Mit Beschluss vom 04.07.2012 (Az. 3 L 571/12.NW) hat das VG Neustadt die Versagung einer baurechtlichen Genehmigung und ein entsprechendes Nutzungsverbot zum Betrieb eines „nichtmedizinischen Massagesalons“ in einer im allgemeinen Wohngebiet gelegenen Eigentumswohnung für rechtmäßig erklärt.
I. Sachverhalt
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung in einem größeren Wohngebäude in Ludwigsburg, welches in einem allgemeinen Wohngebiet liegt. Sie beantragte bei der zuständigen Behörde die Erteilung einer Baugenehmigung (Baunutzungsänderung) für die Errichtung eines „nichtmedizinischen Massagesalons“ in ihrer Wohnung. Die Antragstellerin nahm die entsprechende Nutzung auf ohne die behördliche Entscheidung abzuwarten. Nach einer Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit, lehnte die zuständige Behörde die Genehmigung ab und untersagte der Dame mit sofortiger Wirkung die (horizontal)gewerbliche Nutzung, da es sich um einen Prostitutionsbetrieb handele. Dagegen ersuchte die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz vor dem VG Neustadt. Nach ihrem Dafürhalten handele es sich bei der von ihr ausgeübten Tätigkeit nicht um Prostitution.
II. Inhalt
Zunächst stellt das VG Neustadt richtigerweise fest, dass es sich vorliegend jedenfalls um eine prostitutionsähnliche Nutzung der Wohnung handelt, da die von der Antragstellerin im Internet offerierten „erotischen Ganzkörper-Entspannungsmassagen“ auch der sexuellen Erregung und Befriedigung dienten. Bei der Einstufung der Betriebsform ist ein weiter Prostitutionsbegriff zugrunde zu legen, wonach unter Prostitution die Vornahme sexueller Handlungen – mit in der Regel – wechselnden Partnern gegen Entgelt, zu verstehen ist. Der Begriff der sexuellen Handlung umfasst dabei „alle Modalitäten und Varianten der den jeweiligen Partner sexuell stimulierenden Betätigungen“ (OVG Berlin, Beschluss vom 09.04.2003 – Az. 2 S 5.03). Die Würdigung der Gesamtumstände muss ergeben, dass es sich nicht um ein Studio für Wellnessmassagen mit lediglich untergeordnetem erotischen Einschlag handelt. Entscheidend ist allein das Gesamtgepräge der Lokalität, insbesondere kommt es bei der Einstufung der Betriebsform nicht auf anderslautende Bezeichnungen des Gewerbetreibenden an. Beispielsweise hat in einem anderen, ähnlich gelagerten Fall, ein findiger Bordellbetreiber ein bestandkräftiges Verbot zur Nutzung eines Gebäudes als Bordell, dadurch zu umgehen versucht, indem ein „Verein für zwischenmenschliche Beziehungen“ gegründet wurde. Die dort als „Wochenmitglieder“ tätigen Damen verrichteten mit den als „Tagesmitgliedern“ bezeichneten Kunden „gemeinsame Meditationen“ gegen Entgelt. Das entscheidende Gericht stufte die Einrichtung als bordellartigen Betrieb ein und wertete dieses Vorgehen als untauglichen Umgehungsversuch des Nutzungsverbots (VGH Mannhein, VBlBW 1999, 461).
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich im vorliegenden Fall nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. In Einklang mit der bisherigen Rechtsprechungspraxis kommt das VG Neustadt zu dem Ergebnis, dass eine derartige gewerbliche Nutzung in einem Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO weder allgemein noch ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig ist, da dies dem Gebietscharakter zuwiderlaufe. Dies folge aus der prinzipiellen Unvereinbarkeit mit dem bauplanungsrechtlichen Begriff des Wohnens sowie den städtebaulichen Ordnungszielen, die einem Wohngebiet zugrunde liegen. Bei typisierender Betrachtung sei davon auszugehen, dass derartige Betriebe die Wohnruhe erheblich stören und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen die Schwelle der Gebietsverträglichkeit überschreiten. Dies wird mit den generell negativen „milieubedingten“ Auswirkungen solcher Etablissements auf das das Wohnumfeld prägende soziale Klima begründet (so etwa OVG RP, Beschluss vom 15.01.2004 – Az. 8 B 11983/03). Ob und inwieweit der in Rede stehende Betrieb bereits konkrete Störungen der Wohnruhe verursacht hat ist dabei unerheblich (VGH Mannheim, NVwZ-RR 1998, 550).
Auch die Einführung des Prostitutionsgesetzes vermag, trotz der möglicherweise daraus ableitbaren generellen Änderungen der sozialethischen Wertungen im Zusammenhang mit der Prostitution, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Der Wandel sozialethischer Vorstellungen hat keinen entscheidenden Einfluss auf das städtebauliche Leitbild eines allgemeinen Wohngebiets und auf die negative Auswirkungsprognose von Bordellen und Wohnungsprostitution auf das Wohnumfeld (OVG RP, Beschluss vom 15.01.2004 – 8 B 11983/03).
III. Fazit
Im Ergebnis verdient der Beschluss des VG Neustadt, auch mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Betrieben zum Zwecke der Prostitution in allgemeinen Wohngebieten, Zustimmung. Zu einem anderen Ergebnis hätte man möglicherweise gelangen können, wenn die Wohnung der Antragstellerin in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO gelegen hätte.
§ 6 Mischgebiet
(1) Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören.
(2) Zulässig sind
1. Wohngebäude,
2. Geschäfts- und Bürogebäude,
3. Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbe,
4. sonstige Gewerbebetriebe
Dabei sollte wegen des unterschiedlichen Störungspotentials unterschieden werden, ob es sich um einen bordellartigen Betrieb oder um die Ausübung sog. Wohnungsprostitution handelt. Das BVerwG bejaht das Vorliegen von Wohnungsprostitution, wenn die Wohnung von ein bis max. zwei Prostituierten sowohl dauerhaft zum Wohnen, als auch zur Verrichtung ihrer gewerblichen Tätigkeit genutzt wird. Wesensprägendes Merkmal ist dabei also, dass das Wohnen und die gewerbliche Tätigkeit „Hand in Hand“ gehen und das Ganze über einen längeren Zeitraum vollzogen wird. Kennzeichnend für das Wohnen ist eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit sowie Freiwilligkeit des Aufenthalts (Stühler, NVwZ 2000, 990 (993)). In derartigen Konstellationen kann nicht per se davon ausgegangen werden, dass solche Betriebe dem gebietsprägenden Wohncharakter zuwiderlaufen, da von solchen Einrichtungen typischerweise eben keine „milieubedingten“ Unruhen ausgehen, sodass es bezüglich der Frage, ob derartige Etablissements das Wohnen in einem Mischgebiet nicht wesentlich stören, auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt. Um einen – auch in einem Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO bauplanungsrechtlich unzulässigen – bordellartigen Betrieb handelt es sich hingegen, wenn die Wohnung entweder nur zur Terminwahrnehmung oder nur für eine kurze Zeitspanne von den dort tätigen und in regelmäßigen Abständen ausgetauschten Personen (mindestens drei) gewerblich genutzt wird (dazu umfassend: Stühler, NVwZ 2000, 990).
Das Baurecht wird aufgrund der vielfältigen Klausurkonstruktionsmöglichkeiten immer wieder gerne in den staatlichen Pflichtfachprüfungen abgefragt. Gerade die vorliegende Konstellation eignet sich vortrefflich als Gegenstand einer mündlichen Prüfung.