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Schlagwortarchiv für: BGH-Klassiker

Redaktion

Simulation mündliche Prüfung: Privatier P hält die Ohren steif – Zur analogen Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage

BGH-Klassiker, Examensvorbereitung, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Die Simulation ist einer brandaktuellen Entscheidung des BGH nachgebildet. Das Gericht äußert sich zu grundlegenden Fragen des allgemeinen Schuldrechts und nimmt darüber hinaus erstmalig zu einem neuen, bislang wenig Beachtung gefundenen Vertragstypus Stellung. Die Entscheidung ist bereits deshalb besonders examensrelevant und kann nicht nur Gegenstand einer mündlichen Prüfung, sondern auch universitärer Klausuren sein. Ein vertiefter Blick in das Urteil ist deshalb dringend geboten.  
 
Prüfer:  Willkommen zur Prüfung im Zivilrecht. Lassen Sie mich einen Fall referieren, der mir neulich zu Ohren kam. Die Entscheidung ist einem Fall des XIII. Senats des BGH v. 01.04.2019 (Az. 70 PSG 200) nachgebildet. Der Fall ist recht umfangreich, also spitzen Sie die Ohren:
Der dauerhaft in Berlin lebende, vom Hals abwärts gelähmte französische Staatsbürger P sowie sein senegalesisch-stämmiger Pfleger D beschließen, sich nach einem anstrengenden Arbeitstag eine kleine Belohnung zu genehmigen. Pfleger D beschafft dazu – neben mehreren Marihuana-Zigaretten (sog. „Johnys“) – zwei mit den thailändischen Massagekünsten bestens vertraute Prosituierte (B und J), die dem D aus älteren „Geschäftsbeziehungen“ bereits hinlänglich bekannt sind. Gegen 21:30h treffen B und J am prunkvollen Anwesen des P ein.
P und D konsumieren über den Abend verteilt mehrere „Blunts“, wobei zunächst D den Löwenanteil der Rauchwaren verputzt. Während P wie gewohnt in seinem Rollstuhl sitzt, lässt sich D auf einem barocken Ohrensessel neben D nieder. Sodann positionieren sich B und J hinter D und P. Während D sich unverzüglich seines Oberteils entledigt, beschließt P, sich das Oberhemd nur ein wenig aufknöpfen zu lassen. B und J beginnen, P und D zu massieren. D nutzt dabei die Gelegenheit, und zündet eine weitere „Kräuterrakete“ an. Entsprechend seinen Wünschen massiert B den D von Kopf bis zu seiner stählernen Brust. P bevorzugt es hingegen, die Massageeinheit auf seine besonders empfindlichen Ohrläppchen zu beschränken. Als J beginnt, ihre Hände von den Ohrläppchen des P an dessen Körper herabgleiten zulassen, interveniert D energisch: „Nein, nein, nein, bleib schön am Ohr. Das mag er.“ – während er P eine frische „Tüte“ anreicht. J kommt diesem Wunsch nach.
Aufgrund des durch die hohe Anzahl an „Doobys“ ausgelösten Rausches, schläft der Gelegenheitsstoner P nach achtminütiger Massageeinheit unvermittelt ein. J stellt daraufhin die Arbeit ein, steckt das auf dem Couchtisch des P platzierte Entgelt in Höhe von 150 € ein und verlässt das Anwesen des P. D – der mittlerweile zusammen mit B den Raum gewechselt hat – bekommt von alldem nichts mehr mit.
P verlangt von J nun anteilige Rückzahlung des bereits gezahlten Entgelts in Höhe von 50 €: Die Leistung sei nicht vollständig erbracht worden. Seine Ohren seien nicht bis zur endgültigen Befriedigung gekrault worden – nicht mal ein leichtes, frohlockendes Zucken seiner Ohrläppchen habe er verspüren können. Auch sei die Dauer von lediglich acht Minuten nicht angemessen, ein derart hohes Entgelt zu rechtfertigen.
J entgegnet, sie habe ausreichend lange „an den Löffeln herumgefummelt“. Dass ihre Leistung durchaus zufriedenstellend war, könne man daran erkennen, dass P bereits nach kurzer Zeit in das Land der Träume versunken sei. Gewährleistungsansprüche bestünden bereits gar nicht. Hilfsweise rechnet sie mit einem Schadensersatzanspruch auf: Durch die für sie ungewohnte Tätigkeit habe sie sich eine Sehnenscheitentzündung zugezogen, sie habe dadurch einen mehrnächtigen Arbeitsausfall erlitten.
Herr Wenneck, haben Sie den Fall verstanden? Dann lassen Sie uns mal an Ihren Gedanken teilhaben: Was für ein Vertrag kommt hier in Betracht?
Herr Wenneck: Also, es kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht…
Prüfer: Sie wollen mich wohl übers Ohr hauen! Sie haben da etwas grundlegend falsch verstanden. Frau Garner, was sagen Sie dazu?
Frau Garner: Der Vertragstypus ist anhand des Parteiwillens zu bestimmen. Zu fragen ist also, was die Parteien hier vereinbart haben. Ich würde zwischen einem Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB und einem Werkvertrag nach den §§ 631 ff. BGB differenzieren. Beim Dienstvertrag ist lediglich ein Tätigwerden geschuldet, während beim Werkvertrag ein bestimmter Erfolg herbeigeführt werden muss.
Prüfer: Da werde ich hellhörig. Überlegen Sie doch einmal, in welchem Gewerbe die Damen normalerweise tätig sind. Wäre das auch hier zu berücksichtigen, Herr Carlos?
Herr Carlos:  Es ließe sich natürlich auch über einen Prostitutionsvertrag nachdenken. Der Prostitutionsvertrag ist in Deutschland ein lediglich einseitig verpflichtender Vertrag, d.h. nur der Freier wird verpflichtet die Gegenleistung, also die Bezahlung, zu leisten, während die Erbringung der sexuellen Leistung vom freien Willen der Prostituierten abhängt.
Prüfer: Sehr richtig. Und wie wäre es in unserem Fall?
Herr Carlos: Hier stellt sich natürlich die Frage, ob es sich überhaupt um eine sexuelle Leistung handelt. Denn selbstverständlich kann eine Prosituierte auch andere Verträge schließen: Wenn ich zu einer Prosituierten gehe und von ihr verlange, dass sie mir nur für ein paar Minuten ein Ohr leiht, dann ist das mit Nichten ein Prostitutionsvertrag.
In unserem Fall ist meiner Meinung nach ein Prostitutionsvertrag abzulehnen. Das reine Kraulen an den Ohren stellt keine sexuelle Leistung dar. Es ist eine Leistung, die von der überwiegenden Mehrzahl der Bürger nicht in einem sexuellen Kontext gesehen wird. Denn auch die handelsübliche Thai-Massage fällt nicht in den Rahmen des Prostitutionsschutzgesetzes – und diese ist meines Erachtens doch intimer als ein bloßes Streicheln der Ohrläppchen.
Prüfer: In der Tat! Man merkt, Sie wissen wovon Sie reden. Kommen wir nochmal auf unsere Ausgangsfrage zurück: Werk- oder Dienstvertrag? Mr. Chow, Sie haben sich bislang noch sehr bedeckt gehalten. Lassen Sie mal die Katze aus dem Sack!
Mr. Chow: Ich will sofort mein Handtäschchen wieder!
Prüfer: Wie bitte?
Mr. Chow: Gebt mir sofort mein Handtäschchen wieder!
Prüfer: Ich ziehe ihnen gleich das Fell über die Ohren. Herr Wenneck, können Sie uns hier weiterhelfen?
Herr Wenneck: Entscheidend ist, was Frau J schuldet. Mit Blick auf einen Werkvertrag ist bereits fraglich, welcher Erfolg von J überhaupt zu erbringen wäre. Das Ohrkraulen „an sich“ ist jedenfalls kein Erfolg. Es müsste vielmehr ein hierüber hinausgehender Erfolg geschuldet sein. Zu denken wäre etwa an ein – und hier spreche ich untechnisch – „Happy End“. Ein dahingehender Parteiwille ist jedoch nicht ersichtlich. In Betracht kommt also allenfalls ein Dienstvertrag.
