• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Drittbezogenheit

Schlagwortarchiv für: Drittbezogenheit

Dr. Jan Winzen

BGH: Lehrbuchfall zur Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Über einen Amtshaftungsfall, wie er in jedem Lehrbuch stehen könnte, hatte der dritte Zivilsenat in einem aktuellen Urteil vom 04.07.2013 (III ZR 250/12) zu entscheiden.
A. Sachverhalt
Die Klägerin ist Halterin eines durch Steinschlag beschädigten PKW. Ihr Ehemann befuhr mit diesem PKW eine Bundesstraße in Brandenburg. Auf dem zu der Bundesstraße gehörenden seitlichen Grünstreifen führten zwei Mitarbeiter der Straßenmeisterei Mäharbeiten durch. Da die Bundesstraße in dem maßgeblichen Bereich mit einer Schutzplanke versehen ist, konnten die Arbeiten an dieser Stelle nur mit sog. Freischneidern ausgeführt werden. Dabei handelt es sich um Handmotorsensen, die das Mähgut auf der vom Bediener aus gesehen linken Seite auswerfen. Ausweislich der Bedienungsanleitung dürfen sich sowohl während des Startvorgangs als auch während der Arbeit mit den Geräten im Umkreis von 15 m keine weiteren Personen aufhalten. Dieser Abstand ist wegen der Gefahr der Sachbeschädigung durch wegschleudernde Gegenstände auch zu Sachen einzuhalten.
Als der Ehemann der Klägerin die Stelle, an der gerade die Mäharbeien durchgeführt wurden, mit dem PKW passierte, kam es durch aufgewirbelte Steine zu einer Beschädigung des PKW. Die Klägerin macht daraufhin Schadensersatz in Höhe von 978,32 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten geltend.
B. Rechtliche Würdigung
Der Klägerin könnte gegen das beklagte Land Brandenburg ein Amtshaftungsanspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG wegen der Beschädigung ihres Fahrzeuges durch die bei den Mäharbeiten hochgeschleuderten Steine zustehen.
Die vier wesentlichen Anspruchsvoraussetzungen lauten:

  • Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
  • Amtspfichtverletzung
  • Drittbezogenheit
  • Verschulden

I. Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
Die Mitarbeiter der Straßenmeisterei müssten bei Durchführung der Mäharbeiten in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Dies ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn es sich bei den Mäharbeiten um eine öffentlich rechtliche Tätigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VWGO handelt.
[Anmerkung: Will man in der Prüfung streng schematisch vorgehen, kann man auch zunächst die Frage aufwerfen, ob es sich bei den Mitarbeitern der Straßenmeisterei überhaupt um Beamte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt. Da es aber für die Beamteneigenschaft von Personen, die nicht bereits Beamte im staatsrechtlichen Sinne (= nach den Beamtengesetzen) sind, entscheidend darauf ankommt, ob diese in Ausübung eines öffentliches Amtes gehandelt haben (funktionaler Beamtenbegriff), empfiehlt es sich von vornherein dieser Frage nachzugehen.]
Die Mäharbeiten könnten Bestandteil einer gegenüber den Straßenbenutzern bestehenden Verkehrssicherungspflicht des Landes sein.
1.) Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht des Landes
Zum grundsätzlichen Bestehen einer Verkehrssicherungspflicht des Landes führt die Vorinstanz aus:

Dem beklagten Land obliegt die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich des betreffenden Streckenabschnitts. Die Verwaltungszuständigkeit für die gem. § 5 Abs. 1 FStrG in der Straßenbaulast der Bundesrepublik Deutschland stehenden Bundesfernstraßen (außerhalb geschlossener Ortschaften) liegt gem. Art. 90 Abs. 2 GG, § 20 Abs. 1 FStrG bei den Straßenbaubehörden der Länder, die allein über die nötigen rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten verfügen, die von der Straße ausgehenden Gefahren zu beseitigen. Dieses im Rahmen der Auftragsverwaltung selbständige und eigenverantwortliche Handeln der Landesbehörden rechtfertigt es, die Verkehrssicherungspflicht auch für die Bundesstraßen den Ländern zuzuordnen. Dabei gehören zum Straßenkörper nicht nur die Fahrbahnen, sondern auch Geh- und Radwege sowie Trenn-, Seiten-, Rand- und Sicherheitsstreifen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 b BbgStrG).

