Ein Fall wie gemacht für eine mündliche Prüfung: Ein zum Tatzeitpunkt 24-Jähriger Polizeianwärter steckt im Rahmen einer polizeilichen Durchsuchung ein Billigfeuerzeug ein – und wird dabei von einer installierten Videokamera gefilmt. Er ließ sich (erfolglos) dahingehend ein, dass er das Einwegfeuerzeug an sich genommen habe, um es sicherzustellen, da er es als gefährlich eingestuft habe. Vor dem Verlassen des durchsuchten Gebäudes habe er es aber zurückgelassen. Gefunden wurde es freilich nicht. Außerdem zeigt eine Auswertung der Videoaufnahmen, dass bei der Durchsuchung eine recht ausgelassene Stimmung herrschte, auf eine Gefahrsituation deutet wenig hin. Besonders pikant: Im Sommer des vergangenen Jahres wurden die Videoaufnahmen bei Facebook geleakt. Nun wurde der Polizeianwärter aufgrund der getroffenen Feststellungen vom AG Recklinghausen wegen Diebstahls mit Waffen zu 90 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt. Zusätzlich droht ihm die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Die Berufung hat sein Verteidiger bereits angekündigt.
Der skurrile Fall gibt eine Bandbreite möglicher Prüfungsthemen her, die kurz angedeutet werden sollen (unterstellt, der Sachverhalt hat sich wie in der Presse geschildert ereignet): die Wegnahme kleiner Gegenstände in fremder Gewahrsamssphäre und die Beobachtung dabei; der Diebstahl mit Waffen bei Berufswaffenträgern und die Frage nach einer teleologischen Reduktion; das bloße „Beisichführen“ einer Waffe ohne Verwendung derselben als Qualifikation nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Var. 1 StGB; die Frage, ob anlasslose Videoaufnahmen überhaupt in einem Strafprozess verwertet werden dürfen; die Betrachtung der Frage, ob der junge Polizeianwärter durch das Zurücklassen des Feuerzeugs zurückgetreten ist; die Einordnung als minderschwerer Fall; nicht zuletzt die Frage, warum das Gericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätze verhängen konnte, wenn doch § 244 Abs. 3 StGB einen Strafrahmen von 3 Monaten bis 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht – und was die Schwelle von 90 Tagessätzen überhaupt bedeutet. Überdies drängt sich ein vergleichender Pendelblick auf den arbeits- bzw. dienstrechtlichen Einschlag des Falles förmlich auf: Darf aufgrund einer solchen Straftat tatsächlich eine Entlassung erfolgen? Im Einzelnen:
Aus strafrechtlicher Sicht hat der Polizeianwärter eine fremde bewegliche Sache (das Einwegfeuerzeug) weggenommen, indem er es in seine Hosentasche gesteckt hat. Auch wenn der bisherige Gewahrsamsinhaber nicht vor Ort war, hatte er nach der Verkehrsauffassung jedenfalls von natürlichem Gewahrsamswillen getragenen „gelockerten“ Gewahrsam, und auch die Gegenauffassung würde ihm den Gewahrsam in seiner eigenen Wohnung sozial-normativ zuordnen. Die Neubegründung des gebrochenen, da gegen oder jedenfalls ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgehobenen Gewahrsams kann trotz Beobachtung durch eine Videokamera („Diebstahl ist kein heimliches Delikt“) in einer fremden Gewahrsamssphäre durch Einstecken des Billigfeuerzeugs in die eigene Tasche erfolgen, weil hierbei eine Gewahrsamsenklave gebildet wird, die es dem bisherigen Gewahrsamsinhaber unmöglich macht, auf sozial-adäquate Weise den Gewahrsam zurückzuerlangen.