Prüfer: Frau Garner, stimmen Sie Ihrem Kollegen zu?
Frau Garner: Da ist der Kollege wohl noch ein bisschen grün hinter den Ohren. In einer aktuellen Entscheidung hat der BGH einen sog. „Ohrläppchenvertrag“ sui generis angenommen. Dieser Vertragstypus bildet die Schnittstelle zwischen Werk- und Dienstvertrag. Es ist in der Tat richtig,  dass eine Tätigkeit geschuldet ist. Die Hauptleistungspflicht beim „Ohrläppchenvertrag“ geht jedoch über das bloße Massieren der Lauscher hinaus. Notwendig ist nämlich, dass zumindest zeitweilig ein wohliges – vielleicht gar genüssliches – Stöhnen das Bekraulten zu vernehmen ist. Tritt dies ein, ist der Vertrag zwar nicht automatisch erfüllt. Wäre dies so, hätten wir es mit einem Werkvertrag zu tun. Auch bei Eintritt derartiger Geräusche kann es nach den Umständen des Einzelfalls sein, dass weitere Kraultätigkeiten noch zu erbringen sind. Deutlich wird: Keiner der ausdrücklich normierten Vertragstypen passt, mit der Folge, dass der Pflichtenkanon des „Ohrläppchenvertrags“ losgelöst von den Vertragstypen des BGB zu bestimmen ist.
Prüfer: A la bonne heure, Sie sind ein richtiges Schlitzohr! Jetzt, da wir den Vertragstyp bestimmt haben, stellt sich die Frage, ob Frau J den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hat oder ob der P hier das vereinbarte Entgelt mindern durfte. Herr Carlos, was sagen Sie dazu?
Herr Carlos: Zunächst muss erörtert werden, ob ordnungsgemäß erfüllt worden ist. Anschließend lässt sich gegebenenfalls darüber nachdenken, ob der „Ohrläppchenvertrag“ ein Mängelgewährleistungsrecht kennt.
Die Frage, ob hier ordnungsgemäß erfüllt wurde, würde ich verneinen: Wie Frau Garner dargelegt hat, muss das Kraulen der Ohrläppchen zu einem „wohligen Stöhnen“ des Bekraulten führen. Der P führt aber aus, dass es nicht mal zu einem „leichten, frohlockenden Zucken der Ohrläppchen“ gekommen sei. Ein Einschlafen des Leistungsempfängers genügt den Anforderungen nicht, die an den Erfolg angelegt werden. 
Prüfer: Das ist Musik in meinen Ohren! Sehr schön Herr Carlos. Also hat Frau J den Vertrag somit nicht ordnungsgemäß erfüllt. Frau Garner, gehen Sie einmal davon aus, dass wir es bei der J mit einer geübten Ohrmasseurin zu tun haben, die dem P sicherlich noch ein kleines Stöhnen hätte entlocken können. Woran könnte man in diesem Fall denken?
Frau Garner: Das entscheidende Momentum ist in dem Einschlafen des P zu sehen. Wäre P nicht eingenickt, hätte J den geschuldeten Erfolg noch herbeiführen können. An eine Mängelgewährleistung ist deshalb nur zu denken, wenn das Einschlafen des Leistungsberechtigten beim „Ohrläppchenvertrag“ der Risikosphäre der Kraulerin zugerechnet werden müsste. Beim „Ohrläppchenvertrag“ hat die Kraulerin zwar die Ohren, nicht hingegen das Einschlafen des Bekraulten in der Hand. Zudem würde eine sehr beruhigende Kraulweise, die regelmäßig notwendig ist, um ein frohlockendes Zucken herbeizuzaubern, ihre Wirkung rechtlich betrachtet ins Gegenteil verkehren. Andernfalls würde man von der Kraulerin einen Satz heiße Ohren verlangen – das wird auch vom Berkraulten nur in einzelnen Sonderfällen gewünscht sein.
Prüfer: Ihr Wort in Gottes Ohr, Frau Garner! Und in welchen Teil des allgemeinen Schuldrechts würden Sie in der Konsequenz schauen, Herr Wenneck?
Herr Wenneck: § 313 BGB scheint mir hier sehr passend. Wenn ich mich recht entsinne, hat auch der BGH hier eine analoge Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angenommen. Die Geschäftsgrundlage – hier das Wachbleiben des Bekraulten – ist entfallen. Treffend lässt sich hier vom „Wegschlafen der Geschäftsgrundlage“ sprechen. Daher auch die analoge Anwendung.
Prüfer: Herr Wenneck, Sie haben es faustdick hinter den Ohren! Ich möchte ein Zitat des BGH anmerken. Dieser führte aus: „Wer im Geiste ruht, dessen Ohrläppchen können nicht wachen.“ Ist das nicht schön formuliert? Nun gut, ich merke, ich schweife ab. Reicht uns ein Wegschlafen der Geschäftsgrundlage bereits für eine entsprechende Anwendung des § 313 BGB, Herr Carlos?
Herr Carlos: Tut mir Leid, ich hatte gerade auf Durchzug geschaltet. 
Prüfer: Herr Carlos, Sie sollten aufmerksam bleiben, wenn ihr Kollege subsumiert. Schreiben Sie sich das hinter die Löffel! Neben dem Wegfallen – oder hier dem Wegschlafen – erfordert die Anwendung des § 313 BGB als weitere Voraussetzung…
Herr Carlos: Das Wegschlafen darf nicht in den Risikobereich einer der Parteien fallen. Dass das Wegschlafen nicht in den Risikobereich der Kraulerin fällt, haben wir bereits festgestellt – da war ich noch am Ball. Wir müssen nun noch klären, ob ein Wegnicken in den Risikobereich des Bekraulten fällt. Die Umstände des Falles können hier dafür sprechen: P und D hatten einige „Sandwiches“ gemampft – eine Tatsache, die, wie jedem bekannt sein dürfte, schnell zu großer Müdigkeit führen kann.
Prüfer: Das ist doch an den Ohren herbeigezogen. Frau Garner, klären Sie uns auf!
Frau Garner: Abzustellen ist auf den jeweiligen Verkehrsteilnehmerkreis: Es ist gerade nicht atypisch, dass vor und während des „Ohrläppchenkraulens“ auch „gedübelt“ wird. Für die Annahme, dass die hiermit verbundene Gefahr des Wegnickens in den Risikobereich einer der Vertragsparteien fallen soll, bedarf es deshalb besonderer Anhaltspunkte. Zu denken ist etwa an die Einnahme von Schlaftabletten, ein besonders langweiliges Kraulprogramm oder eine äußerst einschläfernde Hintergrundmusik, wie man sie von zweitklassigen Thaimassagestudios kennt. All das haben wir hier jedoch nicht. Vor diesem Hintergrund kommen wir zu dem Ergebnis, dass das Wegschlafen des P nicht in dessen vertragliche Risikosphäre fällt. Die Voraussetzungen des § 313 BGB analog liegen vor.
Prüfer:  Sehr schön, Frau Garner. Herr Carlos, machen Sie den Sack zu.
Herr Carlos: Ein Wegschlafen der Geschäftsgrundlage führt in analoger Anwendung des § 313 BGB zu einer Anpassung des Vertrags oder – soweit dies nicht möglich ist – zu einem Rücktrittsrecht des Bekraulten. Hier vergingen acht Minuten bis zum Wegschlafen, die Vergütung ist dementsprechend zu mindern. Der Bekraulte hat somit einen Rückzahlungsanspruch gegen die Kraulerin.
Prüfer: In der Tat! Kommt denn eine Aufrechnung mit dem Schadensersatzanspruch der Kraulerin J in Betracht? Herr Wenneck, lassen Sie uns an Ihren Gedanken teilhaben.
Herr Wenneck: Also um einen Schadensersatzanspruch zu begründen, bedarf es einer Pflichtverletzung des Bekraulten. Es ist doch gerade Gegenstand des Vertrages, sich die Ohren massieren zu lassen, mehr hat der P nicht getan – wie denn auch? „Keine Arme, keine Schokolade.“ Eine Pflichtverletzung haben wir somit nicht. Im Ergebnis kann somit auch keine Aufrechnung erfolgen.
Prüfer:  Sehr ohrdentlich, Herr Wenneck. Das soll uns für die Zivilrechtsprüfung genügen. Wenn Sie mehr zu diesem Ohrbiter Dictum des XIII. Senats lesen möchten, sollten Sie die Entscheidung unbedingt bei Gelegenheit nachlesen.

