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Schlagwortarchiv für: Erdogan

Tom Stiebert

Erdogan vs. Böhmermann: Ein Nachtrag – § 185 StGB vs. § 103 StGB

Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, StPO, Strafrecht, Strafrecht BT, Tagesgeschehen

In dem gestrigen Beitrag wurde die Frage diskutiert, inwiefern in der causa Böhmermann die Strafbarkeit des § 103 StGB gegeben ist und inwieweit diesbezüglich eine Strafverfolgung zulässig ist. Verwiesen wurde dabei auf § 104a StGB.
Dieser recht antiquiert anmutende Paragraph soll dem Schutz der deutschen Rechtsordnung vor der Einmischung durch ausländische Staatsoberhäupter dienen. Eine Strafverfolgung ist daher nicht sicher.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan geht daher – so Medienberichte – einen zusätzlichen Weg: Neben einem Strafverlangen nach § 104a StGB wurde auch ein Strafantrag nach § 194 StGB bezüglich einer Beleidigung gestellt. Hierbei handelt es sich um ein „normales“ Delikt, das nach dem Legalitätsprinzip stets auf Antrag zu verfolgen ist. So umgeht er die Voraussetzungen des § 104a StGB.
I. Verhältnis der Straftatbestände
Dabei entspricht der Tatbestand des § 103 StGB dem des § 185 StGB und auch des § 186 StGB auf den mitverwiesen wird. Auch bei der Prüfung einer Beleidigung gelten daher die Wertungen, die bei § 103 StGB zu beachten sind. Zu klären ist aber das Konkurrenzverhältnis beider Normen: Von § 103 StGB geschützt ist die Ehre ausländischer Staaten als kollektives Rechtsgut. Das Staatsoberhaupt dient daher als Repräsentant des Staates. Der allgemeine Schutz des § 185 StGB soll aus diesem Grund verstärkt werden. § 103 StGB wird aus diesem Grund als lex specialis zu § 185 StGB angesehen (Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8).
Andere Ansichten sehen unterschiedliche Rechtsgüter von § 185 StGB und § 103 StGB geschützt: Während § 185 StGB die individuelle Ehre schützt, möchte § 103 StGB hiernach „allein das Interesse der Bundesrepublik Deutschland an einem Mindestbestand funktionierender Beziehungen zu ausländischen Staaten“ schützen (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Wolfgang Wohlers/Walter Kargl, Strafgesetzbuch, 4. Auflage 2013, § 103 StGB, Rn. 4). Insofern wäre nach dieser Ansicht zwischen § 185 StGB und § 103 StGB Tateinheit gegeben.
Jedenfalls sollte aber nach beiden Ansichten eine restriktive Auslegung des § 103 StGB geboten sein. Jedenfalls scheidet m.E. eine Strafbarkeit nach § 103 StGB aus, wenn allein das Staatsoberhaupt als Person beleidigt wird und keinerlei denkbarer Bezug zur Ehre des Volkes vorliegt. Wenn ich also den türkischen Präsidenten auf der Straße treffe und beleidige, ihn aber nicht einmal erkenne, ist allein eine Strafbarkeit nach § 185 StGB nicht aber nach § 103 StGB möglich. Ein solcher Bezug dürfte hier allerdings vorliegen, ist aber jedenfalls – was m.E. in der Diskussion etwas zu kurz kommt – im Einzelfall zu prüfen.
II. Folgeprobleme
Das Konkurrenzverhältnis der Normen birgt auch praktische Probleme: So stellt sich die Frage, ob eine tateinheitliche Begehung möglich ist (s.o.).
Wichtiger ist noch die Frage, ob der Antrag auf Verfolgung nach §§ 103, 104a StGB in einen Strafantrag nach § 185 StGB umgedeutet werden kann bzw. direkt als ein solcher anzusehen ist. Die Kommentarliteratur bejaht dies zumeist (siehe nur Schönke/Schröder/Eser, Strafgesetzbuch, 29. Auflage 2014, § 103 StGB, Rn. 8). Voraussetzung dafür dürfte allerdings sein, dass § 103 StGB einen Spezialfall des § 185 StGB bildet, dass also jede Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt. Lehnt man dies ab, so dürfte der Weg zu § 185 StGB schwieriger zu bestreiten sein. Hier müsste dann ausgelegt werden, ob ein Strafantrag iSd § 194 StGB vorliegt oder nicht. Es handelt sich hierbei um ein absolutes Antragsdelikt. Die Voraussetzungen sind hier aber recht gering. Aus dem Antrag muss sich allein der Verfolgungswille bezüglich einer konkreten Tat ergeben. Diese Voraussetzungen dürften im Einzelfall erfüllt sein. Zu beachten sind zudem die formellen Vorgaben des § 158 Abs. 2 StPO.
III. Fazit
Der Fall Erdogan birgt weiterhin juristischen und politischen Sprengstoff. Findige Prüfer finden hier eine Vielzahl von Ansatzpunkten für eine Aufgabenstellung. Zumindest die Strukturen der relevanten Normen sollten daher bekannt sein.