2.) Einordnung der Verkehrssicherungspflicht
Die danach bestehende Verkehrssicherungspflicht müsste öffentlich rechtlich sein. Zwar ist die Einordnung straßenrechtlicher Verkehrssicherungspflicht und ihrer einzelnen Bestandteile (als öffentlich rechtlich) dogmatisch alles andere als selbstverständlich (siehe zu den Einzelheiten etwa Papier, in: Münchener Kommentar, 6. Auflage 2913, § 839 BGB Rn. 177 ff.). Grundsätzlich wird insoweit ein privatrechtliches Haftungsregime angewendet. Dies ist aber anders, wenn – wie regelmäßig – der Landesgesetzgeber den hoheitlichen Charakter der Verkehrssicherung ausdrücklich bestimmt hat.
§ 10 Abs. 1 Satz 1 des brandenburgischen Straßengesetzes (BbgStrG) lautet:

Die mit dem Bau und der Unterhaltung sowie der Erhaltung der Verkehrssicherheit der Straßen einschließlich der Bundesfernstraßen zusammenhängenden Aufgaben obliegen den Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit.

3) Mäharbeiten Bestandteil der Verkehrssicherungspflicht

Die öffentlich-rechtlich gestaltete Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit entspricht inhaltlich der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 60, 54) und erfasst auch Gefahren, die von der unmittelbaren Umgebung der Straße für den Straßenverkehr ausgehen können (Rotermund/Krafft, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 4. Aufl., Rdnr. 293). Der Inhalt der rechtlich selbständig neben der Straßenbaulast stehenden Verkehrssicherungspflicht geht deshalb dahin, die öffentlichen Verkehrsflächen möglichst gefahrlos zu gestalten und zu erhalten, sowie im Rahmen des Zumutbaren alles zu tun, um den Gefahren zu begegnen, die den Verkehrsteilnehmern aus einem nicht ordnungsgemäßen Zustand der Straßen, Wege und Plätze unabhängig von deren baulicher Beschaffenheit drohen, wozu z. B. das Streuen, die Reinigung und die Beleuchtung zählen. Damit umfasst der Umfang der Verkehrssicherungspflicht auch das Mähen von zum Straßenkörper gehörenden Grünstreifen.

II. Amtspflichtverletzung
Weitere Voraussetzung des Anspruchs aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG ist die Verletzung einer Amtspflicht. Der Beamte muss die Aufgaben und Befugnisse der juristischen Person des öffentlichen Rechts, in deren Namen und Rechtskreis er tätig wird, im Einklang mit dem objektiven Recht wahrnehmen (= Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten, vgl. dazu Papier, in: Münchener Kommentar, 6. Auflage 2913, § 839 BGB Rn. 193). Gegenstand der Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten ist insbesondere die (zumutbare) Verhinderung  deliktischer Schädigungen:

Zu den Amtspflichten, die Amtsträger zu beachten haben, gehört die Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten. Eine besonders wichtige Konsequenz dieser Pflicht ist es, deliktische Schädigungen zu unterlassen, insbesondere sich bei der Amtsausübung aller rechtswidrigen Eingriffe in fremde Rechte zu enthalten, vor allem in die durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechtsgüter, hier das Eigentum (vgl. Senatsurteil vom 28. November 2002 – III ZR 122/02, NVwZ-RR 2003, 166). Bei Mäharbeiten der vorliegenden Art sind dabei (insbesondere) die notwendigen Sicherungsvorkehrungen und -maßnahmen zu treffen, um Schäden durch hochgeschleuderte Steine zu vermeiden (Senat aaO), wobei freilich nur solche Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, die unter Berücksichtigung des Gefahrenpotentials mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2005 – VI ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382 zu § 7 StVG).

