In einem Urteil vom 12. November 2010 (V ZR 181/09) ging es um die Frage der Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses bei arglistiger Täuschung durch Unterlassen, insbesondere um die Verteilung der Beweislast und den subjektiven Tatbestand einer arglistigen Täuschung.
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag vom 4. Oktober 2006 kaufte Käufer K von Verkäuferin V für 85.000 € ein Hausgrundstück unter Ausschluss der „Gewähr für Fehler und Mängel“. Das Wohngebäude war im Jahr 1980 in Fertigbauweise errichtet worden. V war vor dem Vertragsschluss bekannt, dass in der Fassade Asbestzementplatten verarbeitet wurden. Sie teilten dies K jedoch nicht mit, obwohl zuvor ein Kaufinteressent wegen der Asbestbelastung von seinen Kaufabsichten abgerückt war.
Nach der Übergabe forderte K die V erfolglos unter Fristsetzung auf, die Fassade im Wege der Nacherfüllung zu sanieren. K verlangt nunmehr Schadensersatz in Höhe der mit 38.455,34 € veranschlagten Sanierungskosten. V bestreitet eine Einstandspflicht sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach.
Entscheidung des BGH / Lösung
Nach § 444 BGB ist ein Gewährleistungsausschluss unwirksam, wenn ein Sachmangel arglistig verschwiegen wurde. Haben die Vertragsparteien einen Haftungsausschluss vereinbart, trägt K nach § 444 BGB grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Umstände, die den Arglisttatbestand ausfüllen, wozu bei einer Täuschung durch Verschweigen auch die fehlende Offenbarung gehört.
Handelt es sich bei der unterbliebenen Offenbarung jedoch um eine negative Tatsache (konkret: nicht aufgeklärt worden zu sein), kommen dem Käufer Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute. Wendet V gegen die behauptete arglistige Täuschung ein, er sei davon ausgegangen, K sei über den Mangel bereits aufgeklärt worden, trifft ihn auch insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Bestreitet er einfach die Behauptung, nicht aufgeklärt zu haben, ohne substantiierten Vortrag, gilt sein bloßes Bestreiten gem. § 138 Abs. 3 ZPO als gerichtliches Geständnis i.S.d. § 288 ZPO.
Der BGH hierzu im Wortlaut:
Allerdings gilt auch für den subjektiven Tatbestand der Arglist, dass grundsätzlich der Käufer die Darlegungs- und Beweislast trägt. Dass eine Partei eine innere Tatsache zu beweisen hat und die Führung dieses Beweises Schwierigkeiten bereitet, führt nicht ohne weiteres zu Beweiserleichterungen. In Konstellationen der vorliegenden Art tritt jedoch die Besonderheit hinzu, dass hinsichtlich der unterbliebenen Offenbarung Beweiserleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast eingreifen und es deshalb dem Verkäufer obliegt, die Erfüllung der Offenbarungspflicht in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu spezifizieren. Legt der Verkäufer diese Erfüllung nicht dar, behauptet er aber gleichwohl, er sei davon ausgegangen, dass der Käufer aufgeklärt worden sei, gilt mit Blick auf die Darlegungslast nichts anderes. Dass der Verkäufer zumindest für möglich halten muss, dass der Käufer den Mangel nicht kennt, bildet lediglich die für den Arglisttatbestand erforderliche subjektive Seite der objektiv unterlassenen Offenbarung, so dass eine unterschiedliche Verteilung der Darlegungslast nicht sachgerecht erscheint. Daher ist es ebenfalls Sache des Verkäufers, diejenigen Umstände in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Weise zu konkretisieren, aufgrund deren er trotz unterbliebener eigener Aufklärung davon ausgegangen sein will, der Käufer habe Kenntnis von dem Mangel gehabt. Daran fehlt es hier.
Das Kaufobjekt war somit mit einem offenbarungspflichtigen Sachmangel behaftet. Der vereinbarte Haftungsausschluss entfaltet keine Wirkungen, weil V den Mangel arglistig verschwiegen hat, § 444 BGB. Diese hatte unstreitig Kenntnis von der Asbestverwendung. Da ihr bereits ein Kaufinteressent wegen der verbauten Asbestzementplatten abgesprungen war, wusste sie auch, dass dies ein Umstand war, der für einen verständigen Käufer von kaufentscheidender Bedeutung war. Auf der Grundlage der obigen Erörterungen ist darüber hinaus davon auszugehen, dass V die Unkenntnis des K von dem Mangel zumindest für möglich gehalten hat. Ihre gegenteilige Behauptung hat sie nicht konkretisiert, so dass K nicht gehalten war, das vage Vorbringen der V auszuräumen (s.o.). Die erfolglose Setzung einer Frist zur Nachbesserung ist bei Arglist in der Regel entbehrlich. Davon abgesehen hat K die V erfolglos unter Fristsetzung zur Nacherfüllung aufgefordert.
Somit liegen die Voraussetzungen der §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB vor. K hat einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der mit 38.455,34 € veranschlagten Sanierungskosten.