• Suche
  • Lerntipps
    • Karteikarten
      • Strafrecht
      • Zivilrecht
      • Öffentliches Recht
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Juri§kripten
  • Click to open the search input field Click to open the search input field Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Bayern

Schlagwortarchiv für: Bayern

Simon Mantsch

BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern

Aktuelles, Rechtsgebiete, Startseite, Zivilrecht, ZPO

Darf der FC Bayern die von einem Grafikdesigner angefertigten Zeichnungen „seiner“ Spieler nach zeichnerischen Abwandlungen ohne Absprache vermarkten? Und wie weit reicht eigentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG? Mit diesen Fragen hatte sich der Bundesgerichtshof in einer am 05.01.2023 veröffentlichten Entscheidung zu beschäftigen (Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22).

I. Der Sachverhalt

Dem Rechtsstreit zugrunde liegt der Torjubel der Fußballspieler Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus von Fußballbundesligist Borussia Dortmund bei einem Bundesligaspiel gegen den FC Bayern München im März 2015. Bei diesem präsentierten sich die genannten Spieler mit Masken verkleidet als Comicfiguren Batman und Robin. Als Gegenentwurf zu dieser Inszenierung fertigte der als Grafikdesigner tätige Kläger K eine Zeichnung der damaligen FC Bayern Spieler Franck Ribéry und Arjen Robben an und versah diese mit dem Slogan „THE REAL BADMAN & ROBBEN“. Diese stellte er Fans des FC Bayerns zur Verfügung, die sie beim nächsten Aufeinandertreffen beider Teams im Rahmen eines Pokalspiels im April 2015 im Stadion großflächig präsentierten. Zu der vom Kläger erhofften gemeinsamen Vermarkung mit dem Beklagten FC Bayern kam es jedoch nicht. Gleichwohl griff der FC Bayern die Zeichnungen auf, änderte sie zeichnerisch bei Beibehaltung der Darstellung von Ribéry und Robben als Batman und Robin ab und versah auch seine Zeichnung mit dem eingangs geschilderten Slogan. Diese Zeichnung zierte ab Mai 2019 verschiedene Merchandisingartikel des FC Bayerns, die über den eigenen Fanshop vertrieben wurden. Der Kläger wertete dies als Urheberrechtsverletzung „seiner Zeichnung“, „seines Slogans“, der „Choreografie“ sowie dem Gesamtwerk aus Zeichnung und Slogan und klagte unter anderem auf Auskunftserteilung und Schadensersatz. Das Landgericht München gab der Klage statt. Die daraufhin vom FC Bayern eingelegte Berufung hatte Erfolg mit dem Ergebnis, dass das erstinstanzliche Urteil abgehändert und die Klage abgewiesen wurde. In Ermangelung einer Zulassung der Revision, wandte sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr an den Bundesgerichtshof.

II. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof erachtete die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig und begründet. Das Urteil wurde aufgeboben und der Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht verwiesen. Grund: Das Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG wurde vom Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

Das Berufungsgericht stütze sich nur darauf, dass der auch vom FC Bayern verwandte Slogan „THE REAL BADMAN & ROBBEN“ als Wortfolge noch nicht als „Schrift“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt sei. Die Zeichnung als solche unterfiele zwar als „Werk der bildenden Kunst“ dem Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, aber der FC Bayern habe nicht das Original oder eine Vervielfältigung dessen in Umlauf gebracht. Vielmehr hat er sich allenfalls in rechtmäßiger Weise die „Idee des Klägers zu eigen gemacht“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22Rn. 11).

Nicht näher erörtert habe das Berufungsgericht – anders als das erstinstanzliche Landgericht – in zu beanstandender Weise aber die Frage, ob es sich nicht um ein schutzwürdiges Gesamtwerk aus Zeichnung und Slogan handeln könnte. Auf das Vorliegen eines solchen Gesamtwerks hat der Kläger jedoch auch in der Berufungsinstanz noch hingewiesen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts erschöpfen sich jedoch in der Feststellung, dass „unverständlich [sei], was der Kläger überhaupt mit „Choreographie“ bzw. „Komposition“ in Bezug auf seine Darstellungen meine“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22, Rn. 20). Die denkbare Verbindung von Zeichnung und Sprache als Gesamtwerk blieb somit unberücksichtigt. Derartige Gesamtwerke werden in § 2 Abs. 1 UrhG zwar auch nicht isoliert ausgewiesen, doch ergebe sich auch deren Schutz daraus, dass für den urheberrechtlichen Schutz der Begriff der geistigen Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG bzw. der eigenen geistigen Schöpfung nach dem unionsrechtlichen Werkbegriff (BGH, Urteil v. 07.04.2022 – I ZR 222/22, Rn. 29) gelte und insoweit nicht nur die Modalitäten des § 2 Abs. 1 UrhG entscheidend sind.

Diese Missachtung des klägerischen Vorbringens münde in einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, welches zwar nicht die Bescheidung jedweden Vorbringens, wohl aber die Berücksichtigung und Verarbeitung der „wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22, Rn. 14) verlange, die in diesem Fall erkennbar unterblieben sei.

Da vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen sein kann, dass das Berufungsgericht bei Würdigung des gesamten Vorbingens des Klägers anders entschieden hätte (indem es den urheberrechtlichen Schutz des Werks anerkennt hätte), ist die Gehörrechtsverletzung auch entscheidungserheblich. Aus diesem Grund sieht sich der Bundesgerichtshof veranlasst, das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

III. Einordnung der Entscheidung

Gewiss gehört das Urheberrecht nicht zu den Kernmaterien für die staatliche Pflichtfachprüfung, sodass Vorkenntnisse in diesem Bereich nicht vorausgesetzt werden dürften. Die Frage nach dem Vorliegen eines schutzwürdigen Gesamtwerks kann jedoch auch in Prüfungsarbeiten durch saubere Gesetzessubsumtion herausgearbeitet werden. Schließlich umfasst der urheberrechtliche Schutz nach dem Wortlaut „insbesondere“ die in den Modalitäten des § 2 Abs. 1 UrhG erfassten Werke, womit zugleich erkennbar wird, dass es auch noch andere geschützte Werke geben muss.

Gelangt man zu dem – wohl überzeugenden – Ergebnis, dass ein schutzwürdiges Gesamtwerk vorliegt, stellt sich die Frage nach denkbaren Schadensersatzansprüchen. Hierfür stellt § 97 Abs. 2 UrhG einen eigenen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch zur Verfügung. Für den Umfang des Schadensersatzes ist hierbei besonders auf die Sätze 2 bis 4 der Vorschrift zu achten. Sollte dieser besondere Schadensersatzanspruch in einer Prüfungsarbeit außer Acht zu lassen sein, lässt sich das Problem auch über das Deliktsrecht, und zwar insbesondere § 823 I BGB lösen. Denn Urheberrechte fallen als Immaterialgüterrechte (zur begrifflichen Ungenauigkeit des historisch geprägten und oftmals immer noch verwendeten Begriffs des „geistigen Eigentums“ siehe Schmoeckel/Maetschke, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2. Auflage 2016, Rn. 189 ff.)  unter die „sonstigen Rechte“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil v. 27.09.2016 – X ZR 163/12, Rn. 24).

