In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hat der BGH (Urteil v. 08.02.2012 – Az. XII ZR 42/10) zu der Frage Stellung genommen, ob ein Fitnessstudio-Vertrag eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben darf. Überdies hat sich das Gericht mit der Problematik beschäftigt, wann die Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung durch AGB unzulässig sein kann. Der Fall behandelt Standardprobleme, die ohne weiteres – in Verbindung mit weiteren Problemen – Gegenstand einer Fortgeschrittenen- oder Examensklausur sein können.
Sachverhalt (verkürzt)
A interessiert sich für Kraftsport und entschließt sich, bei seinem örtlichen Fitnessstudio F Mitglied zu werden. Am 17.04.2007 begibt sich A in die Räumlichkeiten des F und schließt dort einen Vertrag zur Nutzung aller Fitnessangebote gegen Zahlung eines monatlichen Entgelts in Höhe von 44 EUR. Vertragsbeginn soll der 01.05.2007 sein. Der Vordruck des Vertrags, den die F standardmäßig für alle ihre Neu-Kunden einsetzt, enthält eine Laufzeit von mindestens 24. Monaten ab Vertragsbeginn. Darüber hinaus verweist der Vertrag auf die – ansonsten ordnungsgemäß eingeführten – allgemeinen Vertragsbedingungen (AGB).
Ziff. 7 der AGB lautet:
„Der Nutzer kann den Vertrag mit Wirkung des Eingangs bei dem B…-Center kündigen, wenn er krankheitsbedingt für die restliche Vertragslaufzeit die Einrichtung des Centers nicht nutzen kann. Zur Wirksamkeit der Kündigung ist erforderlich, dass sie unverzüglich, spätestens binnen zwei Wochen nach Kenntnis des die Kündigung rechtfertigenden Umstandes erfolgt und der Kündigungserklärung ein ärztliches Attest eingefügt wird, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung er-gibt, die einer Nutzung entgegenstehen soll.“
Mit Schreiben vom 24.07.2008 kündigt A den Vertrag fristlos. Grund seien gesundheitliche Probleme, die ihm sportliche Aktivitäten – was zutrifft – unmöglich machen. Er legt der Kündigung auch ein Attest bei. F ist mit der Kündigung nicht einverstanden und verweist darauf, dass das Vertragsverhältnis auf jeden Fall bis zum 30.04.2009 laufe. A ist sich unsicher und zahlt bis einschließlich September 2008 das Nutzungsentgelt weiter. Als A die Zahlungen ab Oktober 2008 einstellt, verlangt F die restlichen Nutzungsentgelte bis April 2009. A weigert sich nun endgültig, irgendetwas zu zahlen, da der Vertrag ja wohl durch die Kündigung beendet sei. Überhaupt sei eine 24-monatige Erstlaufzeit „völlig überzogen“ und der Vertrag deswegen „null und nichtig“.
Hat F einen Anspruch gegen A auf Zahlung der Nutzungsentgelte bis einschließlich April 2009?
Erstlaufzeit von 24 Monaten per AGB bei Fitness-Studiovertrag wirksam
Der BGH stellt sich – wie immer innerhalb der Prüfung von AGB bzw. einer formularvertraglichen Vertragsbedingung – die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ des Kunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn der Kunde durch eine 24-monatige Laufzeit langfristig an den Dienstleister, hier das Fitnessstudio gebunden wird. Formularvertraglich kann eine Erstlaufzeit nach allgemeiner Auffassung jedenfalls 6 Monate betragen. Eine längere Erstlaufzeit wurde bislang nur in bestimmten Einzelfällen als zulässig angesehen. Denn
Soweit in formularvertraglich vereinbarten Erstlaufzeiten von mehr als sechs Monaten in Fitness-Studioverträgen eine unangemessene Benachteiligung des Kunden iSv § 307 Abs. 1 BGB gesehen wird, wird zur Begründung im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Kunde durch die langfristige Vertragsbindung nicht nur in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit, sondern auch in seiner persönlichen Entscheidung über die Art seiner Freizeitgestaltung erheblich eingeschränkt werd. Ein durchschnittlicher Kunde könne regelmäßig nicht voraussehen, ob er auf Dauer genügend Freizeit aufbringe und körperlich in der Lage sei, die Leistungen des Studiobetreibers über einen Zeitraum von sechs Monaten hinaus in Anspruch nehmen zu können. Dem stehe zwar das Interesse des Studiobetreibers an einer verlässlichen Grundlage für seine Kalkulation gegenüber. Daraus lasse sich jedoch kein anerkennenswertes Interesse ableiten, Kunden übermäßig langfristig an sich zu binden, insbesondere da seine Investitionen nicht auf besondere Personen zugeschnitten seien.
