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Schlagwortarchiv für: Eigenschaftsirrtum

Dr. Melanie Jänsch

OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum

BGB AT, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

In seinem Urteil vom 4. April 2019 (Az.: 5 U 40/18) hat sich das OLG Hamm jüngst mit einer Fülle klausurrelevanter Probleme des BGB AT auseinandergesetzt. Konkret ging es um die schwierige Abgrenzung des Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB und des Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB beim Identitätsirrtum („error in objecto“) im Rahmen der Anfechtung einer dinglichen Einigung. Insbesondere war hierbei darauf zu achten, in strikter Befolgung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips zwischen schuldrechtlicher und dinglicher Ebene zu differenzieren. Die Entscheidung gleicht einem BGB AT-Lehrbuchfall und soll daher zum Anlass genommen werden, diese Grundprobleme – deren sichere Beherrschung nicht nur für Erstsemester unentbehrlich ist – durch Erläuterung im Gutachtenstil verständlicher zu machen.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht und leicht abgewandelt):
K und V hatten einen Kaufvertrag über ein Pferd namens „H“ geschlossen, welches von V an K veräußert und übereignet wurde. Die Parteien kamen überein, dass der K die Möglichkeit erhalten sollte, das Pferd „H“ gegen ein anderes Pferd des V zu tauschen. Am 13.12.2016 teilte der V dem K per E-Mail mit, dass dieser „H“ gegen das Pferd „F“ tauschen könne. Das Pferd „F“ stamme aus einer sog. besonderen „Linienzucht“. Der K bat daraufhin um die Übersendung eines Fotos. Ein Mitarbeiter des V hatte jedoch nicht die Stute „F“ aus dem Stall geholt, um diese zu fotografieren, sondern das Pferd „G“. Folglich wurde dem K ein Foto des Pferdes „G“ gesendet. Die Parteien vereinbarten, dass der K sich zum Gut des V begeben und sich dort zunächst das Pferd anschauen sollte. Dabei ging der K davon aus, es handele sich bei dem Pferd, welches er im Austausch für „H“ erhalten solle, um das Pferd, dessen Fotografie ihm vorab zugesandt worden war. Am 15.12.2016 begab sich der K vereinbarungsgemäß zum Hof des V. Durch einen Mitarbeiter des V wurde dem K sodann die Stute „G“ vorgeführt. Der K sah sich das Pferd an und glich es mit der vorab vom V erhaltenen Fotografie ab. Die Parteien waren sich dann einig, dass der Beklagte das vorgeführte Pferd im Austausch für „H“ erhalten sollte. Der V ging jedoch davon aus, dass es sich bei dem vorgeführten Pferd um das von ihm in seiner E-Mail erwähnte und bezüglich der Abstammung näher beschriebene Pferd „F“ handele. Die Parteien unterzeichneten nach Besichtigung des Pferdes einen schriftlichen Kaufvertrag. In diesem Vertrag ist als Verkaufsobjekt das Pferd „F“ genannt. Der K ging bei der Vertragsunterzeichnung davon aus, dass es sich bei dem in dem Kaufvertrag bezeichneten Pferd „F“ um das Pferd handele, welches ihm zuvor vorgeführt worden war. Tatsächlich wurde dem K das Pferd „G“ ausgehändigt. Zudem wurde ihm der Equidenpass für das Pferd „F“ überreicht. Der K verbrachte das Tier und den Equidenpass nach Hause. Dort las er den in dem übergebenen Pferd zu Identifikationszwecken implantierten Mikrochip aus und stellte fest, dass der ihm überreichte Equidenpass nicht zu dem ihm übergebenen Pferd gehörte. Dies teilte er dem V mit.
Der V äußerte sofort, das Pferd „G“ wolle er auf jeden Fall zurück. Er sei ja dann wohl noch Eigentümer des Pferdes „G“, denn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und insbesondere der Angaben aus dem Kaufvertrag sei stets deutlich gemacht worden, dass sich sein Übereignungswille lediglich auf das Pferd „F“ bezogen habe. Zudem erkläre er vorsorglich die Anfechtung seiner Willenserklärung, die auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war, denn es sei offensichtlich zu einer Verwechslung gekommen. Der K dagegen möchte das Pferd „G“ gerne behalten; er sei sehr wohl Eigentümer geworden und der V müsse ihm vielmehr den entsprechenden Equidenpass aushändigen.
Hat V gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB?
 
B. Rechtsausführungen
V könnte einen Anspruch aus § 985 BGB auf Herausgabe des Pferdes „G“ haben. Dies setzt voraus, dass V Eigentümer und K Besitzer des Pferdes ist und dieser kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB hat.
 
I. Besitzerstellung des K
K müsste hierfür Besitzer des Pferdes sein. Besitz ist die tatsächliche Gewalt über eine Sache, vgl. § 854 Abs. 1 BGB. Bei einem Pferd handelt es sich zwar um ein Tier und nicht um eine Sache i.S.v. § 90 BGB. Gemäß § 90a S. 3 BGB finden indes die für Sachen geltenden Regelungen entsprechende Anwendung, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. K hat das Pferd „G“ zu seinem Hof verbracht, er hat folglich die unmittelbare Herrschaft erlangt und ist damit unmittelbarer Besitzer i.S.v. § 854 Abs. 1 BGB.
 
II. Eigentümerstellung des V
Der V müsste Eigentümer sein, § 903 BGB.
1. Ursprünglich war dies unstreitig der Fall, sodass es keines Rückgriffs auf die Vermutungsregelung des § 1006 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf.
2. V könnte jedoch sein Eigentum im Wege der rechtsgeschäftlichen Eigentumsübertragung gemäß § 929 S. 1 BGB an K verloren haben.
a) Hierfür bedarf es einer dinglichen Einigung zwischen K und V dahingehend, dass K Eigentümer des Pferdes „G“ werden soll. Problematisch ist hierbei, dass im Kaufvertrag das Pferd „F“ als Verkaufsobjekt genannt wurde. Angesichts des Abstraktionsprinzips, wonach Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in ihren rechtlichen Wirkungen voneinander unabhängig sind, bedeutet dies aber nicht, dass auch die dingliche Einigung auf die Übereignung des Pferdes „G“ gerichtet war. Im Gegenteil ist der Inhalt der dinglichen Einigung unabhängig vom Kaufvertrag durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Hier ergeben die Umstände des Falls, dass die Willenserklärungen auf den Eigentumserwerb des K am Pferd „G“ gerichtet waren. Denn die Parteien waren sich vor Ort gerade dahingehend einig, dass die Übereignung desjenigen Pferdes, das fotografiert und später vorgeführt worden war, erfolgen sollte. Sofern sie dieses Pferd währenddessen fälschlicherweise als Pferd „F“ bezeichneten, handelt es sich hierbei um eine sog. falsa demonstratio non nocet.
 
Zur Erinnerung: Sofern die Parteien das übereinstimmend Gewollte unbewusst falsch bezeichnen, erlangt ihr übereinstimmender Geschäftswille und nicht die im Verkehr übliche Bedeutung der Erklärung Geltung, falsa demonstratio non nocet (= Falschbezeichnung schadet nicht). Haben die Vertragspartner sich trotz objektiv falscher Bezeichnung richtig verstanden, besteht kein Bedürfnis, ihrem gemeinsamen Willen die Rechtswirkung zu versagen. Denn nicht die Bezeichnung ist hier für die Bestimmung der Willenserklärung ausreichend, sondern auch der dahinter stehende Wille. Der prominenteste Fall aus der deutschen Rechtsgeschichte hierzu ist der Haakjöringsköd-Fall.
 
Auch wenn also bei der Übergabe das Pferd „G“ als Pferd „F“ bezeichnet wurde, so ging es den Parteien doch offensichtlich um dasjenige Pferd, das vor ihnen stand. Dieses wollten sie übereignen. Das stellt auch das OLG Hamm in Übereinstimmung mit der Vorinstanz fest:

„Zu Recht hat das Landgericht klargestellt, dass es wegen des Abstraktionsprinzips in dem Moment von Einigung und Übergabe nicht auf die Bezeichnung des Pferdes im Kaufvertrag vom 15.12.2016 angekommen ist. In diesem Zusammenhang spielt es auch keine Rolle, ob dieser Kaufvertrag vor oder nach der Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden ist. Hier ist der Kaufvertrag sogar unstreitig erst nach Übergabe des Pferdes von den Parteien unterzeichnet worden.“ (Rn. 67)

Mithin liegt eine dingliche Einigung zwischen K und V bezogen auf das Pferd „G“ vor.
b) Die Willenserklärung des V könnte aber infolge einer Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig sein. Dazu müsste – neben der Anfechtungserklärung und der Wahrung der Anfechtungsfrist– zunächst ein tauglicher Anfechtungsgrund vorliegen, der sich gerade auf die dingliche Willenserklärung
 aa) Der V behauptet, er sei einem Irrtum über die Identität des Übereignungsgegenstandes („error in objecto“) insofern erlegen, als er bei der Übereignung davon ausgegangen sei, dass er ein bestimmtes Pferd aus der sog. Linienzucht mit einem bestimmten Alter übereignen würde. Dies treffe auf das Pferd „G“ aber nicht zu, sondern nur auf das Pferd „F“. Zu prüfen ist, ob und inwiefern es sich hierbei um einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum handeln kann. Möglich erscheint das Vorliegen eines Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB, der dann besteht, wenn er Erklärende über den objektiven Sinngehalt des Erklärten irrt. Kurz gesagt: Er erklärt objektiv etwas anderes, als er subjektiv erklären will. Ein Inhaltsirrtum kann aber auch dann gegeben sein, „wenn der Erklärende zwar das richtige Erklärungsmittel verwendet, um seinen rechtsgeschäftlichen Willen kundzugeben, die Willenserklärung aber durch Bezugnahme auf bestimmte Umstände, über die der Erklärende sich im Irrtum befindet, erst ihre volle, vom Erklärenden nicht gewollte Bedeutung erhält“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 77). Dies ist insbesondere beim Identitätsirrtum der Fall. Denn: „Hier dient das verwendete Erklärungszeichen der Bezeichnung einer konkreten Person oder eines konkreten Gegenstandes; allein wegen der konkreten Umstände trifft es nicht auf die gemeinte Person oder den gemeinten Gegenstand zu“ (MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 78). In Betracht kommt neben dem Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 S. 1 BGB aber auch ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB als Sonderfall des Motivirrtums. Das OLG Hamm hat daher die beiden Anfechtungsgründe voneinander abgegrenzt:

„Bei einem Inhaltsirrtum entspricht der äußere Tatbestand der Erklärung dem Willen des Erklärenden. Dieser irrt aber über die Bedeutung oder Tragweite der Erklärung. Er weiß also was er sagt, weiß aber nicht, was er damit sagt. (Vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 11). Dem gegenüber stimmen bei einem Eigenschaftsirrtum Wille und Erklärung überein. Der Erklärende irrt nicht über die Erklärungshandlung oder den Erklärungsinhalt, sondern über Eigenschaften des Geschäftsgegenstandes und damit über die außerhalb der Erklärung liegende Wirklichkeit. Es handelt sich also um einen ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtum (vgl. Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 23).“ (Rn. 72 f.)

Dies zugrunde legend stelle sich die Einordnung im vorliegenden Fall als schwierig dar, wie das Gericht einräumt:

„Ein derartiger Irrtum dürfte einen Inhaltsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1 S. 1 Alternative 1 BGB darstellen, wobei die Abgrenzung zwischen einem Inhaltsirrtum und einem Eigenschaftsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB in einem solchen Fall schwierig sein kann (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2017, § 119 Rdn. 45 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., § 119 Rdn. 14).“ (Rn. 71)

Damit vermag das OLG Hamm zunächst zur Annahme eines Inhaltsirrtums zu tendieren, lässt die Abgrenzung letztlich aber offen, da im konkreten Fall jedenfalls ein Eigenschaftsirrtum gegeben sei:

„Der skizzierte Abgrenzungsstreit kann hier dahingestellt bleiben. Nach seiner Darstellung will der Kläger nämlich bei der Abgabe der Einigungserklärung im Sinne von § 929 S. 1 BGB davon ausgegangen sein, nicht die Stute „G“, sondern die Stute „F“ mit einem ganz bestimmten Alter (3,5 Jahre) und einem ganz bestimmen Stammbaum (Mutter: „Q2“; Vater und Großvater: „Q“) zu übereignen. Dem gegenüber war die Stute „G“ im Dezember 2016 erst 2,5 Jahre alt, ihre Mutter war „X“ und ihr Vater ebenfalls „Q“. Alter und Stammbaum sind bei einem Pferd wertbildende Merkmale und daher verkehrswesentliche Eigenschaften im Sinne von § 119 Abs. 2 BGB (vgl. Staudinger/Singer, a.a.O., Rdn. 80 ff. und Palandt/Ellenberger, a.a.O., Rdn. 27). Mithin ist der Kläger jedenfalls einem Eigenschaftsirrtum im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB erlegen gewesen.“ (Rn. 74 ff.)