Die Entscheidung sollte auch durchaus zum Anlass genommen werden, sich mit dem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG näher auseinanderzusetzen, welches regelmäßig Gegenstand von Prüfungsarbeiten ist. Dies umfasst eben nicht nur das Recht des Einzelnen, sich im Verfahren äußern zu können, sondern korrespondiert mit der gerichtlichen Pflicht, das Vorgetragene auch zu verarbeiten und in die Entscheidung einzubeziehen (BVerfG, Beschluss v. 27.02.2018 – 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694, Rn. 18 m.w.N.; im Übrigen bietet v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, GG, Art. 103, Rn. 16 ff. einen guten Überblick zu den Gewährleistungsinhalten des Anspruchs auf rechtliches Gehör). Eine derartige Verbindung zwischen individuellem Recht und gerichtlicher Pflicht muss auch zwangsläufig gewährleistet werden, denn ein „Anspruch auf Gehör“ ohne Verbindung mit einem „Anspruch auf Verwertung des Vorgetragenen“ ist ohne Sinn und Wert.

Im Zusammenhang mit der Entscheidung erscheint es ebenso lohnenswert, sich den zivilrechtlichen Instanzenzug nochmals zu Gemüte zu führen. Gegen die erstinstanzlichen Endurteile ist die Berufung nach § 511 ZPO statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt (§ 511 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung im Urteil zugelassen hat (§ 511 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Nur in besonderen Fällen kommt eine Sprungrevision gem. § 566 ZPO gegen die erstinstanzlichen Urteile in Betracht. Im Regelfall ist die Revision jedoch das Rechtsmittel, mit dem die Endurteile des Berufungsgerichts nach § 542 ZPO angegriffen werden. Auch diese muss nach § 543 I Nr. 1 ZPO durch das Berufungsgericht zugelassen werden. Anders als im Berufungsverfahren gibt es bei fehlender Zulassung durch das Berufungsgericht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, mit der auch der Kläger im oben geschilderten Fall die Zulassung der Revision erreichen wollte. Der*die aufmerksame Student*in wird sich fragen, wieso der Bundesgerichtshof trotz zulässiger und begründeter Nichtzulassungsbeschwerde das Urteil aufhob und die Sache zurück an das Berufungsgericht verwies, anstatt in das Revisionsverfahren überzugehen und selbst zu entscheiden. Diese Annahme ist grundsätzlich richtig, denn nach § 544 Abs. 8 S. 1 ZPO wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben wird. Nicht so jedoch, wenn – wie hier – der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde. In diesem Fall kann das Revisionsgericht nach § 543 Abs. 9 ZPO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.

06.02.2023/1 Kommentar/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-02-06 14:08:362024-09-14 09:26:43BGH zu Urheberrechtsstreit zwischen Grafikdesigner und FC Bayern
Dr. Philip Musiol

BayVGH zum „Kreuzerlass”

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschied schon im Juni diesen Jahres über die rechtliche Zulässigkeit einer Regelung, die Landesbehörden aufgibt, ein Kreuz im Eingangsbereich anzubringen (BayVGH, Urt. v. 01.06.2022 – 5 N 20.1331; 5 B 22.674). In der Zwischenzeit befasste sich der BayVGH mit Anträgen auf Zulassung der Berufung zur Entfernung der Kreuze von mehreren Einzelpersonen (BayVGH, Beschl. v. 23.08.2022 – 5 ZB 20.2243). Nunmehr sind die Entscheidungsgründe veröffentlicht. Nachdem sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in jüngerer Vergangenheit im Kontext von Kopftuchverboten mit dem Verhältnis von staatlicher Neutralitätspflicht und (negativer) Religionsfreiheit befasste, wird das Problemfeld von dem BayVGH aus einer anderen Perspektive betrachtet, die nicht weniger prüfungsrelevant ist.

I.             Der Sachverhalt

Die Bayerische Staatsregierung bestimmte mit Erlass aus dem Jahr 2018, dass in Dienstgebäuden im Freistaat Bayern als „Ausdruck der kulturellen Prägung Bayerns“ gut sichtbar ein Kreuz im Eingangsbereich anzubringen sei, § 28 Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern (AGO). Daneben bestimmt § 36 AGO: „Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird empfohlen, nach dieser Geschäftsordnung zu verfahren“.

Mehrere Einzelpersonen und zwei als Körperschaften des öffentlichen Rechts verfasste Weltanschauungsgemeinschaften (Bund für Geistesfreiheit Bayern; Bund für Geistesfreiheit München) wendeten sich gegen die Umsetzung dieses sogenannten „Kreuzerlasses“ der Bayerischen Staatsregierung. Sie beantragten, bei der Bayerischen Staatskanzlei die Entfernung der im Eingangsbereich der Dienstgebäude angebrachten Kreuze. Ferner beantragten sie, den Gemeinden, Landkreisen, Bezirken und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu empfehlen, ebenso zu verfahren. Die Einzelpersonen sahen sich in ihrer negativen Religionsfreiheit verletzt. Die Weltanschauungsgemeinschaften trugen vor, dass auch sie in ihrer negativen Religionsfreiheit und in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt seien. Hierdurch werde eine bestimmte Religionsgemeinschaft bevorzugt. Der Staat habe auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten. Die Bayerische Staatskanzlei half den Anträgen nicht ab. Die Kläger verfolgten diese Begehren vor dem Verwaltungsgericht München im Wege der Allgemeinen Leistungsklage weiter. Das Verwaltungsgericht trennte die Verfahren ab und behandelte sie getrennt voneinander. Schließlich wies das Verwaltungsgericht wies die Klagen der Weltanschauungsgemeinschaften und der Einzelpersonen ab, der „Kreuzerlass“ blieb also in Kraft.

II.            Die Entscheidung

Die Berufung der klagenden Einzelpersonen und der Weltanschauungsgemeinschaften vor dem BayVGH blieb ohne Erfolg.

Zunächst zu der Klage der Einzelpersonen: Zum einen könnten sich die Kläger nicht gegen die Verwaltungsvorschrift wenden, da diese keine Außenwirkung entfalte. Als Anknüpfungspunkt kommen also nur die behördlichen Umsetzungsakte in Betracht. Der BayVGH entschied, dass die Klage schon unzulässig sei, da die Kläger nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO seien, der analog auch für die Allgemeine Leistungsklage gelte. Da es keine „generelle“ Allgemeine Leistungsklage gäbe, hätten die Kläger substantiiert vortragen müssen, durch welche Kreuze sie konkret in ihren Rechten betroffen seien. Hieran fehle es, da die Kläger pauschal die Entfernung der Kreuze aus den Dienststellen verlangt hatten. Dieses Begehren richteten sie an die Bayerische Staatskanzlei, hierin sah der BayVGH allerdings keine konkludente Konkretisierung darauf, dass man sich insbesondere gegen das Kreuz im Eingangsbereich der Staatskanzlei richte – wie von den Klägern im Verfahren vorgetragen wurde. Stattdessen sei der Antrag der Kläger „offensichtlich“ nur deshalb an die Staatskanzlei gerichtet worden, weil diese die Bayerische Staatsregierung u.a. bei ihren verfassungsmäßigen Aufgaben unterstützt.