12.04.2016/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-04-12 09:25:172016-04-12 09:25:17Erdogan vs. Böhmermann: Ein Nachtrag – § 185 StGB vs. § 103 StGB
Tom Stiebert

Jura und Jan Böhmermann: Von Schmähkritik zur Richtlinienkompetenz

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Strafrecht BT, Tagesgeschehen

Aktuell wird man unweigerlich medial von der Diskussion über eine Strafbarkeit Jan Böhmermanns bzgl. seines Erdogan-Gedichts verfolgt. Mittlerweile hat dies auch zu diplomatischen Verwerfungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei geführt.
Juristisch ist der Fall recht spannend und für eine schwierige mündliche Prüfung geeignet, da er in einem unbekannten Terrain (§ 104 ff. StGB) spielt und bei der Argumentation juristisches Fingerspitzengefühl gefragt ist.
Dabei stellt sich zum einen die Frage, ob überhaupt eine Strafbarkeit gegeben ist, Stichwort Schmähkritik (entsprechend dem Titel des Gedichts) vs. Satire, und zum anderen unter welchen Voraussetzungen eine Verfolgung der – unterstellten – Straftat möglich ist.
Entscheidend ist der komplette Inhalt des Beitrags. Eine Darstellung findet sich hier.
I. Strafbarkeit nach § 103 StGB
1. Grundrechtlicher Schutz
Hierzu müsste eine Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes erfolgt sein. Der Begriff der Beleidigung ist hierbei so wie bei § 185 StGB auszulegen. Der Begriff des Staatsoberhauptes gleicht dem des § 102 StGB. Entscheidend ist damit, ob eine Repräsentation des Staates durch die Person vorliegt.
Ferner müsste aber eine Beleidigung vorgelegen haben. Dies erfordert die Kundgabe der Nicht- oder Missachtung. Zu beachten sind dabei sämtliche Umstände des Einzelfalles. Dabei wird offensichtlich, dass die Strafbarkeit der Beleidigung stets auch einen Eingriff in die grundsätzlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit bzw. Kunstfreiheit darstellt. Die Grenzen zwischen Meinungs- und Pressefreiheit bzw. Kunstfreiheit sind hier fließend, handelt es sich bei der Satire doch um eine Hybridform, die Aspekte aller drei geschützten Rechte enthält.
Grundsätzlich handelt es sich bei Satire um eine Meinungsäußerung (ausführlich hierzu NJW 1995, 809). Durch die freie Gestaltung der kritisierten Titel tritt aber (zumindest nach dem offenen Kunstbegriff) auch der künstlerische Aspekt hinzu. Kerninhalt der Satire ist das Arbeiten mit Übertreibungen oder Verfremdungen. Dieses Kriterium beinhaltet aber gleichwohl die Voraussetzung, dass eine inhaltliche Aussage damit verbunden sein muss, die durch die gewählte Darstellungsform nur verzerrt wird. Es ist damit zu ermitteln, welche Aussage mit dem Mittel der Satire dargestellt wird. Ist die Satire hingegen allein als Provokation anzusehen, dann ist sie nicht mehr von den genannten Grundrechten gedeckt, denn es wird keine Meinung mehr kundgetan, sodass der Schutzbereich nicht eröffnet wäre. Es handelt sich dann insofern nur um Scheinsatire. Ungeachtet dessen verbietet sich eine zu strenge Betrachtung. Vielmehr muss jede noch mögliche Deutung als wahrscheinlich angesehen werden, ansonsten würden die Grundrechte zu wenig beachtet.
Bejaht man also allein eine Provokation in Form der Schmähkritik, so greift bereits der grundrechtliche Schutz nicht. Dies dürfte hier aber abzulehnen sein. Aus einem einfachen Grund: Das Gedicht selbst – der Titel ist ja schon eindeutig – ist natürlich losgelöst vom Kontext als Schmähkritik anzusehen. Der Kontext und die Begleitumstände dürfen aber bei der Prüfung nicht außen vorgelassen werden. Der Beitrag wurde hier mit einer langen Vorrede, die gerade die Grenze von Schmähkritik und Satire anlässlich des extra3-Songs problematisierte – angekündigt. Bewusst sollte auf die – aus Sicht aller – übertriebene Reaktion des türkischen Präsidenten hingewiesen werden. Der Aussagegehalt der Äußerung kann daher jedenfalls lauten: Die Reaktion war übertrieben, es geht noch viel schlimmer. DAS hier wäre wirklich schlimm.
Ein solcher Aussagegehalt deckt sich auch mit dem Inhalt der Sendung, die eben genau die Vorkommnisse zu extra3 problematisierte. Damit ist jedenfalls eine Deutung als Satire denkbar. Der Finger wird hier bewusst in die Wunde gelegt und die – aus Sicht des Autors – übertriebene Reaktion Erdogans problematisiert. Der Schutz des Grundgesetzes greift daher.
Die Abwägung fällt hier zugunsten der Meinungs- und Pressefreiheit aus.
2. Ausnahme Schmähkritik
Eine Abwägung würde dort zu Lasten der Satire ausfallen, wenn diese als Schmähkritik anzusehen wäre, wenn also nicht die satirische Äußerung im Vordergrund stünde.
Eine Eingruppierung als Schmähkritik verbietet sich hier aber. Das BVerfG legt dazu dar (Beschluss v. 26.6.1990):

Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen

Dies ist hier – auch aufgrund des Kontextes – nicht gegeben. Es sollte sich bewusst und überspitzt und pointiert mit dem dargelegten Sachverhalt auseinandergesetzt werden. Die Äußerung beruht daher auf einem sachlichen Grund und ist zulässig.
 
II. Strafbarkeitsvoraussetzung des § 104a StGB
Besondere Beachtung verdient zudem der § 104a StGB. Bei juris findet sich zu dieser Norm eine einzige Fundstelle. Die Bedeutung ist daher offenkundig gering. Gerade aus diesem Grund eignet er sich für eine freie Argumentation in der mündlichen Prüfung, die auch öffentlich-rechtliche Erwägungen berücksichtigt.
Es muss ein „Strafverlangen der ausländischen Regierung“ vorliegen und „die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt“ haben.
Gerade letztere Voraussetzung ist problematisch und führt zu politischen Verwerfungen, stellt sich doch die Frage, wie weit die Bundesregierung hier dem türkischen Präsidenten entgegenkommen darf und sollte.
1. Zuständigkeit
Fraglich ist zunächst, wer überhaupt für die Erteilung der Ermächtigung zuständig ist. Dies dürfte – so die Kommentarliteratur – aufgrund der Ressortzuständigkeit der Bundesminister des Auswärtigen sein (Art. 65 S. 2 GG). Fraglich ist aber, ob die Bundeskanzlerin bei Vorliegen eines Dissens aufgrund ihrer Richtlinienkompetenz (Art. 65 S. 1 GG) vorrangig entscheiden darf. Dies dürfte wohl zu verneinen sein. Die Richtlinienkompetenz ist bereits qua ihres Wortlauts auf das Innenverhältnis zum Minister beschränkt, sodass eine Weisung der Kanzlerin ergehen dürfte. Nach außen könnte der zuständige Minister aber weiterhin wirksam tätig werden, müsste aber natürlich die Entlassung aus dem Ministeramt als Konsequenz fürchten.
2. Abwägungsgründe
Fraglich ist zuletzt, welche Erwägungen bei der Erteilung der Ermächtigung anzustellen sind. Zunächst ergibt sich aus der Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), dass die Ermächtigung dann nicht erteilt werden darf, wenn eine Strafbarkeit nach der Überzeugung des zuständigen Ministers sicher ausscheidet. Auch die mögliche Gefährdung der Beziehungen zur Türkei könne dann nicht beachtet werden.
Schwerer zu beantworten ist – mangels Literatur hierzu – die Frage, ob bei einer möglichen Strafbarkeit dennoch die Ermächtigung untersagt werden kann. Dies dürfte wohl im Einzelfall zulässig sein. Die Norm des § 104a StGB stellt auch auf den Schutz diplomatischer Beziehungen ab. Aus diesem Grund ist im Einzelfall zum Schutz eine Verweigerung möglich.
Primär dient der Vorbehalt der Ermächtigung aber dazu, die Einmischung ausländischer Staaten in das deutsche Strafrecht zu verhindern. Der deutsche Staat möchte stets das Letztentscheidungsrecht bzgl. seiner Rechtsordnung haben.
III. Fazit
Spannende juristische Fragen stellen sich zweifelsohne. Eine einfache Beantwortung ist – gerade ob der komplizierten Abwägung – nicht möglich. Dennoch sollte ein sorgfältiges Judiz nicht durch die mediale Keule ersetzt werden.

