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Schlagwortarchiv für: Bundespräsident

Moritz Augel

Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten – und der Bundesratspräsidentin?

Aktuelles, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Moritz Augel veröffentlichen zu können. Der Autor ist studentische Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der Universität Bonn.

Anstoß einer Debatte rund um den Examensklassiker: Prüfungsrecht des Bundespräsidenten! Tritt das Cannabisgesetz (CanG), welches nach intensiver Debatte am vergangenen Freitag (22.3.2024) nun auch den Bundesrat passierte zum 1. April in Kraft? Nachdem sich im Bundesrat keine Mehrheit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses fand, bleibt damit nur noch eine letzte Hürde, die das Gesetz überwinden muss: die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten gemäß Art. 82 Abs. 1 GG.

Einzelne Abgeordnete der Union, wie etwa Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktionen im Deutschen Bundestag, fordern, der Bundespräsident solle das Cannabisgesetz nicht unterzeichnen; zu groß sei der Widerstand der Justiz- und Innenminister der Länder. Die Sorge, die etwa auch NRW-Justizminister Limbach sowie Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Köln Engel teilen, besteht darin, dass durch die Vielzahl der neu aufzurollenden Verfahren eine Überlastung der Justiz droht.

Weiterhin, so Sorge, stellten sich Fragen hinsichtlich der „äußert kurzen Fristen zwischen der politischen Einigung innerhalb der Koalition, dem Versand des finalen Gesetzespakets an die anderen Bundestagsfraktionen und dem Beschluss im Plenum“. Dieser Vortrag erinnert sehr an das Verfahren vom Bundestagsabgeordneten Heilmann, der mit einer ähnlichen Begründung im vergangenen Jahr erfolgreich einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht stellte. Es stellte dabei in Bezug auf das Heizungsgesetz fest, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die erhebliche Beschleunigung des Verfahrens Abgeordnetenrechte nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verletzt werden (BVerfG, Beschl. v. 5.7.2023 – 2 BvE 4/23).

Im vorliegenden Fall des CanG gibt es eine weitere Besonderheit: Bundespräsident Steinmeier befindet sich gegenwärtig im Urlaub, sodass er gemäß Art. 57 GG durch den Bundesratspräsidenten, konkret die Bundesratspräsidentin Schwesig, Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, vertreten wird.

Der Beitrag beschäftigt sich daher neben der grundsätzlichen Frage des Prüfungsrecht auch mit den sich ergebenden Besonderheiten im Falle der Vertretung des Bundespräsidenten.

I. Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten

Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist ein absoluter Klassiker des Staatsorganisationsrechts. Präziser geht es um die Frage, ob der Bundespräsident ein Recht hat, die Ausfertigung des Gesetzes mit der Begründung zu verweigern, dass dieses verfassungswidrig sei. In der Geschichte der Bundesrepublik hat es immerhin bereits acht Fälle gegeben, in denen es der Bundespräsident abgelehnt hatte, das Gesetz auszufertigen (https://www.bundespraesident.de/DE/amt-und-aufgaben/aufgaben-in-deutschland/amtliche-funktionen/amtliche-funktionen_node.html?cms_submit=Suchen&cms_templateQueryString=Pr%C3%BCfungsrecht). Prominentes Beispiel für eine Ausfertigung trotz heftiger Debatte um die Verfassungsmäßigkeit ist die Entscheidung des Bundespräsidenten Rau, das sog. Zuwanderungsgesetz auszufertigen. Zugleich regte er jedoch an, das Gesetz durch das Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen. Hierbei ging es im Konkreten um das Abstimmungsverhalten des Landes Brandenburg im Bundesrat. Entgegen Art. 51 Abs. 3 S. 2 GG hatte das Land uneinheitlich und damit möglicherweise ungültig abgestimmt. Dennoch hatte der Bundesratspräsident die Stimmen des Landes Brandenburg als Zustimmung gewertet. Das Bundesverfassungsgericht erklärte dies später für unzulässig (BVerfG, Urt. v. 18.12.2002 – 2 BvF 1/02).

Zu einer ungültigen Stimmabgabe kam es auch am vergangenen Freitag bei der Debatte um die Anrufung des Vermittlungsausschusses bezüglich des CanG. Während der sächsische Ministerpräsident Kretschmer (CDU) für die Anrufung des Vermittlungsschusses votierte, widersprachen ihm die Minister Dulig (SPD) und Günther (Grüne). Die Bundesratspräsidentin Schwesig stellte daraufhin zutreffend fest, dass das Land Sachsen damit ungültig abgestimmt habe.

1. Formelles Prüfungsrecht

Grundsätzlich trifft den Bundespräsidenten eine Ausfertigungspflicht, die sich auf den Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG „werden (…) ausgefertigt“ stützen lässt. (Voßkuhle/Schemmel, JuS 2021, 118 (120)). Ein formelles Prüfungsrecht wird jedoch ebenfalls mit dem Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG begründet, da ein formell verfassungswidriges Gesetz nicht „nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande“ gekommen ist. Art. 82 GG weist eine Parallele zu Art. 78 GG auf, in welchem das Zustandekommen eines Gesetzes geregelt ist. Durch diesen Artikel wird das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen, sodass hieraus gefolgert werden kann, dass hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz (Art. 70 ff.), der Beteiligung des Bundesrats (Art. 77 GG) sowie dem Einleitungsverfahren (Art. 76 ff.) ein Prüfungsrecht besteht. Ein solches Recht wird dem Bundespräsidenten nach ganz allgemeiner Auffassung zugestanden. Zum Teil wird diesbezüglich sogar vertreten, dass den Bundespräsidenten eine Pflicht trifft, zu prüfen, ob der Bundestag das Gesetz beschlossen hat, die Rechte des Bundesrats gewahrt wurden und die notwendige Gesetzgebungszuständigkeit bestand (vgl. Brenner in Huber/Voßkuhle, GG, Art. 82, Rn. 25).

2. Materielles Prüfungsrecht

Deutlich umstrittener ist die Frage, ob dem Bundespräsidenten auch ein materielles Prüfungsrecht zukommt.

a) Argumente gegen ein materielles Prüfungsrecht

Gegen ein materielles Prüfungsrecht wird argumentiert, dass der Bundespräsident eine deutlich schwächere Rolle als der Reichspräsident zu Zeiten der Weimarer Republik einnimmt. Dieses Argument kann jedoch nur bedingt überzeugen. Aus der früheren Stellung des Reichspräsidenten in der Verfassung der Weimarer Republik lässt sich nicht unmittelbar eine Aussage für die Rolle des Bundespräsidenten nach dem Grundgesetz herleiten. Darüber hinaus gleichen sich Art. 70 WRV und Art. 82 Abs. 1 GG in ihrem Wortlaut. Unter jenem Art. 70 WRV war jedoch ein materielles Prüfungsrecht des Reichspräsidenten anerkannt (Voßkuhle/Schemmel, JuS 2021, 118 (120)).

Ferner wird ein institutionelles Argument angeführt, das sich auf das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG stützt. Es sei allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten zu prüfen, ob ein Gesetz verfassungswidrig ist. Des Weiteren kann der Bundespräsident, sofern er nur einzelne Bestimmungen eines Gesetzes für verfassungswidrig hält, stets nur das gesamte Gesetz aufhalten, was einen besonders intensiven Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz darstellen würde. Dagegen lässt sich jedoch anführen, dass die Prüfung des Bundespräsidenten nicht mit der des Bundesverfassungsgerichts vergleichbar ist und zudem eine gerichtliche Kontrolle der Weigerung des Bundespräsidenten im Rahmen der Organklage möglich ist (Voßkuhle/Schemmel, JuS 2021, 118 (120 f.)).

b) Argumente für ein materielles Prüfungsrecht

Für ein materielles Prüfungsrecht wird unter anderem der Amtseid des Bundespräsidenten nach Art. 56 GG angeführt. Darin schwört der Bundespräsident, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes zu wahren und zu verteidigen. Dieses Argument ist jedoch zirkelschlüssig: Den Eid kann der Bundespräsident nämlich nur im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Befugnisse verletzen. Nimmt er also eine Befugnis, die er nicht hat, nicht wahr, so kann darin keine Verletzung des Grundgesetzes liegen; der Eid kann mithin nicht Pflichten begründen, sondern bezieht sich nur auf bestehende Pflichten (Butzer in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 82, Rn. 169).

Das wohl gewichtigste und am Ende auch überzeugendste Argument für ein materielles Prüfungsrecht des Bundespräsidenten findet sich in Art. 20 Abs. 3 GG. Demnach sind alle Staatsorgane an die verfassungsgemäße Ordnung gebunden. Würde man annehmen, Art. 82 Abs. 1 GG verpflichte den Bundespräsidenten auch verfassungswidrige Gesetze auszufertigen, so widerspräche dies seiner Verfassungsbindung (Hauck, JA 2017, 93 (94)). Anders: Das Staatsoberhaupt darf nicht zu Verfassungsverstößen gezwungen sein (Brenner in Huber/Voßkuhle, GG, Art. 82, Rn. 27).

Hiergegen wird teilweise eingewandt, dass auch jeder Verwaltungsbeamte an die Verfassung gebunden sei und dennoch ein seiner Meinung nach verfassungswidriges Gesetz anwenden muss (vgl. Meyer, JZ 2011, 602 (605)). Bei der Ausfertigung des Gesetzes nimmt der Bundespräsident jedoch eine legislative Funktion wahr. Ferner bestünden erhebliche Rechtsunsicherheiten, wenn jeder einzelne Verwaltungsbeamte ein aus seiner Sicht verfassungswidriges Gesetz nicht ausführen müsse. Verweigert der Bundespräsident die Ausfertigung, so tritt das Gesetz gar nicht erst in Kraft, sodass hiervon keine Rechtsunsicherheiten ausgehen kann (Hauk, JA 2017, 93 (94)).

Mangels Antragsberechtigung in der abstrakten Normenkontrolle ist auch kein anderes Mittel zur Verhinderung des Inkrafttretens solcher Gesetze, die er für verfassungswidrig erachtet, ersichtlich, als die Ausfertigung zu verweigern.

c) Begrenzung auf Evidenzfälle

Ein größerer Teil der Literatur will das materielle Prüfungsrecht jedoch auf solche Fälle begrenzen, in denen der Verfassungsverstoß schwer und offensichtlich ist (unter vielen: Brenner in Huber/Voßkuhle, GG, Art. 82, Rn. 29). Dies wird damit begründet, dass immerhin auch der Bundestag gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden und wegen seiner unmittelbaren demokratischen Legitimation vorrangig für den Inhalt eines Gesetzes verantwortlich ist. Wenn das Parlament ein Gesetz für verfassungsmäßig erachte, müsse ihm daher ein „Einschätzungsvorrang“ gegenüber dem Bundespräsidenten zukommen (Gröpl, Staatrecht I, § 16 Rn. 1283). Gegen eine solche Beschränkung auf Evidenzfälle wird jedoch angeführt, dass sich hierfür keine Anhaltspunkte im Grundgesetz finden und die Beschränkung auf offenkundige Fälle viel zu vage sei, was sich allein daran zeigt, dass unter Juristen die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes häufig stark umstritten ist (s. zur Kritik u.a. Hauk, JA 2017, 93 (95 f.)).

