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Schlagwortarchiv für: Differenzhypothese

Dr. Sebastian Rombey

Neues und Grundlegendes zum Nutzungsausfallschaden nach einem Autounfall

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Der Nutzungsausfallschaden stellt ein klassisches Schadensproblem dar, mit dem sich leicht kaufrechtliche Fallkonstellationen um ein weiteres Problemfeld erweitern lassen. Erneut ist die Thematik Gegenstand einer obergerichtlichen Entscheidung geworden. Angesichts der Kaufrechtsreform liegt die Examensrelevanz auf der Hand.
I. Problemstellung und Lösungsansätze
Da das BGB grundsätzlich allein auf den Ersatz materiellen Schadens ausgerichtet ist, der per Differenzhypothese ermittelt wird, § 249 I BGB, ist für den Ersatz immaterieller Schäden ein erhöhter Begründungsaufwand notwendig, soweit nicht Sondernormen Ersatz oder Entschädigung explizit anordnen, etwa bei Schmerzensgeld § 253 II BGB, bei nutzlos aufgewendeter Reisezeit § 651 f II BGB oder bei Diskriminierung § 15 I, II AGG. Da die Höhe des Schadens in Abweichung der Prozessgrundsätze aber nur schwer bezifferbar ist, kann das Gericht eine Schätzung vornehmen, § 287 ZPO.
Muss ein Pkw in Folge eines Unfalls in Reparatur gegeben und in der Zwischenzeit ein Mietwagen angemietet werden, stellt sich inhaltlich die Frage nach dem immateriellen Schaden nicht, da in dem Mietzins ein materieller Schaden erblickt werden kann. Allein die Höhe des Schadens ist in derartigen Fällen problematisch, da der Geschädigte während der Nutzung des Mietwagens keinen Verschleiß an seinem eigentlichen Pkw hinnehmen muss, so dass 10-20 % Verschleiß im Wege der Vorteilsausgleichung vom Ersatz des vollen Mietzinses abzuziehen sind.
Kommt es indes nicht zur Anmietung eines Ersatzwagens, wird die Frage nach dem Nutzungsausfallschaden virulent. Der Differenzhypothese folgend besteht in der entgangenen Nutzungsmöglichkeit kein materieller Schaden, da die bestehende Nutzungsmöglichkeit an dem nun beschädigten Pkw nicht abgebildet wird. Da immaterieller Schaden nach der oben erläuterten gesetzlichen Grundkonzeption dem Grundsatz nach aber nicht ersatzfähig ist (e contrario § 253 BGB), wurde versucht, mittels des Frustrierungsgedankens den eigentlich immateriellen als materiellen Schaden zu qualifizieren (grundlegend Tolk, Der Frustrierungsgedanke und die Kommerzialisierung immaterieller Schäden, 1977). Die Investitionen, die der Geschädigte getätigt hat, um den nun beschädigten Pkw nutzen zu können, seien für die Zeit der fehlenden Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs frustriert. Eine derartige Materialisierung der in der Vergangenheit getätigten Investitionen hätte aber die nicht nachvollziehbare Konsequenz, dass der Schädiger nicht für den konkret entstandenen Schaden, sondern vielmehr für die vorherigen, nun materialisierten Investitionen haften müsste. Dies aber liefe dem deutschen Schadensrecht ersichtlich zuwider, könnte doch der Geschädigte letztlich seine Lebenshaltungskosten auf den Schädiger abwälzen. Schon früh wurde deshalb der Frustrationsgedanke verworfen.
Ein weiterer Ansatz liegt in der Annahme, die immaterielle Nutzungsmöglichkeit sei kommerzialisiert und stelle demnach einen materiellen Schadensposten dar (Kommerzialisierungsthese, dazu ausführlich MüKo-BGB/Oetker, 7. Aufl. 2016, § 249 Rn. 41 ff.). Die Kommerzialisierung beurteile sich nach der Verkehrsauffassung und sei deshalb insbesondere bei Pkw anzunehmen. Aufgrund der wirtschaftlichen Marktlage ist jedoch davon auszugehen, dass nach dieser Argumentation nahezu alles kommerzialisiert ist. Diese Argumentation führt im Ergebnis jedenfalls in Fällen des Nutzungsausfalls zu einer uferlosen Ausweitung der Schädigerhaftung, was weiter gedacht auch gesamtwirtschaftlich mit Blick auf die Versicherungswirtschaft schwer tragbar wäre.
Der große Senat des BGH hat dagegen im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in einer wegweisenden Entscheidung den eingeschränkten Kommerzialisierungsgedanken entwickelt (BGH (GS), Beschl. v. 09.07.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 = NJW 1987, 50). Danach ist die Nutzungsmöglichkeit ausnahmsweise nur dann kommerzialisiert und nach § 249 II 1 BGB ersatzfähig, soweit neben der notwendigen

