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Schlagwortarchiv für: BauNVO

Dr. Maximilian Schmidt

BVerfG: Baurechtliche Beurteilung einer Krypta im Industriegebiet

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 09. Mai 2016  – 1 BvR 2202/13 einen Fall entschieden, der sich ideal sowohl für eine verwaltungsrechtliche als auch eine verfassungsprozessrechtliche Klausur eignet. Bekannt sein sollte jedem Examenskandidaten das Problemfeld der religösen Begräbnisstätten im Baurecht. Insoweit ist in Klausuren bei Prüfung der Voraussetzungen der §§ 30 ff. BauGB und der Normen der BauNVO häufig eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte vorzunehmen: Art. 4 GG der Bauherrn sowie Art. 14 GG und Art. 12 GG der Nachbarn.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)

Die Beschwerdeführerin ist eine vereinsrechtlich organisierte Glaubensgemeinschaft und gehört der Erzdiözese der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien in Deutschland an. Im Jahr 1994 errichtete sie auf einem Grundstück in einem Industriegebiet ein Kirchengebäude. Im Jahr 2005 beantragte die Beschwerdeführerin die Genehmigung zur Umnutzung eines Lagerraums im Untergeschoss des Kirchengebäudes in eine Krypta mit zehn Begräbnisplätzen, was von den zuständigen Behörden abgelehnt wurde. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen die Versagung der Genehmigung blieb ohne Erfolg.

Der VGH Baden-Württemberg (09.09.2009 – 3 S 2679/08 ) hielt in der zugrunde liegenden Entscheidung insbesondere fest, dass die „Hauskirchenbestattung“ für die Beschwerdeführer keinen zwingenden Glaubenssatz darstellten:

An diesen Vorgaben gemessen bewertet der Senat das Bedürfnis, über eine Krypta zur Bestattung der Gemeindepriester in der eigenen Kirche zu verfügen, zwar als einen vom Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 und Art. 137 Abs. 3 WRV i.V.m. Art. 140 GG erfassten Teil des traditionellen Ritus der syrisch-orthodoxen Glaubensgemeinschaft, nicht jedoch als einen aktuellen zwingenden Bestandteil der Religionsausübung im engeren Sinn.

II. Lösung des BVerfG
Das BVerfG stellt zunächst fest, dass der Schutzbereich des Art. 4 GG eröffnet ist und dieses Grundrecht nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden könne.

  • Der postmortale Persönlichkeitsschutz der Toten kommt vorliegend als widerstreitendes Verfassungsgut nicht in Betracht, da die zu beerdigenden Geistlichen ihre personale Würde gerade im untrennbaren Zusammenhang mit den ihrem Glauben zugrunde liegenden Regeln sehen.
  • Gleiches gilt für die Totenruhe, die ebenfalls subjektiv zu bestimmen ist.
  • Auch das Pietätsempfinden der Hinterbliebenen oder der Allgemeinheit muss als Rechtfertigungsgrund ausscheiden, da insoweit die subjektive Entscheidung der Geistlichen Vorrang genießt.

Wichtig: Das BVerfG stellt hiermit fest, dass die subjektive Bestimmung durch die Geistlichen einen hohen Stellenwert hat und damit der Persönlichkeitsschutz sowie das Pietätsempfinden Dritter keine Einschränkung der Religionsfreiheit erlaubten.
Kollidierendes Verfassungsrecht liegt jedoch mit dem Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) sowie der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Grundstücksnachbarn vor. Diese Grundrechte sind mit der Religionsfreiheit im Wege praktischer Konkordanz zu vereinen: nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen darf bevorzugt und maximal behauptet werden, sondern alle Rechte müssen einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren.
Das BVerfG greift die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg in zwei Punkten an:

  • Keine konkrete Feststellung der Konflikte zwischen Begräbnis und Eigentumsnutzung durch Nachbarn. Insbesondere ist kaum Unterschied zwischen Kirche mit oder ohne Krypta festgestellt worden.
  • Eigene Wertung des VGH, dass kein zwingender Glaubenssatz vorliege. Zu dieser Feststellung ist ein Gericht grundsätzlich nicht befugt, allein eine Plausibilitätskontrolle, u.U. anhand eines Sachverständigengutachtens, ist möglich.