Die Klage sei auch nicht deshalb zulässig, weil die Kläger bei Betreten jedes staatlichen Dienstgebäudes in Bayern potentiell betroffen sein könnten. Insoweit handele es sich der Sache nach um vorbeugenden Rechtsschutz, sodass es zumindest einer möglichen künftigen Verletzung in eigenen Rechten bedarf. Mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG ist vorbeugender Rechtsschutz zulässig, wenn ein besonders schützenswertes Interesse gerade hieran besteht, weil der Verweis auf nachgehenden Rechtsschutz mit für die Kläger unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Der BayVGH hielt diese Voraussetzungen für nicht erfüllt, da es an einem Eingriff in das Grundrecht auf negative Religionsfreiheit der Kläger fehle. Die Anbringung eines Kreuzes durch staatliche Stellen könne nur dann als Eingriff in das Grundrecht eines Einzelnen aus Art. 4 Abs. 1 GG und Art. 107 Abs. 1 BV gewertet werden, wenn der Einzelne durch eine vom Staat geschaffene Lage ohne Ausweichmöglichkeiten dem Einfluss eines bestimmten Glaubens oder seiner Symbole ausgesetzt wird. Hieraus ergebe sich zunächst, dass ein Eingriff in das Grundrecht des Art. 4 Abs. 1 GG nicht automatisch schon immer dann vorliegt, wenn der Staat gegen seine objektiv-rechtliche Pflicht zu weltanschaulich-religiöser Neutralität verstoßen sollte. Die Kläger würden durch das Anbringen eines Kreuzes im Eingangsbereich staatlicher Dienststellen nicht dem Einfluss eines bestimmten Glaubens oder seiner Symbole in grundrechtswidriger Weise ausgesetzt. Denn zum einen handele es sich bei dem Kreuz an der Wand um ein im wesentlichen passives Symbol ohne missionierende oder indoktrinierende Wirkung. Zum anderen handele es sich bei dem Eingangsbereich eines Dienstgebäudes um einen Durchgangsbereich, der nicht dem längeren Verweilen der Bürger diene. Zwar ginge die Konfrontation mit dem Kreuz vom Staat aus. Dennoch befinde sich das Kreuz nur im Eingangsbereich, der Bürger werde also nicht unmittelbar bei der Ausführung staatlicher Aufgaben mit dem Kreuz konfrontiert. Hierdurch unterscheide sich der Sachverhalt etwa von Kreuzen in Unterrichtsräumen, bei denen der Bürger über einen längeren Zeitraum gerade im Zusammenhang mit staatlichen Aufgaben mit religiösen Symbolen konfrontiert sei.

Eine Verletzung der Kläger in ihren subjektiven Rechten sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität anzunehmen. Hierbei handelt es sich um ein objektives Verfassungsprinzip, das als solches keine einklagbaren subjektiven Rechte der Kläger begründet. Der Verstoß gegen objektive Verfassungsprinzipien kann nicht im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend gemacht werden, die dem Schutz der subjektiven Rechte des Klägers dient.

Auch die Berufung der beiden Weltanschauungsgemeinschaften blieb ohne Erfolg: Der BayVGH hielt die Klagen für zulässig, aber unbegründet. Der BayVGH stellte zunächst fest, dass das Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 GG sowie das Rechts auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nach Art. 19 Abs. 3 GG auch Weltanschauungsgemeinschaften zusteht und hielt eine Verletzung dieser Rechte zumindest für möglich. Aus dem Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates, der sich aus einer Zusammenschau der Art. 4 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3, Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1, Abs. 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV ableiten lässt, folge, dass der Staat auf eine am Gleichheitssatz orientierte Behandlung der verschiedenen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zu achten habe. Wo er mit Religionsgemeinschaften zusammenarbeitet oder sie fördert, dürfe dies nicht zu einer Identifikation mit bestimmten Religionsgemeinschaften oder zu einer Privilegierung bestimmter Bekenntnisse führen. Auf der Ebene der Begründetheit kam der BayVGH gleichwohl zu dem Ergebnis, dass eine Verletzung besagter Rechte nicht vorliege, obwohl die objektiv-rechtliche Neutralitätspflicht des Staates verletzt werde. Durch die Anbringung der Kreuze in den Eingangsbereichen der staatlichen Dienstgebäude werde das Symbol des christlichen Glaubens in einem öffentlich zugänglichen staatlichen Raum präsentiert. Die Symbole anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften werden nicht in gleicher Weise ausgestellt. Hierin liege eine sachlich nicht begründete Bevorzugung des christlichen Symbols. Zwar berief sich der Freistaat Bayern darauf, dass das in Dienstgebäuden anzubringende Kreuz als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns zu verstehen sei. Jedoch könne der Freistaat keine Deutungshoheit über das Symbol beanspruchen. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont eines Besuchers könne das Kreuz im Sinne einer Nähe zum Christentum interpretiert werden. Erneut betonte das Gericht, dass die Pflicht des Staates zur weltanschaulich-religiösen Neutralität ein objektiv-rechtliches Verfassungsprinzip sei, das als solches keine einklagbaren subjektiven Rechte der Kläger als Weltanschauungsgemeinschaften begründe. Subjektiven Schutz gegen eine staatliche Maßnahme, die zugleich gegen die Neutralitätspflicht verstößt, können Weltanschauungsgemeinschaften wie die Kläger erst dann beanspruchen, wenn nicht bloß eine Berührung des Schutzbereichs, sondern ein nicht gerechtfertigter, benachteiligender Eingriff in die Grundrechte vorliegt, aus denen das Verfassungsprinzip hergeleitet wird, nämlich aus Art. 4 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG. Die strittige Maßnahme hebe zwar objektiv ein Symbol des christlichen Glaubens hervor. Damit sei aber keine Einmischung in das subjektive Recht der Kläger zu religiöser oder weltanschaulicher Betätigung, zur Verbreitung ihrer Weltanschauung sowie zu deren Pflege und Förderung verbunden. Das Anbringen von Kreuzen erfolge auch nicht im Benehmen und im erkennbaren Interesse christlicher Kirchen. Das Kreuz als christliches Symbol könne seiner religiösen Bedeutung jedoch nicht entkleidet werden. Gleichwohl gäbe es daneben weitere, z.B. historische oder kulturelle Deutungsmöglichkeiten. Jedenfalls sei weder nach dem Wortlaut von § 28 AGO noch nach dem prozessualen Vorbingen des Freistaats Bayern von diesem eine Identifikation mit christlichen Glaubensinhalten und christlichen Glaubensgemeinschaften oder eine Bezugnahme auf den christlichen Glauben bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben und Befugnisse beabsichtigt. Auch seien die Kreuze im Eingangsbereich von Dienstgebäuden anzubringen, wo keine inhaltliche Wahrnehmung behördlicher Aufgaben stattfinde und daher keine hinreichende Verknüpfung zwischen staatlicher Aufgabenerfüllung und Verwendung des christlichen Symbols gegeben sei. Abermals stellte der BayVGH darauf ab, dass dem Kreuz keine missionierende oder indoktrinierende Wirkung zukomme, wodurch die Weltanschauungsfreiheit der beiden Kläger nicht beeinträchtigt werde. Daher nehme der Staat keinen grundrechtsrelevanten Einfluss auf den Wettbewerb der Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften untereinander.

III.          Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung ist im Kontext zu den Entscheidungen des BVerfG zum Kopftuchverbot für Referendarinnen und zu dem Beschluss des BVerfG zur Zulässigkeit eines Kreuzes im Klassenzimmer (BVerfG, Beschl. v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91) zu sehen.

Auf prozessualer Ebene ist herauszuarbeiten, dass Verwaltungsvorschriften keine Außenwirkung haben und deshalb nur die behördlichen Umsetzungsakte angegriffen werden können. Insoweit kann die Frage aufgeworfen werden, ob durch die gewählte Handlungsform ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie vorliegt. Dass der BayVGH dies nicht annahm, ist angesichts des Umstands, dass er schon die Eingriffswirkung der Maßnahme ablehnte, konsequent.

Materiell ist klar zwischen einem Verstoß gegen objektive Verfassungsprinzipien und der Betroffenheit in subjektiven Rechten zu unterscheiden. Für einen Eingriff in die negative Religionsfreiheit der Bürger durch die Verwendung religiöser Symbole durch staatliche Stellen kommt es nach gefestigter Rechtsprechung darauf an, ob der Bürger den Symbolen in einer unausweichlichen Art und Weise „ausgeliefert“ ist. Dies verneinte der BayVGH hier, da das Kreuz „nur“ in dem Eingangsbereich der Behörden aufzuhängen war. Zwar ist richtig, dass der Bürger damit nicht bei der unmittelbaren Behördentätigkeit mit dem Kreuz konfrontiert wird (wie etwa bei einem Kreuz im Klassenzimmer oder im Gerichtssaal). Der Bürger werde im Eingangsbereich, der häufig ein Durchgangsbereich sei, nur „flüchtig“ mit dem Kreuz konfrontiert. Gleichzeitig erkennt der BayVGH an, dass die Kreuze in sämtlichen Behördengebäuden anzubringen seien. Hieraus folgert er lediglich, dass es sich um vorbeugenden Rechtsschutz handele, weil die Kläger nicht hinreichend konkretisiert hätten, durch welches Kreuz sie betroffen seien. Zu diskutieren wäre wohl auch, ob nicht dadurch, dass in jedem Behördengebäude ein Kreuz angebracht ist, der Eindruck erweckt wird, dass sämtliches behördliche Handeln „im Angesichts des Kreuzes“ erfolge. Da jeder Bürger im Laufe seines Lebens darauf angewiesen ist, behördliche Gebäude zu besuchen (Beantragen von Ausweisdokumenten etc.), kann insoweit durchaus von einem gewissen Ausgeliefertsein ausgegangen werden. Unabhängig davon, ob man hier einen Eingriff annimmt, sollte deutlich werden, dass die Bearbeitung zwischen einer Verletzung von objektiven, nicht einklagbaren Verfassungsprinzipien und einer Verletzung von subjektiven Rechten unterscheidet.

Auch das der BayVGH dem Kreuz „keine missionierende oder indoktrinierende“ Wirkung beimisst, ist zumindest fragwürdig, handelt es sich doch um das zentrale Symbol des christlichen Glaubens für das Leiden Christi. Hier ist Argumentationsarbeit gefragt, auch ein Hinweis darauf, dass dem Freistaat Bayern hier keine Interpretationshoheit zukommt, sollte in einer Klausur nicht fehlen.

12.09.2022/1 Kommentar/von Dr. Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Philip Musiol2022-09-12 12:24:572022-10-24 14:39:30BayVGH zum „Kreuzerlass”
Dr. Yannick Peisker

Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – Oder: Warum Bayern sich der Impfpflicht nicht entziehen kann

Aktuelles, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Verfassungsrecht

Impfpflichten beschäftigen die Öffentlichkeit spätestens seit es Impfstoffe gegen COVID-19 gibt. Hieß es zunächst noch, niemand wolle eine Impfpflicht einführen, haben mehrere Virusvarianten und immer höher steigende Infektionszahlen den Wind gedreht und die Diskussion neu befeuert. Nun hat die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht Einzug in das Infektionsschutzgesetz gefunden: Die Regelung des § 20a IfSG entfaltet ihre Wirkung mit Ablauf des 15.3.2022.

A. Die Aussage Markus Söders

Auf einer Videoschalte des CDU-Vorstands verkündete Markus Söder, er werden „großzügigste Übergangsregelungen“ (zitiert nach ZDF heute, letzter Abruf: 9.2.2022) schaffen. Doch bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht handelt es sich um eine Norm des Bundesrechts. Daher ist jede neu geschaffene landesrechtliche Regelung, die eine solche Impfpflicht abschafft oder ihren Regelungsgehalt beschränkt, bereits wegen Verstoßes gegen Art. 31 GG, der den Vorrang von Bundesrecht gegenüber Landesrecht normiert, verfassungswidrig.
Anknüpfungspunkt eines bayerischen Alleinganges kann daher nur der Vollzug des Bundesrechts sein, der nach Art. 83 und Art. 30 GG grundsätzlich Aufgabe der Länder ist.

B. Die derzeitige Ausgestaltung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht

Bevor sich der Verfassungsmäßigkeit einer fehlenden Umsetzung gewidmet wird, müssen zunächst die Grundzüge der einrichtungsbezogenen Impfpflicht erläutert werden. Sofern nämlich ein Umsetzungsspielraum verbleiben sollte, spricht zunächst nicht zwangsläufig etwas gegen eine zurückhaltende Umsetzung.
Die Impfpflicht ist Regelungsgegenstand des § 20a IfSG. Abs. 1 präzisiert dabei die Tätigkeitsbereiche, die von der Impfpflicht erfasst sind, u.a. Krankenhäuser (Nr. 1 lit. a) und Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen (Nr. 2).

Zur Kontrolle der Einhaltung der Impfpflicht sieht § 20a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 IfSG sowohl für die von Abs. 1 S. 1 erfassten Personen, die bereits in den genannten Einrichtungen tätig sind, als auch für diejenigen, die dort erst noch tätig werden sollen, die Pflicht vor, bis zum 16. März 2022 einen Nachweis einer COVID-19-Impfung gegenüber der Leitung der Einrichtung vorzulegen.
Rechtliche interessant ist: An eine Verletzung der Nachweispflicht hat der Gesetzgeber unterschiedliche Folgen geknüpft, je nachdem, ob die betroffene Person bereits in einer von § 20a Abs. 1 S. 1 IfSG erfassten Einrichtung tätig ist oder dort erst noch tätig werden soll. Nur in letzterem Fall tritt ipso iure ein Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 3 S. 4, 5 IfSG ein (Siehe auch Fuhlrott, GWR 2022, 22 (24). Im Hinblick auf Personen, die bereits in der jeweiligen Einrichtung tätig sind, besteht hingegen zunächst nur die Verpflichtung der Einrichtungs- oder Unternehmensleitung, das zuständige Gesundheitsamt über den fehlenden (oder u.U. gefälschten oder unrichtigen) Nachweis zu informieren, § 20a Abs. 2 S. 2 IfSG. Die Entscheidung über ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot liegt sodann nach erneuter Anforderung des Nachweises im Ermessen des Gesundheitsamtes, § 20a Abs. 5 S. 3 IfSG.

Damit besteht ein Ermessensspielraum der Behörde, im Einzelfall ein solches Verbot anzuordnen. Wie weit dieser reicht, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Nach der Gesetzesbegründung ist von einem Verbot abzusehen, wenn das Paul-Ehrlich-Institut einen Lieferengpass bei den Impfstoffen bekannt gemacht hat (BT-Drucks. 20/188, S. 42.) – ob dies allerdings der einzige Grund ist, um insbesondere von einem Tätigkeitsverbot abzusehen, das für Personen nach § 20a Abs. 3 IfSG ja bereits aus dem Gesetz selbst folgt, ist unklar.

Festzuhalten bleibt in praktischer Hinsicht: Die Anordnung eines Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbots für bereits beschäftigte Personen wird eine Einzelfallentscheidung sein, die angesichts der bereits jetzt herrschenden Überbelastung der Gesundheitsämter die Durchsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vor enorme praktische Herausforderungen stellen wird.
Ein solcher Entscheidungsspielraum besteht jedoch nicht bei Neueinstellungen ab dem 16. März. Dort besteht bereits ipso iure ein Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot, der Arbeitgeber darf den Beschäftigten bereits von Gesetzes wegen nicht einsetzen. Anknüpfungspunkt einer bayerischen Weigerung kann daher nur die Kontrolle dieser Verbote sein.

C. Verstoß gegen Art. 83 GG und den Grundsatz der Bundestreue

Bei der in § 20a IfSG normierten einrichtungsbezogenen Impfpflicht handelt es sich um Bundesrecht. Die Aufgabe, dieses zu vollziehen und im Einzelfall durchzusetzen, ist ausweislich der Art. 30 und Art. 83 GG Sache der Länder.
Damit ist zutreffend: Der Bund ist grundsätzlich auf die Länder angewiesen, wenn es um die Umsetzung der Impfpflicht geht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Länder in ihrer Umsetzung frei sind.
Vielmehr geht mit der Kompetenz auch eine Verpflichtung zum Vollzug einher. So entschied des BVerfG bereits am 25.06.1974,

„daß die Länder nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, zur Ausführung von Bundesgesetzen tätig zu werden.“ (BVerfGE 37, 363, 385)

Auch die Behauptung, die Gesundheitsbehörden seien nicht in der Lage, die Impfpflicht durchzusetzen und zu kontrollieren, trägt nicht. Denn Folge der Ausführungspflicht der Länder ist ebenfalls die Pflicht, ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen einer sachgerechten Erledigung des sich aus der Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabenbestands einzurichten (BVerfGE 55, 274, 318). Ein etwaiger Einwand, die Umsetzung sei in der Form nicht möglich, vermag nicht zu überzeugen, erfolgte der Beschluss der einrichtungsbezogenen Impfpflicht noch im Jahr 2021.Eine vollständige Nichtumsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stellt damit bereits einen Verstoß gegen Art. 83 GG dar.

Ebenfalls würde der Freistaat Bayern gegen den Grundsatz der Bundestreue und des bundesfreundlichen Verhaltens verstoßen. Aus dem Bundesstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG wird der Grundsatz abgeleitet, dass die Glieder des Bundes sowohl einander als auch dem größeren Ganzen und der Bund den Gliedern die Treue halten und sich verständigen müssen (BVerfG 1, 299, 315). Bund und Länder sind insbesondere zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Unterstützung in wechselseitiger Loyalität verpflichtet.

D. Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG

Art. 20 Abs. 3 GG statuiert die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz. Art. 20 Abs. 3 GG in Gestalt des Rechtsstaatsprinzips formuliert daher den Grundsatz „Vorrang des Gesetzes“. Jedes staatliche Handeln der Exekutive darf daher rechtlichen Regelungen nicht zuwiderlaufen. Zu beachten ist, dass zumindest bei bereits beschäftigten Personen ein Ermessensspielraum der zuständigen Behörde verbleibt. Solange dieser noch in einem zulässigen Maße ausgeübt wird, muss ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 GG verneint werden. Sofern es jedoch nicht bei einer Einzelfallentscheidung bleibt, sondern Verwaltungsvorschriften das Gebot formulieren, grundsätzlich keine Tätigkeits- und Beschäftigungsverbote auszusprechen, greift der Grundsatz des Vorrangs des Gesetzes ein.
Da die Aussage Söders ein solches Verhalten vermuten lässt, verstößt dies gegen das Rechtsstaatsprinzip in Gestalt des Vorrangs des Gesetzes gem. Art. 20 Abs. 3 GG.

E. Reaktionsmöglichkeiten des Bundes

Dem Bund steht zunächst einmal die Möglichkeit offen, vor dem BVerfG ein Bund-Länder-Streitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG einzuleiten. Erlässt die Landesregierung Bayerns ein Landesgesetz, welches die einrichtungsbezogene Impfpflicht konterkariert, kann zudem eine abstrakte Normenkontrolle gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG auf Antrag der Bundesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages erstrebt werden.
In der Examensprüfung ist zudem an die Möglichkeit des Bundeszwangs gem. Art. 37 GG zu denken – selbst wenn dieses Instrument in der Geschichte des Grundgesetzes noch nicht zum Einsatz kam. Der Bundeszwang setzt ausweislich des Wortlautes von Art. 37 Abs. 1 GG voraus, dass das Bundesland zurechenbar Bundespflichten – hier die Vollzugspflicht – verletzt. Problematisch kann im Einzelfall jedoch werden, dass die Bundesregierung Maßnahmen des Bundeszwangs nur mit Zustimmung des Bundesrates treffen kann, wobei das betroffene Bundesland im Bundesrat selbst mitwirken kann (BeckOK GG/Hellermann, 49. Ed., Art. 37 GG Rn. 8.4). Zur Durchführung des Bundeszwangs besitzt die Bundesregierung nach Art. 37 Abs. 2 GG ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und Behörden.
Neben dem Bundeszwang kann der Bund zudem auf verwaltungstechnische Maßnahmen zurückgreifen. Die Bundesregierung übt nach Art. 84 Abs. 3 die Bundesaufsicht über die Länder bei dem Vollzug von Bundesrecht aus. Hierzu steht der Bundesregierung nach Art. 84 Abs. 3 S. 2 die Möglichkeit offen, einen Beauftragten zu den obersten Landesbehörden zu entsenden. Stellt die Bundesregierung bei der Ausführung des Bundesrechts durch die Länder rechtliche Mängel fest, kann der Bundesrat gemäß Abs. 4 wiederum auf Antrag der Bundesregierung beschließen, dass das jeweilige Bundesland Bundesrecht verletzt hat (sog. Mängelrüge).

F. Summa: Das Land Bayern wird die Impfpflicht umsetzen müssen

Die vorangegangenen Erwägungen zeigen, die Nichtumsetzung der Impfpflicht begegnet mehreren verfassungsrechtlichen Hürden. Verfassungsrechtlich nicht von vornherein ausgeschlossen ist lediglich die zurückhaltende Anordnung von Beschäftigungs- und Tätigkeitsverboten durch die Gesundheitsbehörden im Einzelfall. Aber auch hier muss der Vorrang des Gesetzes gemäß Art. 20 Abs. 3 GG beachtet werden. Der Gesetzgeber geht eben grundsätzlich von der Anordnung eines solchen Verbots aus. Daher dürften allgemeine Anordnungen und Verwaltungsvorschriften, die der zuständigen Behörde aufgeben, nur zurückhaltend hiervon Gebrauch zu machen, ebenfalls verfassungswidrig sein.

09.02.2022/0 Kommentare/von Dr. Yannick Peisker
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannick Peisker https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannick Peisker2022-02-09 12:00:002022-07-21 08:58:14Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – Oder: Warum Bayern sich der Impfpflicht nicht entziehen kann
Redaktion

Mündliche Prüfung im Zivilrecht – 2. Staatsexamen – April 2017 – Bayern

Mündliche Prüfung

In Zusammenarbeit mit ExamensHeld, dem kostenlosen Protokollservice für das erste und zweite Examen in all.en Bundesländern, veröffentlichen wir regelmäßig anonymisierte Protokolle von mündlichen Prüfungen.
Hol‘ dir vor deiner mündlichen Prüfung im ersten und zweiten Examen die Prüfungsprotokolle für deine Prüfer kostenlos von .
 
Die nachfolgende Zivilrechtsprüfung aus dem 2. Examen hat Ende April 2017 in Bayern stattgefunden:
 

  1. Zum Vorgespräch und zum Prüfer

 
Herr X ist ein sehr ruhiger und freundlicher Prüfer. Er hat uns als einziger alle persönlich vor dem Prüfungsraum begrüßt und die Hand geschüttelt.
 
Er führt einen auf die geforderten Antworten hin und unterstützt einen mit einem zustimmenden Nicken. Für die Beantwortung seiner Fragen hat man immer ausreichend Zeit, wobei er auch manchmal ungeduldig wurde, wenn er die Antwort als leicht empfand.
 

  1. Zur Prüfung

 
Anfangs schilderte uns Herr X folgenden Fall:
 
B hat ein Haus in München, das er renovieren will. Er setzt sich dann mit der BauGbR in Verbindung. Diese ist kein Kaufmann. Die Gesellschafter sind U und G. Diese haben keine Vereinbarung über die Vertretung der Gesellschaft getroffen und keinen Geschäftsführer bestellt.
 
Die BauGbR gab ein Renovierungsangebot über 110 000 Euro ab. Dies war dem B zu teuer. Dann hat U dem B vorgeschlagen 50 000 Euro ohne Rechnung als Vergütung zu vereinbaren und 30 000 Euro mit Rechnung. G hatte davon keine Kenntnis.
 
Es begannen die Renovierungsarbeiten. Es erfolgt eine Abnahme durch B. Die Lebensgefährtin des B, die L, überweist dann die 30 000 Euro.
 
Sodann treten Mängel auf. Der B verlangt Nacherfüllung. Es erfolgen Mängelbeseitigungen in Höhe von 10 500 Euro. Dann hat die GbR keine Lust mehr. B fordert die GbR mit einer Frist zur Nacherfüllung auf. Die GbR reagiert nicht.
 
B erhebt Klage mit folgenden Anträgen:
 

  1. Vorschuss für Mängelbeseitigung in Höhe von 8000 Euro.
  2. Hilfsweise Rückzahlung der 30 000 Euro im eigenen Namen an B

 
Zuvor hatte die L den B hierzu eine Ermächtigung erteilt.
 
Nun sollten wir zunächst die Zulässigkeit der Klage prüfen:
 
Das sachlich zuständige Gericht ist das Landgericht, §§ 23, 71 GVG.
Prozessführungsbefugnis des Hautantrags ist gegeben. Beim Hilfsantrag ist diese problematisch. Es liegt eine Prozessstandschaft vor, eine gewillkürte.

  • 253 ZPO wurde durgeprüft und war erfüllt.
  • 78 ZPO wurde geprüft. Am Landgericht herrscht Anwaltszwang.
  • 260 ZPO wurde geprüft, es liegt eine Anspruchshäufung vor. Haupt- und Hilfsantrag.

Es wurden die Partei- und Prozessfähigkeit geprüft. Die GbR ist Rechtsfähig. Kurz sollte man dieses Problem und die Änderung der Rechtsprechung diesbezüglich darstellen.
Hier ist die BauGbR auch rechtsfähig, da diese im Geschäftsverkehr nach außen hin auftritt.
Rechtsfähigkeit nach §§ 1, 21 BGB. Man sollte die Rechtsfähigkeit definieren. Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein.
 
Dann sollte die Prozessfähigkeit definiert werden. Die Fähigkeit innerhalb eines Gerichtsverfahrens Erklärungen abzugeben, Anträge zu stellen und Rechtsmittel einzulegen.
Er fragte, wer für die GbR handelt. Dies sind üblicherweise die Gesellschafter gemeinsam.
Dann sollte die Prozessführungsbefugnis definiert werden. Das Recht, einen Gerichtsprozess über ein behauptetes Recht als die richtige Person im eigenen Namen zu führen. Hier liegt ja beim Hilfsantrag eine gewillkürte Prozessstandschaft vor.
 
Die örtliche Zuständigkeit sollte geprüft werden, §§ 12 ff ZPO.

  • § 12, 17 ZPO wurden angeprüft. Jedoch passt § 17 ZPO nicht. Vielleicht kann dieser Paragraph aber dahingehend ausgelegt werden. Dagegen spricht aber die amtliche Überschrift. „ Juristische Person“. Es wurde gefragt, ob die GbR eine Juristische Person darstelle. Dies ist nicht der Fall.

 
Dann sollte § 29 ZPO geprüft werden. Dieser ist hier einschlägig. Durch diesen kommt man dann zu §§ 269, 270 BGB. Der Erfüllungsort nach § 169 BGB ist hier München als Baustelle für die Renovierungsarbeiten bei dem Werkvertrag.
 
Somit war die Prüfung der Zulässigkeit der Klage beendet.
 
Nun sollte die Begründetheit der Klage geprüft werden.
 
Zunächst wurde die Begründetheit des Hautantrags geprüft. Dabei wird als Anspruch der Vorschuss für die Mängelbeseitigung verlangt. Es sollte die Anspruchsgrundlage gefunden werde.
 
Es liegt ein Werkvertag nach §§ 631 ff BGB vor. Nach § 633 BGB wird der Mangel bestimmt.
Die Anspruchsgrundlage lautet: §§ 631 I, 634 Nr. 2, 637 I, III BGB.
Nach § 631 I BGB muss ein Werkvertrag vorliegen. Ein Vertrag entsteht durch Angebot und Annahme, §§ 145 ff BGB.
 
Die 110 000 Euro stellen zwar ein Angebot der GbR dar, dieses wurde aber von B abgelehnt, § 150 II BGB.
 
Erst die Abrede mit 50 000 Euro ohne Rechnung und 30 000 Euro mit Rechnung stellen einen Vertragsschluss mit Angebot und Annahme dar.
 
Es hat hier aber nur der B mit dem G gehandelt. Und nicht G und U zusammen. Fraglich ist, ob der G den U wirksam vertreten hat, §§ 164 ff BGB. Es sollte § 164 I BGB durchgeprüft werden.
Es scheitert an der Vollmacht des G. Denn U und G sind als Gesellschafter ohne eine Abrede oder Bestellung eines Gesellschafters nur zusammen zur Vertretung befugt, § 709 BGB.
G handelte hier also als Vertreter ohne Vertretungsmacht nach §§ 177 ff BGB.
Folge ist § 177 I BGB, die schwebende Unwirksamkeit des Vertrags.

  • 166 BGB passt auch nicht, damit erfolgt nur eine Zurechnung von Willenserklärungen.

Das größere Problem stellt aber die Ohne-Rechnung-Abrede dar.
Damit ist der gesamte Werkvertrag hier nach § 134 BGB nichtig.
Es ist hier § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG gegeben. Das SchwarzArbG stellt eine Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar.
Es wurde § 139 BGB angeprüft. Jedoch liegt hier eine Gesamtnichtigkeit vor, denn der Vertag ist einfach nicht trennbar in einen nichtigen und in einen wirksamen Teil. Zwar schon anhand der Vergütung, aber nicht im Hinblick auf die Werkleistung.
Dies ist auch der Sinn und Zweck des § 1 SchwarzArbG und die Intention des Gesetzgebers.
Es wurde an § 242 BGB gedacht, dass es missbräuchlich wäre sich auf die Nichtigkeit des Vertrags zu berufen. Jedoch wiederspricht dies der Wertung des § 242 BGB und somit würde man dann den § 134 BGB aushebeln.
Im Ergebnis besteht kein Anspruch auf Vorschuss für die Mängelbeseitigung aus der Anspruchsgrundalge.
Es bestehen auch keine vertragsähnlichen Ansprüche usw.
Dann sollte der Hilfsantrag geprüft werden.
Durch den unbegründeten Hautantrag ist die innerprozessuale Bedingung für den Hilfsantrag erfüllt.
Ein Anspruch aus Werkvertragsrecht bzw. Rücktritt des Werkvertragsrecht ist wegen § 134 BGB nicht geben.
Wir haben die §§ 812 ff BGB geprüft.
Zunächst wurde Anwendbarkeit von § 812 BGB geprüft. Es besteht ein Vorrang der Leistungskondiktion.
Es liegt eine Leistung der L vor, nicht des B. Jedoch liegt eine Ermächtigung der L vor.
Es wurde die Leistungskondiktion nach § 812 I 1 Alt. 1 BGB.
Es sollte eine Leistung definiert werden. Jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.
Dann wurde weiter subsumiert mit etwas erlangt. Dies stellen die 30 000 Euro dar.
Sodann sollte ohne Rechtsgrund dargestellt werden.
Dies ist hier der Fall, da der Werkvertrag nach § 134 BGB nichtig ist. Somit besteht von Anfang an kein Rechtsgrund.
Damit wäre § 812 I 1 Alt. 1 BGB erfüllt. Nach § 818 BGB wäre damit Wertersatz zu leisten.
Aber es muss an § 817 BGB gedacht werden. Dieser ist hier erfüllt. Jedoch hat die L gezahlt und die L hat auch nichts von der Ohne-Rechnung-Abrede gewusst.
Aber die L hat für den B geleistet.
Auch an § 814 BGB ist zu denken. Die L hat zwar geleistet und auch nichts gewusst. Aber der B hat es gewusst und die L für ihn bezahlen lassen.
Es würde der Intention des SchwarzArbG widersprechen, wenn nur weil die L für den B gezahlt hat, §§ 814, 817 BGB nicht greifen würden.
Damit ist auch der Hilfsantrag unbegründet.
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet.
 
Herr X ist zwar nicht protokollfest, aber ein sehr netter Prüfer. Vor ihm muss man keine Angst haben. Er will vor allem dass man zeigt, am Gesetz arbeiten zu können und mitzudenken. Und mit dem Bestehen des schriftlichen Teils hat man die größte Hürde schon hinter sich.
 
Viel Erfolg für die mündliche Prüfung!

23.05.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-05-23 12:00:202017-05-23 12:00:20Mündliche Prüfung im Zivilrecht – 2. Staatsexamen – April 2017 – Bayern
Dr. Christoph Werkmeister

VG Augsburg: Das Kopftuch bleibt examensrelevant

Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das VG Augsburg hatte mit Urteil vom 30.06.2016 – Au 2 K 15.457 festgestellt, dass Rechtsreferendarinnen in Bayern nicht verboten werden darf, ein Kopftuch bei der Ausübung von hoheitlichen Tätigkeiten mit Außenwirkung zu tragen (z.B. bei Sitzungsvertretungen für die Staatsanwaltschaft).
Prozessuale und materiellrechtliche Probleme
Der Fall eignet sich hervorragend für mündliche Prüfungsgespräche in allen Bundesländern, und dies nicht nur, weil in verwaltungsprozessualer Hinsicht die besondere Klageart der Fortsetzungsfeststellungsklage einschlägig war (es ging hier um die Klage gegen eine Auflage, die anscheinend während der Staatsanwaltschafts-Station auferlegt und nach Beendingung der Station aufgehoben wurde; das erforderliche besondere Feststellungsinteresse wurde vom VG Augsburg wegen eines Rehabilitationsinteresses der betroffenen Rechtsreferendarin bejaht).
Auch in materiellrechtlicher Hinsicht wies der Fall eine Besonderheit auf, denn die Auflage zulasten der Referendarin wurde auf eine Verordnung i.S.d. Art. 80 GG des bayerischen Justizministeriums gestützt. Das VG Augsburg führte hierzu überzeugend aus, dass der infrage stehende Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit (Art. 4 GG) nicht auf eine Rechtsverordnung, also ein von der Exekutive erlassenes Gesetz, sondern nur auf ein formelles Parlamentsgesetzes gestützt werden kann (Stichwort: Wesentlichkeitstheorie).
Examensrelevanz
Wir hatten erst kürzlich zur Kopftuchthematik berichtet, allerdings im Zusammenhang mit Kopftuchverboten für Lehrkräfte (siehe dazu hier). Aufgrund der Examensrelevanz sollten die aktuellen Entwicklungen und die verschiedenen Fallkonstellationen beherrscht werden. Zur weiterführenden Lektüre seien deshalb ebenfalls die hier verlinkten Beiträge empfohlen.

03.07.2016/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2016-07-03 10:07:532016-07-03 10:07:53VG Augsburg: Das Kopftuch bleibt examensrelevant
Dr. Christoph Werkmeister

Zwei aktuelle Urteile zum Nichtraucherschutz

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

An dieser Stelle möchte ich lediglich kurz auf zwei examensrelevante Urteile zum Thema Nichtraucherschutz aufmerksam machen.
VGH Kassel: Raucherräume auch attraktiv für Nichtraucher
Zum einen Entschied der VGH Kassel mit Urteil vom 29.02.2012 (Az.6 A 69/11; 6 A 70/11; 6 A 71/11) über einen Sachverhalt, bei dem einer Diskothek eine Auflage erteilt wurde, weil durch einen ruhigen (an sich zulässigen) Raucherraum ein Anreiz für Nichtraucher geschaffen wurde, ihre Getränke in diesem gemütlicheren Raum der Disko zu bestellen. Der VGH kam zu dem Ergebnis, dass der über das Hessische Nichtraucherschutzgesetz vermittelte Schutz bereits ausreichend wäre. Dass bestimmte Raucherräume eine gewisse Attraktivität auch für Nichtraucher ausstrahlen, habe der hessische Gesetzgeber mit seinen Regelungen in Kauf genommen. Ansonsten hätte der Gesetzgeber noch weiter – auch im Hinblick auf Attraktivität der Raucherräume etc. – differenzieren müssen.
OLG Brandenburg: Absolutes Rauchverbot in Spielhallen rechtmäßig
Das OLG Brandenburg entschied mit Urteil vom 01.03.2012 (Az. (2B) 53 Ss-OWi 404/10 (204/10), (2B) 53 SS-OWi 257/11 (137/11)), dass ein vollumfängliches Rauchverbot in Spielhallen verfassungsgemäß sei. Dies auch dann, wenn die Landesnichtraucherschutzgesetze Ausnahmeregelungen für Gaststätten vorsehen. Als sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 I GG führte das OLG an, dass Gaststätten im Gegensatz zu Spielhallen einem geselligen Beisammensein dienen. Das Aufsuchen von Spielhallen erfülle dagegen keine geselligen Zwecke.  Dass Spielhallenbetreiber Getränke und Snacks anbieten, führe nicht zu einer anderen Betrachtung.
Im Vordergrund stünden bei Spielhallen im Gegensatz zu Gaststätten die erheblichen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Risiken und insbesondere das Potential der Spielsucht. Bemerkenswert ist zudem noch die Auffassung des OLG, wonach berücksichtigt wurde, dass die Besucher von Spielhallen überwiegend bereits tabakabhängig seien und bei Spielsüchtigen häufig weitere Abhängigkeiten hinzuträten.
Ausblick
Der Nichtraucherschutz bleibt ein heißes Thema für juristische Staatsexamina. Die landesrechtlichen Regelungen sorgen immer wieder für neuen Zündstoff. Für Kandidaten in NRW sei angemerkt, dass hier eine Neuregelung des Nichtraucherschutzes in der Mache ist. Die Diskussion fußt insbesondere auf Gutachten über die wirtschaftlichen Auswirkungen der strengen Nichtraucherschutzgesetze in Bayern. Nach diesen Gutachten waren die negativen Effekte der weitreichenden Rauchverbote in Bayern letztlich doch weniger erheblich für die Gastronomiebetriebe als erwartet. Es ist also auch in Zukunft mit neuem rechtlichen Diskussionsstoff zu rechnen.

04.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-04 11:26:332012-03-04 11:26:33Zwei aktuelle Urteile zum Nichtraucherschutz
Dr. Gerrit Forst

Bayern: Präventive Festnahme von sogenannten „Islamisten“

Öffentliches Recht

Laut FAZ hat die bayerische Polizei heute in München zwei Personen in Gewahrsam genommen, die zum Al Qaida-Netzwerk in Verbindung stehen sollen. Den Personen werden jedoch keine Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zur Last gelegt. Vielmehr sei die Ingewahrsamnahme eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz des Oktoberfestes. Dieses sei in Drohvideos von Islamisten im Vorfeld der Bundestagswahl gezeigt worden. Die beiden Personen sollen bis zum Ende des Oktoberfestes am 4. Oktober in Gewahrsam bleiben.
Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, wie ein solcher Freiheitsentzug zu rechtfertigen ist. Nach Art. 104 Abs. 1 GG kann die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nach Art. 104 Abs. 2 GG nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme mangels Tatverdachts um eine präventivpolizeiliche Maßnahme handelt, sind als Ermächtigungsgrundlage die Polizeigesetze der Länder , hier des Landes Bayern, heranzuziehen.  Die Artt. 17 ff. PAG Bayern enthalten Vorschriften über die Gründe des Gewahrsams (hier evtl. Art. 17 Abs.  1 Nr. 2 PAG Bayern) sowie dessen Dauer und das einzuhaltende Verfahren. Nach Art. 20 S. 2 PAG Bayern darf die Freiheitsentziehung auch aufgrund richterlicher Entscheidung nicht mehr als zwei Wochen betragen.
In NRW ist eine Freiheitsentziehung von zwei Wochen aufgrund des PolG NRW nicht möglich. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW ist die festgehaltene Person in jedem Falle spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen zu entlassen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung auf Grund eines anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet ist.

28.09.2009/0 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-09-28 12:39:462009-09-28 12:39:46Bayern: Präventive Festnahme von sogenannten „Islamisten“

Über Juraexamen.info e.V.

Deine Online-Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein aus Bonn und auf Eure Unterstützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch Gastbeiträge. Über Zusendungen und Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • BGH: Des Maklers Müh‘ ist oft vergebene Müh’
  • BVerwG zur Verletzung der Kameradschaftspflicht bei Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau
  • Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Alexandra Alumyan

BGH: Des Maklers Müh‘ ist oft vergebene Müh’

AGB-Recht, Aktuelles, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Ein Studienplatz im Ausland, heiß begehrt – und teuer vermittelt. Doch was, wenn der Bewerber es sich anders überlegt? Der BGH hat mit seinem Urteil vom 5.6.2025 (Az.: I ZR […]

Weiterlesen
16.07.2025/0 Kommentare/von Alexandra Alumyan
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Alumyan https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Alumyan2025-07-16 08:10:182025-07-16 08:10:19BGH: Des Maklers Müh‘ ist oft vergebene Müh’
Maximilian Drews

BVerwG zur Verletzung der Kameradschaftspflicht bei Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau

Aktuelles, Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Familienrecht, Lerntipps, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.1.2025 (BVerwG, Urt. v. 22.1.2025 – Az. 2 WD 14.24, BeckRS 2025, 12958) bietet trotz ihrer Grundlage im – für die Studierenden wohl bisher unbekannten […]

Weiterlesen
14.07.2025/0 Kommentare/von Maximilian Drews
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maximilian Drews https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maximilian Drews2025-07-14 07:21:362025-07-14 07:21:36BVerwG zur Verletzung der Kameradschaftspflicht bei Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau
Gastautor

Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur

Aktuelles, Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Karteikarten, Lerntipps, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes, Zivilrecht, Zivilrecht

Im Ausgangspunkt ist klar: „Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch“ (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 194/18) Damit ist allerdings nicht geklärt, welche Anforderungen […]

Weiterlesen
12.06.2025/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-06-12 09:39:522025-06-12 09:39:53Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur

Mitmachen

Du hast Lust, Autor bei uns zu werden? Wir freuen uns!

Mitmachen

  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© juraexamen.info e.V.

Nach oben scrollen Nach oben scrollen Nach oben scrollen