  • Kommerzialisierung am Markt
  • für den betreffenden Zeitraum die hypothetische Nutzungsmöglichkeit
  • sowie der entsprechende Nutzungswille vorliegen,
  • die Verfügbarkeit des betreffenden Gegenstands für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung
  • und der Wert der Nutzungsmöglichkeit objektiv messbar ist.

Kurzum: Der Schaden muss wirtschaftlich „fühlbar“ sein. Dahinter steht der Gedanke, dass derjenige, der auf die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verzichtet, im Ergebnis nicht schlechter gestellt werden soll als derjenige, der ein Ersatzfahrzeug anmietet (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 249 Rn. 40).
Zu den Wirtschaftsgütern, die diese Voraussetzungen erfüllen, gehören regelmäßig Pkw und Häuser – nicht aber klassische Luxusgüter. Zuletzt hat der BGH klargestellt, dass auch der abstrakte Nutzungsausfall des Internets für den Inhaber des DSL-Anschlusses einen ersatzfähigen Schaden darstellt (BGH, Urt. v. 24.01.2013 – III ZR 98/12, BGHZ 196, 101 = NJW 2013, 1072).
Rn. 9: „Der Ersatz für den Verlust der Möglichkeit zum Gebrauch einer Sache muss grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen die Funktionsstörung sich typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. Andernfalls bestünde die Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB die Ersatzpflicht auf Nichtvermögensschäden auszudehnen. Auch würde dies mit den Erfordernissen von Rechtssicherheit und Berechenbarkeit des Schadens in Konflikt geraten […]. „Deshalb beschränkt sich der Nutzungsausfallersatz auf Sachen, deren ständige Verfügbarkeit für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist […] und bei denen die Nutzungseinbußen an objektiven Maßstäben gemessen werden können.“
Rn. 17: „Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer […] Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist und bei dem sich eine Funktionsstörung als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt. […] Damit hat sich das Internet zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht. Die Unterbrechung des Internetzugangs hat typischerweise Auswirkungen, die in ihrer Intensität mit dem Fortfall der Möglichkeit, ein Kraftfahrzeug zu nutzen, ohne weiteres vergleichbar sind.“
Nur nach diesen Maßstäben ist der Nutzungsausfallschaden also ersatzfähig.
II. Entscheidung des OLG Hamm (Urt. v. 23.01.2018 – 7 U 46/17, juris)
In einer aktuellen Entscheidung des OLG Hamm stand erneut der Nutzungsausfallschaden im Mittelpunkt, auch wenn es zunächst eigentlich um den Ersatz von Mietwagenkosten ging.
1. Sachverhalt
Der Kläger verlangte von der Versicherung des Geschädigten, dessen alleinige Haftung nach einem Verkehrsunfall unstreitig war, unter anderem die Kosten für die Reparatur des beschädigten PKW (4.306,85 EUR) und die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs (1.229,41 EUR), wobei der Wiederbeschaffungswert des Pkw 3.900 EUR betrug.
2. Entscheidung
Die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 7 I, 17 I StVG sowie § 823 I BGB lagen zunächst problemlos vor (alle i.V.m. § 115 VVG). Streitig war allein die Höhe der geltend gemachten Ansprüche.