01.04.2019/8 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-04-01 09:30:252019-04-01 09:30:25Simulation mündliche Prüfung: Privatier P hält die Ohren steif – Zur analogen Anwendung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
Nicolas Hohn-Hein

Und täglich grüßt der Flugreisefall

Bereicherungsrecht, Rechtsgebiete, Startseite, Tagesgeschehen, Zivilrecht

Jeder Jurastudent wird ihn schon in den ersten Semestern kennengelernt haben: den berüchtigten Flugreisefall (BGH-Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128 = NJW 1971, 609).
Dass diese Konstellation allzu aktuell ist, zeigte jüngst ein ähnlicher Fall, der durch die Medien ging (nachzulesen zum Beispiel hier). Darin geht es darum, dass sich ein Minderjähriger unbemerkt Zugang zu einem Linienflugzeug verschafft und durch die Weltgeschichte reist.
Ein guter Zeitpunkt also, noch einmal das eigene Wissen aufzufrischen. Wir haben bereits hier die wesentlichen Punkte dieses absoluten Klassikers besprochen.

09.10.2013/2 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-10-09 21:40:362013-10-09 21:40:36Und täglich grüßt der Flugreisefall
Samuel Ju

Zivilrecht-Klassiker: Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45)

BGH-Klassiker, Sachenrecht, Schon gelesen?, Zivilrecht

Nach langer Zeit mal wieder ein Rechtsprechungsklassiker. Der Fräsmaschinenfall ist ein Klassiker des Zivilrechts aus dem Jahre 1968. Jeder Jurastudent, der die Sachenrechtvorlesung schon hinter sich gebracht hat, hat von ihm schon einmal gehört. Ging es in dem Fall nicht um den Nebensitz? Ja, unter anderem. Doch der Fräsmaschinenfall behandelt neben der Frage, ob es die Konstruktion des Nebenbesitzes gibt, noch einige andere examensrelevante sachenrechtliche Probleme:
– Was versteht man eigentlich unter Übereignung i.S.d. § 929 S. 1 BGB und was i.S.d. § 933 BGB?
– Verschiedene Formen des gutgläubigen Erwerbs: § 929 S. 1 BGB mit Eigentumsvorbehalt § 158 Abs. 1 BGB / §§ 929 S. 1, 930, (933) BGB / §§ 929 S. 1, 931, (934) BGB
– Verschiedene Formen des Besitzes: Eigenbesitz VS Fremdbesitz, unmittelbarer VS mittelbarer Besitz
Im Folgenden soll eine Lösung des Fräsmaschinenfalls mit Schwerpunkt auf die examensrelevanten Probleme herausgearbeitet werden. Es empfiehlt sich, zur besseren Nachvollziehung der Lösung beim Lesen des Sachverhalts eine Skizze anzufertigen, da hier vier Personen / Parteien im Spiel sind.
Sachverhalt
V verkauft K eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt und übergibt diese K. Dieser zahlt den Kaufpreis nicht. Stattdessen übereignet er die Fräsmaschine zur Sicherung einer Darlehensforderung an die C-Bank, ohne die Berechtigung des V offen zu legen. K bleibt der Abrede gemäß die ganze Zeit im Besitz der Sache. Die C-Bank übereignet die Fräsmaschine unter Abtretung des Herausgabeanspruchs an D. Wie ist die Eigentumslage?
Lösung
1. Ursprünglich war die Fräsmaschine im Eigentum des V.
2. Übereignung V an K, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB (-)
Übereignung scheitert bereits an der ersten Voraussetzung der dinglichen Einigung.
Die dingliche Einigung stand unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung durch K an V. Hier ist die Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB nicht eingetreten.
3. Übereignung K an die C-Bank, §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB, i. Erg. (-)
a. Dingliche Einigung (+)
b. Übergabe (-), da kein vollständiger Besitzverlust bei K
c. Übergabesurrogat des § 930 BGB anstelle der Übergabe?
– Sicherungsabrede als „sonstiges Verhältnis“ i.S.d. § 930 BGB
– Sicherungsabrede = Besitzmittlungsverhältnis (BMV)
d. Berechtigung des K (-)
e. Aber gutgläubiger Erwerb der C-Bank gem. §§ 929 S.1, 930, 933 BGB?
– C-Bank war gutgläubig. Laut SV hatte K die Berechtigung des V nicht offen gelegt.
– Jedoch Übergabe (-)
Die Übergabe i.S.d. § 933 BGB entspricht der Übergabe im § 929 BGB, so dass hier zwar ein mittelbarer Besitzerwerb der C-Bank genügt, jedoch auch ein vollständiger Besitzverlust des K erforderlich ist. Da K jedoch weiterhin unmittelbarer Besitz der Fräsmaschine blieb, hat er seinen Besitz nicht vollständig aufgegeben.
4. Übereignung C-Bank an D, §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB, i. Erg. (+)
a. (P) Berechtigung der C-Bank (-)
Ein Eigentumserwerb gem. §§ 929 S. 1, 931 BGB von der C-Bank als Berechtigtem scheidet aus, da die C-Bank nicht Eigentümer der Fräsmaschine war.
b. Jedoch gutgläubiger Erwerb des D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB
– Gutgläubigkeit des D (+)
– Voraussetzung des § 934 Alt. 1 BGB: „mittelbarer Besitzer“
(P 1) Ist die C-Bank überhaupt mittelbarer Besitzer?
– BMV zwischen K und C-Bank (+) s.o., aber Übereignung (-) s.o.
=> Ist daher BMV nutzlos?
=> Schlägt die Unwirksamkeit der Übereignung über § 139 BGB auch auf den schuldrechtlichen Sicherungsvertrag durch?
i. Erg. (-). Argumente: Abstraktionsprinzip, zudem hat die C-Bank immerhin ein Anwartschaftsrecht erworben.
