Ein fast schon bizarr anmutender Streit beschäftigt aktuell den Bundesgerichtshof. Allerdings tritt dieser hierbei nicht als Richter in Erscheinung, sondern als unmittelbarer Akteur.
Die Hauptrollen hierbei spielen Thomas Fischer (Autor des bekannten Strafrechtskommentar Tröndle/Fischer), der Präsident des BGH Klaus Tolksdorf der stv. Vorsitzende des Fünften Senats Rolf Raum sowie der Vorsitzende des Vierten Senats Andreas Ernemann.
Worum geht es dabei genau? Im vergangenen Herbst beschäftigte eine Konkurrentenklage von Thomas Fischer die Gerichte. Diese war gegen die Ernennung seines Kollegen Rolf Raum zum Vorsitzenden Richter im Zweiten BGH Strafsenat gerichtet. Bereits im vergangenen Herbst haben wir in zwei Beiträgen hierüber berichtet: hier und hier. Im einstweiligen Rechtsschutz obsiegte damals Thomas Fischer. Damit untersagte das Verwaltungsgericht im einstweiligen Rechtsschutz die Ernennung von Rolf Raum zum Vorsitzenden des Senats.
Durch diese Entscheidung entstand aber ein Vakuum im Zweiten Strafrechtssenat: Rolf raum durfte nicht zum Vorsitzenden Richter ernennt werden; eine Pflicht zur Ernennung von Thomas Fischer als Vorsitzenden Richter sah der eintsweilige Rechtsschutz aber auch nicht vor – handelte es sich doch hier nur um eine Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO die darauf gerichtet war, die Ernennung von Rolf Raum zum Vorsitzenden Richter zu verhindern. Grund hierfür ist, dass im Beamtenrecht das Rückgängigmachen einer einmal vollzogenen Ernennung im Regelfall nicht mehr möglich ist.
Eine bereits vollzogene Ernennung kann nach dem Grundsatz der Ämterstabilität regelmäßig nicht mehr rückgängig gemacht werden (BVerwG, Urt. vom 04.11.2010 – 2 C 16.09 -, NVwZ 2011, 358 RN 27; Urt. vom 21.08.2003 – 2 C 14.02 -, BVerwGE 118, 370).
Der BGH stand damit vor dem Dilemma, wie mit dem nicht besetzten Senatsvorsitz weiter zu verfahren sei. Er löste dies, indem der Vorsitzende des Vierten Senats, Andreas Ernemann, nun auch zum Vorsitzenden des Zweiten Senats ernannt wurde. Zwei von fünf Strafrechtssenaten sind damit aktuell unter den Vorsitz eines Richters. Eine solche Ämterdopplung hat es bisher in der Geschichte des BGH nicht gegeben. Damit stellt sich jetzt ein neues Problem – nämlich die Frage ob dies überhaupt gesetzlich zulässig ist und nicht das Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG (bzw. § 16 GVG) verletzt ist. Folge eines solchen Verfassungsverstoßes wäre, dass die Urteile beider Strafrechtssenate wegen des Verstoßes unwirksam wären. Aber selbst wenn der Verstoß nicht explizit festgestellt wird, schweb zumindest über den Urteilen des BGH aktuell das Damoklesschwert der Rechtswidrigkeit. Entsprechende Rügen über die vorschriftswidrige Besetzung der Kammern sind bereits in der Vergangenheit eingegangen.
Wer sich noch weiter mit diesem Fall beschäftigen will, dem sei noch folgender Spiegel-Artikel empfohlen: Spiegel Heft 2/2012. Die (zwischenmenschlichen) Hintergründe des Falls, werden in der Zeit umfassend beleuchtet (unserem Leser Max vielen Dank für den Hinweis).
Fazit
Man sieht an der Problematik sehr gut wohin, nicht nur im „echten Leben“ der Streit um gekränkte Eitelkeiten führen kann. Aus der Kritik Fischers am BGH erwuchs sich Misstaruen seitens Tolksdorf und damit jetzt schließlich ein möglicher Verfassungsverstoß durch die fehlerhafte Besetzung. Sowohl für die mündliche aber auch für die schriftliche Prüfung wird der Fall aber von hoher Relevanz sein. In der schriftlichen Prüfung eher bezogen auf die Konkurrentenklage, in der mündlichen Prüfung auch hinsichtlich der Besetzung der Senate. Es wird spannend sein, zu sehen, wie dieser Streit weiter- und ausgehen wird.