Aber ist dem jungen Polizeianwärter all dies auch nachweisbar? Das erstmalige Einstecken des Feuerzeugs bestreitet er nicht, es geht daher vornehmlich um die subjektive Tatbestandsseite, die neben dem Vorsatz nach § 15 StGB als Delikt mit überschießender Innentendenz eine rechtswidrige Zueignungsabsicht, also insbesondere den dauerhaften Enteignungsvorsatz bei jedenfalls vorübergehender Aneignungsabsicht fordert („se ut dominum gerere“). Er bestreitet dies und führt zu seiner Verteidigung vielmehr aus, er habe das Feuerzeug nicht für sich behalten, sondern vielmehr sicherstellen wollen. § 43 Nr. 1 PolG NRW drängt sich insoweit als Ermächtigungsgrundlage präventiven Polizeihandelns auf. Die Norm erlaubt eine Sicherstellung indes nur, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren. Das Gericht wertete die Einlassung indes als bloße Schutzbehauptung. Denn die Videoaufnahmen zeigen den Feststellungen zufolge einen gut gelaunten Polizeianwärter in eher lockerer Stimmung; eine gegenwärtige Gefahr ist nicht ersichtlich.
Aber sind diese Videoaufnahmen überhaupt in einem Strafverfahren verwertbar? Mangels Beweiserhebungsverbots kommt allein ein selbständiges Beweisverwertungsverbot aus einem Verstoß gegen die Grundrechte in Betracht. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht bzw. das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Polizeianwärters aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG könnte insoweit verletzt sein. Es bedarf einer Abwägung, in die die Ziele des Strafprozesses einzubeziehen sind, eine Rechtsfrieden stiftende, die materiellen Wahrheit ans Tageslicht fördernde Entscheidung herbeizuführen, ohne hierbei rechtsstaatswidrige Wahrheitsfindung um jeden Preis zu betreiben, also unter Wahrung der Rechte des Beschuldigten. Dieser Zielkonflikt tritt bei Videoaufnahmen besonders deutlich zu Tage. Bei privaten Videoaufnahmen geht die Abwägung aber meist zugunsten des Verwenders der Videotechnik, der damit sein Eigentum schützen will, bzw. der Strafverfolgungsinteressen aus (näher Meyer-Goßner/Schmidt/Köhler, StPO, 65. Aufl. 2022, § 100h Rn. 1b) – zumal die Strafverfolgungsbehörden im vorliegenden Fall nichts von dem Einsatz der Videokamera wussten und sie damit denklogisch auch nicht dulden konnten, was für eine Zurechnung notwendig wäre.
Dies gibt Gelegenheit, auf die BGH-Entscheidung zum Einsatz von Dash-Cams im Straßenverkehr hinzuweisen (Urt. v. 15.05.2018 – VI ZR 233/17): Auch in diesem Fall verwenden Private (Pkw- oder Lkw-Fahrer) eine Videokamera und filmen damit den Verkehr. Diese anlasslosen Aufnahmen verstoßen zwar gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen der DS-GVO und führen zu einem Beweiserhebungsverbot, ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot folgt hieraus jedoch im Regelfall nicht. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Die Gefilmten begeben sich freiwillig in den öffentlichen Straßenverkehr und setzen sich damit einer Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer aus; zudem besteht in Unfallsituationen regelmäßig eine erhebliche Beweisnot; weiterhin zielt das Datenschutzrecht ausweislich Art. 1 DS-GVO nicht auf Beweisverwertungsverbote und – ganz zentral – ein systematischer Vergleich mit § 142 StGB zeigt, dass der Gesetzgeber den Beweisinteressen des Unfallgeschädigten ein besonderes Gewicht beimisst und Unfallbeteiligte im Rahmen ihrer aktiven Vorstellungs- und passiven Feststellungsduldungspflicht ohnehin ihre Personalien offenbaren müssen (siehe meine Besprechung zu dieser höchst relevanten Entscheidung hier).
Eine Besonderheit ergibt sich jedoch im vorliegenden Fall des Polizeianwärters daraus, dass die Aufnahmen von einer Wildkamera stammen. An den grundsätzlichen Wertungen dürfte sich hierdurch indes nichts ändern, auch wenn die Interessenlage des Videotechnikverwenders im Ausgangspunkt eine andere sein dürfte, wenngleich auch Wildkameras häufig zur Überwachung von Objekten eingesetzt werden, schlicht weil sie keine Stromquelle benötigen.