11.04.2016/15 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-04-11 15:55:052016-04-11 15:55:05Jura und Jan Böhmermann: Von Schmähkritik zur Richtlinienkompetenz
Tom Stiebert

Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

Schon gelesen?, Startseite, StPO, Tagesgeschehen, ZPO

Der Aufruhr ist groß: Politiker jeglicher couleur – vom türkischen Premier Recep Erdogan bis zum CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder – kritisieren die Sitzplatzvergabe beim in Kürze beginnenden NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte in München. Auch die Medien wie bspw. die türkische Hürriyet oder auch die BILD äußern harsche Kritik an den Vergabemodalitäten. Aber auch juristisch versierte Kreise äußern starke Zweifel an der Sitzplatzvergabe durch das sog. Windhundprinzip und fordern zumindest eine Übertragung in Nebenräumen.

Dennoch erscheint die Kritik oftmals eher politisch denn juristisch motiviert zu sein. Der Beitrag möchte aus diesem Grund eine Übersicht über die juristischen Fragen der Sitzplatzvergabe für Zuschauer und Medien in Gerichtsverhandlungen geben.

I. Sachverhalt

Was ist eigentlich genau passiert? In München beginnt am 17. April der NSU-Prozess – teilweise reißerisch als „Jahrhundertprozess“ bezeichnet (so SPD- Innenexperte Dieter Wiefelspütz in der „Berliner Zeitung“; das OLG-München widerspricht dagegen einem solchen Superlativ). Stattfinden wird der Prozess im Schwurgerichtssaal A 101 des OLG, dem bestgesicherten Saal dieses Gerichts. Vergeben werden dabei 50 Journalistenplätze sowie weitere 50 Plätze für Zuschauer. Daneben sind 71 Nebenkläger sowie 49 Anwälte beteiligt. Die Vergabe der Zuschauerplätze erfolgt jeden Verhandlungstag aufs Neue nach dem Windhundprinzip (Prioritätsprinzip) – die ersten Anwesenden werden also eingelassen. Auch Journalisten können hierbei Einlass begehren. Hingegen wurden die Journalistenplätze bereits im Vorfeld vergeben. Auch hier wurde der Zeitpunkt der Anmeldung per Mail oder Fax berücksichtigt. Bereits drei Stunden nach Beginn der Meldefrist waren dabei die 50 festen Plätze vergeben, so dass eine Nachrückerliste eröffnet wurde, auf der sich nun insgesamt 73 Medienvertreter befinden. Dabei fällt auf, dass sich unter den 50 registrierten Medienanstalten keine türkischen Medien befinden.

II. Rechtliche Bewertung

Ausgangspunkt der juristischen Betrachtung muss der § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sein, der eine öffentliche Verhandlung vorschreibt (§ 169 S. 1 GVG), Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung aber untersagt (§ 169 S. 2 GVG). Jede Person muss also die reelle Möglichkeit haben, als Zuhörer am Prozess teilzunehmen (BGH NStZ 1982, 476; BGH NStZ 1989, 1741; BVerfG NJW 2002, 814).

1. Sitzungssaal zu klein

Der Bundesgerichtshof stellt aber gleichwohl klar, dass die vorhandenen Kapazitäten eine natürliche Grenze des Zugangsrecht darstellen (BGH NJW 1977, 157). (Hier zeigt sich eine Parallele zum Zugangsrecht bei öffentlichen Einrichtungen im Kommunalrecht.) Das Gericht ist auch nicht gezwungen zusätzliche Kapazitäten zu schaffen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Insbesondere Sicherheitsmaßnahmen können zu einer Absenkung der Zuschauerplätze führen. Unzulässig ist es lediglich einen so kleinen Verhandlungssaal zu wählen, in welchem eine Teilnahme Dritter ausgeschlossen ist (bspw. das Richterzimmer; BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7).

Gegen diese Vorgaben verstößt das OLG München offensichtlich nicht. Hier wurde ein verhältnismäßig großer Verhandlungssaal gewählt, der insbesondere auch die erforderlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt.