Ein Anwartschaftsrecht besteht, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer den Erwerb des Vollrechts nicht mehr einseitig verhindern kann. (BGHZ 49, 202). -> hier (+)
=> somit C-Bank mittelbarer Besitzer
(P 2) Nebenbesitz
§ 934 BGB spricht von „mittelbarer Besitzer“, zu lesen ist dies jedoch als „mittelbarer Alleinbesitzer“
Scheitert die Anwendung des § 934 Alt. 1. BGB nicht daran, dass C nicht mittelbaren Alleinbesitz, sondern lediglich mittelbaren Nebenbesitz hatte?
Verständnisfrage: Warum stellt sich hier die Frage des Nebenbesitzes überhaupt? Wer ist hier Nebenbesitzer?
a. Ursprünglich bestand wegen des vereinbarten Eigentumsvorbehalts zwischen V und K ein BMV: Bis zum Eintritt der Bedingung ist im Verhältnis V – K der V als Vorbehaltskäufer mittelbarer Eigenbesitzer der Fräsmaschine, K unmittelbarer Fremdbesitzer.
b. Daneben könnte D durch die Abtretung der C-Bank von ihrem mittelbaren Besitz an der Fräsmaschine gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB mittelbarer Nebenbesitzer geworden sein.
d.h. Nebenbesitzer 1: V, Nebenbesitzer 2: D
Dies wäre jedoch nur dann möglich, wenn man die Konstruktion des Nebenbesitzes bejaht.
e.A.: Nebenbesitz möglich
– Besitzposition des V gehe nicht automatisch bei Begründung eines neuen BMV verloren. Vielmehr sei es denkbar, dass K sowohl vorliegend die C-Bank als Sicherungsnehmer als anerkennt als auch die Weisungen des Vorbehaltsverkäufers befolge.
h.M. lehnt die Konstruktion des Nebenbesitzes ab
Argumente:
– Rechtssystematik: BGB spreche nur von „dem Besitz“, niemals vom „Nebenbesitz“
– Aufteilung der Besitzposition sei nur in den vom Gesetz abschließend geregelten und vorgesehenen Fällen anzuerkennen, nämlich § 866 BGB und § 871 BGB
– Zudem könne K als Besitzmittler nicht gleichzeitig den Willen haben, die Sache an mehrere Personen herauszugeben. Inhalt beider BMVe sei ja gerade, dass die Sache im Sicherungsfall (bei V bei Rücktritt vom Vertrag, § 449 Abs. 2 BGB; bei der C-Bank, wenn die Darlehensraten nicht ordnungsgemäß beglichen wurden, bzw. das Darlehen fällig gestellt wurde) herauszugeben ist.
Der Meinungsstreit müsste hier jedoch nicht entschieden werden, wenn auch schon nach der ersten Auffassung hier Nebenbesitz nicht vorliegt. Der mittelbare Besitz endet (außer in den Fällen des Wegfalls des unmittelbaren Besitzes und dem Erlöschen des Herausgabeanspruchs) durch eine objektiv erkennbare Änderung des Besitzmittlungswillens. Eine solche ist dann gegeben, wenn der unmittelbare Besitzer ein neues, mit dem ersten unverträgliches BMV mit einem anderen Oberbesitzer (hier der C-Bank) eingeht. Dadurch wird objektiv erkennbar, dass er sich vom bisherigen Oberbesitzer V lösen will und nur noch für den neuen Oberbesitzer K den Besitz vermitteln will. Somit war auch nach der ersten Auffassung mit Abschluss des Sicherungsvertrags kein Nebenbesitz bei V verblieben. (andere Ansicht vertretbar, dann ist der Streit zu entscheiden)
=> Mithin ist die C-Bank, wie für § 934 Alt. 1 BGB erforderlich, mittelbarer Alleinbesitzer der Fräsmaschine
=> C-Bank konnte daher D wirksam seinen Anspruch aus dem BMV mit K gemäß §§ 931, 870, 934 1. Alt. BGB abtreten.
=> D hat von C gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum erworben.
Aber Wertungswiderspruch: Warum ist der Erwerb des D wirksam, der der C-Bank jedoch unwirksam? Enthält gutgläubiger Erwerb nach § 934 1. Alt. BGB einen Widerspruch gegenüber dem gutgläubigen Erwerb nach § 933 BGB?
Der gutgläubige Erwerb nach § 933 BGB setzt voraus, dass der nichtberechtigte Veräußerer dem Erwerber den unmittelbaren Besitz an der verkauften Sache verschafft (Traditionsprinzip). Nach § 933 BGB wird der gutgläubige Erwerber nicht geschützt, wenn ihm der unmittelbare Besitzer nur den mittelbaren Besitz einräumt.
Ist der Veräußerer dagegen mittelbarer Besitzer, so erlangt der Erwerber gem. § 934 1. Alt. mit Abtretung des Herausgabeanspruchs gutgläubig Eigentum.
Dieses Ergebnis erscheint widersprüchlich, da der D als zweiter Sicherungsnehmer, der gem. § 934 1. Alt. BGB gutgläubig Eigentum erworben hat, der Vorbehaltssache ferner stand als die C-Bank als erster Sicherungsnehmer, die gem. § 933 kein Eigentum erwerben konnte.
Dies ist jedoch so hinzunehmen, da der Gesetzgeber den §§ 933, 934 BGB bewusst das Prinzip zugrunde gelegt hat, dass die Neubegründung mittelbaren Besitzes zum gutgläubigen Erwerb nicht ausreichen soll, wohl aber seine Übertragung. Das Gesetz geht dabei von der Gleichstellung des mittelbaren mit dem unmittelbaren Besitz aus, und lässt es für den gutgläubigen Erwerb genügen, wenn sich der Veräußerer seines Besitzes vollständig entledigt. Diese Voraussetzung ist bei §§ 931, 934 1. Alt. BGB durch die Abtretung des Anspruchs aus dem BMV erfüllt, mangels Übergabe aber nicht bei §§ 930, 933 BGB.
Daher i. Erg. kein Wertungswiderspruch. § 934 1. Alt. BGB ist mithin gesetzestreu anzuwenden.
Ergebnis: D hat gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum an der Fräsmaschine erworben.