Nach dem Haftpflichtsenat des OLG Hamm (in Rn. 16) „kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf.“
Dabei erinnert das OLG Hamm (in Rn. 16) an die Schadensgeringhaltungspflicht des Geschädigten:
„Der Geschädigte ist hierbei nach dem […] Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen.“
Nach diesen Maßstäben sieht das OLG Hamm die erfolgte Anmietung des Ersatzfahrzeugs als nicht erforderlich an. Grund dessen waren Besonderheiten des Falles. Denn der Geschädigte hatte nicht substantiiert dargelegt, dass er auf die ständige Verfügbarkeit des Pkw angewiesen war, zumal er in den elf Miettagen lediglich eine Strecke von 16 km pro Tag zurücklegte.
„Der Senat geht davon aus, dass ein tägliches Fahrbedürfnis von weniger als 20 km am Tag einen Anhaltspunkt für einen Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht darstellt […] Allein die tatsächliche Fahrtstrecke ist zwar nicht entscheidend. Es ist anerkannt, dass kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht vorliegt, wenn der Geschädigte – vorliegend der Kläger – auf die ständige Verfügbarkeit eines KFZ angewiesen gewesen wäre […] Der insoweit sekundär darlegungsverpflichtete Kläger hat zu diesen Gesichtspunkten aber nichts vorgetragen. Er hat nur vorgetragen, dass ein Taxi für jede Fahrt telefonisch bestellt werden müsse. Dies reicht aber nicht für die Annahme aus, dass der Kläger auf die ständige Verfügbarkeit eines KFZ angewiesen war.“
Der Senat erinnert also an die auch ansonsten oft herangezogene „20-km-pro-Tag-Grenze“. Zudem wären Taxifahrten nach den gerichtlichen Feststellungen möglicherweise sogar günstiger gewesen, was der Kläger hätte reflektieren müssen.
„Allein das relativ hohe Alter des Klägers und seiner Frau begründen nicht, dass sie auf eine ständige Verfügbarkeit eines KFZ angewiesen waren. Eine ständige Verfügbarkeit des PKW für den nicht mehr im Berufsleben stehenden Kläger war bei der vom Schadensgutachter für erforderlich gehaltenen Reparaturdauer von 4 bis 5 Arbeitstagen nicht unbedingt erforderlich.“
Mangels Erforderlichkeit der Anmietung des Ersatzfahrzeugs wurde dem Kläger allein Nutzungsausfallschaden gewährt. Insoweit wurde ein entsprechender Hilfsantrag in die Klage hineingelesen. Da der beschädigte Pkw nach dem Unfall unstreitig fahrbereit war, hätte die Reparatur geplant werden können. Deshalb wurden fünf anstelle von elf Tagen als Dauer des Nutzungsausfalls angesetzt.
Überdies legt der Senat bei der Berechnung die durch den BGH in Anbetracht des Integritätsinteresses entwickelte 130%-Grenze an, indem Mangelbeseitigungsaufwand und Nutzungsausfallschaden addiert werden.
„Die 130 %-Grenze beträgt vorliegend 5.070 EUR (130 % des Wiederbeschaffungswertes von 3.900 EUR). Durch die geltend gemachten Reparaturkosten von 4.306,85 EUR und die Mietwagenkosten von 1.229,41 EUR wird diese Grenze überschritten.“
Dies mag man durchaus kritisch sehen und bietet Platz für Argumentation in Klausuren – für die Praxis aber setzt dies Fakten.
III. Fazit