Doch ist der Polizeianwärter möglicherweise gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 StGB vom Versuch zurückgetreten? Wohl kaum. Zu der Einlassung, er habe das Feuerzeug bei Verlassen des durchsuchten Gebäudes zurückgelassen, würde man als Verteidiger nicht unbedingt raten, sondern eher zum Schweigen: Denn zum einen wird bei dem Diebstahl kleinerer Gegenstände bereits mit dem Einstecken eine Gewahrsamsenklave begründet (s.o.), weshalb der Diebstahl in diesem Stadium bereits vollendet ist und ein Rücktritt ausscheidet. Zum anderen kann eine Rückgabe des Diebesguts an das Opfer zwar grundsätzlich bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten nach § 46 Abs. 2 StGB Berücksichtigung finden. Das gilt aber nur, wenn – anders als hier – das Diebesgut auch tatsächlich an das Opfer zurückgelangt. Vorliegend war das Einwegfeuerzeug indes nicht auffindbar. Dass offenbar nicht zur geständigen und reuigen Einlassung geraten wurde, die sonst immer bei der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten besonders positiv gewertet wird, dürfte indes daran liegen, dass § 244 StGB selbst in Abs. 3 eine starre Mindeststrafe statuiert, die das Gericht auch bei Vorliegen der genannten Strafmilderungsgründe nicht unterschreiten könnte – und weil offenbar Hoffnung bestand, doch noch den Freispruch zu erreichen.
Ist das Grunddelikt verwirklicht, drängt sich der Qualifikationstatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Var. 1 StGB auf. Der Diebstahl mit Waffen fordert seinem Wortlaut nach lediglich das Beisichführen einer Waffe. Voraussetzung hierfür ist allein, dass der Täter die Waffe beim Diebstahl zu irgendeinem Zeitpunkt in Griffweite hat und sich ihr jederzeit ohne nennenswerten Aufwand bedienen kann (Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 244 Rn. 27). In der Literatur wird daher zuweilen eine restriktive Auslegung des Tatbestands oder gar ein zusätzliches subjektives Element gefordert – beides hat sich in der Rechtsprechung aber mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Norm, die Möglichkeit, einen minderschweren Fall anzunehmen, sowie den mittlerweile aktualisierten Willen des Gesetzgebers ohne Änderung des Wortlauts bei der Neufassung der Norm im Jahr 2011 durch das 44. StrÄndG bislang nicht durchgesetzt.
Gleiches gilt für die ebenfalls im Schrifttum teilweise vorgeschlagene teleologische Reduktion des § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Var. 1 StGB für Berufswaffenträger. Eine solche Privilegierung, der der Gedanke zugrunde liegt, dass Berufswaffenträger weniger gefährlich seien als andere Täter, die bei einem Diebstahl eine Waffe bei sich führen, wird jedoch zu Recht abgelehnt. Zwar tragen Berufswaffenträger wie Polizisten ihre Dienstwaffe in Erfüllung dienstrechtlicher Pflichten, auch sind sie im Umgang damit besonders geschult; dies ändert aber nichts an der abstrakt höheren Gefährlichkeit eines unter Mitführung einer Waffe begangenen Diebstahls, da es auch hier stets zu unerwarteten Zwischenfällen während des Diebstahls kommen kann (Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 244 Rn. 12 mwN). Man kann das Argument der Literatur sogar noch anders wenden: Gerade Berufswaffenträger wie Polizisten könnten aufgrund drohender beruflicher Nachteile zu einem Einsatz der Waffe verleitet werden, wenn der Diebstahl entdeckt wird (Rengier, Strafrecht BT I, 24. Aufl. 2022, § 4 Rn. 57).