16.10.2010/15 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-16 10:59:412010-10-16 10:59:41Zivilrecht-Klassiker: Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45)
Dr. Stephan Pötters

Strafrechts-Klassiker: Der Rose-Rosahl-Fall

Klassiker des BGHSt und RGSt, Schon gelesen?, Strafrecht

Preußisches Obertribunal, Urteil v. 05.05.1859 – Crimin.-S. Nr. 6 (= PrObTrE 42, 36 ff. = GA 7, 322 ff.)

Ist bei dem Morde ein Seitens des Thäters vorgefallener Irrthum in der Person des Getödteten von Einfluß auf die Zurechnung des eingetretenen Erfolges und auf die Starfbarkeit des Thäters, desgleichen auf die des Theilnehmers durch Anstiftung oder Hülfeleistung?

1. Der Sachverhalt
Das Geschehen spielt im Jahre 1858: Der Holzhändler Rosahl aus Schiepzig versprach dem Arbeiter Rose, ihn reichlich dafür zu belohnen, wenn er den Zimmermann Schliebe aus Lieskau erschösse. Rose legte sich daraufhin zwischen Lieskau und Schiepzig (nahe Halle) in einem Hinterhalt, um Schliebe, den er genau kannte, aufzulauern. Während der Dämmerung sah er einen Mann des Weges daherkommen. Diesen erschoss er, da er ihn für Schliebe hielt. In Wirklichkeit war es der 17-jährige Gymnasiast Harnisch.
2. Die Kernfrage
Der Rose-Rosahl-Fall ist einer der Klassiker zum sog. error in persona. Problematisch ist hier zum einen die Frage, wie sich ein Identitätsirrtum des Haupttäters auf diesen selbst sowie – v.a. – den ihn zur Tat verleitenden Anstifter auswirkt. Daneben ging es in der Original-Entscheidung auch um das Problem, ob bei einem solchen Irrtum des Täters noch ein Handeln „mit Überlegung“ vorliegt, was in der damaligen Zeit entscheidend dafür war, ob über einen bloßen Totschlag hinaus auch ein Mord (bzw. eine Anstiftung hierzu) bejaht werden konnte, worauf die Todesstrafe (!) stand. Die Vorinstanz, dass Schwurgericht Halle (Saale), hatte beide Fragen zu Lasten der Beteiligten beantwortet, wogegen selbige eine sog. „Richtigkeits-Beschwerde“ zum Preußischen Obertribunal eingelegt hatten. Im Folgenden soll der Fokus allein auf den ersten, heute noch relevanten Problemkomplex gelegt werden, also die Auswirkungen einer Objektverwechslung des Haupttäters auf die Beteiligten.
3. Das sagt das Gericht
Das Preußische Obertribunal hat die Entscheidung der Vorinstanz bestätigt, also den ausführenden Täter Rose wegen Mordes und den Anstifter Rosahl wegen Anstiftung hierzu verurteilt.
a) Dabei führt es (in einem selbst für juristische Texte bemerkenswert langen Bandwurmsatz) zunächst aus, dass der Irrtum über die Person des Getöteten für den Haupttäter als unbeachtlicher Motivirrtum einzuordnen ist, da er kein nach dem Gesetz relevantes Merkmal berühre und somit (nach heutiger Terminologie) nicht als Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB gewertet werden kann:

(…) so ist man doch im Wesentlichen darüber einig und es entspricht insbesondere auch der Bedeutung, welche nach dem Strafgesetzbuche (…) den Ausdrücken „Vorsatz“ und „Absicht“ beizulegen ist, daß, wenn bei doloser verbrecherischer Thätigkeit Seitens des Thäters ein Irrthum in dem Gegenstande, gegen welchen seine Thätigkeit gerichtet war (error in corpore oder in persona) vorgefallen ist, und dieser Irrthum zur Folge hat, daß seine Thätigkeit einen andern Erfolg, als den beabsichtigten hatte, dieser Irrthum (…) zunächst nur dasjenige Moment der verbrecherischen Willensbestimmung berührt, welches der Denkthätigkeit, (…) nicht aber dem Vorsatze (dem Willen) angehört und daß durch einen solchen Irrthum (…) das Wesen der Handlung nicht aufgehoben wird, daß jene Folge, ungeachtet solchen Irrthums, eine zurechenbare bleibt, ein im ursächlichen Zusammenhange mit dem Vorsatze und mit der Handlung stehender Erfolg ist, daß daher ein solcher Irrthum ohne Einfluß auf die Zurechnung des Erfolges ist.

b) Sodann sieht das Preußische Obertribunal den Irrtum des Haupttäters auch für die Person des Anstifters, hier also den Holzhändler Rosahl, als unbeachtlich an. Es führt hierzu aus:

Seine Strafbarkeit ist von der Thätigkeit des Angestifteten, in dessen Hand er die Ausführung gelegt, und dessen Geschicktheit oder Ungeschicktheit er diese anvertraut hat, dergestalt abgängig, daß nur ein wirklicher Exceß, – wo ein Mehreres oder Anderes gethan ist, – ihm nicht zuzurechnen ist. Ein solcher wirklicher Exceß liegt aber da nicht vor, wo, wie hier, der gedungene Angestiftete, der Lohnmörder, nur durch Irrthum in der Person desjenigen, gegen welchen er, um dem Auftrage des Anstifters zu genügen, seine Thätigkeit richtet, sich in dem Schlachtopfer vergreift. Dieser handelt auch dann nicht etwa bloß auf Veranlassung des Anstifters oder bei Gelegenheit der Ausführung des Auftrages, (…) sondern die Anstiftung ist für ihn dergestalt fortdauernd bestimmend gewesen, daß seine That als Product der Anstiftung erscheint. Es hat Causalnexus zwischen der Anstiftung zu einem Morde und der, eine qualitativ gleiche Handlung ausmachenden That stattgefunden, und nur hat der Anstifter, in Folge des bei der Ausführung eingetretenen Irrthums des Thäters seinen Zweck nicht erreicht, was für den Thatbestand des angestifteten Verbrechens und für die Strafbarkeit des Anstifters eben so wenig, als für die des angestifteten Thäters von rechtlicher Bedeutung ist.