Sowohl die Umwandlung der in der gegebenen Höhe nicht erforderlichen Mietwagenkosten in Nutzungsausfallschaden als auch das Hineinlesen der 130 %-Grenze in den Nutzungsausfallschaden, der mit dem Reparaturaufwand zu addieren ist, sind von hoher Praxisrelevanz – beides ist examensverdächtig. Wer sich mit der Thematik vertiefter befassen möchte, dem sei der Aufsatz von Förster, Schadensrecht – Systematik und neueste Rechtsprechung, JA 2015, 801 ans Herz gelegt.

12.03.2018/3 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-03-12 09:30:432018-03-12 09:30:43Neues und Grundlegendes zum Nutzungsausfallschaden nach einem Autounfall
Dr. Maximilian Schmidt

Prüfungsgespräch Zivilrecht – Tuchel und die Arbeitsverweigerung

AGB-Recht, Arbeitsrecht, Bereicherungsrecht, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Schon gelesen?, Verschiedenes

Mündliche Prüfung im Zivilrecht (Arbeitsrecht)
Weiter geht es mit einem Prüfungsgespräch angelehnt an einen aktuellen Fall aus der Bundesliga im Zivilrecht (Arbeitsrecht). Die Daten stimmen nicht vollständig mit der Realität überein, inbes. ist wohl keine Vertragsstrafe vereinbart worden. Daher könnte ein Prüfer in der mündlichen Prüfung diesen aktuellen Fall zum Anlass zur Prüfung des Arbeitsrechts nehmen.
Sehr geehrter Herr X, ich begrüße Sie zur Prüfung im Zivilrecht. Folgenden kleinen Fall möchte ich der Prüfung zugrunde legen. Falls Sie Fragen zum Sachverhalt haben oder mich nicht richtig verstanden haben, unterbrechen Sie mich bitte lautstark.
Thomas T ist Trainer des kleinen, aber in letzter Zeit maßgeblich durch seine Tätigkeit erfolgreichen Bundesligavereins M. Daher hat er im Jahr 2012 einen Vertrag als Trainer bis zum 30.06.2015 ohne Ausstiegsklausel unterschrieben. Für die Unterschrift zahlte der Verein 900.000 € an T als sog. „signing fee“. Der Vertrag zwischen T und dem Verein M enthält in § 4 des Vertragswerks folgende Klausel:
„Es wird eine Vertragsstrafe von bis zu 3 Monatsgehältern bei vorsätzlichen Verstößen gegen die Arbeitspflicht, insbes. durch Nichterscheinen oder Arbeitsverweigerung, vereinbart. Die genaue Höhe wird nach Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durch den AG festgelegt.“
T fühlt sich nun schon im Frühjahr 2014 den Anforderungen des nervenzehrenden Trainerjobs nicht mehr gewachsen und teilt der Vereinsführung mit, ab dem 30.06.2014 nicht mehr als Trainer des M arbeiten zu wollen.
Herr X, der Fall kommt Ihnen evtl. in abgewandelter Form aus den Medien bekannt vor. Zunächst – als Einstieg – wo finden wir denn etwas zur Vertragsstrafe? Und kann diese der Höhe nach ggfls. noch nach Verwirkung abgeändert werden?*
Die Vertragsstrafe ist in §§ 336 ff. BGB geregelt. Grundsätzlich kann die Höhe der Vertragsstrafe auch später noch angepasst werden, was § 343 BGB regelt. Erforderlich ist hierfür eine unverhältnismäßige Höhe, die im Einzelfall festzustellen ist.
Gibt es von diesem Grundsatz auch Ausnahmen?*
Ja, eine Ausnahme findet sich im Handelsrecht, § 348 HGB. Hiernach kann gerade nicht nach § 343 BGB angepasst werden. In Betracht kommt nur eine Herabsetzung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, § 242 BGB.
Kommen wir nun zu unserem Fall. Kann die M nun die Zahlung der Vertragsstrafe verlangen?
Dafür müsste diese wirksam vereinbart und durch den T im Folgenden auch verwirkt worden sein. Hinsichtlich der Wirksamkeit könnte es sich um eine AGB handeln, für die die speziellen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB gelten.
Ist denn der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle überhaupt eröffnet?**
Der Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle ergibt sich aus § 310 BGB. Aufgrund der wohl nur einmaligen Verwendung des Vertragswerkes – ein Bundesligaverein hat nur einen Cheftrainer und wird jedes Mal einen neuen Vertrag ausarbeiten – scheidet die AGB-Kontrolle grundsätzlich mangels Absicht zur mehrmaligen, d.h. mindestens dreimaligen Verwendung aus. Etwas anderes kann sich aber aus § 310 Abs. 2 Nr. 3 BGB ergeben, wonach bei einem Vertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer auch bei bloß einmaliger Verwendung eine AGB-Kontrolle stattfindet. Problematisch ist insoweit, ob T Verbraucher ist und ob er nicht aufgrund seiner herausgehobenen Stellung auf den Inhalt des Vertrages Einfluss nehmen konnte.