3. Politisches Prüfungsrecht

Absolut unstreitig ist, dass dem Bundespräsidenten jedenfalls kein politisches Prüfungsrecht zukommt. Weder darf der Bundespräsident die Ausfertigung aus politischen Gründen verweigern, noch unverhältnismäßig lange hinauszögern (Brenner in Huber/Voßkuhle, GG, Art. 82, Rn. 24).

II. Prüfungsrecht bei Verstößen gegen europäisches Unionsrecht ?

Ebenfalls umstritten ist die Frage, ob sich der Prüfungsmaßstab des Bundespräsidenten nur auf das Grundgesetz beschränkt, oder auch auf das Europarecht erstreckt.

Die wohl herrschende Meinung verneint ein europarechtliches Prüfungsrecht (u.v. Brenner in Huber/Voßkuhle, GG, Art. 82, Rn. 31). Hierfür spricht insbesondere der Wortlaut des Art. 82 Abs. 1 GG, der von den „Vorschriften dieses Grundgesetzes“ spricht.

Vertreten wird jedoch auch, dass sich aus Art. 23 Abs. 1 GG iVm. Art. 20 Abs. 3 GG und dem Gebot des europafreundlichen Verhaltens aus Art. 4 Abs. 3 EUV ein europarechtliches Prüfungsrecht ergibt (Schladebach/Koch, JURA 2015, 355 (357 ff.).

Selbst wenn man das Unionsrecht über die Brücke des Art. 23 Abs. 1 GG als Teil der verfassungsmäßigen Ordnung begreift, würde der Bundespräsident im Falle einer Ausfertigung jedoch nicht entgegen seiner Verfassungsbindung handeln, denn eine Unionsrechtswidrigkeit bedingt nicht die Nichtigkeit, sondern lediglich die Unanwendbarkeit eines nationalen Gesetzes aufgrund des Anwendungsvorrangs; das Gesetz bliebe im Übrigen jedoch wirksam (Mann in Sachs, GG, Art. 82, Rn. 16).

III. Das Prüfungsrecht im Falle der Vertretung?

Schwierig ist ferner die Frage, wie sich das Prüfungsrecht in Vertretungsfällen verhält. Teilweise wird vertreten, dass es in Fällen kurzfristiger Verhinderung aus Gründen der Verfassungsorgantreue geboten sei, dass das Gesetz bis zur Rückkehr des Bundespräsidenten „auf dessen Schreibtisch liegen bleibe“ (Mann in Sachs, GG, Art. 82, Rn. 15). Gleiches müsse bei verfassungsrechtlich umstrittenen Gesetzen gelten (Mann in Sachs, GG, Art. 82, Rn. 15). Dies müsse gerade dann gelten, wenn der Bundespräsident ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, dass nach Ende des Verhinderungsfall fertig werden wird; hier kann der Bundesratspräsident sich nicht über die bereits begonnene Prüfung hinwegsetzen (Guckelberger, NVwZ 2007, 406 (408 f.). Je größer die Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit sind, desto eher ist angesichts der neutralen Stellung des Bundespräsidenten geboten, dass der Bundesratspräsident seine Rückkehr abwartet (Guckelberger, NVwZ 2007, 406 (409).

IV. Fazit

Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten wird in formeller und materieller Hinsicht von der überwiegenden Mehrheit angenommen. Umstritten ist jedoch, ob sich das Prüfungsrecht auf Evidenzfälle beschränkt und ob der Prüfungsmaßstab auch das Europarecht umfasst. Nicht zuletzt stellt sich im konkreten Fall des CanG die Frage, wie sich das Prüfungsrecht in Vertretungsfällen verhält. All diese Fragen bieten sich für Examensklausuren an und sind damit für die Ausbildung hochrelevant.

Auch, wenn die Argumente hinsichtlich einer drohenden Überlastung der Justiz nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind; immerhin sind nun am Amtsgericht Köln die fünf zuständigen Richter voraussichtlich das ganze Jahr mit der Bearbeitung von Altfällen beschäftigt, die sich aus der Amnestie-Regelung ergeben (https://www.tagesschau.de/inland/cannabis-legalisierung-richter-justiz-100.html), ersetzt die Verfassung eben nicht die Politik. Angesichts der kurzen Zeit, die bis zum 1. April verbleibt, ist daher davon auszugehen das Bundesratspräsidentin Schwesig das CanG stellvertretend für den Bundespräsidenten ausfertigen wird und damit schon zeitnah die Legalisierung von Cannabis folgt.

26.03.2024/2 Kommentare/von Moritz Augel
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Moritz Augel https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Moritz Augel2024-03-26 13:33:592024-10-11 06:56:34Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten – und der Bundesratspräsidentin?
Gastautor

Prüfungsgespräch im Öffentlichen Recht: Die Wahl des Bundespräsidenten

Examensvorbereitung, Mündliche Prüfung, Verfassungsrecht, Verschiedenes

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Sebastian Nellesen veröffentlichen zu können. Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität zu Köln am Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht (Prof. Dr. Christian von Coelln).
 
Öffentlich diskutierte Themen stehen regelmäßig zu Beginn des Prüfungsgesprächs und dienen als Einstieg in die eigentliche rechtliche Thematik. Daher ist jedem Examenskandidaten zu empfehlen – jedenfalls unmittelbar vor der mündlichen Prüfung – die aktuelle Berichterstattung zu gesellschaftspolitischen und rechtlichen Themen bei der Vorbereitung zu berücksichtigen. Typischerweise bietet sich hierfür die tägliche Zeitungslektüre an. Zeitungen wie die FAZ (besonders zu empfehlen ist die Rubrik „Staat und Recht“) können Sie als Student in der Regel über die Universitätsbibliothek kostenlos abrufen. Nutzen Sie dieses Angebot!
Wer in den nächsten Wochen zur mündlichen Prüfung des 1. Staatsexamens geladen wird, sollte sich daher mit der Wahl des Bundespräsidenten vertraut machen. Der amtierende Bundespräsident Joachim Gauck (Sie sollten auch darauf vorbereitet sein die Namen der Altbundespräsidenten zu kennen) hat öffentlich erklärt für eine weitere Amtszeit nicht mehr zur Verfügung zu stehen.

Erste Frage
: Wer wählt den Bundespräsidenten?
Antwort: Der Bundespräsident wird gemäß Art. 54 Abs. 1 GG von der Bundesversammlung gewählt.

Zweite Frage
: Die Bundesversammlung wählt also den Bundespräsidenten. Wie setzt sich die Bundesversammlung zusammen?
Antwort: Gemäß Art. 54 Abs. 3 GG besteht die Bundesversammlung aus den Abgeordneten des Bundestages (geborene Mitglieder) und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden (gekorene Mitglieder).

Dritte Frage
: Welche Anforderungen stellt das Grundgesetz an die Wahl durch die Volksvertretungen der Länder?
Antwort: Die Vertreter der Volksvertretungen der Länder müssen gemäß Art. 54 Abs. 3 GG nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden.

Vierte Frage
: In Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG ist normiert, dass der Bundespräsident ohne Aussprache gewählt wird. Was bedeutet das? Wie wäre ein Antrag eines Mitglieds der Bundesversammlung auf Vorstellung der Kandidaten zu behandeln? Können die Rechte der Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auf die Mitglieder der Bundesversammlung übertragen werden?
Antwort: Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG verbietet eine Aussprache zum Schutze des Amtes und der Autorität des zukünftigen Bundespräsidenten. Personaldebatten dürfen demnach nicht geführt werden. Wäre den Kandidaten die Möglichkeit eröffnet sich im Rahmen der Bundesversammlung vorzustellen, begründete dies einen Verstoß gegen Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG. Anträge, die offenkundig gegen das Grundgesetz verstoßen werden daher vom Bundestagspräsidenten als Leiter der Bundesversammlung nicht zur Abstimmung gestellt.
Eine Übertragung der Rechte der Bundestagsabgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG auf die Mitglieder der Bundesversammlung kommt aufgrund verschiedenartiger Aufgaben nicht in Betracht. Den Mitgliedern der Bundesversammlung wird im Gegensatz zu den Bundestagsabgeordneten kein generelles Rede- und Antragsrecht gewährt.

Fünfte Frage
: Wie lange dauert die reguläre Amtszeit des Bundespräsidenten. In welchen Fällen ist außerhalb dieses Rhythmus ein neuer Bundespräsident zu wählen? Wie ist die Vertretung des Bundespräsidenten geregelt?
Antwort: Nach Art. 54 Abs. 2 S. 1 GG dauert die Amtszeit 5 Jahre. Sofern der Bundespräsident zurücktritt, verstirbt, der Verlust des Amtes gemäß Art. 61 Abs. 2 S. 1 GG durch das BVerfG festgestellt wird oder der amtierende Präsident die Wählbarkeitsvoraussetzungen nach Art. 54 Abs. 1 S. 2 GG verliert, kommt es zu einer vorzeitigen Neuwahl.
Ist der Bundespräsident nur vorübergehend abwesend, z.B. im Krankheitsfall, wird er von seinem Stellvertreter, dem Präsidenten des Bundesrates, gemäß Art. 57 GG vertreten.

Sechste Frage
: Kurz vor dem Ende der Amtszeit entscheidet sich ein amtierender Bundespräsident noch einmal für das Amt zu kandidieren. Ist dies möglich? Welche Grenzen setzt das Grundgesetz?
Antwort: Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG bestimmt, dass eine anschließende Wiederwahl nur einmal zulässig ist. Wie diese Vorschrift zu verstehen ist, ist umstritten (siehe zum Meinungsstand den eigenen Beitrag unter https://www.juraexamen.info/wiederwahl-des-bundespraesidenten/). Jedenfalls kommt eine erneute Wahl nicht mehr in Betracht, wenn das Amt unmittelbar hintereinander zwei Wahlperioden lang ausgeübt wurde.

Siebte Frage
: Welche Mehrheit wird benötigt, um den Bundespräsidenten zu wählen?
Antwort: Die erforderliche Mehrheit ist in Art. 54 Abs. 6 GG geregelt. Diese ist abhängig vom Wahlgang. In den ersten zwei Wahlgängen wird für eine erfolgreiche Wahl die Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung (die Legaldefinition des Art. 121 GG bezieht sich auch auf die Bundesversammlung) verlangt (absolute Mehrheit). Kommt dabei keine Wahl zustande, ist danach derjenige gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereinigt.

Achte Frage
: Welche Inkompatibilitätsvorgaben sind im Grundgesetz für den Bundespräsidenten vorgesehen? Darf der Bundespräsident Mitglied einer Partei sein?
Antwort: Regelungen hierzu finden sich in Art. 55 GG. Der Bundespräsident darf weder der Bundesregierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes angehören. Nach Art. 55 Abs. 2 GG darf er zudem kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe, keinen Beruf ausüben und auch nicht der Leitung oder dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.
Eine Inkompatibilitätsvorschrift bzgl. einer Mitgliedschaft in einer politischen Partei besteht nicht. Der Bundespräsident ist daher nicht verpflichtet mit Antritt seines Amtes aus der Partei auszutreten.

Neunte Frage
: Der Bundespräsident wird regelmäßig als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet. Welche Argumente sprechen für eine solche Einordnung?
Antwort: Begründet wird die Bezeichnung als Staatsoberhaupt zunächst aufgrund der ihm zugewiesenen Kompetenzen. Ihm steht insbesondere die völkerrechtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 59 Abs. 1 GG zu, er ist für die Ausfertigung der Gesetze gemäß Art. 82 Abs. 1 GG und die Ernennung der Bundesminister gemäß Art. 64 Abs. 1 GG zuständig. Typischerweise sind diese Rechte dem Staatsoberhaupt zugewiesen. Zudem werden die Bezeichnung als „Präsident“ und die Wahl durch die Bundesversammlung, einem einzig für die Wahl des Bundespräsidenten konstituierten Verfassungsorgan, angeführt.

Zehnte Frage
: Wenn der Bundespräsident gewählt ist, schreibt Art. 58 S. 1 GG vor, dass Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidenten der Gegenzeichnung bedürfen. Welches Ziel wird mit der Regelung verfolgt? Wäre eine politische Rede des Bundespräsidenten auch gegenzeichnungspflichtig?
Antwort: Die Gegenzeichnungspflicht dient dem Zweck der Wahrung einer einheitlichen Staatsleitung. Bundespräsident und Bundesregierung sollen sich in ihren Positionen nicht diametral entgegenstehen.
Ob Reden des Bundespräsidenten gegenzeichnungspflichtig sind, wird unterschiedlich beurteilt. Mit dem Argument, dass sich alle politisch bedeutsamen Äußerungen des Bundespräsidenten auf das Verhältnis zur Bundesregierung auswirken können, kann auch für diese eine Gegenzeichnungspflicht bejaht werden. Dem entgegen steht aber der Wortlaut, der ausdrücklich nur von „Anordnungen und Verfügungen“ spricht und als Rechtsfolge von der „Gültigkeit“ spricht. Eine Rede ist kein rechtlich verbindlicher Akt, sodass diese auch nicht als „ungültig“ oder „gültig“ bezeichnet werden kann. Im Übrigen würde dem Bundespräsidenten jede Spontanität genommen. Ein solches Verständnis geriet zudem in Konflikt mit der Integrationsfunktion des Bundespräsidenten und würde ihn umfassend von der Bundesregierung abhängig machen.
 
Weitere Aspekte, die in diesem Zusammenhang in das Prüfungsgespräch eingebaut werden könnten, sind:
– Die Pflicht des Bundespräsidenten zu politischer Neutralität (BVerfGE 136, 323)
– Prüfungsrechte des Bundespräsidenten (z.B. bei der Ausfertigung von Gesetzen oder der Ministerernennung)
– Die demokratische Legitimation der Mitglieder der Bundesversammlung
– Die Stellung des Bundespräsidenten im Verfassungsgefüge

27.06.2016/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-06-27 11:00:582016-06-27 11:00:58Prüfungsgespräch im Öffentlichen Recht: Die Wahl des Bundespräsidenten
Gastautor

Wiederwahl des Bundespräsidenten

Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Verfassungsrecht, Verschiedenes

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Sebastian Nellesen veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Professor Dr. Christian von Coelln, Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Wissenschaftsrecht und Medienrecht an der Universität zu Köln.
 
Wie ist Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG zu verstehen?
Aktuelle Fragen sind ein beliebter Einstieg in das mündliche Prüfungsgespräch. Der aufmerksame (Zeitungs-) Leser wird dabei in den letzten Tagen auf die Äußerungen des Ex-„Superministers“ Wolfgang Clement gestoßen sein, der laut mehreren Presseberichten (s. SZ, Welt oder Spiegel Online um nur einige zu nennen) eine zeitliche Begrenzung der Kanzlerschaft auf maximal zwei Amtszeiten gefordert hat.
Gemäß Art. 63 Abs. 1 GG wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag ohne Aussprache gewählt (bitte nicht auf die Bundesminister übertragen! Art. 64 GG spricht von „ernannt“). Sofern ein Kandidat die sog. „Kanzlermehrheit“ erzielt, wird er vom Bundespräsidenten ernannt. Kommt es zu einer Wahl nach Art. 63 Abs. 4 GG ohne „Kanzlermehrheit“, kann der Bundespräsident gemäß Art. 63 Abs. 4 S. 3 GG diesen ernennen oder den Bundestag auflösen. Eine zeitliche Begrenzung im Sinne einer maximalen Amtsdauer gibt es nicht. Um Clements Vorschlag umzusetzen, müsste also das Grundgesetz geändert werden (zu den Voraussetzungen und Grenzen bei Verfassungsänderungen ist Art. 79 GG zu beachten).
Etwas anderes gilt für das Amt des Bundespräsidenten (für kein anderes oberstes Bundesorgan ist die Wiederwahl geregelt, weshalb es sich anbietet diese Thematik nach dem aktuellen Einstieg zu prüfen). Der Bundespräsident wird nach Art. 54 Abs. 1 S. 1 GG von der Bundesversammlung (diese besteht gemäß Art. 54 Abs. 3 GG aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden [das sind nicht zwingend die Abgeordneten des Landesparlaments!]) gewählt.
Im Zusammenhang mit der Wahl des Bundespräsidenten sollte die Regelung in Art. 54 Abs. 2 GG bekannt sein. Satz 1 bestimmt, dass die Amtsdauer fünf Jahre beträgt. Entscheidend ist hier Satz 2: „Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig.“ Und schon sind Sie bei einer verfassungsrechtlichen Frage gelandet: Wie ist dieser Satz zu verstehen?
Sicher: Keine dritte, sich unmittelbar anschließende Amtszeit möglich!
Zunächst ist eindeutig, dass drei Amtszeiten hintereinander unzulässig sind. Dies ergibt sich ohne Weiteres aus dem Wortlaut von Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG. Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt die Literatur dann, wenn es um eine dritte Amtszeit mit vorheriger Unterbrechung geht.
Fraglich: Dritte Amtszeit nach Unterbrechung?
Ob eine dritte Amtszeit nach einer zeitlichen Unterbrechung zulässig ist bzw. wie lange eine solche Unterbrechung andauern muss, wird unterschiedlich beurteilt.
Ansatzpunkt könnte zunächst der Wortlaut von Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG sein, der eine solche zulässt. Dort steht eben die „anschließende“ Wiederwahl ist nur einmal zulässig und nicht die Wiederwahl an sich. Dem Einwand, dass dies als Höchstgrenze von zwei Amtszeiten zu verstehen sei (die Wortwahl sei sprachlich verunglückt [so Jekewitz, in: Alternativ Kommentar, GG, Loseblatt, Stand 2001, Art. 54 Rn. 8 m.w.N.]), um eine personelle Amtskontinuität zu verhindern, kann entgegnet werden, dass dies bereits durch eine zeitliche Unterbrechung hinreichend gesichert ist. Diese Unterbrechung sollte grundsätzlich eine volle Amtszeit, sprich 5 Jahren betragen (a.A. vertretbar, siehe hierzu Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 54 Abs. 2 Rn. 33). Bei Rücktritt oder Tod des amtierenden Bundespräsidenten sollten ausnahmsweise keine fünf Jahre Unterbrechung verlangt werden, sofern kein Missbrauchsfall, z.B. in Form einer vorherigen Rücktrittsabsprache vorliegt (a.A. insbesondere mit dem Hinweis vertretbar, dass so erst Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet werden). Entscheidend wird im Ergebnis sein, dass der Zweck, nämlich die Verhinderung „präsidialer Erbhöfe“ (Nierhaus, in: Sachs, GG, 7. Aufl. 2014, Art. 54 Rn. 21) erreicht wird. Abschließend kann dies nur anhand des konkreten Einzelfalls bewertet werden. Sofern die Voraussetzungen vorliegen, wären eine dritte und auch vierte, (nach erneuter Unterbrechung) sogar eine fünfte und sechste Amtszeit (u.s.w.) zulässig.
Eindeutig: Zweite Amtszeit nach Unterbrechung möglich!
Klarstellend sei darauf hingewiesen, dass eine zweite Amtszeit auch nach einer Unterbrechung zulässig ist. Da sich Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG richtigerweise nur auf eine „anschließende“ Wiederwahl bezieht, wären weitere Amtszeiten möglich.
Weitere Aspekte in Bezug auf den Bundespräsidenten, die hier nicht weiter behandelt werden sollen, aber in diesem Kontakt in einer mündlichen Prüfung angesprochen werden könnten und Ihnen bekannt sein sollten, sind u.a. folgende:

  • Äußerungsbefugnisse des Bundespräsidenten
  • Aufgaben und Zuständigkeiten des Bundespräsidenten
  • Prüfungsrecht des Bundespräsidenten (Art. 82 Abs. 1 S. 1 GG)
21.08.2015/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-08-21 08:00:242015-08-21 08:00:24Wiederwahl des Bundespräsidenten
Dr. Maximilian Schmidt

(Politische) Äußerungen von Amtsträgern – Was geht, was geht nicht?