III. Klausurrelevanz
Verwaltungsrechtliche Klausur: Im Rahmen der Prüfung der BauNVO kann die Zuordnung zu einem Baugebiet schwerfallen. Dann ist jedoch eine Ausnahmevorschrift anzuwenden, etwa § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Auch ist Art. 4 GG bei der Abwägung mit nachbarlichen Interessen nach § 15 BauNVO zu prüfen. Ebenso kann eine Befreiung etwa nach § 31 BauGB in Betracht kommen. Jedenfalls sind die Wertungen des Art. 4 GG zwingend in der Klausur an geeigneter Stelle zu berücksichtigen.
Verfassungsrechtliche Klausur: In Betracht kommt eine Verfassungsbeschwerde (wie vorliegend) der Gemeinde bzw. deren Mitgliedern. Dann ist die hier dargestellte Grundrechtsprüfung wie bekannt durchzuführen.

22.06.2016/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-06-22 09:27:002016-06-22 09:27:00BVerfG: Baurechtliche Beurteilung einer Krypta im Industriegebiet
Tom Stiebert

VG Wiesbaden: Hundepension in reinem Wohngebiet nicht zulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Das VG Wiesbaden hat mit Urteil vom 26.02.2016 (Az.: 6 K 251/15.WI) entschieden, dass der Betrieb einer Hundepension in einem Einfamilienhaus in einem reinen Wohngebiet nicht zulässig ist.
Die Prüfung des VG ist beispielhaft für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung in der Klausur:
Sachverhalt war (vereinfacht) folgender:
Die Kläger, Eigentümer eines Einfamilienwohnhauses, meldeten im Jahr 2008 bei der Gemeinde den Betrieb einer Hundepension als Gewerbe an; eine Genehmigung für den Betrieb einer Hundepension nach dem Tierschutzgesetz erteilte der zuständige Landkreis ebenfalls im Jahr 2008. Seither betrieben die Kläger eine Hundepension. Sie betreuten nach ihren Angaben ihre eigenen drei Hunde und maximal zwei Gasthunde „familiär“ in ihrem Haus, nach Angaben eines Nachbarn deutlich mehr. Auf Hinweis  hat die zuständige Behörde mit Bescheid vom 18.09.2013 ein Nutzungsverbot ausgesprochen, mit dem er den Betrieb einer Hundepension auf dem Wohngrundstück sowie in den Räumlichkeiten des Hauses untersagte. Daraufhin beantragten die Kläger im Februar 2014 eine Genehmigung für die Nutzungsänderung des Hauses zur Hundebetreuung „Hundeferien Rheingau-Taunus“. Die Gemeinde versagte ihr Einvernehmen zu diesem Bauantrag; der Landkreis hatte den Antrag mit Bescheid vom 24.03.2014 abgelehnt, da die geplante Nutzungsänderung den Festsetzungen des Bebauungsplans widerspreche.
Nunmehr haben die Kläger Klagen erhoben, mit denen sie sich einerseits gegen ein Nutzungsverbot wandten und andererseits die Erteilung einer Baugenehmigung für eine veränderte Nutzung begehrten.
Entscheidungsgründe
Das VG hat die Klage abgewiesen.
Eine Genehmigung der Nutzungsänderung ist nicht zu erteilen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Nutzungsverbot rechtmäßig erteilt worden, da der Betrieb einer Hundepension in dem als Wohnhaus genehmigten Gebäude eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung darstellt, die Kläger aber keine solche Genehmigung besitzen. Da die Kläger den Betrieb der Hundepension ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommen hätten, könnten sie sich auch nicht schutzwürdig darauf berufen, der Betrieb sei ihre Existenzgrundlage.

Zu prüfen war hier folglich nur, ob eine Nutzungsänderung iSd § 63 Abs. 1 BauO NRW vorgelegen habe. Dies wird bejaht. Eine entsprechende Nutzungsänderung bedarf gemäß § 63 Abs. 1 BauO NRW der Genehmigung.

§ 63 BauO NRW bestimmt insofern: (1) Die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie anderer Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 bedürfen der Baugenehmigung

Eine solche Genehmigung ist auch nicht zu erteilen. (§ 63 Abs. 1 BauO NRW iVm 75 BauO NRW). Ihr stehen bauplanungsrechtliche Erwägungen entgegen.
Das Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans, der das Grundstück als allgemeines Wohngebiet ausweise und das vorwiegend dem Wohnen diene (vgl. § 30 BauGB iVm. § 4 BauNVO). Zulässig sind dabei insbesondere Wohngebäude.

Darunter falle der gewerbsmäßige Betrieb einer Hundepension jedoch nicht, auch wenn die Hunde „wohnungsmäßig“ betreut würden, also überwiegend im Haus gehalten würden.

Zu problematisieren war hier die Vereinbarkeit mit § 4 BauNVO, hier kam es auf eine eigene Argumentation und Definition des Begriffes Wohngebäude an. Nicht einschlägig war dagegen § 14 BauNVO.
Ob der Betrieb der Hundepension hier stört oder nicht, ist unerheblich.

Es komme nicht darauf an, ob die gewerbliche Hundepension ein störender Gewerbebetrieb sei. Denn der Bebauungsplan schließe ausdrücklich auch sonstige, nicht störende Gewerbebetriebe aus. Damit sei eine Ausnahme nicht möglich.

Auch eine Befreiung nach § 31 BauGB ist unzulässig. Entscheidend ist hier, dass die Grundzüge der Planung nicht verletzt sind. Hier lautet die Begründung des Bebauungsplans: „Um die hohe Wohnqualität nicht zu stark zu beeinträchtigen und um die Anliegerstraßen angesichts der topographisch bedingten schwierigen Verhältnisse nicht durch ein überhöhtes Verkehrsaufkommen zu belasten, werden die ansonsten ausnahmsweise zulässigen Betriebe des Beherbergungsgewerbes, sonstige nicht störende Betriebe, Anlagen für Verwaltungen, Gartenbaubetriebe und Tankstellen ausgeschlossen“. Diesen Zielen würde bei einer Genehmigung zuwidergehandelt.

04.03.2016/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2016-03-04 16:25:422016-03-04 16:25:42VG Wiesbaden: Hundepension in reinem Wohngebiet nicht zulässig
Dr. Christoph Werkmeister

VG Neustadt zur Taubenhaltung im Bauplanungsrecht

Baurecht, Rechtsprechung

Das VG Neustadt entschied vor Kurzem einen Sachverhalt zum Baurecht, der ohne Weiteres im Rahmen des ersten oder zweiten Staatsexamens als Klausuraufgabe abgeprüft werden könnte (Urteil vom 25.07.2012 – 4 L 625/12.NW).
Sachverhalt

Der Antragsteller ist Eigentümer eines mit einem Wohnhaus und Garage bebauten Grundstücks in Germersheim. Entlang und hinter der Garage hat er im Frühjahr 2012 zwei Volieren errichtet, die er seitdem zusammen mit einem Teil der Garage zur Taubenhaltung mit mehr als 60 Brieftauben nutzt. Nachdem sich mehrere Nachbarn über die von den Tauben des Antragstellers ausgehenden Belästigungen beschwert hatten, untersagte ihm der Landkreis Germersheim im Juni 2012 die Taubenhaltung mit sofortiger Wirkung, räumte ihm eine Frist von vier Wochen für die Entfernung der Tauben ein und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheids an.
Der Antragsteller suchte dagegen um vorläufigen Rechtsschutz nach und machte geltend, von anhaltenden unzumutbareren Belästigungen und Störungen der Nachbarn könne keine Rede sein. Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei auch unverhältnismäßig. Mehrere der betroffenen Brieftauben befänden sich aktuell noch in der Brutzeit, zum Teil seien bereits Jungtiere geschlüpft. Während dieser Zeit sei eine Versetzung der Brieftauben nicht möglich, ohne dass sowohl die Brut als auch die Jungtiere erheblich gefährdet würden (Quelle: Pressemitteilung des VG Neustadt).

Bauplanunugsrechtliche Prüfung
Ob die zuständige Bauordnungsbehörde eine Untersagungsverfügung erlassen durfte, richtet sich u.a. nach der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Im vorliegenden Sachverhalt handelte es sich bei dem Gebiet, in dem der Taubenschlag errichtet wurde, um ein reines Wohngebiet i.S.v. § 3 BauNVO. Da kein Bebauungsplan existierte, richtete sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit somit i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB nach den Vorgaben der BauNVO, vorliegend insbesondere nach §§ 3, 14 und ggf. 15 BauNVO.
Außer Wohngebäuden sind im reinen Wohngebiet nach § 14 BauNVO auch untergeordnete Nebenanlagen zulässig. Hierzu gehören u.a. auch Einrichtungen zur Kleintierhaltung. Im zu entscheidenden Kontext führte das VG Neustadt zur Subsumtion aus:

Die Haltung von Brieftauben könne in einem reinen Wohngebiet als Annex zum Wohnen zugelassen werden, soweit sie üblich und ungefährlich sei und den Rahmen der für eine Wohnnutzung typischen Freizeitbetätigung nicht sprenge. Die auf dem Grundstück des Antragstellers vorhandene Kleintierhaltung mit über 60 Brieftauben könne aber nicht mehr als eine dem Wohnen als Hauptnutzung untergeordnete Freizeitbeschäftigung angesehen werden und widerspreche der Eigenart des hier vorhandenen reinen Wohngebiets. Aus den Feststellungen der Kreisverwaltung Germersheim sowie den von den Nachbarn vorgelegten Lichtbildern ergebe sich, dass die Grundstücke der Nachbarn  durch den Kot der Brieftauben sowie Federn-/Flaumflug verunreinigt würden. Belästigungen entstünden ferner durch die Geräusche beim Flügelschlagen der Tauben, die über den Grundstücken des Antragstellers und der Nachbarn kreisten.
Der Antragsteller könne sich auch nicht mit Erfolg auf die Unverhältnismäßigkeit der Nutzungsuntersagung berufen. Soweit er gerügt habe, während der aktuellen Brut- und Jungtierzeit sei eine Versetzung der Brieftauben nicht möglich, ohne dass sowohl die Brut als auch die Jungtiere erheblich gefährdet und beeinträchtigt würden, sei dies kein grundstücksbezogener Gesichtspunkt und daher hier unbeachtlich. Eventuell auftretende Härten für den Antragsteller könne dieser im Rahmen eines möglicherweise nachfolgenden Vollstreckungsverfahrens geltend machen.

Es wurde also zunächst § 3 BauNVO subsumiert. Der Taubenschlag fiel allerdings nicht unter die Bezeichnung „wohnen“ i.S.v. § 3 Abs. 1 BauNVO. Aus diesem Grund musste § 14 BauNVO geprüft werden, wonach kleinere Nebenanlagen, inbesondere zur Kleintierhaltung, zulässig sein können. Hierunter fiel der Taubenschlag mit immerhin 60 Tauben allerdings auch nicht mehr, so dass das Vorhaben mangels Gebietsverträglichkeit bauplanungsrechtlich unzulässig war. Sodann musste noch die Verhältnismäßigkeit der Untersagungsverfügung geprüft werden, wobei insbesondere auf die Brut- und Jungtierzeit der Tauben einzugehen war. An letzer Stelle wäre mit entsprechender Argumentation – ggf. unter Bezugnahme auf die Wertung von Art. 20a GG – auch ein anderes Ergebnis vertretbar. Das Argument, dass im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens eventuelle Härten Berücksichtigung finden können, ist allerdings auch nicht von der Hand zu weisen, so dass die Lösung des VG Neustadt durchaus interessengerecht erscheint.

29.07.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-07-29 09:58:382012-07-29 09:58:38VG Neustadt zur Taubenhaltung im Bauplanungsrecht
Gastautor

Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht

Baurecht, Öffentliches Recht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Verwaltungsrecht