Gut erkannt. Unterstellt T konnte keinen maßgeblichen Einfluss nehmen, müsste man nun auch § 310 Abs. 4 S. 2 BGB in die Prüfung einbeziehen und fragen, ob die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind. Dafür müsste T Arbeitnehmer sein – ist er das?*
Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages unselbständige Dienste in persönlicher Abhängigkeit, d.h. weisungsgebunden, für einen anderen idR gegen Entgelt erbringt. Bei einem Profitrainer in der Bundesliga stellt sich die Frage, ob dieser aufgrund seiner eigenen Marktmacht persönlich abhängig ist.
Was sagen Sie zu dem Ansatz der wirtschaftlichen Freiheit? Schließt das den Arbeitnehmerstatus aus?**
Nein, es kommt gerade nicht auf die wirtschaftliche, sondern auf die persönliche Abhängigkeit an. Auch der Einkommensmillionär kann somit Arbeitnehmer sein. Problematisch ist vielmehr, ob T nicht als Trainer selbst Weisungen an seine Spieler gibt und daher selbst nicht Arbeitnehmer ist. Schließlich sagt der Verein dem Trainer nicht, wie und wann er zu trainieren hat. Dennoch tendiere ich auch bei einem Bundesligatrainer zur Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft: Der Verein kann dem Trainer Weisungen hinsichtlich Zeit und Ort seiner Tätigkeit machen (§ 106 GewO). Dieser ist in seinen Entscheidungen wann und wie er arbeitet, nicht völlig frei. Daher ist der T Arbeitnehmer.
Gut, kommen wir nun also zur Inhaltskontrolle. Kann ich eine Vertragsstrafe im Arbeitsrecht wirksam vereinbaren?*
Eine Vertragsstrafenregelung könnte gegen § 309 Nr. 6 BGB verstoßen und damit unwirksam sein. Dieser regelt, dass Vertragsstrafen gegenüber dem Verwendungsgegner grundsätzlich unzulässig sind.
Soweit so gut. Aber warum könnte im Arbeitsrecht etwas anderes gelten?**
Nach § 310 Abs. 4 S. 2 BGB sind die Besonderheiten des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Der Arbeitgeber hat das Problem, dass er seine Primär- und Sekundäransprüche auf die Arbeitsleistung aus § 611 BGB nur sehr schwer oder gar nicht durchsetzen kann. Zwar kann er auf Arbeitsleistung klagen, doch ist ein solches Urteil mangels Vollstreckbarkeit für ihn wertlos (§ 888 Abs. 3 ZPO). Sekundäransprüche werden zwar tatbestandsmäßig vorliegen (§ 280 BGB), doch wird es dem Arbeitgeber in aller Regel unmöglich sein einen konkreten Schaden in bestimmter Höhe anzugeben. Dies führt zu der besonderen Situation im Arbeitsrecht, dass dem AG die einzige Möglichkeit zur Sicherstellung der Arbeitsleistung eine Vertragsstrafe ist. Daher überlagern die Besonderheiten des Arbeitsrechts, § 310 Abs. 4 S. 2 BGB, die Regelung des § 309 Nr. 6 BGB.
Schön. Nun müssen wir also nach § 307 BGB prüfen. Ist die konkrete Vertragsstrafe demnach unwirksam?*
Die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafe kann sich insbesondere aus ihrer Höhe und der Unbestimmtheit ihrer Verwirkung ergeben. Der Arbeitnehmer muss demnach wissen, was auf ihn zukommt. Hier ist der Grund der Verwirkung, die Arbeitsverweigerung, bestimmt genug. Zugleich ist auch die Höhe gerade noch im Rahmen des Zulässigen (1-3 Monatsgehälter). Daher sehe ich die Klausel als wirksam vereinbart an.
Das kann man so vertreten. Kann der Verein denn nun auch (teilweise) Rückzahlung der „signing-fee“ verlangen?***
Als Anspruchsgrundlagen kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB, ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 (condictio ob causam finitam) und ein Rückzahlungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach §§ 313, 346 BGB in Betracht.