Ausgehend von diesem Prüfungsmaßstab ist eine Amtspflichtverletzung zu bejahen, da das beklagte Land es unterlassen hat Schutzplanen zur Verhinderung von Beschädigungen vorbeifahrender Autos zu ergreifen:

Die Annahme einer Amtspflichtverletzung wird hier schon allein dadurch getragen, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts eine mobile, auf Rollen montierte, wiederverwendbare Schutzwand aus Kunststoffplanen bei den Mäharbeiten hätte verwendet werden können, die entsprechend dem jeweiligen Mähabschnitt hätte mitgeführt werden können, was die vorbeifahrenden Fahrzeuge vor aufgewirbelten Steinen geschützt hätte.

Der Einsatz von Schutzplanen zur Verhinderung deliktischer Schädigungen war nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall auch nicht unzumutbar:

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Einsatz von Planen an längeren zu mähenden Abschnitten einer Straße unzumutbar sei. Das Berufungsgericht ist nicht davon ausgegangen, dass der gesamte Streckenabschnitt einheitlich hätte abgeplant werden müssen. Die Entscheidung steht deshalb auch nicht im Widerspruch zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Januar 2005 (VI ZR 115/04, NVwZ-RR 2005, 381, 382 zu § 7 StVG), wonach ein vollständiges Abplanen des zukünftigen Arbeitsbereichs bei Mäharbeiten an Autobahnen unzumutbar sei. (…) Umstände, die den Einsatz einer mobilen Plane auf Rollen angesichts der Gefahren für den an den Mäharbeiten vorbeifließenden Verkehr als wirtschaftlich unzumutbar erscheinen lassen, zeigt der Beklagte nicht auf. Insbesondere ist ein die Grenzen der Zumutbarkeit überscheitender zusätzlicher Personalaufwand nicht ersichtlich.

III. Drittbezogenheit
Der Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG setzt weiter die Drittbezogenheit der Amtspflicht voraus. Die konkrete Pflicht muss also zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen dienen. Im Zusammenhang mit straßenrechtlichen Pflichten ist insoweit kurz klarzustellen, dass die Straßenbaulast als solche lediglich im öffentlichen Interesse besteht. Die daraus abgeleitete Verkehrssicherungspflicht hingegen dient dem Schutz Dritter, die mit der betreffenden Straße bestimmungsgemäß in Berührung kommen:

Die dargelegte Amtspflichtverletzung der Beklagten ist auch drittbezogen, weil durch die Schutzvorrichtungen gerade das Eigentum des vorbeifahrenden Kraftfahrers geschützt werden soll.

IV. Verschulden
Die Mitarbeiter der Straßenmeisterei müssten ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben:

Nach dem das Amtshaftungsrecht beherrschenden objektiven Sorgfaltsmaßstab trifft die Mitarbeiter des Beklagten hier auch ein Fahrlässigkeitsvorwurf: Sie hätten die Notwendigkeit weitergehender Schutzvorkehrungen zumindest erkennen und in Rechnung stellen können. Insbesondere der Einsatz von mobilen Absperrvorrichtungen hätte in Erwägung gezogen werden müssen.

Das Instanzgericht hatte hierzu (noch deutlicher) ausgeführt:

Der Mitarbeiter der Beklagten handelte auch mindestens fahrlässig, wenn nicht sogar bedingt vorsätzlich und damit schuldhaft. Ihm waren die Abstandsregelungen aus der Betriebsanleitung des verwendeten Gerätes und damit die Gefahr der Sachbeschädigung vorbeifahrender Kraftfahrzeuge bekannt. Dies folgt bereits daraus, dass er angab, er und sein Mitarbeiter würden immer mindestens 15 Meter versetzt arbeiten und bei vorbeifahrenden Kraftfahrzeugen, wenn möglich, die Arbeit unterbrechen.