Gleichwohl besteht – wie angedeutet – die Möglichkeit, einen minderschweren Fall anzunehmen, § 244 Abs. 3 StGB. Ein minderschwerer Fall liegt nach der Rechtsprechung immer dann vor, wenn das gesamte Tatbild einschließlich aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in einem so erheblichen Maße abweicht, dass die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen bzw. die Anwendung des milderen Strafrahmens geboten erscheint. Insoweit bedarf es einer Gesamtbetrachtung, bei der alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen sind, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGH, Urt. v. 22.01.2015 – 3 StR 412/14; Fischer, StGB, 69. Aufl. 2022, § 46 Rn. 85). So lag es hier: Das Einstecken eines Billigfeuerzeugs als bloßer Cent-Artikel dürfte von den allermeisten Fällen des Diebstahls mit Waffen vom Unrechtsgehalt her deutlich nach unten abweichen. Weitere Umstände (etwa zur Täterpersönlichkeit) sind nicht öffentlich bekannt, werden aber wohl in dieselbe Richtung gewiesen haben.
Colorandi causa sei noch auf die ausgeurteilte Strafe hingewiesen: Die Umschaltnorm des § 47 StGB enthält in Abs. 1 die Wertung, dass von der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen von unter 6 Monaten abzusehen ist, wenn und soweit eine kurze Freiheitsstrafe nicht ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände – insbesondere aus spezialpräventiven Gründen – unerlässlich ist (s. auch Nr. 138 Abs. 4 RiStBV). Vor allem bei Wiederholungstätern mit hoher Rückfallgeschwindigkeit oder Bewährungsversagen greift man in der Praxis hierauf zurück. Anderenfalls wird zu einer Geldstrafe verurteilt. Abs. 2 S. 1 ermöglicht es, in Fällen wie dem vorliegenden, in denen das Gesetz keine Geldstrafe vorsieht, dennoch eine solche auszusprechen, wobei nach Abs. 2 S. 2 ein Monat Freiheitsstrafe 30 Tagessätzen entspricht – was die hier ausgeurteilte Geldstrafe von 90 Tagessätzen erklärt, sieht doch § 244 Abs. 3 StGB eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten vor.
Warum ist diese Schwelle von 90 Tagessätzen in der Praxis von besonderer Relevanz? Nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 lit. a) BZRG kann man sich als „nicht vorbestraft“ bezeichnen, solange man nicht zu einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wird und das Bundeszentralregister nach § 30 Abs. 1 S. 1 BZRG bislang keine Eintragung aufweist. Ein wichtiger Anreiz, um etwa gegen einen Strafbefehl oberhalb dieser Schwelle Einspruch einzulegen oder aber eine Revision hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs zu führen. Gerade für manche Berufsgruppen ist dies besonders wichtig, oder aber für Vorstellungsgespräche, in denen – soweit kein „Recht zur Lüge“ besteht – Bewerber Auskunft über berufsbezogene Straftaten geben müssen, die für den konkret zu besetzenden Arbeitsplatz von zentraler Bedeutung sind (dazu Richardi/Thüsing, BetrVG, 17. Aufl. 2022, § 94 Rn. 25 f.). Nichts anderes gilt für Polizeianwärter: Gerade hier sind Vorstrafen besonders kritisch, weshalb die Geldstrafe von 90 Tagessätzen – so bitter sie auch sein mag – noch recht glimpflich ist.
Aus arbeitsrechtlicher Perspektive erinnert der Sachverhalt an den Fall „Emmely“: Eine Kassiererin löste zwei Pfandbons eines Kunden im Wert von 1,30 € selbst ein. Die daraufhin ausgesprochene außerordentliche (fristlose) Beendigungskündigung des Arbeitgebers sorgte bundesweit für Aufsehen. Vor den Arbeitsgerichten hielt sie indes nicht: Zwar könne eine Straftat im Arbeitsverhältnis eine Beendigungskündigung durchaus auf erster Stufe des § 626 Abs. 1 BGB „an sich“ rechtfertigen, im Rahmen der Interessenabwägung auf zweiter Stufe sei aber bei einem über Jahrzehnte anstandslos bestehenden Beschäftigungsverhältnis eine sofortige Kündigung unverhältnismäßig, so das BAG (Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09). Maßstab sei – wie stets – die Frage, ob eine Vertrauensstörung eingetreten sei, die so erheblich ist, dass es dem Arbeitgeber nicht mehr zumutbar ist, den Ablaufs der ordentlichen Kündigungsfrist abzuwarten.