 
Die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum ist auch in der Literatur umstritten (s. hierzu ausführlich MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2019, § 119 BGB Rn. 79). Die Einordnung des Irrtums könnte indes sogar offen gelassen werden; angesichts der gleichen Anfechtungsfrist ist eine Entscheidung für oder wider den einen oder anderen Anfechtungsgrund praktisch folgenlos (so auch BeckOK BGB/Wendtland, 51. Ed., Stand: 01.08.2019, § 119 BGB Rn. 35).
 
bb) Der V hat die Anfechtung auch gemäß § 143 Abs. 1, 2 BGB gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner erklärt.
cc) Dies geschah auch ohne schuldhaftes Zögern, mithin unverzüglich i.S.v. § 121 BGB, sodass auch die Anfechtungsfrist gewahrt wurde.
dd) Die Willenserklärung des V wurde also wirksam angefochten und ist damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB ex tunc nichtig.
c) Es besteht nach erfolgter Anfechtung keine dingliche Einigung zwischen K und V.
3. V hat das Eigentum an dem Pferd „G“ nicht an den K im Wege rechtsgeschäftlicher Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1 BGB verloren. Er ist also noch Eigentümer.
 
III. Recht zum Besitz, § 986 BGB
Ferner dürfte der K auch kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 BGB haben. Ein solches könnte aus dem zwischen K und V abgeschlossenen Kaufvertrag i.S.v. § 433 BGB ergeben. Indes ist als Kaufobjekt ausdrücklich das Pferd „F“ bezeichnet. Aus dem Kaufvertrag kann K damit kein Besitzrecht bezogen auf das Pferd „G“ herleiten.
 
Anmerkung: wiederum Achtung – Abstraktionsprinzip! Auch wenn sich die Übereignung ursprünglich auf das Pferd „G“ bezogen hat, ist Kaufgegenstand offensichtlich Pferd „F“.
 
IV. Ergebnis
V hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe des Pferdes „G“ aus § 985 BGB.
 
C. Fazit
Es gilt damit: Bei einem Identitätsirrtum kann ein Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder ein Eigenschaftsirrtum gemäß § 119 Abs. 2 BGB vorliegen, wobei die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein kann. Im vorliegenden Fall bestand die Besonderheit, dass ein Eigenschaftsirrtum i.S.v. § 119 Abs. 2 BGB nach den Darlegungen des Klägers sicher gegeben war, sodass der Abgrenzungsstreit offenbleiben konnte. Muss dieser jedoch – in einem weniger eindeutigen Klausurfall – geführt werden, wird es, da die Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum lebhaft umstritten ist, hierbei weniger auf ein bestimmtes Ergebnis ankommen. Wichtig ist vielmehr eine gute Argumentation, auf deren Basis sich dann für den Inhalts- oder Eigenschaftsirrtum entschieden wird.
 
 

10.10.2019/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2019-10-10 09:00:162019-10-10 09:00:16OLG Hamm: Abgrenzung von Inhalts- und Eigenschaftsirrtum beim Identitätsirrtum
Gastautor

OLG München: Kein Schadensersatz bei Verkauf unter Wert

Bereicherungsrecht, Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Nikolaus J. Plitzko veröffentlichen zu dürfen. Der Verfasser ist Student der Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und besuchte im Rahmen eines ERASMUS-Stipendiums die University of St. Gallen Law School.