Der Gesetzgeber hat in § 309 Nr. 9 lit. a BGB angeordnet, dass eine Klausel unwirksam ist, die bei einem Vertragsverhältnis über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages vorsieht. Durch diese Regelung sollte die Entscheidungs- und wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Kunden geschützt werden, die bei einer langfristigen Bindung an einen Vertrag besonders beeinträchtigt sein kann, ohne dass die Notwendigkeit einer langen Vertragslaufzeit durch die Natur des Vertrages vorgegeben ist (BT-Drucks. 7/3919 S. 37; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen AGB-Recht 11. Aufl. § 309 Nr. 9 BGB Rn. 1). Obwohl die Dispositionsfreiheit eines Vertragspartners des Verwenders bei jeglicher Art von langfristiger Vertragsbindung eine erhebliche Einschränkung erfährt, hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 BGB jedoch nicht auf alle Dauerschuldverhältnisse, sondern nur auf Vertragsverhältnisse über die regelmäßige Lieferung von Waren oder die regelmäßige Erbringung von Dienst- oder Werkleistungen erstreckt. […]
Diese in § 309 Nr. 9 lit. a BGB zum Ausdruck gekommene Regelungsabsicht des Gesetzgebers ist auch bei der nach § 307 Abs. 1 BGB vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen, ob durch eine vorformulierte Laufzeitklausel eine unangemessene Benachteiligung des Kunden gegeben ist. Das schließt zwar nicht aus, dass eine Klausel, die nach ihrem Regelungsgehalt in den Anwendungsbereich der Klauselverbote fällt, mit den in Betracht kommenden Einzelverboten aber nicht kollidiert, nach der Generalklausel des § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sein kann (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1996 – XII ZR 193/95 – NJW 1997, 739, 740). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich die unangemessene Benachteiligung des Kunden nicht allein aus den Nachteilen einer langfristigen Vertragsbindung ergibt, die der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 309 Ziff. 9 BGB im Blick hatte. Da es unzulässig ist, aufgrund allgemeiner Überlegungen, die sich nicht aus den Besonderheiten gerade des zu beurteilenden Vertrages ergeben, über die Generalklausel die gesetzgeberische Regelungsabsicht geradezu „auf den Kopf zu stellen“, muss sich die Unangemessenheit einer Laufzeitklausel aus besonderen, von der Verbotsnorm nicht erfassten Gründen ergeben.
Ziffer 7 der AGB schränkt Recht zur außerordentlichen Kündigung unzulässig ein
Das Gericht stellt zunächst darauf ab, wann eine Beschränkung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung in AGB grundsätzlich unzulässig ist. Dann liegt auch hier eine „unangemessene Benachteiligung“ nach § 307 Abs. 1 BGB vor.
Schließt eine Regelung in allge-meinen Geschäftsbedingungen das Recht zur außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses zwar nicht gänzlich aus, knüpft dieses aber an zusätzliche Voraussetzungen, die geeignet sein können, den Vertragspartner des Verwenders von der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts abzuhalten, führt dies ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden und damit zur Unwirksamkeit einer solchen Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. Allgemeine Geschäftsbe- dingungen dürfen dem Vertragspartner nicht solche Rechte entziehen oder ein- schränken, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat.