Bemerkenswert ist im Übrigen noch der Vortrag des beklagten Landes, ein Verschulden könne nach den Grundsätzen der Kollegialgerichtsrichtlinie nicht angenommen werden, weil das Landgericht (in erster Insanz) eine Verkehrssicherungspflichtverletzung verneint habe. Tatsächlich wird zwar im Bereich der Amtshaftung ein Verschulden regelmäßig verneint, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtshandlung für rechtmäßig gehalten hat. Im vorliegenden Fall konnte dieser Einwand indessen schon deshalb nicht durchgreifen, weil das Landgericht durch den Einzelrichter entschieden hatte und nicht durch die Kammer (als ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht).
V. Kausalität und Schaden
Insoweit bestehen keine Bedenken.
VI. Kein Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
§ 839 Abs. 1 Satz 2 BGB sollte man bei einer Klausur aus dem Bereich der Amtshaftung immer (zumindest gedanklich) im Blick haben. Nach dieser Norm kann der Beamte und ihm folgend der Staat bei Fahrlässigkeit des Beamten nur in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. In Klausuren wird indessen (wie hier) meist eine der Fallgruppen einschlägig sein, in denen der Haftungsausschluss nach Sinn und Zweck (angesichts der Haftungsübernahme gebotene Entlastung der öffentlichen Hand) nicht eingreift. Hierzu zählen insbesondere Fälle, in denen sich der Geschädigte eine Ersatzleistung selbst „erkauft“ hat (etwa durch Abschluss einer Volkasoversicherung). Eine weitere Fallgruppe ist die Verletzung öffentlich rechtlicher Verkehrssicherungspflichten.

Dieser Grundsatz der subsidiären Haftung gilt allerdings im Bereich der als hoheitlichen Aufgabe ausgestalteten Verkehrssicherungspflichten gerade nicht, vielmehr gilt hier der Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung (vgl. Palandt/Sprau, 70. Aufl. 2011, Rdnr. 57 zu § 839 BGB). Deshalb kommt es auf die Frage, ob die Klägerin gegen den Eintritt von Steinschlagschäden privat versichert war (etwa durch Abschluss einer Vollkasko oder ggf. Teilkaskoversicherung) nicht an, solches ist aber auch nicht vorgetragen oder ersichtlich.

VII. Passivlegitimation
Passivlegitimiert ist beim Anspruch aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG die Anstellungskörperschaft, hier also das Land Brandenburg.
C. Zinsen + vorgerichtliche Anwaltskosten

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, allerdings erst ab Rechtshängigkeit (22. Dezember 2010) und nicht bereits, wie gefordert ab dem 8. Oktober 2010. Denn das anwaltliche Schreiben vom 5. Oktober 2010 stellt lediglich eine Zahlungsaufforderung dar, durch die die Zahlung erst fällig wird.
Schließlich sind der Klägerin als Nebenkosten vorgerichtlich entstandene Anwaltskosten zu ersetzen. Diese sind, bezogen auf einen Gegenstandswert, der dem ersatzfähigen Schaden in Höhe von 978,32 € entspricht, erstattungsfähig. Der 1,3-fache Gebührensatz nach KV 2300 ist angemessen. Bei einem Gegenstandswert von bis 1.200,00 € beläuft sich die 1,3-fache Gebühr folglich auf 110,50 € netto. Hinzu kommt die geforderte Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV RVG.

D. Fazit
Zwar dürften Examensklausuren aus dem Bereich der Amtshaftung eher selten sein. Die vorliegende Entscheidung ließe sich aber eins zu eins als Klausur stellen. Im zweiten Examen wäre dabei allerdings wohl nur an eine anwaltliche Aufgabenstellung zu denken, da über Ansprüche aus Amtshaftung die ordentlichen Gerichte entscheiden (§ 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Eine Urteilsklausur wäre damit wohl ausgeschlossen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

18.09.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-09-18 13:00:412013-09-18 13:00:41BGH: Lehrbuchfall zur Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
Dr. Jan Winzen

BGH: Amtshaftung wegen nicht durchgeführter BSE-Tests?