Dem leicht erweiterten Sachverhalt liegt eine Entscheidung des OLG München vom 20.03.2014, „Der teuerste Teppich der Welt“ (Az 14 U 764/12) zugrunde.
A. Sachverhalt
A lieferte Ihren alten Perserteppich bei dem nicht auf die Versteigerung von Teppichen spezialisierten, sondern in einer großen Bandbreite aufgestellten Auktionshaus der R-GmbH (R) (sog. Varia-Auktionshaus) ein.
Anhand der Fachliteratur versuchte ein Auktionator der R Herkunft und Alter des Teppichs zu bestimmen und nahm den Teppich letztlich unter der Bezeichnung „Persische Galerie, antik, blaugrundig, floral durchgemustertes Mittelfeld, Laufstellen, Sammlerstück“ mit einer Abbildung in den Auktionskatalog auf und schätze seinen Wert auf 900 €. In der Auktion wurde der Teppich für 19.500 € an K versteigert und später übereignet.
Wenige Monate später übergab K seinerseits den Teppich dem renommierten Auktionshaus C in London. Ein spezialisierter Mitarbeiter der C erkannte – im Gegensatz zu vielen anderen Fachleuten – den tatsächlichen Wert des Teppichs und setzte diesen mit 250.000 – 350.000 € in Ihrem Katalog fest. C versteigerte den Teppich für 7,2 Mio. € an X. Eine Übereignung des Teppich an X hat indes noch nicht stattgefunden.
Wie ist die Rechtslage?
B. Fallbesprechung
I. A könnte einen Anspruch auf Schadensersatz gegen die R aus §§ 280 I, 241 II, 611 I, 675 I BGB haben.
1. Schuldverhältnis
A und R haben gem. §§ 611 I, 675 I, 145, 147 BGB einen Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Inhalt hat geschlossen. Eine Einordnung als Werkvertrag ist schon deshalb abzulehnen, weil R auf eine erfolgreiche Versteigerung des Teppichs keinen alleinigen Einfluss hat.[1] Von einer wirksamen Vertretung der R ist auszugehen.
2. Pflichtverletzung
R könnte durch die fehlerhafte Schätzung ihres Auktionators die Interessen der A und somit eine Nebenpflicht iSd § 241 II BGB verletzt haben. Hierbei ist insbesondere fraglich, welcher Maßstab bei der Schätzung anzuwenden ist.
Dieser könnte erhöht sein, wenn es sich für R um ein Kommissionsgeschäft gehandelt hat und Sie gem. § 384 I HGB die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns eingehalten musste.
Gem. § 383 I HGB liegt ein Kommissionsgeschäft vor, wenn R in Ausführung Ihres Gewerbes den Teppich in eigenem Namen für Rechnung des A verkauft hat.
Andererseits könnte R den Teppich auch im Namen des A verkauft haben, so dass nur eine Stellvertretung iSd §§ 164ff. BGB vorliegen könnte.
Es ist somit durch Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermitteln, ob ein Kommissionsgeschäft oder eine einfache Stellvertretung vorlag. R ist gem. § 6 I HGB iVm § 13 III GmbHG Formkaufmann und handelte somit gewerblich. Auch spricht die Aufnahme in den Katalog und die Nichtoffenbarung des Eigentümers für ein Kommissionsgeschäft und gegen eine Stellvertretung[2].
(Anm.: Das Vorliegen eines Kommissionsgeschäfts könnte auch schon beim Vorliegen des Schuldverhältnisses geprüft werden. Da es aber erst bei der Pflichtverletzung relevant wird, ist es vorzugswürdig dort zu prüfen[3].)
Ob der Auktionator bei der Begutachtung und Schätzung des Teppichs – welche der R gem. § 278 I BGB zuzurechnen sind – die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verletzt hat, kann nicht anhand von objektiven Merkmalen festgestellt werden, sondern bemisst sich anhand der Umstände des Einzelfalls.
Hierbei könnte zunächst davon ausgegangen werden, dass von einem Auktionator eine gewisse Sachkunde erwartet werden kann und er durch die Aufnahme in die Auktion den Schein setzt, dass der Wert des Teppichs in etwa dem Aufrufpreis entspricht.
Jedoch geht diese Ansichtsweise fehl, denn ein entsprechender Sachschein kann wohl nur gegenüber fachkundigen Bietern ergehen, nicht aber bei einer Varia-Auktion gegenüber „normalen“ Bietern.
Vielmehr hat der Auktionator im Rahmen seiner Möglichkeiten alles Erforderliche getan, um Alter und Herkunft des Teppichs zu bestimmen. Er war nicht verpflichtet über das Studium der Fachliteratur hinaus weitere Erkundigungen einzuholen, wobei anzumerken ist, dass auch im Nachhinein ausgeschriebene Fachleute den Wert des Teppichs verkannt hatten. Zwar war die Artikelbeschreibung vage, aber dennoch zutreffend. Bei einem Varia-Auktionshaus kann nicht die selbe Fachkunde wie von einem auf den Verkauf von Teppichen spezialisierten Auktionshaus erwartet werden.
Mangels Pflichtverletzung hat A keinen Anspruch auf Schadensersatz.
II. A könnte gegen K aus § 812 I S.1, 2. Alt BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Teppichs haben.
(Anm.: Herausgabeansprüche aus §§ 346 I; 861 I; 985 sind fernliegend und bedürfen keiner Erwähnung)
K hat Eigentum und Besitz am Teppich erlangt.
Dies müsste K in sonstiger Weise, also nicht durch Leistung erhalten haben. Es könnte aber eine Leistung der R vorliegen, so dass für A die allgemeine Nichtleistungskondiktion gesperrt wäre. Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens und bestimmt sich nach h.M. nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont gem. §§ 133,157 BGB[4]. (a.A.: Nach dem subjektiven Willen des Leistenden[5]),
Es ist darauf abzustellen, ob K eine Leistung von A oder der R erwarten durfte. In Bezug auf die Eigentumserlangung musste K davon ausgehen, dass der Teppich nicht der R, sondern A gehörte und die R nur in Stellvertretung bzw. auf Geheiß der A agierte. Die Besitzerlangung erfolgte hingegen direkt von R. Zu berücksichtigen ist auch hier die Stellung der R als Kommissionär der A. R verkaufte den Teppich in eigenem Namen, so dass nicht A, sondern die R Vertragspartner des K wurde. Nach lebensnaher Auslegung des Sachverhalts ist auch davon auszugehen, dass K nur in Geschäftskontakt zu R stand. Somit durfte A davon ausgehen, dass R zur Erfüllung seiner kaufvertraglichen Pflichten geleistet hat. Zwar verbietet sich in einem Mehrpersonenverhältnis jede schematische Lösung, jedoch liegen keine besonderen Umstände vor, die eine Direktkondiktion zwischen A und K rechtfertigen würden. Weder hat R arglistig über den Wert getäuscht, noch kannte K den tatsächlichen Wert[6]. Somit scheidet auch eine Herausgabe des Teppichs aus.
(Anm.: Nimmt man eine Erlangung in sonstiger Weise oder gar eine Leistung der A an, stellt sich im Weiteren das Problem, ob A den Kaufvertrag zwischen R und K wirksam anfechten kann. Vorliegend ist A nicht Vertragspartei geworden, so dass Ihr bereits die Anfechtungsberechtigung fehlt. Im Übrigen liegt auch kein Eigenschaftsirrtum iSd § 119 II BGB vor, da hierzu nur die wertbildenden Faktoren einer Sache, jedoch nicht der Wert an sich zählen.[7])
C. Fazit
Examenskandidaten sollten nicht nur aufgrund seiner Aktualität mit dem zugrundeliegenden Fall vertraut sein. Bei einer Versteigerung sind insbesondere die Abgrenzung zwischen der Stellvertretung und dem Kommissionsgeschäft sowie die Leistungsbeziehungen der Beteiligten zu erkennen und sauber zu prüfen. Interessant ist der Fall auch deswegen, da die Problematik des falschen Wertes einer Sache üblich in kaufrechtlichen Klausuren gestellt wird und hier in umgekehrter Form und anderer Konstellation relevant wird.
Aus Sicht der A ist der Fall wohl in die Kategorie „dumm gelaufen“ einzuordnen.


[1] Gaul, WM 2000, 1784; MK-BGB, Heermann § 675, Rn. 103.
[2] MK-HGB, Häuser, § 383, Rn. 16.
[3] MK-HGB, Häuser § 383, Rn. 29.
[4] BGHZ 72, 246 (249).
[5] Medicus, Rn. 688.
[6] Erman § 812, Rn. 15.
[7] Palandt, Ellenberger § 119, Rn. 27.

03.04.2014/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-04-03 08:00:172014-04-03 08:00:17OLG München: Kein Schadensersatz bei Verkauf unter Wert

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