schutzbedürfnis greift auch hier und knüpft an keine weiteren Voraussetzungen an.
Anerkannt ist aber, parallel zum Rechtsmissbrauch nach § 242 BGB, das Widerrufsrecht in Einzelfällen zu versagen. Dies liegt dann vor, wenn der Unternehmer seinerseits besonders schutzbedürftig ist. Die Grenzen hierfür sind – auch durch die unionsrechtlichen Vorgaben – äußerst eng zu ziehen. Dies liegt bspw. dann vor, wenn sich der Widerruf als schikanös oder bewusst schädigend erweist. Nach den Grundsätzen der cic muss Gleiches zudem bei einem arglistigen Verhalten des Verbrauchers gelten, wenn dieser also den Vertrag nie wollte.

Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Dass der Kläger Preise verglichen und der Beklagten angeboten hat, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stellt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das ist vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen darf.

Damit lag hier ein wirksamer Widerruf und damit ein Rückzahlungsanspruch vor.
III. Der Fall macht deutlich, dass es auch für scheinbar Eindeutiges manchmal einer Entscheidung eines obersten Gerichts bedarf. Häufig mag die vermeintlich einfache und eindeutige Lösung auch die richtige sein. Man sollte sich in der Klausursituation nicht verwirren lassen, sondern streng anhand der Auslegungsmethoden am Gesetz arbeiten. dann kann nichts mehr schiefgehen.

16.03.2016/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-03-16 15:31:422016-03-16 15:31:42BGH: Ausübung Verbraucherwiderrufsrecht bedarf keines Sachgrundes
Gastautor

Amazon, bei Rücksendung: Kündigung – eine rechtliche Bewertung

Aktuelles, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Janis Beckedorf veröffentlichen zu können. Inhaltlich setzt er sich mit der neuen Praxis von Amazon auseinander Kunden ihre Accounts aufgrund zu häufiger Rücksendungen zu sperren.
 
