Der BGH hat in einem Urteil vom 10. März entschieden, dass ein Käufer, der Mängelrechte geltend macht, dem Verkäufer die Kaufsache zur Untersuchung zur Verfügung stellen muss.
Sachverhalt
Der Kläger bestellte bei der beklagten Autohändlerin im April 2005 einen Renault-Neuwagen zum Preis von 18.500 €. Das Fahrzeug wurde ihm im Juni 2005 übergeben. Kurz darauf beanstandete der Käufer Mängel an der Elektronik des Fahrzeugs. Die Verkäuferin antwortete, dass ihr die Mängel nicht bekannt seien, und bat den Käufer, ihr das Fahrzeug nochmals zur Prüfung vorzustellen. Dem kam der Käufer nicht nach. Er vertrat die Auffassung, es sei ihm unzumutbar, sich auf Nachbesserungen einzulassen, weil er befürchte, dass Defekte der Elektronik trotz Nachbesserungen immer wieder auftreten würden; mit dieser Begründung verlangte er unter Fristsetzung „eine komplette Lieferung eines anderen Fahrzeugs, das der Bestellung entspricht“. Die Verkäuferin antwortete, sie könne auf die begehrte Ersatzlieferung nicht eingehen, erklärte sich aber für den Fall, dass nachweislich ein Mangel vorliegen sollte, zu dessen Beseitigung bereit. Es kam noch zu weiterer Korrespondenz, ohne dass eine Einigung erzielt wurde. Im November 2005 erklärte der Käufer den Rücktritt vom Vertrag. Er begehrt mit seiner Klage die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Entscheidung / Lösung
Ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs könnte sich nach ausgeübten Rücktritt aus §§ 346 ff., 433 I S. 2, 434, 437 Nr. 2 1. Alt, 323 BGB ergeben.
1. Ein wirksamer Kaufvertrag und ein Sachmangel i.S.d. § 434 BGB liegen vor.
2. Für § 442 BGB sowie die Unwirksamkeit des Rücktritts nach §§ 438 IV S. 1, 218 BGB ist nichts ersichtlich.
3. Der Kläger kann gemäß § 437 Nr. 2 1. Alt BGB vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die weiteren Voraussetzungen des Rücktritts gegeben sind. Gemäß § 323 I BGB müsste der Gläubiger dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt haben. Zwar hat der Kläger laut Sachverhalt eine Frist gesetzt.
Problem: Nacherfüllungsverlangen des Käufers
Jedoch hat der Käufer – so der BGH – versäumt, dem Verkäufer in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung gemäß § 439 BGB zu geben. Das Nacherfüllungsverlangen als Voraussetzung für die in § 437 Nr. 2 und 3 BGB aufgeführten Rechte des Käufers beschränke sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasse auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer die Kaufsache zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen. Denn dem Verkäufer solle es mit der ihm vom Käufer einzuräumenden Gelegenheit zur Nacherfüllung gerade ermöglicht werden, die verkaufte Sache daraufhin zu untersuchen, ob der behauptete Mangel besteht und ob er bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, auf welcher Ursache er beruht sowie ob und auf welche Weise er beseitigt werden kann. Der Verkäufer könne von der ihm zustehenden Untersuchungsmöglichkeit nur Gebrauch machen, wenn ihm der Käufer die Kaufsache zu diesem Zweck zur Verfügung stellt.
Im entschiedenen Fall hat der Käufer der Verkäuferin keine Gelegenheit zu einer Untersuchung des Fahrzeugs im Hinblick auf die erhobenen Mängelrügen gegeben. Er hat eine Untersuchung in unzulässiger Weise von der Bedingung abhängig gemacht, dass sich die Verkäuferin zuvor mit der von ihm gewählten Art der Nacherfüllung – der Lieferung eines neuen Fahrzeugs – einverstanden erklärt. Darauf brauchte sich die Verkäuferin nicht einzulassen. Sie war nicht verpflichtet, der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung zuzustimmen, bevor ihr Gelegenheit gegeben wurde, das Fahrzeug auf die vom Käufer gerügten Mängel zu untersuchen. Denn von den Feststellungen des Verkäufers zur Ursache eines etwa vorhandenen Mangels und dazu, ob und auf welche Weise dieser beseitigt werden kann, hängt auch ab, ob sich der Verkäufer auf die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung einlassen muss oder ob er sie nach § 275 Abs. 2 und 3 oder § 439 Abs. 3 BGB verweigern kann.
Da mithin die Voraussetzungen des § 323 I BGB nicht erfüllt sind, ist der Käufer nicht wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Somit hat er auch keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises.
Examensrelevanz
Oftmals ist in den Examensklausuren im Zivilrecht mit Gebrauchtwagenfällen im Rahmen einer Rücktrittsprüfung eher die Kenntnis der Systematik von § 323 Abs. 1 zu § 323 Abs. 2 BGB bzw. § 323 Abs. 5 BGB gefragt. Dieses BGH Urteil zeigt aber, dass die Wirksamkeit des Rücktritts nicht nur daran scheitern kann, dass der Käufer dem Verkäufer keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat, sondern auch daran, dass dem Verkäufer nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise Gelegenheit zur Nacherfüllung gemäß § 439 BGB gegeben worden ist. So müssen dann hier auch noch die Voraussetzungen des § 439 BGB inzident geprüft werden.
BGH – Urteil vom 10. März 2010 – VIII ZR 310/08
LG Berlin, Urteil vom 30. Oktober 2007 – 18 O 216/07
KG Berlin, Urteil vom 29. Oktober 2008 – 26 U 24/08
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