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Immer wiedern äußern sich Amtsträger zu aktuellen politischen Entwicklungen. Lieblingsziel sind rechte oder gar rechtsradikale Parteien und Demonstrationen. Nimmt man das staatliche Neutralitätsgebot in den Blick, könnte man zunächst davon ausgehen, dass tagespolitische Äußerungen für oder gegen konkrete Parteien, Gruppierungen oder Demonstrationen durch Amtsräger unzulässig sind. Dass es so einfach nicht ist, soll der folgende Beitrag aufzeigen.
I. Äußerungs- und Ausfertigunsverweigerungsrecht des Bundespräsidenten
1. Das Ausfertigungsverweigerungsrecht – häufig ungenau als Prüfungsrecht bezeichnet – des Bundespräsidenten zählt zu den Klassikern der juristischen Examensvorbereitung. Gestritten wird, ob der Bundespräsident die Ausfertigung von Gesetzen nach Art. 82 GG mit politischen, materiellen oder bloß formalen Bedenken verweigern darf. Im Ergebnis sollte man der vermittelnden Meinung folgen, wonach grundsätzlich nur ein Verweigerungsrecht bei formellen Fehlern besteht; ausnahmsweise wird dieses bei evidenten materiell-rechtlichen Verstößen ebenso bejaht (s. unseren Beitrag)
2. Das Äußerungsrecht des Bundespräsidenten ist eine weitere klassische Fallgestaltung. Hier geht es um die Frage, ob und wenn ja, wie der Bundespräsident sich zum aktuellen Tagesgeschehen äußern darf. Zuletzt wurde diese Frage im Zusammenhang mit der Äußerung „Spinner“ seitens Bundespräsident Gauck gegenüber der NPD virulent. Das Bundesverfassungsgericht entschied auf Klage der NPD hin, dass diese Äußerung im Gesamtzusammenhang seiner Aussagen noch zulässig sei (zur Vertiefung, welche dringend empfohlen sei, kann unser ausführlicher Beitrag dienen). Ebenfalls tagesaktuell sind die kritischen Äußerungen Gaucks zur Linkspartei im Zuge der Wahl Bodo Ramelows zum Thüringischen Ministerpräsidenten (s. unseren kurzen Beitrag).
Als Kernaussage des BVerfG lässt sich festhalten, dass die Stellung des Bundespräsidenten, die Chancengleichheit der Parteien und die Neutralitätspflicht von Verfassungsorganen relevant sind. Diese „keywords“ sind Grundlage jeder Argumentation zum Äußerungsrecht. Gerade im Hinblick auf das nicht ausdrücklich erwähnte Rederecht des Bundespräsidenten, das seiner Stellung als Staatsoberhaupt immanent ist, gilt es sich argumentativ mit den Kompentenzen des Bundespräsidenten im Grundgesetz auseinanderzusetzen. Das BVerfG nimmt letztlich lediglich eine Evidenzkontrolle vor:

Nicht mehr mit seiner Repräsentations- und Integrationsaufgabe in Einklang stehen Äußerungen, die keinen Beitrag zur sachlichen Auseinandersetzung leisten, sondern ausgrenzend wirken, wie dies grundsätzlich bei beleidigenden, insbesondere solchen Äußerungen der Fall ist, die in anderen Zusammenhängen als „Schmähkritik“ qualifiziert werden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 29). Abgesehen davon können Äußerungen des Bundespräsidenten über eine Partei verfassungsgerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob er unter evidenter Vernachlässigung seiner Integrationsfunktion und damit willkürlich Partei ergriffen hat (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014,  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 30).

II. Äußerungsrecht von Bundesministern
Examensrelevant sind zudem Äußerungen von Bundesministern zu anderen politischen Parteien. Im vom Bundesverfassungsgericht  mit Urteil vom 16. Dezember 2014 – Az. 2 BvE 2/14 entschiedenen Fall ging es um die Frage, ob Familienministerin Schwesig durch ein Zeitungsinterview die Rechte der NPD aus Art. 21 GG verletzt hat.
1. Sachverhalt
Familienministerin Schwesig äußerte sich anlässlich der Verleihung des Thüringer Demokratiepreises am 25. Juni 2014 in einem in der Thüringischen Landeszeitung (TLZ) erschienenen Interview. In dem Interview ging es unter anderem um den Kampf der Bundesregierung gegen den Rechtsextremismus und ein dafür vorgesehenes Demokratieprogramm des Bundes, das von der Antragsgegnerin verantwortet wird.

„Das Gefährliche an der NPD ist, dass sie versucht, ihr Molotow-Cocktail-Image abzulegen. Sie kommt nicht mehr mit Springerstiefeln und Glatzen daher, sondern im feinen Nadelstreifenanzug. Sie tut so, also ob sie sich sozial engagiert. Aber dahinter versteckt sich die Ideologie von Hitler – und jedes Parlament muss sich beraten, wie es damit umgeht. Meine Erfahrung aus dem Landtag in Mecklenburg-Pommern ist: der Antrag wird abgelehnt und ein Demokrat spricht für alle demokratischen Fraktionen, um dabei deutlich zu machen, dass der Antrag nur vermeintlich soziales Engagement ist und dahinter etwas anderes steckt. Das hat sich in Schwerin bewährt – und kann ein Beispiel sein. Aber ich werde im Thüringer Wahlkampf mithelfen, alles dafür zu tun, dass es erst gar nicht so weit kommt bei der Wahl im September. Ziel Nummer 1 muss sein, dass die NPD nicht in den Landtag kommt.“

Die NPD (Antragsstellerin) richtet ihren Antrag gegen die letzten beiden Sätze, da die Familienministerin mit dieser Äußerung ihre parteipolitische Neutralität und somit das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG verletzt habe. Die NPD war bereits mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem BVerfG gescheitert (v. 15. Juli 2014 – 2 BvE 2/14).
2. Rechtserwägungen
a) Keine Übertragbarkeit der Maßstäbe, die für Bundespräsidenten gelten, auf Bundesminister

Im Unterschied zur Bundesregierung und deren Mitgliedern steht der Bundespräsident weder mit den politischen Parteien in direktem Wettbewerb um die Gewinnung politischen Einflusses noch stehen ihm in vergleichbarem Umfang Mittel zur Verfügung, die es ermöglichten, durch eine ausgreifende Informationspolitik auf die Meinungs- und Willensbildung des Volkes einzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 10. Juni 2014  2 BvE 4/13 , juris, Rn. 27). Der Bundespräsident kann vor diesem Hintergrund weitgehend frei darüber entscheiden, bei welcher Gelegenheit und in welcher Form er sich äußert.

b) Neutralitätsgebot
Die Bundesministerin könnte mit ihrer Äußerung das Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG verletzt haben. Das BVerfG hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass Staatsorgane aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung grundsätzlich nicht als solche zugunsten oder zulasten einer Partei in den Wahlkampf eingreifen dürfen (sog. Neutralitätsgebot, s. hierzu unseren Beitrag; vgl. auch BVerfGE 44, 125, 146; 63, 230, 243 f.; BVerfG, 2 BvE 4/13 , juris, Rn. 25). Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass gerade Minister regelmäßig selbst Parteimitglieder sind und als solche in den Wahlkampf einwirken können müssen. Das BVerfG geht sogar noch einen Schritt weiter:

Jedoch ist zu berücksichtigen, dass Politiker, insbesondere wenn sie ein Staatsamt bekleiden, vor Wahlen nicht alle Auftritte in der Öffentlichkeit meiden können. Mitglieder der Bundesregierung sind daher grundsätzlich befugt, sich auch im Wahlkampf in amtlicher Funktion über die Medien an die Öffentlichkeit zu wenden (vgl. BVerfGE 44, 125 <154 f.>), haben dabei aber die Chancengleichheit der Parteien zu beachten.

Wichtig ist an dieser Stelle zunächst zu fragen, in welcher Funktion Schwesig das Interview gegeben hat („Amtsbezug“). Je mehr das Amt Grundlage der Äußerung war, desto eher ist diese unzulässig.Maßgeblich ist bei Ministern also, ob die Äußerungen tatsächlich als Staatsorgan getätigt wurden und wenn ja, welche Eingriffsintensität sie haben. Bei gemischter Tätigkeit (z.B. Interview/Talkshow, bei denen schlichtweg nicht jede Äußerung vorher zugeordnet werden kann) als Staatsorgan und Parteipolitiker ist eine Gewichtung der Umstände im Einzelfall notwendig. So wird die Parteitagsrede Angela Merkels kaum gegen das Neutralitätsgebot verstoßen können, Äußerungen bei Günter Jauch sind abhängig vom jeweiligen Kontext, während Einlassungen auf Bundespressekonferenzen die Vermutung eines Verstoßes in sich tragen.
Hier ist zu berücksichtigen, dass Schwesig sich im unmittelbaren Zusammenhang zu einem vom Bund initiierten Programm gegen Rechtsextremismus äußerte, weswegen davon auszugehen ist, dass sie jedenfalls auch in staatlicher Funktion aktiv war. Jedoch handelte es sich nur um ein Interview, nicht etwa um die Inanspruchnahme hoheitlicher Funktionen oder Zuwendung von Geldleistungen. Zudem berief sie sich nicht ausdrücklich auf ihr Amt, sondern sprach nur von ihrer eigenen Person und subjektiven Eindrücken. Sie machte auch nicht von Staatssymbolen oder Hoheitszeichen Gebrauch. Das Tätigwerden ist also als eher wenig eingriffsintensiv einzuordnen. Daher lehnte das BVerfG letztlich eine Verletzung des Neutralitätsgebotes sowie der Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 GG ab.
III. Äußerungsrecht von Bürgermeistern
Last but not least von großer Relevanz im juristischen Staatsexamen sind Äußerungen von Bürgermeistern zum aktuellen Tagesgeschehen. Jüngst ließ der Düsseldorfer Oberbürgermeister mit der Entscheidung aufhorchen, die Lichter der Stadt auszuschalten um gegen DÜGIDA, einen Ableger von PEGIDA, zu protestieren. Zugleich veröffentlichte er einen Aufruf an die Bevölkerung  auf den städtischen Internetseiten diesem Beispiel zu folgen. Andere Fälle sind denkbar, bspw. Aufrufe „gegen Rechts“ oder konkret gegen „rechte Parteien“.
Das VG Düsseldorf entschied erstinstanzlich, dass der Aufruf „Lichter aus! Düsseldorf setzt Zeichen gegen Intoleranz“ von der Internetseite www.duesseldorf.de zu entfernen sei, da dieser gegen das Neutralitätsgebot verstoße. Die Beschwerde des Oberbürgermeisters hatte Erfolg, weswegen die Organisatoren nunmehr vor dem OVG NRW einen Eilantrag auf Entfernung des Aufrufs stellten. Dieses führt aus: (s. Pressemitteilung):

Der Senat könne in der Kürze der ihm für die Beschwerdeentscheidung zur Verfügung stehenden Zeit nicht feststellen, dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiege. Der Fall werfe die schwierige Frage nach der Geltung und Reichweite des für Amtswalter geltenden Neutralitätsgebots in politischen Auseinandersetzungen außerhalb von Wahlkampfzeiten und ohne Beteiligung politischer Parteien auf. Zulässigkeit und Grenzen von staatlichen Aufrufen an die Bevölkerung zu Kundgebungen oder ähnlichen politischen Aktionen seien jedoch bislang in der Rechtsprechung nicht hinreichend geklärt. Bei dieser Sachlage sehe der Senat keine Veranlassung zum Erlass der begehrten einstweiligen Regelung. Zwar werde die Antragstellerin durch den Aufruf des Oberbürgermeisters in ihren Grundrechten berührt. Sie könne ihre Versammlung aber wie geplant durchführen.