I. Sachverhalt
Wer Ware bei Amazon bestellt, kann sämtliche Produkte innerhalb von 30 Tagen zur Erstattung zurücksenden. So lauten jedenfalls die AGB von Amazon, denn der Onlineshop gewährt seinen Kunden über das gesetzliche Widerrufsrecht hinaus eine freiwillige Rückgabegarantie.
Ganz im Gegensatz zu diesem kundenfreundlichen Verhalten wurde nun eine neue Praxis von Amazon bekannt: Einige Kunden erhielten ohne Vorwarnung eine E-Mail des Onlineshops, ihr Kundenkonto werde aufgrund „wiederholter Überschreitung der hausüblichen Anzahl von Retouren“ gesperrt. Der Onlineshop möchte durch derartige Maßnahmen die hohen Retourkosten reduzieren. Auf Nachfragen weist Amazon darauf hin, dass sie „eine Sperrung nicht ohne gründliche Prüfung des Gebrauchs der Rücksendemöglichkeit vornehmen“. Ihre Entscheidung sei jedoch endgültig und sie bitten keine neuen Kundenkonten zu eröffnen. Auf Grund der Größe des Onlineshops hat die Sperrung teilweise erhebliche Einschränkungen für die Betroffenen zur Folge.
Inwiefern Amazon weiterhin als kundenfreundlich gelten kann, wird sich in der Handhabung ähnlicher Fälle in der Zukunft zeigen. Jedoch könnte sich Amazon auch bei den bisherigen Sperrungen rechtswidrig verhalten haben. Aus rechtlicher Sicht könnte sich dies zum einen daraus ergeben, dass Amazon einem gesetzlich nicht abdingbaren Widerrufsrecht entgegenwirke, zum anderen dass der ausgeübte Druck eine unlautere geschäftliche Handlung nach dem UWG darstelle. Des Weiteren kann eine AGB-Kontrolle dahinstehen, da die Praxis von Amazon nicht in ihren AGB festgelegt wird.
II. Das Widerrufsrecht
§§ 355 I 1, 312d I 1 BGB statuieren für Verträge, die im Fernabsatz geschlossen wurden ein Widerrufsrecht. Dieses steht auch den Kunden von Amazon zu. § 312i BGB erweitert den Rechtschutz der Kunden dahingehend, dass man von den gesetzlichen Vorschriften weder zum Nachteil des Verbrauchers abweichen darf (S. 1), noch diese durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden können (S. 2).
Dass ein solches Widerrufsrecht bei Verträgen mit Amazon besteht, wird von keiner Seite bestritten. Allerdings übt der Onlineshop erheblichen Druck auf die Kunden aus, dieses nicht wahrzunehmen. Daraus ergibt sich die Problematik, ob dieser Druck eine für § 312i BGB relevante Abweichung oder Umgehung des gesetzlichen Widerrufsrecht darstellt, denn faktisch kann der Kunde sich nicht mehr folgenlos von seiner Willenserklärung lösen.
1. Abweichung von den Vorschriften zum Nachteil des Verbrauchers
Wie oben dargestellt besteht für den konkreten Vertrag unstreitig ein Widerrufsrecht. Somit steht eine Änderung der tatsächlichen Rechtsposition des Kunden bezüglich des konkreten Kaufvertrages nicht in Frage. Da der Druck von Amazon erst auf der faktischen Ebene wirkt, liegt eine rechtliche Abweichung von den gesetzlichen Vorschriften über das Widerrufsrecht zum Nachteil des Verbrauchers iSd § 312i S. 1 BGB nicht vor.
2. Umgehung durch anderweitige Gestaltungen
Dieser Druck könnte allerdings eine Umgehung nach § 312i S. 2 BGB darstellen. Dabei ist zu beachten, dass hier dem Kunden zwar ein Widerrufsrecht eröffnet wird, der faktische Druck allerdings bei der anschließenden Wahl des Kunden ansetzt, das Widerrufsrecht nicht auszuüben.
Daher stellt sich zunächst die Frage, ob eine an den Tatbestand anschließend wirkende faktische Beeinträchtigung der Ausübung des Widerrufsrechts eine Umgehung iSd § 312i S. 2 BGB sein kann.
Dafür spricht, dass der Wortlaut von § 312 S.2 BGB nicht nur das Abweichen von Vorschriften, sondern jegliche Gestaltungen, die zur Umgehung führen, umfasst. Es handelt sich bei § 312i BGB um die Konkretisierung mehrerer EU-Richtlinien, wie beispielsweise Art. 12 I der Fernabsatzrichtlinie (97/7/EG). Dort wird die Möglichkeit auf Rechte zu verzichten umfänglich ausgeschlossen. Dieses weit gefasste Umgehungsverbot findet sich auch in der Struktur von § 312i BGB wieder, da dort nicht nur Abweichung von Vorschriften, sondern explizit auch anderweitige Gestaltungen geregelt werden. Es spricht daher auch die Umsetzung der Richtlinie für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf faktische Hinderungen der Ausübung des Widerrufsrechts.
Somit ist der seitens Amazon ausgeübte Druck zunächst von dem Umgehungsverbot erfasst. Dies hätte zur Folge, dass Amazon nicht grundlos ein Kundenkonto sperren dürfte. Der Onlineshop müsste folglich, solange keine besonderen Gründe vorliegen, mit jedem Kunden Verträge schließen. Grundrechtlich liegt jedoch die Entscheidung, ob es zu einem weiteren Vertrag kommt, aufgrund der grundrechtlich geschützten Vertragsfreiheit (Art. 2 I GG) bei beiden Vertragsparteien, also auch bei Amazon. Wenn man in dem Verhalten von Amazon eine unzulässige Umgehung sieht, wird Amazon jedoch die Entscheidung, einen weiteren Vertrag abzuschließen, genommen. Dies widerspricht der grundrechtlich geschützten Privatautonomie nach hier vertretener Auffassung in so erheblichem Maße, dass eine grundrechtskonforme Auslegung einem so weiten Verständnis von Umgehungen nach § 312i S. 2 BGB entgegensteht. Daher ist Amazons Praxis nach dem BGB rechtmäßig.
III. Unlautere geschäftliche Handlung
Dennoch könnte Amazons Verhalten die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Ausübung von Druck nach § 4 Nr. 1 Var. 1 UWG unlauter beeinträchtigen.
Hierbei ist jedoch die Schutzrichtung von § 4 UWG zu beachten: Es wird dort die Freiheit geschützt, sich zwischen den Angeboten verschiedener Unternehmen entscheiden zu können (Sosnitza in: Piper/Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 5. Auflage 2010, § 4 UWG, Rn. 1.4.). Vorliegend liegt jedoch kein Druck vor, der sich auf die Entscheidung zwischen verschiedenen Unternehmen richtet, sondern es ist die Ausübung eines Widerrufsrechts betroffen. Daraus ergibt sich, dass die hier in Rede stehende Geschäftspraxis von Amazon aus teleologischen Gesichtspunkten keinen Verstoß gegen § 4 UWG darstellt, sodass Amazons Verhalten auch nach Maßgabe des UWG rechtmäßig ist.
Sonderfall: Kindlebesitzer
Kindlebesitzer (der Kindle ist ein E-Book-Reader von Amazon) sind besonders hart von einer Kontosperrung betroffen, da die Geräte darauf ausgelegt sind, nach dessen Kauf weitere E-Books von Amazon zu beziehen. Nach einer Sperrung des Kontos ist es ihnen jedoch nicht mehr möglich, neue E-Books über Amazon zu erwerben. Bezüglich des Kaufes der einzelnen E-Books ist Amazons Verhalten wie oben zu bewerten. Jedoch bleibt zu diskutieren, ob es Teil der Geschäftsgrundlage (§ 313 I BGB) des Kindlekaufes ist, dass Amazon dem Kunden nicht ohne einen sachlichen Grund und einer vorherigen Abmahnung den Kauf von neuen E-Books verweigert. Damit dies Teil der Geschäftsgrunde ist, muss es mindestens von einer Partei bei Vertragsschluss vorausgesetzt worden sein und die andere hätte sich redlicherweise auf eine solche Vertragsbedingung einlassen müssen. Es ist zu beachten, dass Amazon kein Interesse hat, sich nach Vertragsschluss derartig zu binden. Die Möglichkeit bei Amazon E-Books zu kaufen, ist eine wesentliche Funktion des Kindles, jedoch bleibt es weiterhin möglich von anderen Onlineshops ungeschützte E-Books zu beziehen und diese auf dem Kindle zu lesen, sodass nach der Sperrung ein Kindle für den Nutzer weiterhin brauchbar ist. Somit ist auch das Vorliegen einer Geschäftsgrundlage zu verneinen und Amazons Verhalten als rechtmäßig einzustufen.
 
