Von Sina Nienhaus
In dem Urteil des BGH vom 10.2.2011 (Az.VII ZR 53/10) stellt der 7. Senat erstmalig fest, in welchen Fällen der in Anspruch genommene selbstschuldnerische Bürge in Verzug gerät. Dabei konkretisiert er, welche Anstrengungen der Bürge zur Vermeidung des Verschuldensvorwurfs unternehmen muss und wiederholt daneben wichtige Grundsätze des Bürgschaftsrechts.
I. Sachverhalt
Die Klägerin beauftragte ein Bauunternehmen (Schuldnerin) im Juni 2007 mit Rohbauarbeiten für einen Neubau. Die Beklagte hatte sich mit zwei selbstschuldnerischen Bürgschaften gegenüber der Klägerin für die Erfüllung sämtlicher Verpflichtungen der Schuldnerin aus dem Bauvertrag bis zu einer Gesamthöhe von 80.000 € verbürgt. Nachdem die Schuldnerin die Arbeiten jedoch mangelhaft ausgeführt hat, kündigte die Klägerin den Bauvertrag und verlangte Schadensersatz.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 7.7.2008 forderte die Klägerin die Beklagte unter Beifügung eines Entwurfs der Klageschrift zur Zahlung der Bürgschaftssumme bis zum 25.7.2008 auf. Der Entwurf nahm auf insgesamt 30 Anlagen Bezug, die der Beklagten nicht vorgelegt wurden.
Die Beklagte verlangte mit einem Standardschreiben vom 14.7.2008 die Vorlage bestimmter Unterlagen, die sie bei Geltendmachung von Bürgschaftsforderungen standardmäßig fordert. Die Klägerin kam dem Verlangen der Beklagten nicht nach. Sie hat nach Ablauf der gesetzten Frist Klage auf Zahlung von 80.000 € nebst Zinsen eingereicht.
Dem BGH oblag es nun die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Verzug bei Fälligkeit der Bürgschaftsforderung eintritt.
II. Entscheidung
Das Gericht bestätigte zunächst die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung (BGHZ 175, 161, 169), dass die Bürgschaftsforderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft zusammen mit der gesicherten Hauptforderung fällig wird und somit eine zusätzliche Leistungsaufforderung nicht erforderlich ist. Für den Sachverhalt bedeutet dies, dass die Forderungen aus den Bürgschaften der Beklagten damit fällig und die Mahnung der Klägerin somit zulässig war. Nun erschien es jedoch fraglich, ob wegen der fehlenden Übersendung der geforderten Unterlagen der Verzug mangels Verschuldens nach § 286 Abs. 4 BGB nicht eingetreten war. Die Beweispflicht trifft den Bürgen. Maßstab ist auch hier der § 276 BGB.
Zunächst wiederholte der Senat den Grundsatz, dass der Bürge nicht in Verzug gerät, wenn er an der Leistung durch eine nicht zu vertretende Ungewissheit über das Bestehen und den Umfang der gesicherten Forderung gehindert ist (vgl. BGH NJW 2006, 3271, 3272). Da der Bürge selbst nicht Vertragspartei ist, ist er besonders schutzbedürftig. Es ist somit Aufgabe des Gläubigers, dem Bürgen alle Informationen zu erteilen bzw. die nötigen Unterlagen zugänglich zu machen, die ihm eine zuverlässige Prüfung ermöglichen, ob die die Hauptforderung begründenden Tatsachen vorliegen. Werden die notwendigen Informationen nicht erteilt, gerät der Bürge nicht in Verzug, wenn ihn kein eigenes Verschulden daran trifft, dass er sie nicht erhalten hat.
Nun wird es jedoch interessant: Nach Ansicht des BGH trifft den Bürgen eine aktive Mitwirkungspflicht, um einen Verschuldensvorwurfs zu vermeiden. Er müsse den Gläubiger über seine Schwierigkeiten, die behauptete Forderung zu prüfen, informieren und insbesondere fallbezogen die aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen anfordern. Ein Standardschreiben genüge hingegen dafür nicht. Das Schreiben der Beklagten vom 14.7.2008 genügte diesen Anforderungen nicht. Sie befand sich damit seit dem 26.7.2008 in Verzug.
Der BGH hat allerdings die Frage offen gelassen, ob der Bürge nach seiner Inanspruchnahme daneben verpflichtet ist, die aus seiner Sicht fehlenden Informationen auch vom Hauptschuldner zu erlangen.
III. Fazit
Für die Praxis bedeutet dies, dass den üblichen Standardschreiben der Kautionsversicherer der Bauwirtschaft ein Riegel vorgeschoben wird (s. dazu NJW-Spezial 2011, 174). Doch auch der Examenskandidat sollte sich den spezifischen Anforderungen an den Bürgen für die Begründung des Schuldnerverzugs bewusst sein, da der § 286 BGB und dessen Besonderheiten schön neben anderen Problemen des Leistungsstörungsrechts geprüft werden kann.
Die Gastautorin Sina Nienhaus studiert Jura im 6. Semester an der Universität Hamburg.
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