Wir freuen uns, heute erneut einen Gastbeitrag von David Ullenboom veröffentlichen zu können. David ist zur Zeit Rechtsreferendar am LG Münster und hat auch schon sehr erfolgreich (2. Platz) an unserem Aufsatzwettbewerb teilgenommen.
Hinweis: Wie ihr seht, handelt es sich um einen sehr langen Beitrag, der das Problem des Nachbarschutzes sehr ausführlich und unter allen Aspekten behandelt. Natürlich müsst ihr den Beitrag nicht am Monitor lesen, denn wir haben – wie ihr vielleicht schon wisst – ganz am Ende die print-Funktion durch die ihr den Eintrag als pdf speichern und auch eine entsprechende Version drucken könnt.
I. Einführung
Öffentliches Baurecht, insbesondere das Bauplanungsrecht nach dem BauGB, spielt in den Klausuren zum Ersten und Zweiten Staatsexamen eine große Rolle. Ein Großteil der Examensklausuren im öffentlichen Recht sind Klausuren aus dem Bereich des Bau(planungs)rechts. Hintergrund des hohen Anteils an Baurechtsrechtsklausuren in den Staatsprüfungen mag u. a. sein, dass das Bauplanungsrecht im BauGB bundeseinheitlich geregelt ist und deshalb die Möglichkeit eröffnet, die Klausuren bundesweit als Aufsichtsarbeiten zu stellen. Dadurch unterscheidet sich dieses Rechtsgebiet insbesondere von den anderen Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts in den Staatsexamina, welches überwiegend in die Zuständigkeit der Länder fällt (Polizei- und Ordnungsrecht, Kommunalrecht). Obwohl im Ersten und Zweiten Staatsexamen in NRW das Baurecht vom Prüfling nur „im Überblick“, d. h. in seinen gesetzlichen Grundstrukturen ohne vertieftes Wissen von Rechtsprechung und Literatur, beherrscht werden muss (§§ 11 II Nr.13 c), IV, 52 I 1 Nr.1 JAG NRW), verlangt eine typische Examensklausur aus dem Baurecht dem Kandidaten in der Examenswirklichkeit doch einiges an „Detailwissen“ ab. Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht ist vor diesem Hintergrund seit jeher ein absoluter Examens-Klassiker. Die Rechtsprechung des BVerwG wurde in diesem Bereich in den letzten Jahrzenten zunehmend ausdifferenziert. Dabei lässt sich ein Trend „hin zu einem Mehr an Nachbarschutz“ ausmachen. Während das BVerwG das Bauplanungsrecht zunächst als rein objektives Städtebaurecht einordnete, das allein dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung diene, hat das höchste deutsche Verwaltungsgericht diese Rechtsauffassung sukzessive aufgegeben und in der Folge immer mehr Vorschriften des BauGB drittschützende Wirkung zuerkannt (vgl. etwa Gaentzsch, ZfBR 2009, 321).
II. Klausurkonstellationen
Die Frage des Drittschutzes im öffentlichen Baurecht stellt sich in Examensklausuren insbesondere in zwei Konstellationen:
– Der Bauherr B erhält antragsgemäß von der Bauaufsichtsbehörde eine Baugenehmigung. Der Nachbar N erhebt Anfechtungsklage gegen die dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung. Die Anfechtungsklage ist nur zulässig, wenn N geltend machen kann, möglicherweise in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt zu sein (§ 42 II VwGO). Die Anfechtungsklage des N ist gem. § 113 I 1 VwGO nur begründet, wenn die Erteilung der Baugenehmigung gegen den Schutz des Nachbarn bezweckende Baurechtsnormen verstößt.
– Der Bauherr B baut ohne Baugenehmigung oder außerhalb einer erteilten Baugenehmigung („Schwarzbau“). Der Nachbar N erhebt Verpflichtungsklage gegen die Bauaufsichtsbehörde auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Schwarzbau. Die Verpflichtungsklage ist nur zulässig, wenn der N geltend macht, einen Anspruch auf behördliches Einschreiten aus einer drittschützenden EGL der Behörde zu haben (§ 42 II VwGO). Die Klage ist nur begründet, wenn dieser Anspruch tatsächlich besteht (§ 113 V VwGO).
III. Drittschützende Normen im Baurecht
Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Arten von drittschützenden Normen unterscheiden. Zum einen gibt es drittschützende Normen, die den Nachbarn unabhängig von einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit schützen (generell-typisierender Drittschutz). Zum anderen gibt es solche drittschützenden Normen, die erst im Falle einer tatsächlichen (unzumutbaren) persönlichen Betroffenheit tangiert sind (einzelfallbezogener Drittschutz). Zur ersten Gruppe gehört insbesondere der sog. „Gebietserhaltungsanspruch“ hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung im Bebauungsplangebiet, unter die zweite Gruppe fallen insbesondere die einfachgesetzlichen Ausprägungen des sog. „Rücksichtnahmegebots“. Davon wird noch genauer die Rede sein.
1. generell-typisierender Drittschutz
