Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Nikolaus J. Plitzko veröffentlichen dürfen. Der Verfasser ist Student der Universität Bonn und besuchte die University of St. Gallen Law School. Als Ehrenabsolvent der Saint Peter High School ist er Mitglied in der National Honor Society des Bundestaates Minnesota, USA.
Dem Beitrag liegen zwei am 13.05.2014 vom XI. Zivilsenats des BGH getroffene Entscheidung zugrunde. In beiden Fällen wurde von dem das Darlehen auszahlende Kreditinstitut aufgrund einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen neben der Zinszahlung die Verrichtung eines einmaligen Bearbeitungsentgelts gefordert.
A. Sachverhalte:
Im Verfahren XI ZR 405/12 machte der Verbraucherschutzverein im Wege der Unterlassungsklage gegen das Kreditinstitut in den Vorinstanzen (zur Vertiefung: LG Dortmund – Urteil vom 03.02. 2012 – 25 O 519/11; OLG Hamm – Urteil vom 17.09.2012 – 31 U 60/12) erfolgreich die Unwirksamkeit der Klausel:
„Bearbeitungsentgelt einmalig 1%“
geltend.
In dem im wesentlichen Punkt gleich gelagerten Verfahren XI ZR 170/13 verlangte der Darlehensnehmer (D) von der beklagten Bank (P-AG) Rückzahlung des Bearbeitungsentgelts aus ungerechtfertigter Bereicherung in Höhe von 1.200 €. Die Parteien hatten im März 2012 einen Online-Darlehensvertrag geschlossen. Hierzu füllte der Kläger eine von der Beklagten bereitgestellte Maske aus, die unter anderem folgende Klausel beinhaltete:
„Bearbeitungsentgelt EUR. Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestanteil des Kreditnennbetrags. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrags fällig und in voller Höhe einbehalten.“
Die Höhe des Bearbeitungsentgelts wurde aufgrund des vereinbarten Geldbetrags von der beklagten Bank berechnet und in die Vetragsmaske eingefügt.
Die Klage war in den Vorinstanzen (zur Vertiefung: AG Bonn – Urteil vom 30.10.2012 – 108 C 271/12; LG Bonn – Urteil vom 16.04.2013 – 8 S 293/12) ebenfalls erfolgreich.
B. Fallbearbeitung:
Im Weiteren wird nur letztere Entscheidung (XI ZR 170/13) vertieft werden, wobei die Ausführungen im wesentlichen auch auf das erste Urteil (XI ZR 405/12) übertragen werden können.
I. D könnte einen Anspruch auf Zahlung der 1.200 € gegen die P-AG aus § 812 I, S.1, 1.Alt. BGB haben.
1. Etwas erlangt
P-AG hat – als Aktiengesellschaft gem. § 1 I, S.1 AktG rechtsfähig – als (vermögens)rechtlichen Vorteil Eigentum und Besitz an den 1.200 € beibehalten.
2. Durch Leistung
Dies geschah zur Erfüllung einer vermeidlichen Pflicht aus dem Darlehensvertrag, also durch Leistung (Zur Vertiefung des Leistungsbegriff: Verweise in Palandt, Sprau § 812, Rn. 14) des D.
(Anm.: Die ersten beiden Prüfungspunkte sind bei richtiger Schwerpunktsetzung nur kurz abzuhandeln, da hier kein Problem des Falls liegt.)
3. Ohne Rechtsgrund
Die P-AG könnte aber ein Recht zur Einbehaltung der 1.200 € aufgrund der Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen haben.
D und die P-AG haben sich wirksam gem. §§ 488 I, 145, 147 BGB über die Schließung eines Darlehensvertrags geeinigt.
Fraglich ist indes, ob die oben genannte Klausel wirksamer Bestandteil dieses Vertrages geworden ist. Sofern es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.d. § 305 I BGB handelt, müsste diese einer Klauselkontrolle i.S.d. §§ 307ff. BGB standhalten.
a. Anwendbarkeit
D hat das Darlehen zu privaten Zwecken aufgenommen, ist also Verbraucher gem. § 13 BGB. Der Anwendbarkeit der §§ 305ff. BGB steht somit gem. §§ 310 I, IV BGB weder in persönlicher, noch in sachlicher Hinsicht etwas entgegen.
b. Vorliegen von AGB
Nach der Legaldefinition des § 305 I, S.1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen bei Abschluss des Vertrags stellt.
Laut BGH sei es hierbei ausreichend, wenn das Bearbeitungsentgelt zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung „im Kopf“ der Bank als Klauselverwender gespeichert sei, anhand der Daten des Darlehensnehmers errechnet und in die Vertragsmaske eingesetzt werde.
Dieser Betrachtungsweise ist nichts entgegen zu setzen. Das Bearbeitungsentgelt wird einseitig bei einer Vielzahl von Darlehensverträgen erhoben und wird anhand fester Kriterien des Darlehensnehmers berechnet.
c. Einbeziehung
Durch die Einfügung in die Vertragsmaske wird das Bearbeitungsentgelt bei Abschluss wirksam gem. § 305 II BGB in den Darlehensvertrag aufgenommen.