Der Autor studiert zur Zeit Jura an der Bucerius Law School in Hamburg.

26.09.2013/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-09-26 09:00:332013-09-26 09:00:33Amazon, bei Rücksendung: Kündigung – eine rechtliche Bewertung
Nicolas Hohn-Hein

EU-Kommission: Deutschland muss Verbraucherschutz anpassen

Aktuelles

Wie aktuell in der Pressemitteilung der europäischen Kommission vom 21.06.2012 zu lesen ist, wird die Bundesrepublik dazu aufgefordert, innerhalb von drei Monaten das geltende Verbraucherrecht bei Haustürgeschäften den aktuellen Richtlinien anzupassen. Ausschlaggebend ist der Umstand, dass das deutsche Recht nach Ansicht der Kommission eine zusätzliche Hürde für die Geltendmachung von Verbraucherrechten aufstellt, die von der sog. Haustürgeschäfte-Richtlinie 85/577/EWG und dem Nachfolge-Regelwerk RL 2011/83/EU (wirksam ab dem 13.06.2014) nicht vorgesehen ist:

Die deutsche Umsetzung der Richtlinie ist nun im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Deutschland wollte in mehreren Punkten über den Mindestschutz der Richtlinie hinausgehen. Allerdings werden die Rechte des Verbrauchers durch das zusätzliche Kriterium des „Bestimmtwerdens“ auf eine Weise eingeschränkt, die mit der Richtlinie nicht zu vereinbaren ist. Dies geht aus deutschen Gerichtsverfahren hervor, in denen Verbraucher aufgrund vorangegangener Besuche durch den Gewerbetreibenden nicht beweisen konnten, dass die Haustürsituation ausschlaggebend für die Unterzeichnung des Vertrags gewesen war. (Pressemitteilung)

Das Verbraucherrecht und insbesondere die sog. Haustürgeschäfte sind regelmäßig Gegenstand des 1. und 2. Staatsexamens. Das Widerrufs- und Rückgaberecht bei Verbraucherverträgen ist in den § 355 ff. BGB geregelt.