Dies kann praktisch wenig überzeugen – zudem müsste in einer Klausur eine Entscheidung getroffen werden. Hier muss mit dem staatlichen Neutralitätsgebot argumentiert werden, vergleichbar dem der Bundesminister. Gegen die Zulässigkeit der Äußerungen spricht, dass sie auf der städtischen Internetseite getätigt werden, somit staatliche Mittel im politischen Meinungskampf verwendet werden. Zudem handelt es sich um einen konkreten Aufruf an die Bürger, der allein deswegen schon deutlich intensiver ist als bloße Wertungen. Vieles spricht daher gegen die Zulässigkeit eines solches Aufrufs.
IV. Äußerungsrechte als argumentatives Spielfeld

Wir sehen: argumentativ kann sich auf dem Spielfeld „Äußerungsrecht von Amtsträgern“ ausgetobt werden. Vieles ist mit guter Argumentation vertretbar. Hierzu sollte man sich mit den Anforderungen des Neutralitätsgebotes und der Chancengleichheit der Parteien auseinandergesetzt werden.
15.01.2015/7 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-01-15 10:00:582015-01-15 10:00:58(Politische) Äußerungen von Amtsträgern – Was geht, was geht nicht?
Dr. Maximilian Schmidt

Bundespräsident Gauck vs. Linkspartei

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Wieder einmal hat Bundespräsident Joachim Gauck mit Äußerungen zu aktuellen politischen Entwicklungen eine Debatte über sein mit dem Amt verbundenes Äußerungsrecht ausgelöst (s. Presse). So kommentierte er die mögliche Wahl von Bodo Ramelow (Linkspartei) in Thüringen zum Ministerpräsidenten:

„Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren.“

Und weiter:

„Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“

Wir berichteten bereits ausführlich über ein Verfahren vor dem BVerfG, in dem es um die von Gauck gegenüber NPD-Mitgliedern getroffene Äußerung „Spinner“ ging, s. hier. Angesichts der Aktualität sollte das Äußerungsrecht des Bundespräsidenten im Hinblick auf eine anstehende mündliche Prüfung noch einmal genau in Erinnerung gerufen werden.

04.11.2014/0 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2014-11-04 10:38:532014-11-04 10:38:53Bundespräsident Gauck vs. Linkspartei
Anna Ebbinghaus

Aktuell: Diätenerhöhung und das Prüfungsrecht des Präsidenten

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Im Februar hat der Bundestag eine Erhöhung der Abgeordnetenbezüge beschlossen. Doch Joachim Gauck hat es vorläufig abgelehnt, das Gesetz zu unterschreiben. Zuletzt bestanden massive Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.
Dieser Sachverhalt bietet Anlass, sich noch einmal das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten als echten Klassiker des Staatsorganisationsrechts anzuschauen:
Anknüpfungspunkt ist Art. 82 I S1 GG, wonach die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze nach Gegenzeichnung des Bundespräsidenten ausgefertigt werden. Der Bundespräsident unterzeichnet die Gesetzesurkunde und ordnet sogleich damit die Verkündung an. Dabei hat er keinen Ermessensspielraum, vgl. „werden“.
Jedoch wird aus der Formulierung „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes zustande gekommen“ abgeleitet, dass er bei Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit, soweit ihm ein Prüfungsrecht zusteht, die Ausfertigung verweigern darf.
Unterschieden werden:
A. formelles Prüfungsrecht
Das formelle Prüfungsrecht schließt die Frage nach Gesetzeskompetenz und ordnungsgemäßem Gesetzgebungsverfahren ein, Jarass/Pieroth, Art. 82 Rn3. Unstreitig besteht dieses schon aus dem Wortlaut des Art. 82 I S1 GG, „zustande gekommen“.
Nach hM besteht sogar eine Prüfungspflicht, Rau, DVBl. 2004,1.
B. materielles Prüfungsrecht (str.)
Streitig ist, ob der Bundespräsident darüber hinaus auch ein materielles Prüfungsrecht, insbesondere bzgl. möglicher Grundrechtsverstöße, besitzt.
Dagegen lässt sich der Wortlaut anführen: Art. 82 I S1 GG spricht insoweit von „zustande gekommen“, was nur formelle Aspekte berücksichtigen könnte, Degenhart, Rn. 376. Allerdings beinhaltet die Vorschrift auch den Terminus „nach den Vorschriften dieses Grundgesetzes“, was Grundrechte mit einschließen könnte.
Von der Systematik her ist aber zuzugestehen, dass Art. 82 I S1 GG die Vorschriften über das Gesetzgebungsverfahren abschließt und so dem formellen Recht zugeordnet werden könnte.
Für ein materielles Prüfungsrecht indes spricht, dass nach Art. 20 III GG alle Verfassungsorgane zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung verplichtet sind, auch der Bundespräsident.
Wenig aussagekräftig ist hingegen die Heranziehung des Art. 56 GG, so noch Arndt, NJW 1958,605. Zwar hat der Bundespräsident den Amtseid abgelegt, seine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen, doch ist dies wiederum reichlich unkonkret,
was diese denn nun genau beinhalten, sog. Zirkelschlussargument.
Auch das Verwerfungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts steht dem nicht hingegen, besteht doch nach Art. 20 I GG ausdrücklich Gewaltenteilung.
Vielfach wird gegen solches Prüfungsrecht auch angeführt, dass der Bundespräsident im Vergleich zum Reichspräsidenten der Weimarer Republik aus der Lehre aus der Vergangenheit eben deutlich beschnittene Kompetenzen haben soll, die vor allem jetzt beim Bundestag und der Bundesregierung lägen. Nur kann allein bei der Beurteilung der Frage nach einem materiellen Prüfungsrecht die Vorgaben des GG allein entscheidend sein. Die WRV ist zwar voll inkooperiertes Verfassungsrecht, jedoch nur punktuell. Zuzugestehen ist, das primär die Verabschiedung von Gesetzen beim parlamentarisch legitimierten Gesetzgeber liegt, welcher grundsätzlich eine weite Einschätzungsprorogative hat. Diese ist jedoch jedenfalls begrenzt durch Art. 20 III GG, Borsysiak/Fleury, JuS 1993, L 81, so dass dem Bundespräsidenten zumindest eine materielle Evidenzkontrolle, Jarass/Pieroth, Art. 82 GG, Rn mwN, zusteht.
Bei offensichtlicher Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes kann er sich also nach überzeugender Meinung weigern, dieses auszufertigen.
C. politisches Prüfungsrecht
Ein politisches Prüfungsrecht besteht nach einhelliger Auffassung jedoch nicht, Degenhart, Rn. 379.
D. Fazit
Das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten ist ein echter Klassiker und sollte von jedem Studenten und Examenskandidaten, auch in der mündlichen Prüfung, beherrscht werden. Es lässt sich leicht mit einer formellen und materiellen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes verbinden.

30.06.2014/7 Kommentare/von Anna Ebbinghaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Anna Ebbinghaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Anna Ebbinghaus2014-06-30 08:23:202014-06-30 08:23:20Aktuell: Diätenerhöhung und das Prüfungsrecht des Präsidenten
Anna Ebbinghaus

Aktuell: Karlsruhe verhandelt über die Bundesversammlung

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Seit heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Bundesversammlung. Insbesondere soll darüber entschieden werden, was unter einer Wahl des Bundespräsidenten „ohne Aussprache“ in Art. 54 GG zu verstehen ist. Fraglich ist dabei, ob, wie bisher angenommen, Kandidaten und Wählende tatsächlich während des Wahlvorganges kein Rederecht besitzen. Daneben wird auch über die Zusammensetzung der Bundesversammlung, insbesondere die Vetreter der Länder, verhandelt. Die NPD hatte entsprechende Anträge im Organstreitverfahren gestellt.
Anlass für uns, uns nochmal kurz einen Überblick darüber zu verschaffen, wie der Bundespräsident gewählt wird:
Der Bundespräsident wird durch die Bundesversammlung gewählt.
Die Bundesversammlung ist ein sich zu diesem Zweck konstituierendes Verfassungsorgan, Degenhart, § 10, Rn. 728. Sie setzt sich zu gleichen Teilen aus Mitgliedern des Bundestages und einer Anzahl von Vertretern der Länder, die von den Landesparlamenten gewählt werden, ihnen jedoch nicht angehören müssen, zusammen, Degenhart, § 10, Rn. 728; Art. 54 GG. Die Mitglieder des Bundestages werden „geborene“ Mitglieder genannt, weil sie als gewählte Volksvertreter des Bundestages automatisch ein Wahlrecht besitzen. Die Vertreter der Länderparlamente sind dagegen „gekorene“ Mitglieder. Häufig werden von den Ländern prominente Persöhnlichkeiten, die der jeweiligen Partei nahestehen, bestimmt. So war Alice Schwarzer 2012 Wahlfrau für die CDU NRW, die Berliner SPD entsandte den Comedian Ingo Appelt.
Die Amtsperiode des Bundespräsidenten beträgt fünf Jahre, wobei eine einmalige Wiederwahl zulässig ist.
Alle bisherigen Bundespräsidenten sollten für die mündliche Prüfung zur Sicherheit parat sein, insbesondere der Name des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss (1949-1959).
Wichtig im Zusammenhang mit dem Amt des Bundespräsidenten ist auch sein Prüfungsrecht, außerdem sei auf seine Rolle bei der Wahl des Bundeskanzlers hingewiesen. Schließlich kann der Bundespräsident unter bestimmten Umständen auch den Bundestag auflösen.

11.02.2014/1 Kommentar/von Anna Ebbinghaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Anna Ebbinghaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Anna Ebbinghaus2014-02-11 07:58:202014-02-11 07:58:20Aktuell: Karlsruhe verhandelt über die Bundesversammlung
Dr. Johannes Traut