(Anm.: Die Prüfung der §§ 305b, 305c BGB ist hier entbehrlich)
d. Klauselkontrolle
Mangels Vorliegens eines Klauselverbots gem. §§ 308, 309 BGB ist die Klausel gem. §§ 307 I, S.1 i.V.m. II Nr. 1 unwirksam, wenn die mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar ist und den anderen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Fraglich ist allerdings zunächst, ob die Klausel gem. § 307 III S.1 BGB überprüfbar ist. Hierzu müsste es sich um eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung handeln.
Es könnte sich aber um eine Preisabrede handeln, die einer Kontrolle gem. § 307 BGB nicht zugänglich ist (Palandt, Grüneberg § 307, Rn. 46; BGHZ 106, 42 (49) (NJW 1989, 222 (223)) . Eine solche liegt vor, wenn Art und Umfang der Vergütung unmittelbar geregelt wird (MüKo, Wurmnest §, 307 Rn. 16).
Andererseits könnte auch eine vom BGH sogenannte Preisnebeneinrede vorliegen (zur Vertiefung: In der Literatur nicht unumstritten, u.a. Canaris AcP 200 (2000)), die keine Vergütung einer Zusatz- oder Sonderleistung zum Gegenstand hat, sondern durch die Aufwendungen für die Erfüllung gesetzlicher Pflichten des Klauselverwenders übertragen werden und sich so mittelbar auf den Preis auswirken (MüKo, Wurmnest § 307, Rn 18).
Aus Sicht eines rechtliche nicht gebildeten Durchschnittskunden verlangt die P-AG ohne die Erbringung weiterer Leistungen ein zusätzliches Entgelt, durch die Tätigkeiten, die im eigenen Interesse stehen (z.B. Kundenbonität, Vertragserstellung) auf den D abgewälzt werden sollen. Es handelt sich somit um eine Preisnebenabrede, die voll überprüfbar ist.
Sodann lässt sich § 488 I BGB entnehmen, dass der Darlehensnehmer grundsätzlich nur den vereinbarten Zins an den Darlehensgeber zu zahlen hat. Eine zusätzliche Bearbeitungsgebühr ist nicht vorgesehen. Das vereinbarte Bearbeitungsentgelt weicht von der gesetzlichen Regelung ab.
Fraglich ist also, wie schwerwiegend diese Abweichung ist und ob die Bank ein schützenswürdiges Interesse an der Erhebung hat. Im vorliegenden Verfahren hat die Bank keinen entsprechenden Vortrag geleistet. Ein über die Erhebung des Darlehenszinses hinausgehendes Bedürfnis ist aber auch nicht ersichtlich. Die anfallenden Kosten der Bearbeitung sind von der Bank über den Zins zu decken. Erfolgt keine Deckung, hätte die Bank einen höheren Zins veranschlagen müssen. Zudem ist es treuwidrig mit einem niedrigen Zinssatz zu werben und im Weiteren durch die Hintertür weitere Kosten zu erheben. Ein laienhafter Dritter kann als Darlehensnehmer erwarten, dass ihm außer der Verrichtung des Zinses keine weiteren Kosten anfallen. Die Erhebung des Bearbeitungsentgelts benachteiligt den D somit entgegen der Gebote von Treu und Glauben.
Die Klausel ist gem. §§ 307 I, S.1 i.V.m. II Nr. 1 BGB unwirksam.
e. Rechtsfolge
Gem. §§ 306 I, II BGB bleibt der Darlehensvertrag wirksam und die Klausel wird mangels gesetzlicher Regelung restlos gestrichen. Die P-AG kann somit kein Recht zur Einbehaltung der 1.200 € aus Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ableiten. Sie erfolgte rechtsgrundlos.
4. Kein Ausschluss
Der Anspruch ist auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Zwar war D mit der Einbehaltung der 1.200 € einverstanden. Jedoch reicht die Kenntnis der Umstände in § 814 BGB nicht aus, sondern es muss vielmehr die Rechtsfolge – hier die Unwirksamkeit der Klausel – bekannt sein. Dies war aber nicht der Fall.
II. Ergebnis
D hat einen Anspruch gegen die P-AG auf Zahlung der 1.200 € aus § 812 I, S.1, 1.Alt BGB
In beiden Verfahren hat der XI. Zivilsenat des BGH die Revision der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen.
C. Fazit:
Die AGB-Kontrolle gehört zu den Evergreens im ersten Staatsexamen und muss sowohl für die Aufsichtsarbeiten als auch für die mündliche Prüfung beherrscht werden. Die aktuellen Entscheidungen geben Anlass, dieses Wissen abermals zu überprüfen, wobei anzumerken ist, dass die Abgrenzung zwischen Preis- und Preisnebenabrede nicht gerade zum Standardwissen eines Examenskandidaten zählt und auch durch saubere Subsumption nur schwer herausgearbeitet werden kann. Dennoch könnte es ratsam sein, dieses Sonderwissen im Hinterkopf zu behalten. Der Schwerpunkt der Prüfung liegt aber in der Generalklausel des § 307 II Nr. 1 BGB, die vom BGH hier um die Gebote von Treu und Glauben gem. § 307 I S.1 BGB erweitert wird.
Aber auch über das Studium hinaus dürften die Urteile von großer Relevanz sein. Aufgrund des hohen medialen Interesses haben die betroffenen Banken eine Welle von Rückzahlungsverlangen zu erwarten.