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Staatshaftung, Startseite

Der BGH verhandelte am 08.11.2012 in zwei Fällen (III ZR 293/11 und III ZR 151/12) über Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung im Zusammenhang mit BSE-Tests.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte war jeweils das Land Baden-Württemberg. Auf Klägerseite standen zwei Herstellerunternehmen, die zur Fertigung ihrer Erzeugnisse Schlachtprodukte verwenden. In der Sache III ZR 293/11 ging es um rindertalghaltiges Vogelfutter. III ZR 151/12 betraf Lebensmittel-, Futter- und Industriefette, zu deren Herstellung Schlachtfett verwendet wurde.
Das zuständige Veterinäramt des Landes Baden-Württemberg unterhielt in einem Schlachthof eine sog. Fleischhygienestelle zur Durchführung von BSE-Tests. BSE-Tests waren nach der maßgeblichen BSE-Untersuchungsverordnung ab dem 01.01.2009 für in Deutschland geborene und gehaltene Rinder vorgeschrieben, soweit diese älter als 48 Monate waren. Aufgrund eines Versehens bei der Klassifizierung der Tiere wurden sieben testpflichtige Rinder ohne Durchführung eines Tests geschlachtet und das Schlachtfett auf Sicherungsschein an das klagende Unternehmen in der Sache III ZR 151/12 (K1) ausgeliefert. Nach der Auslieferung erteilte das Veterinäramt die Freigabe für das veräußerte Schlachtfett, indem es K1 (irrtümlich) den negativen Ausgang der (tatsächlich nicht vorgenommenen) BSE-Tests mitteilte. K1 verarbeitet das Fett weiter und veräußerte es teilweise in Form von Rindertalg an das klagende Unternehmen in der Sache III ZR 293/11 (K2). Im weiteren Verlauf wurde der Fehler festgestellt. Das zwischenzeitlich auf Basis des Rindertalgs hergestellte Vogelfutter (98 Tonnen Maisknödel) musste vernichtet werden. Dabei entstand ein Schaden von über 100.000,00 Euro.
Landgericht und Oberlandesgericht wiesen die Schadensersatzklagen ab (K1 machte dabei neben eigenen Ansprüchen wegen der Vernichtung ihrer Erzeugnisse auch noch Ansprüche aus abgetretenem Recht einiger Abnehmer geltend). Der BGH wies das Rechtsmittel der K2 zurück. Im Hinblick auf K1 wies das Gericht Rechtsmittel nur insoweit zurück, als sie Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend gemacht hatte. Der BGH hat das Berufungsurteil jedoch aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit K1 eigene Schäden geltend gemacht hat.
Zur Sache:
Der BGH hatte zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB vorlagen (siehe zu den verschiedenen Anknüpfungspunkten einer Haftung des Staates gegenüber dem Bürger hier). Die Entscheidungsgründe liegen noch nicht im Volltext vor. Orientiert an den Tatbestandsvoraussetzungen des Amtshaftungsanspruchs ließe sich die Prüfung aber wie folgt aufbauen:
1.) Handeln in Ausübung eines öffentlichen Amtes
An der Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereiches dürfte im Hinblick auf die zuständigen Bediensteten des Veterinäramtes kein Zweifel bestehen. Der Beamtenbegriff im Rahmen der Amtshaftung (von Ossenbühl seit jeher als Funktionshaftung bezeichnet) ist weit zu verstehen und umfasst neben den Beamten im Sinne der Beamtengesetze auch sonstige mit öffentlicher Gewalt betraute Personen (insbesondere auch Angestellte des öffentlichen Dienstes und Verwaltungshelfer). In einer Entscheidung aus dem Jahre 2007 sah der BGH den persönlichen Anwendungsbereich der Amtshaftung übrigens auch im Falle der Beauftragung privater Labors zum Zwecke der Durchführung von BSE-Tests als eröffnet an, da er die Labors als Verwaltungshelfer einstufte (BGH, Beschluß vom 15. 2. 2007 – III ZR 137/06).
Dass das Veterinäramt bei der Durchführung der BSE-Tests bzw. der Erteilung der Negativbescheiningung auch in Ausübung eines öffentlichen Amtes (§ 40 VwGO) handelte, bedarf keiner weiteren Begründung.
2.) Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht
Amtshaftungsansprüche nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB setzen die Verletzung einer gerade einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht voraus.
Amtspflicht ist hier die ordnungsgemäße Befolgung der rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests. Die Verletzung dieser Amtspflicht sieht das Gericht dann wohl in der fehlerhaften (und fahrlässigen) Freigabe des ausgelieferten Schlachtfetts.
Die zentrale Frage, die der BGH zu erörtern hatte, ist die nach der Drittbezogenheit der verletzten Amtspflicht. Eine Amtspflicht ist drittbezogen, wenn sie zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt ist.
Grundsatz: keine Drittbezogenheit
An dieser Stelle lässt sich der Pressemitteilung des BGH folgender unmissverständlicher Grundsatz entnehmen:

Die rechtlichen Bestimmungen über die Durchführung von BSE-Tests dienen (…) dem Gesundheitsschutz; ihnen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die hier betroffenen wirtschaftlichen Interessen der Klägerinnen geschützt werden sollen.

Dies gilt allerdings nur soweit, wie Ansprüche Dritter (namentlich von in der weiteren Abnehmer- und Verarbeitungskette stehenden Unternehmen) geltend gemacht werden. Im Verhältnis des Staates zum Schlachtbetrieb selbst heißt es in der Pressemitteilung:

Nach der Rechtsprechung des Senats (sind) die bei der Durchführung einer BSE-Untersuchung bestehenden Amtspflichten im Verhältnis zum betroffenen Schlachtbetrieb drittbezogen und es kommen Schadensersatzansprüche in Betracht, wenn ein Schlachthofbetreiber durch Fehler der zuständigen Behörden unmittelbar an der (gewinnbringenden) Verwertung seines Eigentums gehindert wird.

Da im vorliegenden Fall aber nicht der Schlachthofbetreiber selbst klagte, kommt dieser Aussage zunächst eigentlich nur die Qualität eines Obiter Dictum zu. Der BGH nennt aber im Anschluss auch noch ein paar Argumente, die gegen eine Erweiterung der Haftung für unterlassene BSE-Tests auf Abnehmer sprechen:

  • Unübersehbarer Personenkreis

Eine derartige Ausweitung würde nach Ansicht des Gerichts zu einer konturlosen Haftung des Staates führen, die letztlich nur noch eine Frage der Kausalität wäre. Dies stünde aber im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass drittbezogene Amtspflichten stets nur dem Schutze eines erkennbar abgegrenzten Personenkreises zu dienen bestimmt seien.

  • Keine Haftungserweiterung durch Abschluss von Verträgen

Auch könne es nicht in der Hand des geschützten Dritten (hier des Schlachthofes) liegen, den Schutzbereich der ihm gegenüber obliegenden Amtspflichten durch den Abschluss von Verträgen auf den Vertragspartner zu erstrecken.

  • Schadenshöhe nicht absehbar

Schließlich wären die potentiellen Schäden und die damit verbundenen Haftungsrisiken kaum absehbar und ausufernd, da die Verarbeitung selbst geringer Mengen von verkehrsunfähigen Fleischbestandteilen oder Nebenprodukten dazu führen könne, dass große Mengen der mit Hilfe dieser Stoffe hergestellten End- oder Fertigprodukte unbrauchbar würden.
Für die Beurteilung der Ansprüche der K2 (wegen der Vernichtung des Vogelfutters) bedeutet dies, dass es an der für Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB erforderlichen Drittbezogenheit fehlt. Soweit K1 Ansprüche aus abgetretenem Recht (weiterer Abnehmer) geltend gemacht hat, gilt entsprechendes.
Ausnahme: Adressat der Freigabeerklärung
Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des BGH aber hinsichtlich der eigenen Ansprüche der K1. Denn diese konnte als direkte Adressatin der Freigabebescheinigung des Veterinäramtes auf deren Richtigkeit vertrauen:

Die Auslegung der in den Begleitscheinen enthaltenen Ergebnismitteilungen ergibt, dass die hiervon erfassten Rohfettlieferungen von Rindern stammen, bei deren Schlachtung die Vorgaben der BSE-Verordnung eingehalten worden sind. Die Klägerin, bei der sich zum Zeitpunkt der Mitteilungen die fraglichen Rohfette tatsächlich befunden haben und aufgrund der ausgesprochenen vorläufigen Sicherstellungen auch nur befinden durften, konnte als Adressat dieser Mitteilungen auf deren Richtigkeit vertrauen und entsprechend wirtschaftlich disponieren; insoweit ist sie auch als geschützte Dritte im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen.

Insoweit obliegt es nun also wieder dem Berufungsgericht, neu zu verhandeln und zu entscheiden.
Fazit:
Festhalten lässt sich, dass den Veterinäramtern der Länder eine Amtspflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung von BSE-Tests obliegt. Diese Amtspflicht ist grundsätzlich nicht drittbezogen, sondern dient allein dem Schutz der Gesundheit (als Allgemeingut). Auf Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB gestützte Amtshaftungsansprüche von Unternehmen der Fertigungsindustrie, die auf Grundlage von Schlachterzeugnissen produzieren, kommen folglich nicht in Betracht.
Etwas anderes gilt in zwei Fällen: Der Schlachthof, in dem die Kontrollen durchgeführt werden, kann Amtshaftungsansprüche wegen nicht ordnungsgemäß durchgeführter BSE-Tests geltend machen, wenn er infolgedessen an der gewinnbringenden Verwertung seines Eigentums gehindert ist. Entsprechendes gilt aufgrund eines besonderen Vertrauenstatbestandes für einen Abnehmer, der direkter Adressat einer Freigabeerklärung (Negativ-Bescheinigung) des Veterinäramtes war.
Im ersten Examen könnte ein solcher Amtshaftungsanspruch etwa als Zusatzfrage in Betracht kommen. Eine reine Amtshaftungsklausur ist wohl eher untypisch (siehe zur Klausurrelevanz des Staatshaftungsrechts auch schon hier).
Im zweiten Examen kann er als Urteilsklausur wegen der Rechtswegzuweisung des Art. 34 S. 3 GG (i.V.m § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO) eigentlich nur im Zivilrecht kommen (was angeblich auch schon passiert ist und dazu geführt hat, dass es eine „dritte Ö-Rechts Klausur“ gab). Anders ist es allenfalls in einer Anwaltsklausur. Hier kann es durchaus angezeigt sein, für den Mandanten mögliche Amtshaftungsansprüche zu prüfen (und geltend zu machen).
 
 
 

12.11.2012/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2012-11-12 09:00:242012-11-12 09:00:24BGH: Amtshaftung wegen nicht durchgeführter BSE-Tests?

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom
  • OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
  • Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Alexandra Alumyan

La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom

Alle Interviews, Für die ersten Semester, Interviewreihe, Lerntipps, Schon gelesen?, Startseite, Tagesgeschehen

Um zum ersten Staatsexamen zugelassen zu werden, muss man während der Semesterferien eine praktische Studienzeit – ein Praktikum – jeweils in der Rechtspflege und in der Verwaltung ableisten. Während einer […]

Weiterlesen
18.05.2023/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2023-05-18 16:18:112023-05-22 12:36:15La dolce vita – Rechtspflegepraktikum in Rom
Simon Mantsch

OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht, Zivilrecht

Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur […]

Weiterlesen
26.04.2023/1 Kommentar/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-04-26 06:00:002023-04-26 07:17:55OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
Alexandra Alumyan

Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Bereicherungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

In seiner Entscheidung vom 20.09.2022 – 18 U 538/22 befasste sich das OLG München mit einem immer wiederkehrenden Klassiker des Bereicherungsrechts: Die teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB […]

Weiterlesen
17.04.2023/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2023-04-17 10:16:132023-04-17 10:31:39Urteil des OLG München: Online-Glücksspiel im Bereicherungsrecht

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen