Bis dato hatte der BGH nur entschieden, dass der Erwerb einer Eigentumswohnung jedenfalls dann als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen ist, wenn die Gemeinschaftsordnung nicht unerheblich zu seinen Lasten abweicht (Beschluss vom 9. Juli 1980 – V ZB 16/79). Ob der Erwerb einer Eigentumswohnung für einen Minderjährigen unabhängig hiervon nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, weil er durch den Erwerb Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft und für ihre Verbindlichkeiten einzustehen hat, hat er bislang offen gelassen.
Der BGH hat nun in einem Beschluss vom 30. September 2010 (V ZB 206/10) entgegen der herrschenden Meinung im Schrifttum entschieden, dass die mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung verbundenen Verpflichtungen aus der Eigentümergemeinschaft nach WEG rechtlich nachteilhaft sind und somit die Auflassung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.d. § 107 BGB ist.
Sachverhalt (vereinfacht)
Mit notarieller Erklärung vom 11. Mai 1999 teilte die B ihr Grundstück in Wohnungseigentum auf. Hierbei entstanden zwei Eigentumswohnungen, eine kleine mit einem Miteigentumsanteil von 280/1000 und eine große mit einem Miteigentumsanteil von 720/1000. Die große Wohnung übertrug sie dem Vater des minderjährigen M. Mit notariellem Vertrag vom 16. März 2010 schenkte sie die kleine Wohnung des M im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und unter Anrechnung auf ihren künftigen Pflichtteil und ließ sie ihr auf. In dem Schenkungsvertrag behielt sie sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an der Eigentumswohnung und den Rücktritt unter anderem für den Fall einer Veräußerung der Wohnung ohne ihre schriftliche Zustimmung und für den Fall einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse der M.
Im Rahmen einer Klausur ist meistens sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft zu prüfen. In dem zugrunde liegenden Fall ging es jedoch nur um die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts, in der die Wirksamkeit der Schenkung (Verpflichtungsgeschäft) nicht zu prüfen war. Gegenstand dieses Artikels soll daher nur die Frage sein, ob die Auflassung lediglich rechtlich vorteilhaft ist.
Die erklärte Auflassung gemäß §§ 873, 925 BGB könnte genehmigungspflichtig sein. Gemäß § 107 BGB bedarf die Auflassung grundsätzlich der Genehmigung, wenn die Auflassung nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist.
Der BGH hat zunächst einmal klargestellt, dass rechtliche Nachteile, die ausschließlich Folge des Verpflichtungsgeschäfts sind (hier z.B. die mögliche Ausübung des Rücktrittsrechts), nicht dazu führen, dass auch die Auflassung als rechtlich nachteilig anzusehen ist.
Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, BGHZ 161, 170, 175). Ob diese weitergehenden Verpflichtungen von den Beteiligten des Rechtsgeschäfts angestrebt worden sind, ist unerheblich. Es genügt, wenn sie die gesetzliche Folge des angestrebten Rechtsgeschäfts sind (Senat, Beschluss vom 25. November 2004, aaO, S. 178). Ob das der Fall ist, bestimmt sich entgegen der früheren, aufgegebenen Rechtsprechung des Senats (dazu Beschluss vom 9. Juli 1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28, 35) nicht nach einer Gesamtbetrachtung des dinglichen und des schuldrechtlichen Teils des Rechtsgeschäfts, sondern nach einer isolierten Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts (Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, aaO, S. 173 f.), hier also allein derEigentumsübertragung.
Umstritten ist, ob der Erwerb einer Eigentumswohnung als lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen ist.
Darstellung des Streits
Der BGH führt hierzu aus:
Nach herrschender Meinung ist der Erwerb einer Eigentumswohnung im Grundsatz lediglich rechtlich vorteilhaft. Anders sei es nur, wenn die Gemeinschaftsordnung nicht unerhebliche Verschärfungen zu Lasten des Minderjährigen vorsehe (Senat, Beschluss vom 9. Juli 1980 – V ZB 16/79, BGHZ 78, 28, 32; BayObLG, BayObLGZ 1979, 243, 249), wenn ein Verwaltervertrag bestehe und der Minderjährige mit dem Erwerb der Eigentumswohnung in diesen eintrete oder wenn die Eigentumswohnung vermietet sei. Nach dieser Meinung wäre der Erwerb der Eigentumswohnung hier lediglich rechtlich vorteilhaft. Die Wohnung wird von der B genutzt. Diese ist als bisherige Eigentümerin Verwalterin. Sie könnte für die Fortführung der Verwaltung als Nießbraucherin keinen Aufwendungsersatz verlangen, da ein solcher in dem Schenkungsvertrag ausgeschlossen ist. In der Teilungserklärung ist zwar vereinbart, dass sämtliche Betriebskosten nach Miteigentumsanteilen zu tragen sind. Hiervon sind aber die verbrauchsabhängigen Kosten ausgenommen, so dass die M gegenüber der gesetzlichen Lastenverteilung nicht, jedenfalls nicht nennenswert schlechter gestellt ist.
Nach der Gegenauffassung kommt es weder auf das Bestehen eines Verwaltervertrags noch auf den genauen Inhalt der Teilungserklärung an. Danach ist der Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen stets als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft anzusehen. Der Minderjährige werde mit dem Erwerb der Eigentumswohnung nicht nur deren Eigentümer, sondern auch Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft. Für deren Verbindlichkeiten hafte er, wenn auch beschränkt auf seinen Anteil, nicht nur mit dem geschenkten Gegenstand, sondern auch mit seinem übrigen Vermögen.
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung der Gegenauffassung also angeschlossen:
Der Erwerb einer Eigentumswohnung ist für den Minderjährigen jedenfalls deshalb nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil er mit dem Erwerb der Eigentumswohnung nicht nur einen Vermögensgegenstand erwirbt, sondern Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wird. Die den Minderjährigen damit kraft Gesetzes treffenden persönlichen Verpflichtungen können nicht als ihrem Umfang nach begrenzt und wirtschaftlich so unbedeutend angesehen werden, dass sie unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Verweigerung der Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter oder durch einen Ergänzungspfleger nicht rechtfertigen könnten, was der Senat bei der mit dem Erwerb eines Grundstücks verbundenen Verpflichtung zur Tragung der öffentlicher Lasten angenommen hat (Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04, aaO, S. 179). Denn als Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft wäre der Minderjährige nach § 16 Abs. 2 WEG nicht nur verpflichtet, sich entsprechend seinem Anteil an den Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen. Er hätte vielmehr anteilig auch die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. Diese Kosten können ein je nach dem Alter und dem Zustand des Gebäudes, in dem sich die Eigentumswohnung befindet, ganz erhebliches Ausmaß annehmen. Hinzu kommt, dass der Minderjährige als Wohnungseigentümer nach § 16 Abs. 2 WEG verpflichtet wäre, sich durch Sonderumlagen an Wohngeldausfällen zu beteiligen. Dass hier die andere Wohnung dem Vater der Beteiligten gehört und dieser bemüht sein wird, eine Inanspruchnahme seiner minderjährigen Tochter zu verhindern, ändert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde an dieser Rechtslage nichts.
Hinzu kommt, dass der Minderjährige als Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 8 Satz 1 Halbsatz 1 WEG infolge des Erwerbs der Eigentumswohnung kraft Gesetzes den Gläubigern der Wohnungseigentümergemeinschaft für Verbindlichkeiten haftet, die während seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft entstehen oder während dieses Zeitraums fällig werden. Die Haftung ist zwar der Höhe nach auf einen Betrag begrenzt, der seinem Anteil am Gemeinschaftseigentum entspricht. In diesem Umfang haftet der Minderjährige aber, worauf das Berufungsgericht mit Recht abgestellt hat, nicht nur mit der ihm geschenkten Eigentumswohnung, sondern auch mit seinem übrigen Vermögen(OLG München, ZEV 2008, 246, 247). Es liegt nicht anders als bei einem Minderjährigen, dem ein vermietetes oder verpachtetes Grundstück geschenkt werden soll. Auch dessen Erwerb ist für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weil er mit dem Erwerb des Grundstücks nach § 566 Abs. 1, § 581 Abs. 2 und § 593b BGB kraft Gesetzes als Vermieter bzw. Verpächter in das Miet- oder Pachtverhältnis eintritt und als Folge davon die den Vermieter bzw. Verpächter treffenden Verpflichtungen auch unter Einsatz seines übrigen Vermögens zu erfüllen hat (Senatsbeschluss vom 3. Februar 2005 – V ZB 44/04, BGHZ 162, 137, 140).
Mithin ist die Auflassung der Eigentumswohnung für M nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.