Die Rolle des Bundespräsidenten bei der Wahl des Bundeskanzlers

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Die Regierungsbildung im Bund zieht sich hin, eine klare Koalition hat sich noch nicht gefunden. Diesen Zustand hat der Bundespräsident bereits Anfang letzter Woche zum Anlass genommen, die Chefs der im Bundestag vertretenen Parteien zu Vieraugengesprächen einzuladen (Spiegel online vom 25.9.2013, „Schwierige Regierungsbildung: Gauck lädt Parteichefs zu Vieraugengespräch ein“). Dieser Vorgang wurde von Beobachtern als „außergewöhnlich“ eingestuft (Spiegel online a.a.O.).
Darf der Bundespräsident die Parteien zu Konsultationen bitten?
Auch wenn das Vorgehen des Bundespräsidenten außergewöhnlich gewesen sein mag, zulässig ist es sicherlich, mit den Parteien vor dem Zusammentritt eines neuen Bundestages über die Regierungsbildung zu konsultieren. Das GG enthält hierzu keine ausdrückliche Regelung. Gerade im Bereich der Wahl des Bundeskanzlers kommt dem Bundespräsidenten jedoch eine wichtige Rolle zu, mit der auch das Recht zur Durchführung von Konsultationen einhergehen dürfte.
Insbesondere muss er nach Art. 63 Abs. 1 GG beim ersten Zusammentritt des neuen Bundestages – zu diesem Zeitpunkt ist das Amt des Bundeskanzlers vakant, vgl. Art. 69 Abs. 2 GG – dem Bundestag einen Vorschlag zur Wahl des Bundeskanzlers machen. Allein schon dafür ist es jedenfalls zweckmäßig, dass der Bundespräsidenten die Mehrheitsverhältnisse im Vorhinein sondiert, um einen aussichtsreichen Kandidaten vorschlagen zu können (vgl. Epping, in: BeckOK-GG, Art. 63 Rn. 3 m.w.N.). Viel spricht dafür, dass der Bundespräsident sogar nur einen jedenfalls aussichtsreichen Kandidaten vorschlagen darf. Insbesondere die Systematik spricht für eine Orientierung an dem voraussichtlichen Willen der Mehrheit des Parlaments. Denn scheitert die Wahl des vom Bundespräsidenten vorgeschlagenen Kandidaten, kann das Parlament selbst einen solchen aus seiner Mitte wählen (Art. 63 Abs. 3 GG). Das Parlament, nicht der Bundespräsidenten bestimmt also über die Person des Bundeskanzlers. Das Vorschlagsrecht des Bundespräsidenten kann also mithin nicht den Sinn haben, einen eigenen politischen Kandidaten durchzudrücken oder die Auswahlentscheidung des Parlaments zu beschränken. Es soll lediglich möglichst schnell zu einer stabilen Regierung führen (Epping, in: BeckOK-GG, Art. 63 Rn. 3).
Konsultationen sind daher, zumindest empfehlenswert und Ausdruck „politischer Klugheit und politischem Takt“ (Herzog, in Maunz/Dürig, Art. 63 Rn. 18). Übliche Staatspraxis war insofern zumeist, dass Gespräche zwischen dem Bundespräsidenten und den Fraktionsführungen stattgefunden, um die Mehrheitsfähigkeit einzelner Kandidaten zu erkunden. Bundespräsident Gauck hat dem vorgegriffen, indem er sich bereits vor der Bildung der Fraktionen mit den Parteivorsitzenden traf. Auch das ist aber von dem Zweck des Art. 63 Abs. 1 GG, zu einer möglichst effizienten Regierungsbildung zu kommen, gedeckt. Denn Voraussetzung für eine solche ist auch, regierungsfähige Mehrheiten zu bilden. Allerdings dürfte der Gegenstand der Gespräche beschränkt sein. So erscheint es mit der eigentlich unpolitischen Rolle des Bundespräsidenten kaum vereinbar, wenn er sich in die Details der Koalitionsverhandlungen einmischt.
Von daher dürfte auch eine Rechtspflicht zu Konsultationen nicht bestehen. Der Bundespräsident ist seinem Wesen nach unpolitisch und muss sich nicht in die Fragen des politischen Alltages begeben. Da der Bundestag ohnehin unabhängig von dem Vorschlag des Bundespräsidenten seinen Kandidaten durchsetzen kann, bedarf es eines „passenden“ Vorschlages des Bundespräsidenten nicht zwingend (vgl. auch Epping, in: BeckOK-GG, Art. 63 Rn. 4).
Ausübung des Vorschlagsrechts
Den Bundespräsidenten trifft die Pflicht, einen aussichtsreichen Kandidaten vorzuschlagen. Einige gehen noch weiter und vertreten, der Bundespräsident müsse den von der Mehrheitsfraktion oder der gebildeten Koalition favorisierten Kandidaten vorschlagen. Das wird jedoch von der hM abgelehnt, soweit verdichte sich die Pflicht des Bundespräsidenten, einen mehrheitsfähigen Kandidaten vorzuschlagen, nicht. Er habe vielmehr einen Beurteilungsspielraum. Daher käme dem Vorschlagsrecht gerade in Zeiten unklarer Mehrheiten eine erhebliche Bedeutung zu (zu all dem Epping, in: BeckOK-GG, Art. 63 Rn. 3 m.w.N. auch zur Gegenansicht).
Das dürfte zurzeit der Fall sein, wie ein Blick auf die aktuell möglichen Vorschläge zeigt. In Betracht kommen dürften:

  • Im Falle der Bildung einer Koalition, die eine Kanzlermehrheit hat deren Kandidaten.
  • Frau Merkel. Sie ist die Kandidatin der größten Koalition, es bedarf nur weniger Überläufer bräuchte, um sie bereits im ersten Wahlgang zu wählen. Außerdem kann man in dem Wahlergebnis einen klaren Regierungsauftrag sehen.
  • Peer Steinbrück. Dies liegt weniger nah, könnte aber vertretbar sein, da insgesamt eine „linke“ Mehrheit besteht.

Weiterer Ablauf der Wahl des Bundeskanzlers
Wird der vom Bundespräsidenten vorgeschlagene Kandidat mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages („Kanzlermehrheit“) gewählt, muss der Bundespräsident ihn ernennen (Art. 63 Abs. 1 GG). Diese Entscheidung ist gegenzeichnungsfrei (Art. 58 S. 2 GG), dem Bundespräsident kommt aber kein Ermessen zu. Kommt es dazu nicht, so kann der Bundestag binnen vierzehn Tagen mit mehr als der Hälfte seiner Mitglieder einen Bundeskanzler wählen (Art. 63 Abs. 3 GG). Erforderlich ist also auch hierfür die Kanzlermehrheit, die Entscheidung ist ebenfalls gegenzeichnungsfrei.
Kommt diese nicht innerhalb von vierzehn Tagen zu Stande, findet unverzüglich ein weiterer Wahlgang statt, in dem gewählt wird, wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt (einfache Mehrheit). Erreicht der Kandidat in diesem Wahlgang die Kanzlermehrheit, muss der Bundespräsident ihn ernennen (Art. 63 Abs. 3 S. 2 GG). Ansonsten kann er ihn binnen sieben Tagen ernennen oder er muss den Bundestag auflösen (Art. 63 Abs. 3 S. 3 GG). Hier kommt dem Bundespräsidenten also ausnahmsweise ein politisches Ermessen zu, welche Variante er wählt. Er muss sich allerdings für eine entscheiden. Entsprechend Sinn und Zweck des Art. 63 GG ist Leitlinie für die Ermessensausübung die Frage, ob eine handlungsfähige Minderheitsregierung zu Stande kommen wird. Dabei ist etwa zu berücksichtigen, dass sie insbesondere bei der Gesetzgebung beeinträchtigt sein kann. Ob letztlich eine ausreichend handlungsfähige Regierung bestehen wird, ist eine politische Prognoseentscheidung des Bundespräsidenten, die gerichtlich nicht überprüfbar ist (vgl. insgesamt Epping, in: BeckOK-GG, Art. 63 Rn. 28f.). Auch diese Entscheidungen des Bundespräsidenten sind gegenzeichnungsfrei (Art. 58 S. 2 GG).
Entscheidet sich der Bundespräsident für die Auflösung des Parlamentes, bleibt der mit einfacher Mehrheit gewählte Bundeskanzler zunächst geschäftsführend im Amt (vgl. Art. 69 Abs. 2 GG).

07.10.2013/2 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2013-10-07 11:15:052013-10-07 11:15:05Die Rolle des Bundespräsidenten bei der Wahl des Bundeskanzlers
Tom Stiebert

Aufhebung Immunität von Bundespräsident Christian Wulff

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Aus aktuellem Anlass soll hier kurz das Verfahren zur Aufhebung der Immunität durch den deutschen Bundestag dargestellt werden:
Für den Bundespräsidenten wurde die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Dass er überhaupt diesem Grundsatz unterliegt, ergibt sich aus Art. 60 Abs. 4 GG. Damit gelten die Regelungen zur Immunität auch für ihn. Die Strafverfolgung ist damit nur mit Genehmigung des Bundestages möglich.
Die genauen Verfahrensregelungen ergeben sich aus § 107 GO-BT. Zunächst ist das Anliegen der immunitätsaufhebung an den Bundestagspräsidenten Lammert zu leiten, der es an den Immunitätsausschuss verweist (§ 107 Abs. 1 GO-BT). Dieser hat eine Beschlussempfehlung für den Bundestag zu erstellen. (§ 107 Abs. 2 GO-BT)  Dabei unterliegt er keiner Frist (§ 107 Abs. 3 GO-BT).

§ 107 GO-BT Immunitätsangelegenheiten

(1) Ersuchen in Immunitätsangelegenheiten sind vom Präsidenten unmittelbar an den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung weiterzuleiten.
(2) Dieser hat Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Bundestages aufzustellen (Anlage 6) und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner in Einzelfällen zu erarbeitenden Beschlußempfehlungen an den Bundestag zu machen.
(3) Die Beratung über eine Beschlußempfehlung ist an eine Fristen nicht gebunden. Sie soll frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Vorlage (§ 75 Abs. 1 Buchstabe h) beginnen. Ist die Beschlußempfehlung noch nicht verteilt, wird sie verlesen.
(4) Vor der Konstituierung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung kann der Präsident dem Bundestag in Immunitätsangelegenheiten unmittelbar eine Beschlußempfehlung vorlegen.

Grundsätzlich hat der Bundestag in der Anlage 6 zur Geschäftsordnung eine Selbstbindung hinsichtlich der Immunitätsaufhebung festgelegt. Insbesondere wird dabei pauschal die Genehmigung für Ermittlungsverfahren erteilt. Für den Bundespräsidenten gilt diese Regelung freilich nicht, sondern nur für Mitglieder des Bundestages, sodass hier der Bundestag noch explizit entscheiden muss.
Bei seiner Entscheidung sind die Interessen des Präsidenten mit den Interessen an einer Strafverfolgung abzuwägen. Abzuwägen ist, ob das öffentliche Interesse einer Ermittlung dem öffentlichen Interesse an einer ungestörten Amtsausübung überwiegt. Hierbei ist die Abstimmung nicht auf die Aufhebung der Immunität per se, sondern auf die Zulässigkeit der konkreten Verfahrenshandlung gerichtet.  Für die Abstimmung über diesen Beschluss gilt auch hier gemäß Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG das Mehrheitsprinzip – das heißt es genügt die Mehrheit der abgegeben Stimmen. Eine andere Regelung sieht auch für die Immunitätsaufhebung das GG nicht vor. Die in vielen Medien verbreitete Ansicht 1/4 der Abgeordneten müsse zustimmen, hat im Gesetz keinen Niederschlag und beruht auf einer Verwechslung mit der Präsidentenklage nach Art. 61 GG.
 
Hinweis: Allgemein zur Strafbarkeit von Bundespräsident Wulff unser Beitrag hierzu.

