Das VG Weimar hat im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens nach summarischer Prüfung entschieden, dass eine Mitgliedschaft in der NPD in Verbindung mit der Teilnahme an Veranstaltungen der Partei den behördlichen Widerruf einer Waffenbesitzkarte rechtfertigen kann (Beschluss vom 09.01.2013, Az. 1 E 1194/12 We, nicht rechtskräftig; Pressemitteilung).
I. Sachverhalt
Nachdem die zuständige Behörde Kenntnis von der (zumindest bis zum Frühjahr 2009 unbestrittenen) NPD-Parteimitgliedschaft des Antragstellers und die Teilnahme an diversen Veranstaltungen der Partei erlangt hat, sprach es dem Antragsteller die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) ab und entzog dem Sportschützen daraufhin die Waffenbesitzkarte (waffenrechtliche Erlaubnis zum Besitz einer Waffe). Nach Ansicht des VG Weimar lagen begründete Anhaltspunkte für die behördliche Annahme der Unzuverlässigkeit i.S.v § 5 Abs. 2 Nr. 3a) und b) WaffG vor. Auch die Annahme der Behörde, dass es sich bei der NPD um eine Partei handele, die verfassungsfeindliche Ziele verfolge, sei nicht offensichtlich rechtswidrig.
II. Rechtliche Bewertung
Einen Anspruch auf die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis hat gemäß der Grundnorm aus § 4 Abs. 1 WaffG ein Antragsteller, der das 18. Lebensjahr vollendet hat (§ 2 Abs. 1 WaffG), die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt, die erforderliche Sachkunde (§ 7 WaffG) und ein Bedürfnis nachgewiesen hat (§ 8 WaffG) sowie bei Beantragung eines Waffenscheins eine Haftpflichtversicherung mit der erforderlichen Deckungssumme nachweist. Bei der waffenrechtlichen Erlaubnis handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Demgemäß müssen die Erlaubnisvoraussetzungen kontinuierlich vorliegen und in regelmäßigen Abständen von der zuständigen Behörde überprüft werden (vgl. § 4 Abs. 3, 4 WaffG). Die einschlägige Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme bzw. den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis findet sich in § 45 WaffG, der insoweit als lex specialis zu §§ 48, 49 VwVfG einzuordnen ist (König/Papsthart, WaffG, 1. Auflage 2012, § 45 Rn. 1 m. w. N).
Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG ist eine der zentralen Erlaubnisvoraussetzungen. Zur Beurteilung dieser Frage muss die zuständige Behörde unter Beachtung des in der Vergangenheit liegenden Verhaltens eine – gerichtlich uneingeschränkt überprüfbare – Verhaltensprognose anstellen mittels derer belastbare Rückschlüsse hinsichtlich des künftigen Verhaltens des Antragsstellers gezogen werden können, wobei die Umstände des Einzelfalls ebenfalls bei Entscheidungsfindung zu berücksichtigen sind.
In struktureller Hinsicht ist die Vorschrift zweistufig aufgebaut. § 5 Abs. 1 WaffG enthält zunächst eine abschließende Aufzählung absoluter Unzuverlässigkeitsgründe, bei deren Vorliegen die Unzuverlässigkeit unwiderleglich vermutet wird. In Abs. 2 der Vorschrift wird hingegen ein Katalog von sog. Regelunzuverlässigkeitstatbeständen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung aufgelistet. In derartigen Konstellationen besteht folglich die Möglichkeit, einen etwaigen Gegenbeweis anzutreten (Braun, GewArch 2012, 52, 51).
§ 5 Zuverlässigkeit
[…]
(2) Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die
[…]
3.einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die
a)gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder
b)gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, oder
c)durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
Der Beschluss reiht sich nahtlos in den Kanon der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ein. So judizierte das BVerwG in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt bereits, dass unzuverlässig i.S.d Waffengesetzes in der Regel auch derjenige ist, der verfassungsfeindliche Bestrebungen im Rahmen der Mitgliedschaft in einer nicht verbotenen politischen Partei verfolgt (BVerwG, Urteil vom 30.09.2009 – Az. 6 C 29/08 – amtlicher Leitsatz).