Ob der hiesige Fall des Polizeianwärters gleich zu behandeln ist, darf mit guten Gründen bezweifelt werden: Rein arbeitsrechtlich liegt zwar auf erster Stufe ebenfalls eine leichtere Straftat vor, und auch geht es letztlich um eine Sache im Wert von wenigen Cent, doch auf zweiter Stufe fällt ins Gewicht, dass es angesichts des Diebstahls mit Waffen nicht mehr um eine reine Bagatellstraftat geht, es sich zudem um einen Berufswaffenträger handelt, der Recht und Ordnung in besonderem Maße verpflichtet ist und diese Werte auch beruflich repräsentiert respektive durchsetzt und die Straftat überdies von einem Polizeianwärter begangen wurde, dessen Dienstverhältnis noch nicht allzu lange besteht. Ein Unterschied liegt allein darin, dass anders als im Fall „Emmely“ die Straftat nicht unmittelbar gegen den Arbeitgeber gerichtet ist.
Diese Überlegungen müssen im hiesigen Fall aber nicht vertieft werden. Denn statusrechtlich ist ein Polizeianwärter regelmäßig nach § 4 Abs. 4 BeamtStG bzw. § 9 LBG NRW iVm LVOPol NRW Beamter auf Widerruf. Als solcher genießt er – anders als ein Beamter auf Lebenszeit – dienstrechtlich nicht den gleichen Schutz. Nach § 23 Abs. 4 BeamtStG (früher § 35 LBG NRW a.F.; auf Bundesebene § 37 BBG) kann ein Beamter auf Widerruf „jederzeit“ entlassen werden, selbst die Beendigung der Vorbereitungszeit muss bei einem hier vorliegenden Dienstvergehen nicht abgewartet werden. Hierfür bedarf es allein eines willkürfreien sachlichen Grundes. Das OVG Münster sieht insoweit im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerwG die Einschätzung als entscheidend an, „inwieweit der Beamte der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Beamten, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen. Die Einschätzung der charakterlichen Eignung ist dem Dienstherrn vorbehalten.“ (OVG Münster, Beschl. v. 19.10.2020 – 6 B 1062/20; s. ferner BVerwG, Beschl. v. 20.07.2016 – 2 B 17.16)
Diese Voraussetzungen dürften hier erfüllt sein. Ein Diebstahl im Dienst lässt durchaus auf die charakterliche Eignung schließen, auch wenn sich die Tat auf ein Einwegfeuerzeug bezieht. Zwar kann sich der Polizeianwärter weiterhin als „nicht vorbestraft“ bezeichnen. Da die Straftat aber im Dienst begangen worden ist, kann der Dienstherr das Verhalten in seine Entscheidung mit einbeziehen, ohne dass insoweit ein Verwertungsverbot (etwa aus § 51 BZRG) bestünde, weshalb es auf die Ausnahmevorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG gar nicht mehr ankommt. Ob der Dienstherr im vorliegenden Fall von dieser Möglichkeit Gebrauch machen oder eher noch ein Auge zudrücken sollte, ist freilich eine davon zu trennende Frage. Auch unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) ergeben sich aufgrund der besonderen Anforderungen an Polizisten im Hinblick auf Recht und Ordnung, deren Wahrung im Dienst zu deren Kernpflichten gehört, durchaus Spielräume, die für eine Entlassung ins Feld geführt werden können.
Einmal mehr gilt: Straftaten im Dienst sind immer besonders riskant – selbst, wenn es sich um vermeintliche Bagatelldelikte handelt, und erst Recht, wenn der Täter Berufswaffenträger ist und sogar bei der Polizei als Anwärter arbeitet.