Damit geht das Preußische Obertribunal davon aus, dass auch hinsichtlich des Vorsatzes des Anstifters eine vollendete (und nicht bloß versuchte) Tat gegeben ist, da die Tötung der „richtigen“ Person eben nur dem – wie sich das Gericht ausdrückt – „Zweck“ der Tat zuzuordnen ist, der zwar nicht erreicht wurde, aber den hiervon zu trennenden Vorsatz, der sich allein auf die Tötung einer Person beziehen muss, unberührt lässt.
4. Fazit
Das Urteil des Preußischen Obertribunals ist DER Klassiker strafgerichtlicher Entscheidungen – es soll sogar Juristen geben, die noch heute ehrfürchtig zum Ort des dem Urteil zugrundeliegenden Geschehens pilgern, an welchem ein Gedenkstein an den getöteten Harnisch erinnert (sog. Blutstein bei Lieskau). Die gleiche Konstellation wurde übrigens auch schon vom BGH mit einem identischen Ergebnis entschieden, und zwar im kaum minder berühmten sog. „Hoferben-Fall“ (Urteil v. 25.10.1990 – 4 StR 371/90 = BGHSt 37, 214 ff.): In diesem sollte der namensgebende „Hoferbe“ durch einen von seinem Vater gedungenen Killer getötet werden. Dieser verwechselte den „Hoferben“ allerdings am geplanten Tatort, dem väterlichen Pferdestall, mit einer zufällig eintretenden, ähnlichen Person, die dann anstelle desselben umgebracht wurde.
a) Inhaltlich liegt der Knackpunkt der Konstellation bei der Frage, ob der error in persona des Täters, der nach heute wohl allgemeiner Meinung jedenfalls bei diesem keinen Vorsatzausschluss bedingt, eine entsprechende Wirkung auch beim Anstifter entfaltet. Als Alternative wäre hier an einen (grundsätzlich vorsatzrelevanten) Irrtum des Teilnehmers über den Kausalverlauf, der teilweise als sog. „aberratio ictus“ eingeordnet wird, zu denken, was lediglich zur Bestrafung wegen Anstiftung zur versuchten Tat führen würde. Für eine generelle Unbeachtlichkeit der Objektverwechslung auch zu Lasten des Anstifters könnte dabei zunächst einmal angeführt werden, dass die Anstiftung akzessorisch zur begangenen Haupttat ist; daher – so die Argumentation – muss ein Irrtum, der für die Strafbarkeit des Haupttäters ohne Relevanz ist, „erst Recht“ auch für den sich an dessen Tat nur anlehnenden Teilnehmer bedeutungslos sein. Eine solche Begründung verdeckt indes, dass unabhängig von der Akzessorietät der Teilnahme, die sich genau genommen nur auf das Erfordernis einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat (sowie eine in der Rechtsfolge grundsätzlich identische Bestrafung) bezieht, der Teilnehmende auch einen eigenständigen „doppelten“ Vorsatz, nämlich sowohl bezüglich seiner Anstiftungshandlung wie auch dem ausgeführten Delikt, aufweisen muss. Im Hinblick auf dieses Delikt kann aber die Begründung, die für die Irrelevanz des Irrtums beim Haupttäter gegeben wird, nicht auch eins zu eins auf den Anstifter übertragen werden: Da dieser das getötete Opfer ja nicht eigenhändig anvisiert und damit von seinem Willen zur Tötung umfasst hat, kann genau genommen auch kein Vorsatz zu einem Eingriff in dessen Rechtsgüter unterstellt werden, der sich bei dem Anstifter ja auf eine gänzlich andere Person bezieht. Dass beim Teilnehmer die Person des späteren Tatopfers durchaus bedeutsam ist wird auch daran ersichtlich, dass der Hintermann unstrittig dann nicht wegen Anstiftung zur vollendeten Tat herangezogen würde, wenn der Haupttäter mutwillig eine andere Person, die zufällig des Weges gekommen wäre und gegen die er einen persönlichen Groll hegte, niedergeschossen hätte, obwohl auch hier das für § 212 (und § 211) StGB einzig vorsatzrelevante Merkmal, nämlich die „Tötung eines Menschen“, vorgelegen hätte. Daneben wird gegen eine Unbeachtlichkeit des Irrtums zu Lasten des Anstifters teilweise auch noch das Argument angeführt, dass im Fall der Zurechnung der irrtumsbehafteten Ersttötung an selbigen konsequenterweise dann, wenn der Haupttäter seinen Irrtum bemerkt und sodann fröhlich weitere Morde begeht, bis er schließlich den „Richtigen“ trifft, der Anstifter ebenfalls für die übrigen Taten verantwortlich gemacht werden müsste (sog. „Blutbadargument“ von Binding, Die Normen und ihre Übertretung, Bd. 3, 1918, S. 213 f.). Hiergegen wird freilich eingewendet, dass jedenfalls in diesem Fall ein dem Anstifter nicht zuzurechnender Exzess insofern vorliegt, als von dessen Vorsatz i.d.R. nur eine Tötung erfasst sein wird, nicht auch weitere Tatbegehungen, die darüber hinaus reichen (so LK-Schünemann, 12. Aufl. 2009, § 26 Rn. 87).
b) Geht man mit den vorgehenden Erwägungen dennoch unabhängig von dem zuletzt genannten „Blutbadargument“ davon aus, dass der Irrtum des Anstifters nicht per se als unbeachtlicher Motivirrtum eingeordnet werden kann, sondern vielmehr als Fehlvorstellung über den Kausalverlauf zu werten ist, wird man allerdings auch die für diese Irrtumsform anerkannten Einschränkungen zu beachten haben. Selbige werden von der Rechtsprechung des BGH allgemein dahingehend formuliert, dass eine Zurechnung trotz Fehlvorstellungen über den Kausalverlauf dann möglich ist, wenn die Abfolge der Tat sich noch im „Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren“ hält. So führt das Gericht im bereits oben erwähnten „Hoferben-Fall“ Folgendes aus:

Der Irrtum des Mitangeklagten stellte sich für den Angeklagten zwar als eine Abweichung von dem geplanten Tatgeschehen dar (…), sie ist aber rechtlich unbeachtlich, weil sie sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hielt, so daß eine andere Bewertung der Tat nicht gerechtfertigt ist (BGHSt 7, 325, 329; vgl. auch Wolter a.a.O.). (…) Hier wollte der Angeklagte zwar nicht, daß Bernd Sch. getötet werde. Er wollte aber die Tötung seines Sohnes, und den von diesem Plan abweichenden Tatverlauf muß er sich zurechnen lassen, da eine Verwechslung des Opfers durch den Täter nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung lag. Der Angeklagte hat nämlich, als er den Pferdestall verließ, das Geschehen bewußt aus der Hand gegeben. Angesichts der Lichtverhältnisse bestand durchaus die Gefahr, daß der Täter andere Personen, die sich zufällig dem Pferdestall näherten, mit dem ins Auge gefaßten Opfer verwechselte. Diese Möglichkeit war dem Angeklagten sogar bewußt, weil er sich vor dem Fortgehen durch die Frage vergewisserte, ob St. seinen Sohn identifizieren könne.