Zum tieferen Verständnis, v.a. im Hinblick auf die Reichweite des Schutzgehalts von Art 21 GG, sollen an dieser Stelle die durchaus überzeugenden, maßgeblichen Passagen der o.g. Entscheidung des BVerwG dargelegt werden:
[…] Dagegen beeinträchtigt die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds oder -anhängers nach § 5 Abs. Nr. 3 WaffG die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise. Zwar kann grundsätzlich das, was dem Mitglied oder Anhänger einer Partei an parteioffizieller oder parteiverbundener Tätigkeit von Verfassungs wegen gestattet ist, nicht in anderen Rechtsbereichen mit nachteiligen Folgen verknüpft werden, soll nicht die Rechtsordnung zu sich selbst in Widerspruch treten.[…] Dieser Grundsatz erleidet aber dann eine Ausnahme, wenn der Gesetzgeber auf Grund anderer Verfassungssätze verpflichtet oder jedenfalls berechtigt ist, eine abweichende Regelung zu treffen. So ist seit Langem anerkannt, dass die gesetzliche Umsetzung der Verfassungsentscheidung in Art.33 GG, die vom Beamten das Eintreten für die verfassungsmäßige Ordnung fordert, nicht in Widerspruch zu Art. 21 Abs. 2 GG stehen darf […]. Ebenso werden Reserveoffiziere und auch Wehrpflichtige der Bundeswehr durch das Parteienprivileg nur in Bezug auf politische Aktivitäten geschützt, welche sie unabhängig von ihrem militärischen Status für ihre Partei entfalten, während das Parteienprivileg nicht daran hindert, aus der Betätigung Rückschlüsse für den militärischen Pflichtenkreis zu ziehen […]. In solchen Zusammenhängen ist es unbeschadet des Art. 21 Abs. 2 GG, Aufgabe der Verwaltungsbehörde bzw. des VG, sich nötigenfalls eine eigene Überzeugung von den verfassungsfeindlichen Zielen einer Partei zu bilden.
[…] Hier ist es zwar nicht eine verfassungsrechtlich besonders ausgeformte Pflichtenstellung des Betroffenen, wohl aber die aus Art. 2. Abs. 2 S. 1 GG herzuleitende allgemeine staatliche Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit, die den Gesetzgeber berechtigt, Gründe für eine regelmäßig anzunehmende waffenrechtliche Unzuverlässigkeit auch im Verhältnis zu Mitgliedern und Anhängern politischer Parteien aufzustellen und auszugestalten.[…] für die Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die körperliche Unversehrtheit macht es keinen wesentlichen Unterschied, ob die Betätigung, die nach der plausiblen Einschätzung des Gesetzgebers regelmäßig die Unzuverlässigkeit begründet, innerhalb oder außerhalb einer politischen Partei ausgeübt wird. Aus diesem Grunde wird durch die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG auf die Mitglieder und Anhänger einer politischen Partei die verfassungsrechtlich garantierte Betätigungsfreiheit der Partei nicht verletzt. Vielmehr stellt sich § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG als eine Vorschrift dar, die – vergleichbar mit den allgemeinen, d.h. kein Sonderrecht gegen die Parteien enthaltenden Strafgesetzen – dem Schutz fundamentaler Rechtsgüter der Allgemeinheit dient und die daher – wiederum ähnlich den allgemeinen Strafgesetzen – für die Mitglieder und Anhänger der Parteien auch in Anbetracht des Art. 21 Abs. 2 GG ebenso Geltung beansprucht wie für alle anderen Bürger.
III. Fazit
Der Beschluss des VG Weimar verdient, gerade mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerwG, der eindeutigen Gesetzeslage sowie des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsumfangs im Eilrechtsschutzverfahren Zustimmung. Allerdings wird das zuständige Gericht im Rahmen des Hauptsacheverfahrens in rechtlich belastbarer Weise festzustellen haben, ob die vom Antragsteller innerhalb der NPD verfolgten Ziele tatsächlich gegen die in § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG genannten Verfassungsgrundsätze verstoßen und ob nicht möglicherweise Umstände vorliegen, die die Vermutung der Unzuverlässigkeit widerlegen. Dies könnte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Antragssteller über einen längeren Zeitraum beanstandungsfrei im Besitz einer Waffe war.