Auf den vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB, denn
[…] die Klausel kann in der für die Inhaltskontrolle maßgeblichen kundenfeindlichsten Auslegung dahingehend verstanden werden, dass der Kunde nur bei Vorliegen einer Erkrankung, die ihm für die restliche Vertragslaufzeit die Nutzung der Einrichtungen des Centers nicht ermöglicht, zur außerordentlichen Kündigung berechtigt und im Übrigen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung ausgeschlossen ist.
Hinzu kommt, dass die Klägerin durch die Klausel die Kündigung von der Vorlage eines ärztlichen Attestes abhängig macht, aus dem sich Art und Umfang der Erkrankung ergeben soll. Zwar ist ein berechtigtes Interesse des Betreibers eines Fitness-Studios an der Vorlage eines ärztlichen Attestes bei einer mit einer Erkrankung begründeten Kündigung ihres Kunden grundsätzlich anzuerkennen, um einen Missbrauch des eingeräumten Kündigungsrechts zu verhindern. Die Revision weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diesem Interesse der Klägerin bereits durch die Vorlage eines ärztlichen Attestes gedient ist, aus dem sich ergibt, dass eine sportliche Tätigkeit des Kunden nicht mehr möglich ist. Das Interesse der Klägerin, sich vor unberechtigten Kündigungen zu schützen, rechtfertigt es nicht, von ihren Kunden Angaben über die konkrete Art der Erkrankung zu verlangen. Denn grundsätzlich kann den Angaben eines Arztes in einem Attest Glauben geschenkt werden. Außerdem ist es der Klägerin unbenommen, bei Zweifeln die Berechtigung der außerordentlichen Kündigung in Frage zu stellen und in einem gerichtlichen Verfahren die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung prüfen zu lassen, in dem dann der Kunde die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes trägt.
Im vorliegenden Fall muss der Kunde nach dem Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Vertrags der Kündigung ein ärztliches Attest beifügen, aus dem sich nachvollziehbar die Erkrankung/gesundheitliche Beeinträchtigung ergibt, die einer weiteren Nutzung des Fitness-Studios entgegensteht. Dieser Anforderung würde ein ärztliches Attest, das nur eine auf Dauer anhaltende Sportunfähigkeit des Kunden bescheinigt, nicht genügen. Um für die Klägerin nachvollziehbar darzulegen, warum er auf Dauer das Fitness-Studio nicht mehr nutzen kann, müsste der Kunde die Art seiner Erkrankung gegenüber der Klägerin offenbaren. Er steht daher vor dem Ausspruch einer Kündigung vor der Entscheidung, ob er bereit ist, gegenüber der Klägerin entsprechende Angaben zu machen oder auf die Ausübung seines Kündigungsrechts zu verzichten. Dadurch besteht die Gefahr, dass der Kunde davon abgehalten wird, von seinem Recht zur außerordentlichen Kündigung Gebrauch zu machen, zumal die Klägerin ihrerseits nicht gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist und der Kunde sich daher nicht darauf verlassen kann, dass seine Angaben vertraulich behandelt und nicht an andere weitergegeben werden.
Außerdem führe laut BGH die Pflicht des Kunden, spätestens 2 Wochen nach Erlangung der Kenntnis von der Erkrankung dazu, dass dieser ggf. voreilig kündigt, um sein Kündigungsrecht nicht zu verlieren, anstatt den weiteren Verlauf der Krankheit abzuwarten. Auch dies stelle eine unangemessene Benachteiligung dar.
Fazit
Der „Kniff“ mit § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist anspruchsvoll und in einer Klausur wohl nur von den besseren Bearbeitern (wenn überhaupt) zu erwarten. Wer die Grundzüge des AGB-Rechts aber verstanden hat, der wird auch ohne den § 309 Nr. 9 lit. a BGB eine sehr solide Leistung hinlegen können, zumal die Literatur und Rechtsprechung bisher gute Argumente angeführt hat, die gegen eine längere Laufzeit von Fitness-Studioverträgen sprechen. Im Mittelpunkt stände bei der Bearbeitung in jedem Fall die Auslegung von Ziff. 7 des Vertrags und die Frage, ob eine „unangemessene Benachteiligung“ hinsichtlich des Kündigungsrechts gegeben ist.