In die gleiche Richtung geht tendenziell auch ein Vorschlag aus der Literatur, der für die Entscheidung, ob eine Anstiftung zur vollendeten oder lediglich versuchten Tat vorliegt, darauf abstellt, ob der Anstifter dem Ausführenden die Individualisierung des Tatopfers selbst überlassen hat oder nicht (vgl. dazu nur MüKo/StGB-Joecks, 2. Aufl. 2011, § 26 Rn. 85; Kindhäuser, LPK, 4. Aufl. 2010, Vor § 25 Rn. 75): Wenn nämlich der Anstifter dem Haupttäter eine konkrete Person beschreibt, letzterer sich aber nicht an diese Beschreibung hält, liegt i.E. ein bewusstes Abweichen des Haupttäters vor, so dass sich die schlussendlich falsche Tötung, mag sie selbst auch unbewusst geschehen, für den Hintermann als nicht vorhersehbarer „Exzess“ darstellt. Allerdings spricht viel dafür, eine Haftung des Anstifters nicht auf solche Fälle zu beschränken, in denen eine genaue Identifizierung des Opfers durch den Anstifter unterlassen wurde: Das zeigt gerade der Fall Rose-Rosahl, bei welchem dem Haupttäter Rose das geplante Opfer Schliebe durchaus bekannt war, sein Irrtum aber insofern vorhersehbar erscheint, als er die Tat in der Dämmerung ausführte, bei der die schlechten Lichtverhältnisse eine Fehleinschätzung über die tatsächlich anvisierte Person begünstigten. Hier wird man eine Zurechnung an den Anstifter Rosahl daher jedenfalls dann annehmen dürfen, wenn dieser dem Rose den (ungefähren) Zeitpunkt der Tat selbst vorgegeben hat, so dass ihm auch das gesteigerte Risiko einer Verwechslung zu diesem Zeitpunkt „vorhersehbar“ war. Darüber hinausgehend kann Rosahl m.E. aber auch dann, wenn er Rose gegenüber überhaupt keine näheren Angaben zur Tatausführung gemacht hat, eine Anstiftung zur vollendeten Tötung angelastet werden: Da dem Haupttäter in dieser Konstellation nämlich eigenverantwortlich seine Entscheidungen über das „wie“ der Deliktsausführung überlassen bleibt, ist auch dessen naheliegender Gedanke, die Tat im Schutze der Dunkelheit zu begehen, im Verhältnis zum Teilnehmer nicht als „Exzess“ zu bewerten. In der Konsequenz können den Anstifter danach naheliegende (Fehl-)Planungen des Haupttäters nie entlasten, sondern nur – umgekehrt – genauere Vorgaben, welche der eigentlich Ausführende dann nicht einhält. Dieses Ergebnis erscheint insofern stimmig, als der Einsatz eines „selbsttätig“ handelnden Menschen zur Tatausführung – im Gegensatz zu einer vom Anstifter eigenhändig durchgeführten Tötung – regelmäßig ein geringeres Maß an Kontrolle über die Tat bedingt. Dieser Kontrollverlust kann sich aber, da der Anstifter selbigen inklusive der hiermit begründeten Risiken durch Einschaltung des Dritten bewusst in Kauf genommen hat, grundsätzlich nicht zu seinen Gunsten auswirken. In den (leicht abgewandelten) Worten des Preußischen Obertribunals: „Seine Strafbarkeit ist [dann] von der Thätigkeit des Angestifteten, in dessen Hand er die Ausführung gelegt, und dessen Geschicktheit oder Ungeschicktheit er diese anvertraut hat, (…) abgängig (…).“

29.07.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-07-29 09:40:562009-07-29 09:40:56Strafrechts-Klassiker: Der Rose-Rosahl-Fall
Dr. Stephan Pötters

BGH-Klassiker – Der Schwimmschalterfall (BGHZ v. 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 = NJW 1977, 379)

BGH-Klassiker, Schon gelesen?, Schuldrecht, Zivilrecht

Bedeutung/Examensrelevanz: Der Schwimmschalterfall ist immer noch DER Klassiker zum sog. Weiterfresserschaden, denn in diesem Fall hat der BGH erstmals die Voraussetzungen für dieses Rechtsinstitut näher herausgearbeitet. Der Fall beschäftigt sich außerdem mit der stets aktuellen und auch nach neuem Recht noch nicht endgültig geklärten Frage nach dem Verhältnis von Delikts- und Vertragsrecht. Für das neue Recht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wird vertreten, dass die Rspr. zum Weiterfresserschaden nicht mehr gelten könne, da sonst der Vorrang der Nacherfüllung (realisiert durch das Fristsetzungserfordernis) ausgehöhlt werden könne. Diese Ansicht hat sich aber nicht durchsetzen können. Damit gilt die Rechtsfigur des Weiterfresserschadens weiterhin.
Sachverhalt: Die Beklagte stellt Reinigungs- und Entfettungsanlagen für Industrieerzeugnisse her, in denen durch Erhitzen und Verdampfen von Perchloräthylen das von den zu reinigenden Blechteilen abgewaschene Öl abgeschieden wird; ein mit einem Stromabschalter verbundener Schwimmer, den die Beklagte von einer ausländischen Zulieferfirma bezogen haben will, soll dabei verhindern, daß die normalerweise mit Flüssigkeit bedeckten Heizdrähte durch das Verdampfen freigelegt werden.
Die Firma D. hatte eine derartige Reinigungsanlage zum Preis von ca. 20 000 DM bestellt. Die Beklagte bestätigte  diesen Auftrag am 4. Februar 1969 mit dem Zusatz:
„Garantie: Gemäß unseren beiliegenden Verkaufs- und Lieferbedingungen.“
Nr. VII dieser Lieferbedingungen lautet – soweit hier von Interesse – wie folgt:
“ VII Haftung für Mängel der Lieferung
1. Alle diejenigen Teile sind unentgeltlich nach billigem Ermessen nach unserer Wahl auszubessern oder neu zu liefern, die innerhalb von 12 Monaten seit Lieferung nachweisbar infolge eines vor dem Gefahrübergang liegenden Umstandes – insbesondere wegen fehlerhafter Bauart, schlechter Baustoffe oder mangelhafter Ausführung – unbrauchbar werden oder in ihrer Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt werden …
9. Weitere Ansprüche des Käufers bzw. des Bestellers, insbesondere ein Anspruch auf Ersatz von Schäden, die nicht an dem Liefergegenstand selbst, sondern die nur mittelbar durch diesen entstanden sind, werden von uns in keinem Falle anerkannt.“