2. Vergabe der Plätze willkürlich

Hauptkritikpunkt ist freilich die Vergabe der Plätze selbst. Hier ist zwischen den Plätzen für die eigentliche Öffentlichkeit (unmittelbare Öffentlichkeit) und Journalistenplätzen (die zu einer mittelbaren Öffentlichkeit führen) zu differenzieren. Bei den Zuschauerplätzen ist eine Vorreservierung generell unzulässig (BGHSt 26, 99). Die Vergabe muss hier also zwingend an Anwesende erfolgen; einziges objektives Kriterium kann dabei der Zeitpunkt der Ankunft am Sitzzungssal sein. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist es aber zulässig, Einlasskarten zu verteilen (BeckOK StPO/Allgayer, § 169 GVG, Rn. 7). Eine Vorabvergabe der Zuschauerplätze, aber auch die Berücksichtigung einer Quote für türkische Staatsangehörige würde damit gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit verstoßen. Ebenso wäre es auch unzulässig, türkische Politiker oder Botschafter bevorzugt zu berücksichtigen.

Davon zu unterscheiden ist die Sitzplatzvergabe für Medien. Hier ist eine Reservierung eines bestimmten Pressekontingents zulässig (BGH NJW 2006, 1220; BVerfG NJW 2003, 500). Dies verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit, sofern eine ausreichende Anzahl von Plätzen auch für Nichtpressevertreter freigehalten wird. Ein besonderes Recht auf Bereitstellung von Presseplätzen besteht hingegen nicht (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 51; vgl. auch BVerfGE 50, , ; NJW 2001, ). Daraus ergibt sich auch, dass die Medien denselben Beschränkungen unterworfen sind wie einfache Zuhörer. Dies hat zur Folge, dass die Auswahlkriterien übereinstimmend gewählt werden müssen. Stets ist auch hier das Prioritätsprinzip zu wahren. Lediglich dann, wenn dessen Beachtung aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, ist eine zufällige Vergabe (Losverfahren) möglich (BGH NJW 2006, 1220).

Fraglich ist allerdings, ob eine besondere Quote für ausländische Medien nicht geboten oder sogar zwingend wäre. Zwingend kann diese keinesfalls sein; das Gesetz unterscheidet nicht zwischen besonderen Arten der Öffentlichkeit; vielmehr gibt es vor, dass jeder potentielle Prozesszuschauer gleichberechtigte Chancen zum Zugang haben muss. Allerdings wäre eine Quotierung dann geboten, wenn hierdurch Ungleichheiten ausgeglichen würden. Die Anmeldung für Medien sollte hier per Mail oder Fax erfolgen. Im Gegensatz zum Postversand zeigen sich dabei keine Unterscheide zwischen in- und ausländischen Absendern. Eine Antwort binnen kurzer Zeit wäre folglich auch den türkischen Medienvertretern möglich gewesen. Es sind auch keine weiteren Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine solche Reaktionsmöglichkeit sprechen; insbesondere wird nicht behauptet, dass die Medieninformation allein in deutscher Sprache oder sehr kurzfristig erfolgt sei, sodass nichtdeutschen Medien eine Antwort faktisch unmöglich war. Aus diesem Grund scheidet eine besondere Behandlung ausländischer Medien als unzulässig aus. Gerade dies würde dem Grundsatz der Öffentlichkeit aus § 169 GVG widersprechen.

Das Gericht hat hier sachliche Kriterien angewandt, um eine gleichberechtigte Auswahl zwischen allen potentiellen Prozesszuschauern zu treffen. Eine Benachteiligung ausländischer Medien (wie bspw. bei einer Anmeldung per Post oder ausschließlich in deutscher Sprache) ist hier nicht ersichtlich. Insofern scheidet ein Verstoß gegen § 169 GVG aus.

3. Vergabe von Nachrückplätzen

Kritisiert wurde zudem, dass auch Nachrückplätze (beim Fehlen von registrierten Medien) nach dem Prioritätsprinzip vergeben werden und hierbei nicht der Wunsch des Nichterscheinenden beachtet wird. Auch dies ist aber nach dem GVG zwingend. Öffentlichkeit ist ohne Ansehung der Person herzustellen und jeder Beteiligte ist gleich zu behandeln. Wird aber die Vergabe ins Ermessen Dritter gestellt, so führt das dazu, dass gerade keine rein objektiven Kriterien mehr angewandt werden. Das Gericht hat damit keine andere Möglichkeit, als das Prioritätsprinzip strikt durchzuhalten und auch auf Nachrückplätze anzuwenden.

4. Übertragung in zusätzlichen Saal

Auf Grund der erwarteten zu geringen Kapazitäten des Sitzungssaals wird zudem gefordert, eine Übertragung für Zuschauer und Medienvertreter in einen weiteren Sitzungssaal zu ermöglichen. Klar ist nach dem oben Gesagten, dass eine solche Übertragung von § 169 S. 1 GVG keinesfalls gefordert wird (auch nicht im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 GG BVerfG – NJW 1993, ). Vielmehr genügt es, wenn ein durch faktische Grenzen beschränkter Personenkreis die Möglichkeit zur Teilnahme hat.

Fraglich ist aber, ob ein solches Vorgehen zumindest rechtlich möglich wäre. Ein klares Meinungsbild zu dieser Frage existiert nicht. Fest steht nur, dass eine Prüfung anhand des § 169 S. 2 GVG geboten ist. Diese Vorschrift verstößt auch nicht gegen Art. 5 Abs. 1 GG (BVerfG Urteil vom 24.01.2001 – 1 BvR 2623/95, 622/99, NJW 2001, 1633). Eine Übertragung scheidet jedenfalls dann aus, wenn die Wahrheitsfindung durch eine solche Übertragung leiden würde (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33). Roxin hingegen hält eine solche Übertragung für zulässig und vergleicht sie mit der Öffnung einer Zwischentür im Sitzungssaal (Roxin, Strafverfahrensrecht § 45 A). Bedenken bezüglich einer solchen Erweiterung ergeben sich insbesondere daraus, dass das Gericht damit die Einhaltung des Veröffentlichungsverbots aus § 169 S. 2 GVG nur noch schwer überwachen kann (MüKo ZPO/Zimmermann, § 169 GVG, Rn. 33; so auch BGH DRiZ 1971, 207). Jedenfalls sind deshalb Maßnahmen vorzunehmen, um auch in dem zusätzlichen Sitzungssaal die Ordnung zu wahren, da hier das Gericht keinen unmittelbaren Einfluss mehr hat. Die Übertragung darf keinesfalls zu einer Art Kinovorführung verkommen, führte dies sonst dazu, dass der Prozess den Charakter eines Schauprozesses erhalten würde. Jedenfalls muss also gewährleistet sein, dass die Übertragung den gleichen Charakter wie der eigentliche Prozess hat – nur dann ist das Bild der sich öffnenden Schiebetür zutreffend. Dies erscheint problematisch, sodass eine solche Übertragung zumindest starken rechtlichen Bedenken unterliegt.

III. Rechtsfolgen

Sollte der Grundsatz der Öffentlichkeit verletzt sein – was nach der hier vertretenen Ansicht gerade nur durch eine gesonderte Berücksichtigung nichtdeutscher Medien und möglicherweise durch eine Übertragung in andere Gerichtssäle eintreten würde – liegt ein absoluter Revisionsgrund nach § 547 Nr. 5 ZPO (Anm. bzw. hier § 338 Nr. 6 StPO) vor. Das Gericht ist also gut beraten, hier trotz der politischen Brisanz allein eine juristische und nüchterne Betrachtung vorzunehmen und nicht dem Druck diverser Medien nachzugeben.

IV. Fazit

Für eine mündliche Prüfung ist die gezeigte Diskussion absoluter Pflichtstoff. Aber auch darüber hinaus gehört es wohl zur juristischen Allgemeinbildung, diese Diskussion zu verfolgen. Gerade eine rein juristische Vorgehensweise könnte hier sehr nützlich sein, um etwas Feuer aus der Diskussion zu nehmen. Dies würde im Ergebnis auch dem Prozess selbst dienen, der in einer aufgeheizten Atmosphäre nur sehr schwer geführt werden und nicht zur erwünschten Aufklärung führen kann.

Statt populistische Forderungen zu stellen, wäre die Politik gut beraten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen, sondern sowohl national als auch international zu erklären, warum die Sitzplatzvergabe durch das OLG München juristisch absolut korrekt und zwingend war. Einige Politiker gehen hier bereits mit gutem Beispiel voran. Letztlich liegt der Sitzplatzvergabe durch das OLG München der Gedanke zugrunde, dass alle Personen und Medien gleich sind und damit gleich zu behandeln sind – unabhängig aus welchem Land sie stammen. Dem wird wohl niemand ernsthaft widersprechen können.

04.04.2013/53 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-04-04 15:00:452013-04-04 15:00:45Diskussion um den NSU-Prozess – Jura vs. Politik

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