16.02.2012/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-02-16 20:53:322012-02-16 20:53:32Aufhebung Immunität von Bundespräsident Christian Wulff
Tom Stiebert

Ehrensold für Bundespräsident Christian Wulff

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Die Medienlandschaft befasst sich aktuell mit der Frage, ob Bundespräsident Christian Wulff im Falle eine Rücktritts ein Ehrensold nach § 1 BPräsRuhebezG (des Gesetz über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten) zusteht. Zu dieser Frage hat sich auch kürzlich Prof. von Arnim in einem – frei verfügbaren – Beitrag in der NVwZ geäußert.
Grundsätzlich wird ein Ehrensold (also eine andauernde Gewährung der Amtsbezüge) auch nach dem Ausscheiden aus dem Amt geleistet, wenn der Präsident mit Ablauf der Amtszeit, oder vorher aus politischen oder gesundheitlichen Gründen aus dem Amt ausscheidet.
I. Ausscheiden aus politischen Gründen
Kernfrage ist, ob die kolportierten persönlichen Gründe, aus denen Christian Wulff aus seinem Amt ausscheiden könnte, auch als politische Gründe anzusehen sind, oder ob diese bewusst nicht erfasst sind.
Im Beitrag von Arnims wird dies unter Verweis auf den Wortlaut und die Historie sowie Systematik des Gesetzes verneint.
Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages scheint diese Ansicht zu teilen. Den Medien ist folgende Textpassage zu entnehmen:

Gründe, die im privaten Verhalten des Präsidenten liegen, werden eher keine politischen Gründe im Sinne“ des Gesetzes über die Ruhebezüge des Bundespräsidenten sein. Es sprächen vielmehr „starke Argumente“ dafür, dass politische Gründe nur solche seien, die „unmittelbar mit der Ausübung des Amtes des Bundespräsidenten zusammenhängen“

Ebenso könnte auch die Gegenansicht vertreten werde, schließlichist eine Trennung zwischen persönlicher und politischer Ebene oftmals nicht möglich. Gerade im konkreten Fall liegen zwar – zumindest moralische – persönliche Verfehlungen vor, diese wirken sich aber auch auf die politische Arbeit und Glaubwürdigkeit des Präsidenten aus.
Ein weiteres Argument für eine Gewährung des Ehrensolds im konkreten Fall kann auch § 5 BPräsRuhebezG entnommen werden. So ist selbst bei einer erfolgreichen Präsidentenklage nach dem BVerfGG der Ehrensold nicht per se ausgeschlossen; vielmehr ist über die zumindest teilweise Gewährung des Ehrensolds explizit zu entscheiden. Aus diesem Grund ist der generelle Ausschluss des Ehrensolds bei persönlichen Gründen wenig überzeugend.
II. Entscheidung über Ehrensold
Neben der Frage, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des Ehrensolds vorliegen, tritt die Problematik in den Vordergrund, wer hierüber zu entscheiden hat. Problematisch ist dies deshalb, weil das Gesetz keine entsprechende Regelung trifft.
Von Arnim kommt in seinem Beitrag – allein durch einen Vergleich mit den ähnlich formulierten Regelungen zum Reichspräsidenten (!!!) – zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung für eine entsprechende Beurteilung zuständig ist und Wulff damit auch finanziell von der Bundeskanzlerin abhängig wird.
Weitere Stellungnahmen hierfür lassen sich leider nicht finden; insbesondere ist nicht klar, ob der wissenschaftliche Dienst des Bundestages auf dies Frage eingegangen ist. M.E. wäre es ebenso vertretbar, dass diejenige Behörde, die den Ehrensold gewährt, die Voraussetzungen zu prüfen hat. Eine Abhängigkeit des Präsidenten von der Bundesregierung sieht das Gesetz gerade nicht vor.
III. Stellungnahme
Bei der Diskussion über Christian Wulff werden viele Fragen aufgeregt diskutiert. Dass der „Steuerzahler aufatmen könne“ (so von Arnim) ist wohl eher polemisch; die Nichtgewährung des Ehrensold hätte allenfalls politisch eine hohe Bedeutung. Ein eindeutiges Ergebnis lässt sich hier – vor allem aufgrund fehlender Vergleichsfälle – nicht finden; beide Ergebnisse lassen sich juristisch gut begründen. Insbesondere auch bei der Frage, wer Entscheidungsträger ist, kann bei ordentlicher Argumentation nahezu alles vertreten werden. Es wird aus diesem Grund spannend sein, zu sehen, wie der wissenschaftliche Dienst des Bundestages sich im Einzelnen geäußert hat.
Gut möglich ist, dass ein solcher Fall in der mündliche Prüfung, oder auch in Hausarbeiten geprüft wird. Hier zeigen sich gute Leistungen gerade darin, dass eigenständig argumentiert wird. Zumindest aber auch zur Schulung des juristischen Verständnisses ist dieser Fall auch hervorragend geeignet, steht man doch vor dem Problem aus einer sehr knappen und uneindeutigen gesetzlichen Regelung ein zutreffendes Ergebnis zu begründen.
 
Anm v. 29.02.2012.: Die Entwicklung der ereignisse hat gezeigt, dass wir mit unserer Prognose sehr richtig lagen. Der Ehrensold wird, wie heute vermeldet, wohl gezahlt werden. Entschieden hat hierüber auch nicht – wie von von Arnim gemutmaßt – die Bundesregierung sondern das Bundespräsidialamt als diejenige Behörde, die den Ehrensold gewährt. Auch wenn die Fragestellungen damit juristisch noch nicht 100-prozentig abgearbeitet sind, so ist die Frage damit zumindest praktisch entschieden.
Leider wurde, trotz unserer Nachfrage, die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes aufgrund einer Schutzfrist nicht veröffentlicht. Zumindest hat sich in der Zwischenzeit aber die Frage wie gezeigt geklärt.

12.02.2012/6 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-02-12 13:20:582012-02-12 13:20:58Ehrensold für Bundespräsident Christian Wulff
Tom Stiebert

Causa Wulff – Tatsächliche Strafbarkeit oder Form der Diskreditierung?

Aktuelles, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Wir freuen uns, euch heute den ersten Beitrag zu unserem Aufsatzwettbewerb veröffentlichen zu können. Aus aktuellem Anlass haben wir uns entschlossen, den Beitrag bereits vor dem Ende des Wettbewerbs zu veröffentlichen.
Der Beitrag wurde von Markus verfasst, der zur Zeit in Berlin Jura studiert.
Wichtig ist: Entscheidend für die Vergabe der Preise ist die Anzahl „likes“ hier auf unserer Seite sowie auf Facebook in den nächsten 2 Wochen . Also fleißig voten, wenn euch der Beitrag gefällt.
 