Nachdem die Anlage Anfang Juni 1969 aufgestellt und in Betrieb genommen war, geriet am 26. Juni 1969 das in der Anlage befindliche Schmutzöl in Brand, weil ein Schwimmerschalter die Heizdrähte nicht rechtzeitig abgeschaltet hatte und diese sich überhitzten.Die Firma D. (bzw. ihre Versicherung) nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, der Schwimmerschalter habe infolge eines Fabrikations- oder Konstruktionsfehlers versagt; für die Reparatur von Reinigungs- und Elektroanlage sowie für die Beseitigung der Korrosion an den Metallvorräten seien der Firma D. Aufwendungen entstanden. Die Beklagte stellt demgegenüber mit dem Hinweis, der Brand sei nur durch einen übermäßigen Anfall an Petroleum entstanden, ihre Haftung für den Brandschaden in Abrede, verweist im übrigen auf den formularmäßigen Haftungsausschluß gegenüber jeglichen Schadensersatzansprüchen und beruft sich im Hinblick darauf, daß ihr der Zahlungsbefehl erst am 23. Juni 1972 zugestellt worden ist, auf Verjährung.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Lösung: Die Schadensersatzansprüche waren unstreitig verjährt (nach damaligem Recht § 477 BGB). Daher kam es maßgebend darauf an, ob man einen Schadensersatzanspruch nach Delikt bejahen konnte. Insofern ist insbesondere das Vorliegen einer relevanten rEchtsgutsverletzung iSv  823 I BGB fraglich. Der BGH bejahte i.E. eine Verletzung des (Rest-)Eigentums, obwohl das Produkt von anfang an mangelhaft war. Es sei zu einem Schaden an dem anfangs noch mangelfreien Teil gekommen (der Mangel hat sich also weitergefressen und so das Eigentum verletzt). Der BGH führt insofern aus:
„Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der für die Reparatur der Reinigungsanlage entstandenen Kosten meint, es fehle jedenfalls insoweit an einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung, weil die Anlage nach der Darstellung der Klägerin von vornherein mangelhaft geliefert worden sei, ist diese Ansicht rechtsirrig.[…]
Ganz abgesehen davon, daß die vorgenannten Erwägungen des Berufungsgerichts ohnehin nur den an der Reinigungsanlage selbst entstandenen Schaden, nicht aber die durch den Brand verursachten Schäden an anderen Gegenständen der Firma D. betreffen, hatte hier die Beklagte der Firma D. Eigentum an einer Anlage verschafft, die im übrigen einwandfrei war und lediglich ein – funktionell begrenztes – schadhaftes Steuerungsgerät enthielt, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen hatte. In einem solchen Fall kommt es aber auf den Umstand, daß nach formaler Betrachtungsweise der Erwerber von vornherein nur ein mit einem Mangel behaftetes Eigentum erworben hat, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert hat und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt worden ist. In derartigen Fällen besteht – insbesondere wenn der Geschädigte das Eigentum aufgrund eines Kaufvertrages erworben hat – kein Grund, diesem das Zurückgreifen auf deliktische Ansprüche abzuschneiden. “
Leitsätze: a) Der Umstand, daß zwischen dem schädigenden Hersteller einer Ware und dem Geschädigten unmittelbare kaufvertragliche Ansprüche bestehen oder bestanden haben, schließt die für die Inanspruchnahme des Herstellers aus unerlaubter Handlung entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr für das Verschulden (Produzentenhaftung) nicht aus.
b) Hat der Verkäufer dem Käufer eine industrielle Anlage übereignet, bei der lediglich ein gegenüber dem Gesamtwert an Wert geringfügiger Sicherheitsschalter schadhaft war, so können dem Käufer Schadensersatzansprüche aus Eigentumsverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) dann zustehen, wenn durch den Ausfall des Schalters nachträglich ein Schaden an der Anlage selbst entsteht.
c) Zur Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Freizeichnung des Verkäufers von der Haftung für Mängel der Lieferung auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung erfaßt.

27.07.2009/1 Kommentar/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-07-27 14:13:172009-07-27 14:13:17BGH-Klassiker – Der Schwimmschalterfall (BGHZ v. 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 = NJW 1977, 379)
Dr. Christoph Werkmeister

Zivilrechts Classics: HAAKJÖRINGSKÖD – WALFISCH ODER HAIFISCH?

BGB AT, BGH-Klassiker, Schon gelesen?, Zivilrecht
Die Entscheidung des Reichsgericht am 8. Juni 1920 (RGZ 99, 147 – Az. II 549/19) wurde zum Klassiker für den zivilrechtlichen Grundsatz ‚falsa demonstratio non nocet‘ – eine falsche Bezeichnung schadet nicht. Ganz im diesen Sinne verkannte das RG, dass der Wal im Gegensatz zum Hai gar kein Fisch ist.

 

Sachverhalt
Am 18. November 1916 verkaufte der Beklagte dem Kläger rund 214 Fass Haakjöringsköd per Dampfer Jessica, abgeladen zu 4,30 M per Kilo. Der Kläger zahlte dem Beklagten den berechneten Kaufpreis. Beide gingen davon aus, dass es sich bei Haakjöringsköd (eigentlich håkjerringkjøtt) um Walfleisch handele. Haakjöringsköd ist jedoch Haifischfleisch (Håkjerring norwegisch Grönlandhai, köd Fleisch), welches dann auch tatsächlich in den Fässern des Schiffes war. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg unterlag Haifischfleisch – im Gegensatz zu Walfleisch – allerdings starken Einfuhrbeschränkungen. Dies hatte zur Folge, dass die Ladung beim Eintreffen im Hamburger Hafen von der staatlichen Zentral-Einkaufsgesellschaft beschlagnahmt wurde. Dem Käufer wurde für das Fleisch ein erheblich niedrigerer Übernahmepreis als der Kaufpreis gezahlt und er klagte daher auf Zahlung von 47.515,90 Mark. Das LG Hamburg hielt den Klageanspruch für gerechtfertigt. Die Berufung des Beklagten zum OLG Hamburg und Revision des Beklagten zum Reichsgericht hatten keinen Erfolg. Das Reichsgericht hat festgestellt, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandgekommen ist, auch wenn beide beim Vertragsschluss den Ausdruck Haakjöringsköd verwendet haben: eine Falschbezeichnung schadet nicht, solange sich die Parteien einig sind.

 

Es handelt sich um eine wichtige Entscheidung, die eigentlich jeder Jurastudent im ersten Semester vermittelt bekommt. Der Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ muss jedoch auch abstrakt verinnerlicht werden, denn im Examen bekommt ihr nicht den Standardfall mit dem Haifischfleisch, sondern kann es im Einzelfall durchaus schwierig sein, diesen Auslegungsgrundsatz in der Klausur zu erkennen.

 

Exkurs: Weiterhin sei zu beachten, dass der Grundsatz der falsa demonstratio sogar bei formbedürftigen Rechtsgeschäften Anwendung finden kann. Die jeweiligen Fälle und Ausnahmefälle zu diesem Thema möchte ich hier jedoch nicht abschließend behandeln (vertiefend hierzu etwa Medicus Bürgerliches Recht Rn. 124).

 

Es sei darauf hingewiesen, dass sich bei einer solchen Annahme u.U. Konflikte mit der sog. Andeutungstheorie des BGH ergeben können. Auch, sofern ein Vertrag einer Genehmigung eines nicht beteiligten Dritten bedarf, kann die falsa demonstratio bei formbedürftigen Geschäften keine Anwendung finden.
27.04.2009/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2009-04-27 17:48:302009-04-27 17:48:30Zivilrechts Classics: HAAKJÖRINGSKÖD – WALFISCH ODER HAIFISCH?

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