Auf jeden Fall wäre eine außerordentliche Kündigung seitens des Vereins M notwendig, da andernfalls schon gar keine Differenz zwischen den Erwartungen bei Vertragsschluss (3 Jahre) und tatsächlicher Erfüllung (2 Jahre) liegen kann. Eine einfache Beurlaubung kann nicht genügen.
Der Anspruch aus § 280 BGB liegt tatbestandlich durch die vorsätzliche Arbeitsverweigerung vor. Fraglich ist hingegen die Rechtsfolge der Naturalrestitution. Hier stellt sich die Frage, welcher Zustand ohne die Pflichtverletzung bestehen würde. Insoweit ist die „signing-fee“ auszulegen, wobei wegen der Anwendbarkeit des § 305c Abs 2 BGB die für den T günstigste Auslegung zu wählen ist. Die „signing-fee“ soll allein die Unterschrift unter den Vertrag vergüten, nicht aber als allgemeine Wohlverhaltensklausel vereinbart werden. Ziel war nicht sicherzustellen, dass T die drei Jahre beim Verein arbeitet, sondern, dass er einen solchen Vertrag überhaupt unterschreibt. Andernfalls läge eine konkludent vereinbarte Vertragsstrafenregelung vor, die zu der ausdrücklich vereinbarten in § 4 hinzuträte. Konkludent wird man eine Vertragsstrafe aber nicht in AGB mit einem Arbeitnehmer vereinbaren können. Zudem läge eine Kumulation von Vertragsstrafen vor, die ebenfalls zur Unwirksamkeit führte. Daher ist der Zustand mit und ohne Pflichtverletzung gleich, es besteht keine negative Differenz für den Verein M. Daher scheidet ein Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB aus.
Und was ist mit einem Anspruch aus § 812 BGB oder § 313 BGB?**
Auch bei diesen greift die gleiche Wertung ein: Der Rechtsgrund bei § 812 Abs. 1 S. 2 BGB bzw. die Geschäftsgrundlage bei § 313 BGB bleibt bestehen, da sich an der Unterschrift unter den Vertrag nichts geändert hat. Rechtsgrund für die Zahlung der signing-fee war gerade nicht die Erfüllung des Vertrages, sondern allein der Abschluss.
Das kann man gut vertreten. Können Sie sich denn auch Konstellationen vorstellen, in denen dennoch eine Rückzahlung in Betracht kommt?***
Eine Rückzahlung kommt auf jeden Fall bei Anfechtung des Arbeitsvertrages in Betracht, da diese ex-nunc wirkt, §§ 142, 119ff. BGB. Grenze muss zudem § 242 BGB, also rechtsmissbräuchliches Verhalten sein. Unterschreibt der Trainer in dem Wissen den Vertrag nur für eine kurze Dauer erfüllen zu wollen und in der Absicht die „signing-fee“ zu kassieren, liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten vor (bspw. von Anfang nur Erfüllungsabsicht für 3 Monate statt 3 Jahren). In diesen Fällen hätte der Verein den Vertrag so nie abgeschlossen, so dass eine Rückzahlung in Betracht kommt.
Was hätte der Verein denn vorsorglich vereinbaren sollen?**
Der Verein hätte die signing-fee unter die auflösende Bedingung, § 158 Abs. 1 BGB, der Vertragserfüllung stellen können. In unserem Fall ist eine konkludent vereinbarte auflösende Bedingung wegen der Zweifelsregelung des § 305c Abs. 2 BGB aber nicht denkbar.
Gut, nun zum Abschluss: Welches Vorgehen empfehlen Sie dem Verein, um finanziell das Beste aus der Situation zu machen?***
Ich empfehle zweierlei. Zum einen sollte man abwarten, ob im nächsten Jahr ein Verein T verpflichten will. Dieser müsste dann den T aus dem Vertrag mit M „herauskaufen“, also eine Ablöse für die Vertragsauflösung zahlen. Zum anderen könnte M einen Schadensersatzanspruch bei der Neuverpflichtung eines Trainers haben. Hier stellt sich zwar das Problem der Kausalität, da der Verein ohnehin einen neuen Trainer verpflichten müsste  – jedoch nicht zu den jetzigen Konditionen. Das heisst, sollte M eine besonders hohe Ablöse oder „signing-fee“ für den neuen Trainer zahlen müssen, könnte dies ein kausaler Schaden der Arbeitsverweigerung des M sein. Gleiches gilt für ein höheres Gehalt für den neuen Trainer, da dieses bei Arbeitserfüllung durch T ebenfalls nicht angefallen wäre.
Vielen Dank. Wir ziehen uns nun zur Beratung zurück.

16.05.2014/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2014-05-16 09:00:522014-05-16 09:00:52Prüfungsgespräch Zivilrecht – Tuchel und die Arbeitsverweigerung

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