In den letzten Tagen überschlagen sich die Ereignisse um die sog. „Mailbox-Affäre“, in der dem Bundespräsidenten vorgeworfen wird, am 12. Dezember 2011 dem „Bild“ Chefredakteur Diekmann mit einem Strafantrag gedroht zu haben, insoweit dessen Zeitung über den umstrittenen Hauskauf-Kredit berichtet. Eine Veröffentlichung in der „Bild“ erfolgte tags darauf.
Einzelne Staatsanwaltschaften sind derzeit damit beschäftigt, einen Anfangsverdacht (§ 170 StPO) gegen Wulff im Hinblick auf eine mögliche Strafbarkeit wegen Nötigung zu prüfen (vgl. https://www.zeit.de/news/2012-01/03/bundespraesident-anzeige-gegen-wulff-anfangsverdacht-der-noetigung-03141206)
Wenn der Bundespräsident – wie zuletzt in seinem publikumswirksamen Interview vom vergangenen Mittwoch – mitteilt, dass er „weder jetzt im Amt als Bundespräsident gegen irgendein Gesetz noch vorher“ verstoßen hat, scheint es umso interessanter auf Grundlage der bisherigen Medienberichten, eine Strafbarkeit zu prüfen (A) und auch der Frage nachzugehen, ob strafprozessuale Besonderheiten (B) existieren, die eine Strafverfolgung erschweren.
A: Prüfung einer möglichen Strafbarkeit
I. §§ 240 I i.V.m. 240 IV S. 2 Nr. 3 StGB
Eine Strafbarkeit wegen einer vollendeten Nötigung in einem besonders scheren Fall könnte sich daraus ergeben, dass Wulff dem „Bild“Chefredakteur mit einer Strafanzeige bei Veröffentlichung von Details zu seinem Hauskauf und dem damit verbundenen Kredit drohte.
Unabhängig von der Frage ob die Drohung mit einer Strafanzeige als empfindliches Übel i.S.d. § 240 StGB anzusehen ist, scheitert eine Strafbarkeit eines vollendeten Delikts an der Tatsache, dass Diekmann einer von Wulff (offenbar) gewünschten Unterlassung bzw. Verzögerung einer Berichterstattung nicht entsprach, sondern vielmehr ein entsprechender Artikel veröffentlicht wurde.
II. §§ 240 I, III i.V.m. IV S. 2 Nr. 3, 22 StGB
Eine Strafbarkeit könnte sich indessen jedoch – aus dem oben geschilderten Verhalten des Bundespräsidenten – wegen einer versuchten Nötigung in einem besonders schweren Fall ergeben.
1. Tatbestandsmäßigkeit
Die Nötigung war nicht „erfolgreich“, ist somit nicht vollendet. Die versuchte Nötigung ist gemäß §§ 240 III, 12 II, 23 I Var. 2 StGB strafbar.
a) Tatentschluss
Fraglich ist, ob der Bundespräsident einen Tatentschluss im Hinblick auf die Verwirklichung einer Nötigung besaß.
Diesen kann man bezüglich der Gewaltvariante des § 240 I StGB nicht bejahen, da Wulff wohl nicht bezweckte, dass seine Äußerungen bei Diekmann einen „körperlichen Zwang“ entfalten sollten, wie etwa einen Zustand „seelischer Erregung“ (BGHSt 23, 126 (127).
Was die Drohung mit einem empfindlichen Übel anbelangt, stellt sich die Frage, ob Wulff mit der  Drohung eine Strafanzeige (§ 158 I StPO) zu erstatten, ein solches Übel herbeiführen wollte.
Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels auf dessen Eintritt sich der Drohende Einfluss zuschreibt.
Vorliegend könnte man meinen, dass Wulff mit seiner Aussage eine bloße Warnung gegenüber Diekmann äußern wollte, die vom Tatbestand des § 240 StGB nicht erfasst wäre. Als Abgrenzungskriterium  fungiert hierbei die Frage, ob sich der Täter Einfluss auf das angedrohte Übel zuschreibt (vgl. MüKo, § 240, Rn. 70ff.).
Bei dem Straftatbestand der Nötigung handelt es sich nicht um ein reines Antragsdelikt, dass ausschließlich auf  Antrag des „Verletzten“ – wie z.B. der Hausfriedensbruch i.S.d. § 123 StGB – verfolgt wird. Demnach kann ein Ermittlungsverfahren nach §§ 160 I, 163 I  StPO auch von Amts wegen durch die Strafverfolgungsbehörden eingeleitet werden, soweit nach kriminalistischer Erfahrung das Vorliegen einer Straftat möglich ist (§ 152 II StPO).
Vorliegend ist bereits fraglich, welche Straftatbestände die Journalisten durch die Recherche bzw. Veröffentlichung erfüllt haben sollen, so dass nicht angenommen werden kann, dass ein entsprechendes Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet worden wäre (sog. Legalitätsprinzip).
Wulff konnte mit seiner Drohung mithin davon ausgehen, auf die strafrechtliche Verfolgung Einfluss nehmen zu können. Eine bloße Warnung ist somit zu verneinen.
Die Drohung mit einer Strafanzeige wird von der Rechtsprechung als Drohung mit einem empfindlichen Übel i.S.d. § 240 StGB angesehen (BGHSt 5, 254). Dem könnte man zwar entgegenhalten, dass es sich um eine bloße Unannehmlichkeit handelte, zumal die Strafanzeige wohl mangels hinreichenden Tatverdachts nicht zu einer Anklage geführt hätte (§ 170 II StPO). Dagegen spricht jedoch, dass bei einer solchen Annahme die Vorschrift des § 154 c StPO leer laufen würde, nach der von der Strafverfolgung abgesehen werden kann, wenn eine „Nötigung […] durch die Drohung begangen wurde, eine Straftat zu offenbaren“.
Da Wulff davon ausging Einfluss auf die Einleitung eines Strafverfahrens nehmen zu können und mit einer Strafanzeige drohte, ist anzunehmen, dass ein Tatentschluss bezüglich der Drohung mit einem empfindlichen Übel vorlag.
Auch der Nötigungserfolg des Unterlassens bzw. Verschiebens der Berichterstattung war vom „endgültigen Willen“ des Bundespräsidenten umfasst.
b) Unmittelbares Ansetzen
Indem Wulff bei Diekmann anrief und auf die Mailbox sprach, hat er subjektiv die Schwelle zum Jetzt-gehts-los überschritten und objektiv so zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt, dass weitere Zwischenschritte zur Rechtsgutverletzung nicht mehr erforderlich waren.
2. Rechtswidrigkeit / Schuld
Eine Rechtfertigung der Tat könnte sich aus Notwehrgründen i.S.d. § 32 StGB ergeben. Hierbei fällt jedoch die Konstruktion eines gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs schwer. Selbst wenn man in der bevorstehenden Berichterstattung einen gegenwärtigen Angriff auf die Privatsphäre des Bundespräsidenten erblicken mag, ist die Annahme der Rechtswidrigkeit höchst zweifelhaft, zumal sich (bislang) nicht klären lässt, was sich die Journalisten zu Schulde haben kommen lassen.
Die Tat ist aus Notwehrgründen nicht gerechtfertigt.
Auch eine Rechtfertigung aufgrund eines Notstands i.S.d. § 34 StGB erscheint zumindest vor dem Hintergrund fraglich, dass es sich bei dem Bundespräsidenten um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Eine Abwägung käme demnach zu dem Ergebnis, dass das Interesse an einer Veröffentlichung des Artikels gegenüber den Interessen des Bundespräsidenten vorrangig zu beachten wäre.
Was die Prüfung der Verwerflichkeitsklausel i.S.d. § 240 II StGB angeht, müsste eine verwerfliche Zweck-Mittel-Relation in dem Verhalten von Wulff erblickt werden.
Bereits das Mittel der Drohung mit einer – nach hier vertretener Auffassung –  rechtswidrigen Strafanzeige, die für Wulff zugleich eine mögliche Strafbarkeit nach §§ 164, 145d  StGB nach sich ziehen kann, ist als sittlich missbilligenswert anzusehen.
Auch der Zweck eine zulässige Berichterstattung durch die „Bild“ Zeitung zu unterbinden bzw. zu verschieben ist vor dem Hintergrund der sich aus Art. 5 I GG ergebenden Pressefreiheit, als verwerflich anzusehen.
Die erforderliche Zweck-Mittel-Relation i.S.d. § 240 II StGB kann demnach bejaht werden.
An der Schuld des Bundespräsidenten bestehen keine Zweifel.
4. Rücktritt
Ein Rücktritt von der versuchten Nötigung könnte er in der Aussage Wulffs gesehen werden, dass der Anruf bei dem Chefredakteur der ‚Bild‘-Zeitung ein schwerer Fehler war, der ihm leidtue und  für den er sich entschuldige.
Dieses Verhalten war für einen Rücktritt jedoch bereits deshalb ungeeignet, da aus der Sicht des Bundespräsidenten eine Erfolgsherbeiführung aus tatsächlichen Gründen nicht bzw. nicht mehr möglich war (fehlgeschlagener Versuch).
5. Strafzumessungsgründe
Die Drohung des Bundespräsidenten könnte zudem als besonders schwerer Fall der Nötigung i.S.d. § 240 III S. 2 Nr. 3 StGB qualifiziert werden, insoweit er seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht hat.
Der Bundespräsident ist ein Amtsträger i.S.d. § 11 I Nr. 2b (MüKo, § 11 StGB, Rn. 11 m.w.N.).
Die bisherigen medialen Ausführungen über den „Drohanruf“ lassen jedoch nicht erkennen, dass Wulff gesetzes- oder pflichtwidrig seine Befugnisse missbraucht hat (Var. 1) oder ihm nicht zustehende Befugnisse sich angemaßt und als Nötigungsmittel eingesetzt hat (Var. 2). Die „bloße“ Drohung als Amtsträger reicht für eine Bejahung des besonders schweren Falles jedoch nicht aus.
Ein besonders schwerer Fall i.S.d. § 240 III S. 2 Nr. 3 StGB wäre demnach zu verneinen. Für einen atypischen Fall i.S.d. § 240 III S. 1 StGB sind zudem keine Anhaltspunkte ersichtlich.
5. Ergebnis
Der Bundespräsident hat sich durch seinen Anruf bei der „Bild“-Zeitung wegen einer versuchten Nötigung nach §§ 240 I, III i.V.m. IV S. 2 Nr. 3, 22 StGB strafbar gemacht.
B: Prozessuales
Der Bundespräsident unterliegt nach Art. 60 IV i.V.m. Art. 46 II GG der strafrechtlichen Immunität, so dass bis zur Beendigung seiner Amtszeit eine strafrechtliche Verfolgung der versuchten Nötigung  ausgeschlossen ist. Indessen ist jedoch eine Immunitätsaufhebung, infolge des ausdrücklichen Verweises in Art. 60 GG auf Art. 46 GG, durch den Bundestag möglich.
Würde eine solche nicht erteilt werden, steht einer Verjährung der Straftat nach § 78 II Nr. 5 StGB  zumindest entgegen, dass bereits Strafanzeigen gestellt wurden, die die Verjährung ruhen lassen, § 78b II Nr. 2 StGB.
Ein Strafverfahren könnte demnach nach Ende der Amtszeit gegen den Bundespräsidenten fortgeführt werden.
C: Fazit
Eine Strafbarkeit des Bundespräsidenten wegen einer versuchten Nötigung kann bislang (auf Grundlage der medialen Berichterstattung) nicht ausgeschlossen werden.
Die Aussage von Wulff, sich keines Rechtsverstoßes strafbar gemacht zu haben, ist somit kaum haltbar.

10.01.2012/5 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-01-10 12:00:232012-01-10 12:00:23Causa Wulff – Tatsächliche Strafbarkeit oder Form der Diskreditierung?
Dr. Simon Kohm

Jochimsen: DDR kein „Unrechtsstaat“

Öffentliches Recht




Die Präsidentschaftskandidatin der Linkspartei Luc Jochimsen ist laut eines FAZ-online Artikels der Meinung, dass die DDR kein „Unrechtsstaat“ in „juristischer und staatsrechtlicher“ Hinsicht  sei. Abgesehen davon, dass gefragt werden kann, ob nun „staatsrechtlich“ nicht „juristisch“ ist, kann man sich fragen, was diese juristische Begriffsjongliererei (vgl. Guttenberg zum Begriff „Krieg“ ; wobei dieser Vergleich eher hinkt, da hier das Tatbestandsmerkmal „Krieg“ wirkliche völkerrechtliche Relevanz hat) bewirken soll. Denn in der gesellschaftlichen Diskussion wird sich kaum jemand ernsthaft auf juristische Diskussionen berufen und diese als allgemeingültig verkaufen wollen (aus persönlicher Erfahrung weiß man, wo so was endet…).  Soll nun versucht werden, dem Bürger klarzumachen, dass die juristische Unrechtsdefinition (so denn es eine gibt…) nicht auf die DDR passt; dazu müsste sich dieser ja in das sprachliche Wirrwarr der Juristerei herab begeben sich dort mit langen Kettenwörtern, Schachtelsätzen und ähnlichen Sprachvergewaltigungen herumschlagen. So kann man doch keine gesellschaftliche Debatte anstoßen.
Gibt man den Begriff zusammen mit „DDR“ einfach mal ganz unbedarft bei Juris ein, spuckt die allwissende Suchmaschine unter anderem folgendes aus:
BGH, Senat für Anwaltssachen, Beschluss vom 21.11.1994, Rn. 13:
c) Die Antragstellerin trifft an ihren richterlichen Maßnahmen der politischen Strafverfolgung auch ein persönliches Verschulden. Sie hat sich dem Unrechtsstaat der DDR über viele Jahre hinweg freiwillig als Richterin zur Verfügung gestellt.
Eine genaue Definition findet sich allerdings kaum. Der reinen Wortbedeutung nach wäre ein Unrechtsstaat ein Staat, der kein Rechtsstaat ist. Dieser wird in den Lehrbüchern und Kommentaren zum Staatsrecht recht eingehend behandelt. Relevante Merkmale sind unter anderem im Bezug auf die BRD:
–          Gewaltenteilungsprinzip
–          Gesetzmäßigkeit, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes
–          Verhältnismäßigkeitsprinzip
–          Rechtsweggarantie Art 19 Abs. 4 GG und Justizgrundrechte
–          Existenz von Grundrechten
Man wird sich dem Begriff des „Unrechtsstaates“ also im Ergebnis nur über den Begriff des „Rechtsstaates“ nähern können. Denn es kann wohl davon ausgegangen werden, dass ein Unrechtsstaat nicht ein solcher ist, in dem Unrecht geschieht, also gegen das Gesetz gehandelt wird. Vielmehr läge ein Unrechtsstaat erst dann vor, wenn wesentliche Grundsätze eines Rechtsstaates (oben) aufgegeben würden, bzw. schon die etablierte Rechtsordnung dazu neigt oder geschaffen ist, Freiheitsrechte aktiv und bewusst einzuschränken, staatliche Repressionen zulässt und billigt und den Bürgern keine Möglichkeit eröffnet, dagegen vorzugehen. Ob nun die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen ist, ist meiner Meinung nach also vor allem eine historische und politische Frage. Die juristischen Definitionen, die ohnehin kaum relevant würden (wo denn genau im Staatsrecht?), sind sowieso derart offen, dass im Ergebnis eine Gesamtschau zu erfolgen hat.

17.06.2010/1 Kommentar/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2010-06-17 10:08:482010-06-17 10:08:48Jochimsen: DDR kein „Unrechtsstaat“

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