27.06.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-06-27 15:50:362012-06-27 15:50:36EU-Kommission: Deutschland muss Verbraucherschutz anpassen
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Koblenz: Widerrufsrecht im Fernabsatzrecht auch bei wesentlicher Vertragsänderung

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Koblenz entschied mit Urteil vom 28.03.2012 – 9 U 1166/11 einen äußerst examensrelevanten Sachverhalt, der sicherlich auch Gegenstand von Klausuren werden wird.
Sachverhalt

Eine Verbraucherin hatte ihren Vertrag mit 1&1 über Telefon- und Internet-Dienste (Service-Flat 6.000 DSL-Paket) mit einer Mindestvertragslaufzeit von 24 Monaten fristgerecht gekündigt. Daraufhin wurde sie vor Ablauf des Vertrages von einem Mitarbeiter des Unternehmens angerufen. Dieser bot ihr einen neuen Vertrag (Doppel Flatrate 16.000 DSL-Paket) zum neuen Preis mit neuer 24-monatiger Laufzeit an. Die Verbraucherin willigte zunächst ein, bereute ihre Entscheidung jedoch später und erklärte per E-Mail, dass sie den neuen Vertrag nicht mehr wolle. Das Unternehmen teilte ihr daraufhin mit, dass ein Widerrufsrecht nur bei Neuabschlüssen bestehe. Dies sei hier nicht der Fall, weil es sich nur um eine Inhaltsänderung im Rahmen eines bestehenden Vertrages handele. (Quelle: Beck-aktuell).

Rechtliche Würdigung
Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob der Verbraucherin ein Fernabsatzwiderrufsrecht gemä § 312d BGB zusteht. Hierzu bedarf es naturgemäß eines Fernabsatzvertrages i.S.d. § 312b Abs. 1 BGB. Das OLG Koblenze hatte sodann zu klären, ob der Begriff „Vertrag“ in diesem Sinne auch Änderungen eines Vertrages erfasst.
Das OLG führte hierzu aus, dass das Widerrufsrecht auch dann gelte, wenn ein Verbraucher per Fernkommunikationsmittel wesentliche Inhalte eines bestehenden Vertrages wie den Leistungsgegenstand ändert. Das OLG argumentierte, der Verbraucher sei in diesem Fall in Bezug auf den Abänderungsvertrag genauso schutzwürdig wie bei einem Erstvertrag. Eine derartige Auffassung ist folgerichtig, denn es kann keinen Unterschied machen, ob ein gänzlich neuer Vertrag abgeschlossen wird oder ob ein Vertrag verändert wird. Darüber hinaus ist in dogmatischer Hinsicht anzuführen, dass eine Vertragsänderung streng genommen auch den Abschluss eine Vertrages, nämlich eine Einigung durch zwei korrespondierende Willenserklärungen, darstellt. Insofern bestehen auch im Hinblick auf den Wortlaut des § 312b BGB, der einen „Vertrag über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen“ voraussetzt, keine Bedenken.
Folgerichtig müsste das Unternehmen im hiesigen Sachverhalt auch entsprechend über das Widerrufsrecht informieren, vgl. §§ 312c, 355, 360 BGB. Das Widerrufsrecht entfalle nur dann, wenn sich der Verbraucher unmittelbar vor dem Telefonat im Rahmen eines persönlichen Kontaktes bei dem Unternehmen über die neuen Vertragsbedingungen informiert habe.  In diesem Fall müsse der Kunde nicht mehr vor Übereilung geschützt werden.
Examensrelevanz
Die hier besprochene Entscheidung ist im Kontext einer Vielzahl von Entscheidungen zum Fernabsatzrecht zu sehen. So hatten die Gerichte zunächst vielfältig über die Rechtsfolgen eines derartigen Widerrufs (s. dazu etwa hier) und über die Belehrungsvoraussetzungen (s. dazu etwa hier) zu entscheiden. Es rücken nunmehr vermehrt Fragestellungen in den Vordergrund, bei denen es um die Definition des Begriffs des Fernabsatzvertrages i.S.d. § 312b BGB geht (s. dazu auch hier). Mit dem Voranschreiten der judizierten Konstellationen steigt gleichsam auch die Examensrelevanz. Examenskandidaten sollten sich demnach über das Fernabsatzrecht auf dem Laufenden halten.

06.05.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-05-06 17:17:352012-05-06 17:17:35OLG Koblenz: Widerrufsrecht im Fernabsatzrecht auch bei wesentlicher Vertragsänderung
Dr. Christoph Werkmeister

BGH: Zur Wertersatzpflicht eines Verbrauchers bei Widerruf eines Fernabsatzvertrags

Schuldrecht, Zivilrecht

Ein rechtlich einleuchtendes Urteil hat der BGH heute in seiner Entscheidung (Az.: VIII ZR 337/09) gefällt:
Sachverhalt
Die Parteien schlossen per email einen Kaufvertrag über ein Wasserbett. Der Text der E-Mail des Verkäufers enthielt eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. Im weiteren Text der E-Mail hieß es:
„Im Hinblick auf die o. g. Widerrufsbelehrung weisen wir ergänzend darauf hin, dass durch das Befüllen der Matratze des Wasserbettes regelmäßig eine Verschlechterung eintritt, da das Bett nicht mehr als neuwertig zu veräußern ist.“
Der Vertrag wurde frist- und formgerecht widerrufen. Das Bett wurde allerdings nach Lieferung und Aufbau bereits mit Wasser befüllt. Der Wasserbetthersteller hielt deshalb einen Teil des Kaufpreises zurück, weil er gegen den Kaufpreisrückzahlungsanspruchs des Käufers mit einer Forderung auf Wertersatz (wg. Wertminderung des Wasserbetts) aufrechnen wollte.
Rechtliche Würdigung
Rechtlich gesehen ist der Fall im Prinzip ganz einfach:
Der Käufer hat gegen den Verkäufer einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 346 I, 357 I 1, 355 I 1, 312d I 1,312b BGB. Ich erspare mir die langwierige Prüfung dieses Anspruchs, da jedes Tatbestandsmerkmal unproblematisch gegeben ist. Insbesondere handelt es sich bei einem Vertrag, der per email geschlossen wird, um einen Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312b BGB, so dass im Falle des Einhaltens der Widerrufsfrist von 14 Tagen (§ 355 II 1 BGB) ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises entsteht.
Dieser Anspruch könnte allerdings gemäß § 389 BGB zum Teil untergegangen sein. Dies wäre der Fall, wenn die Voraussetzungen für eine Aufrechnung vorlagen. Dies sind eine Aufrechnungserklärung (§ 388 BGB), eine Aufrechnungslage (§ 387 BGB) und es darf kein Aufrechnungsverbot bestehen (z.B. §§ 390, 393 BGB).
Vorliegend ist fraglich, ob eine Aufrechnungslage, also zwei gleichartige, sich gegenüberstehende Forderungen, vorlag. Dies wäre dann der Fall, wenn der Verkäufer einen Anspruch auf Wertersatz gegen den Käufer hat. Gemäß § 346 II Nr. 3 BGB, der gemäß § 357 I 1 BGB entsprechend gilt, besteht im Falle der Verschlechterung grundsätzlich ein Anspruch auf Wertersatz (gemäß § 346 I BGB besteht natürlich auch ein Anspruch auf Rückgabe des Betts).
Die Besonderheit bei Wertersatz im Widerrufsrecht liegt aber in § 357 III BGB:

§ 357 III S. 1 BGB: Der Verbraucher hat abweichend von § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden.

Vorliegend liegt eine § 357 III BGB entsprechende Warnung durch den Zusatz in der email des Verkäufers vor. Abweichend hiervon regelt aber wiederum § 357 III 3 BGB:

Satz 1 gilt nicht, wenn die Verschlechterung ausschließlich auf die Prüfung der Sache zurückzuführen ist.

Der BGH stellte fest, dass der Aufbau des Betts und die Befüllung der Matratze mit Wasser  lediglich eine solche Prüfung der Sache darstellte. Der Verbraucher soll nach § 357 III 3 BGB  grundsätzlich Gelegenheit haben, die durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren, weil er die Ware vor Abschluss des Vertrags nicht sehen konnte. Dies schließe die Ingebrauchnahme ein, soweit sie zu Prüfzwecken erforderlich sei, selbst wenn sie zu einer Wertminderung der Ware führt.
Diese Auslegung, die sich am Wortlaut des § 357 III 3 BGB orientiert und damit für keine große Überraschung sorgt, unterstützt der BGH überdies mit einer richtlinienkonformen Auslegung des dem § 357 BGB zugrundeliegenden Art. 6 der Richtlinie 97/7/EG (Fernabsatzrichtlinie). Die o.g. Zwecksetzung sei ebenso der Fernabsatzrichtlinie inhärent, so dass im Ergebnis eine Lage für den Fernabsatz-Käufer geschaffen wird, die der eines Käufers in einem gewöhnlichen Geschäft, wo man die Waren zuvor besichtigen und ausprobieren kann, gleicht.
Die Richtlinie im Examen heranzuziehen, ist allerdings eher nur dann ratsam, wenn der Text auch tatsächlich im Klausursachverhalt abgedruckt ist. Der Text der Richtlinie ist ohnehin recht vage gehalten. Die Tendenz der Rechtsprechung des BGH und des EuGH zeigt jedoch, dass meist ein umfassender Verbraucherschutz verwirklich werden soll.
Examensrelevanz
Im Prinzip handelt es sich bei den Widerrufsfällen um Geschenke für den Studenten. Wichtig ist lediglich, sich alle einschlägigen Normen genau durchzulesen und sich systematisch von Schublade zu Schublade zu hangeln, bis man schließlich bei den Rechtsfolgen des § 346 BGB angelangt ist. In diesem Fall war das Wertersatzrecht noch in einer Aufrechnung verpackt, so dass u.U. andere Probleme im Zusammenhang mit dieser abgeprüft werden können.
Die BGH-Entscheidung kam angesichts des Wortlauts des § 357 III 3 BGB nicht wirklich überraschend. Nichtsdestotrotz handelt es sich um eine wichtige Klarstellung: Auch wenn der Wert des Kaufgegenstandes erheblich gemindert wird, muss kein Wertersatz für Verschlechterungen erstattet werden, die aufgrund der Prüfung der Sache entstehen.
Eine andere Möglichkeit, diese Problematik abzuprüfen, besteht z.B. dann, wenn ein Laptop per Fernabsatz gekauft wurde. Beim ersten Booten installiert sich meist das Betriebssystem und die Software. Die Händler, die die Laptops lediglich vertreiben, ohne selbst IT-Kenntnisse zu haben, geben meist vor, dass dieser Zustand nicht mehr wiederhergestellt werden kann, wodurch eine erhebliche Wertminderung des Laptops impliziert ist (ist mir jedenfalls schonmal passiert:-)). Der Kunde wird sich jedoch auf § 357 III 3 BGB berufen können, da das erste Booten eines Laptops natürlich ein Prüfen der Ware darstellt – hätte man den Laptop im Laden gekauft, hätte man sich im Regelfall auch ein Bild von der Performance des Geräts machen können.
Ich denke, dass der BGH noch einige solcher Klarstellungen zu § 357 III 3 BGB feststellen muss, bis sich hier eine klare Linie herausbildet. Es stellt sich hier immer die Frage: „Bis zu welchem Grad darf ich die Sache benutzen, so dass es noch ein Prüfen i.S.d. § 357 III i BGB darstellt?“. Bei der Wasserbettproblematik könnte man weitergehend z.B. die Frage stellen, ob mehrtätiges Schlafen auch noch ein Prüfen der Sache darstellt… Dies würde man wohl verneinen, da man beim Bettenfachverkauf zwar Probeliegen darf; es ist jedoch nicht erlaubt, mehrere Tage in dem Bett verweilen…….

03.11.2010/6 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2010-11-03 23:37:032010-11-03 23:37:03BGH: Zur Wertersatzpflicht eines Verbrauchers bei Widerruf eines Fernabsatzvertrags

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