In Ergänzung zu unserem ausführlichen Artikel zum Urteil des BVerfG zur Vorratsdatenspeicherung möchte ich noch einige ergänzende Gedanken anbringen.
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in der besagten Entscheidung mit der Vorratsdatenspeicherung zu befassen, also der anlasslosen Speicherung, die hoheitlich angeordnet wird. Das Bundesverfassungsgericht hat hier vorrangig Art. 10 GG als Maßstabe herangezogen.
Die Äußerungen des BverfG zur Beauskunftung von ip-Adressen wirken im Urteil indes ein wenig überflüssig. Jedenfalls macht das BVerfG nur Äußerungen zur Beauskunftung vonVerkehrsdaten unter Rückgriff auf Daten, die nach der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden
Bundesverfassungsgericht:
Weniger strenge verfassungsrechtliche Maßgaben gelten für eine nur
mittelbare Verwendung der vorsorglich gespeicherten Daten in Form von
behördlichen Auskunftsansprüchen gegenüber den Diensteanbietern
hinsichtlich der Anschlussinhaber bestimmter, bereits bekannter IP
Adressen.
Es finden sich keine Äußerungen zu Daten, die nach § 96 TKG vom Anbieter betriebsbezogen erfasst werden; dies ua. zur Rechnungserstellung (z.B. Einzelverbindungsnachweis).Ein Eingriff in Art. 10 GG liegt in diesem Fall der betriebsbezogenen Speicherung nicht vor, was anerkannt ist. Ein Vergleich mit Daten aus der Vorratsdatenspeicherung kann also uU. nicht ohne Weiteres vorgenommen werden.
Fraglich bleibt damit allenfalls, ob Rückschlüsse aus dem Urteil gezogen werden können auf die Datenbeuaskunftung, im Rahmen derer kein Rückgriff auf Vorratsdaten genommen wird.
Schlagwortarchiv für: BVerfG Vorratsdatenspeicherung
Kino.to, Megavideo & Co
Wir haben bereits mehrfach über die zahlreichen rechtlichen Probleme berichtet, die beim Streamen urheberrechtlich geschützter Inhalte über Plattformen wie kino.to bestehen. Zwar besteht wohl zumindest bei Bagatellfällen idR nicht die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung, es drohen aber jedem User Abmahnprozesse, die mitunter zu empfindlich hohen Schadensersatzverpflichtungen führen können.
BVerfG-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung
Fraglich ist nun, ob sich an dieser heiklen Rechtslage etwas durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit der Vorratsdatenspeicherung geändert hat. Nach diesem Urteil ist eine ganze Reihe von Vorschriften – §§ 113a, 113b TKG, 100g StPO – zumindest teilweise verfassungswidrig. § 113b TKG erlaubt dabei die Nutzung der gesammelten Daten für Auskünfte nach § 113 Abs. 1 TKG in Form eines Auskunftsanspruchs gegenüber den Diensteanbietern zur Identifizierung von IP Adressen.
An diesem Auskunftsanspruch, der wesentlich für die Abmahnprozesse ist, wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts jedoch in Bezug auf das unerlaubte Streamen geschützter Inhalte im Ergebnis nichts ändern. Insofern entschied das BVerfG, dass vor einer schlichten Abfrage der IP-Adressen weniger geschützt werden muss als vor einer Auskunft über die Verbindungsdaten selbst. Das BVerfG argumentiert, dass die Behörden im Rahmen solcher Auskunftsansprüche nicht die vorsorglich anlasslos gespeicherten Daten selbst abrufen, sondern lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten Anschlusses, der von den Diensteanbietern unter Rückgriff auf diese Daten ermittelt wurde, erhalten. Systematische Ausforschungen über einen längeren Zeitraum oder die Erstellung von Persönlichkeits und Bewegungsprofilen könnten sich allein auf Grundlage solcher Auskünfte nicht verwirklichen lassen. Der Gesetzgeber dürfe daher solche Auskünfte auch unabhängig von begrenzenden Straftaten o.ä. auf der Grundlage der allgemeinen Eingriffsermächtigungen zulassen.
Hinsichtlich der Eingriffsschwellen müsse allerdings sichergestellt werden, dass eine Auskunft nicht „ins Blaue hinein“ eingeholt wird, sondern nur aufgrund eines hinreichenden Anfangsverdachts oder einer konkreten Gefahr auf einzelfallbezogener Tatsachenbasis erfolgen dürfe. Ein Richtervorbehalt muss für solche Auskünfte allerdings nicht vorgesehen werden. Einschränkend fordert das BVerfG jedoch, dass die Betroffenen von der Einholung einer solchen Auskunft benachrichtigt werden müssen.
Das bedeutet im Ergebnis durchaus eine gewisse Verschärfung der gesetzlichen Anforderungen für eine Abfrage der IP-Adresse. Eine Ende der Abmahnpraxis ist aber freilich nicht in Sicht.
Vgl. zur Thematik auch https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/0,1518,681255,00.html
BVerfG, Pressemitteilung Nr. 11/2010 vom 2. März 2010