Einige Normen des öffentlichen Baurechts vermitteln Drittschutz unabhängig von einer tatsächlichen persönlichen Betroffenheit. Der Hintergrund eines derartigen generell-typisierenden Drittschutzes wird überwiegend in Folgendem gesehen: Das Eigentum an einem Grundstück wird grds. nicht grenzenlos gewährt. Vielmehr ist der Gesetzgeber ermächtigt, Inhalt und Schranken des Eigentums durch einfachgesetzliche Bestimmungen festzulegen (Art. 14 I 2 GG). Wenn nun aber der Eigentümer eines Grundstücks in einem bestimmten Baugebiet in der Nutzung seines Grundstücks durch öffentlich-rechtliche Vorschriften beschränkt wird, dann soll er die Einhaltung derartiger (beschränkender) Vorschriften wenigstens auch von den anderen Grundstückseigentümern im selben Baugebiet verlangen können. Insofern bilden alle Grundstückseigentümer in einem Baugebiet eine „Schicksalsgemeinschaft“. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „nachbarschaftlichen Austauschverhältnis“ (vgl. zum Ganzen BVerwG NJW 1994, 1548).
a) „Gebietserhaltungsanspruch“
1. Durch die Festsetzung der in § 1 II BauNVO genannten Baugebiete (z. B. allgemeines Wohngebiet [WA], Mischgebiet [MI] oder Gewerbegebiet [GE]) in einem Bebauungsplan, werden die diesbezüglichen Vorschriften der §§ 2 ff. BauNVO kraft Gesetzes gem. § 1 III 2 BauNVO Bestandteil des B-Plans. Die § 2 ff. BauNVO sind dabei überwiegend jeweils gleich strukturiert. Im jeweiligen Absatz 1 wird der Zweck bzw. Charakter des jeweiligen Baugebiets festgelegt. Im jeweiligen Absatz 2 findet sich die allgemein zulässige Bebauung (sog. „Regelbebauung“). Im jeweiligen Absatz 3 schließlich regelt die BauNVO die ausnahmsweise zulässige Bebauung (sog. „Ausnahmebebauung“). Wenn § 30 I BauGB nun davon spricht, dass ein Bauvorhaben zulässig ist, wenn es „den Festsetzungen des B-Plans nicht widerspricht“, so bedeutet dies, dass das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung zulässig ist, wenn es dem Absatz 2 des einschlägigen Baugebiets nach den §§ 2 ff. BauNVO entspricht, also einem der dort aufgeführten Gebäude und Anlagen zugeordnet werden kann (z. B. Zulässigkeit eines Wohngebäudes im allgemeinen Wohngebiet gem. § 4 II Nr.1 BauNVO). Denn der jeweilige Absatz 2 der §§ 2 ff. BauNVO ist ja, wie oben bereits ausgeführt, kraft Gesetzes Bestandteil des B-Plans geworden.
Wenn demgegenüber § 31 I BauGB davon spricht, dass von den Festsetzungen des B-Plans solche Ausnahmen zugelassen werden können, welche „in dem B-Plan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind“, so ist dies ein Verweis auf die Ausnahmebebauung der jeweiligen Absätze 3 der §§ 2 ff. BauNVO. Denn da die BauNVO kraft Gesetzes Bestandteil des B-Plans geworden ist, ist die in den Absätzen 3 der BauNVO vorgesehene Ausnahmebebauung eben eine solche, die der B-Plan ausdrücklich vorsieht.
Vorhaben hingegen, die weder unter die Tatbestände der Regelbebauung noch unter die der Ausnahmebebauung subsumiert werden können, können nur unter den sehr strengen Voraussetzungen des § 31 II BauGB zugelassen werden (sog. „Dispens“).
2. Das BVerwG hat nun jedem Grundstückseigentümer ausdrücklich das Recht zuerkannt, sich innerhalb des von ihm bewohnten Baugebiets gegen jede artfremde Bebauung zu wehren, unabhängig davon, ob sie ihn tatsächlich beeinträchtigt (sog. „Gebietserhaltungsanspruch“). Seine Grundlage hat der Gebietserhaltungsanspruch im „nachbarlichen Austauschverhältnis“ und im Gedanken der „Schicksalsgemeinschaft“ (vgl. bereits oben). Der Nachbar eines Baugebiets kann sich also gegen jedes Vorhaben in seinem Baugebiet zur Wehr setzen, das weder Regel- noch Ausnahmebebauung nach der BauNVO ist. Der Gebietserhaltungsanspruch ist aber begrenzt auf das jeweilige Baugebiet, gebietsübergreifenden Rechtsschutz auch in Bezug auf benachbarte Baugebiete vermittelt er hingegen nicht.
b) „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“
1. Vom „Gebietserhaltungsanspruch“ streng zu unterscheiden ist der sog. „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“. Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist ein noch vergleichsweise junges Rechtsinstitut, welches vom BVerwG insbesondere in zwei Entscheidungen aus den Jahren 2002 und 2008 entwickelt wurde (NVwZ 2002, 118; NVwZ 2008, 786). Im Unterschied zum Gebietserhaltungsanspruch beschreibt der Gebietsprägungserhaltungsanspruch folgendes Phänomen: Ein Vorhaben, dass an sich unter die Regel- oder Ausnahmebebauung der §§ 2 ff. BauNVO subsumiert werden kann (deshalb greift der Gebietserhaltungsanspruch nicht ein!) ist bei generell-typisierender Betrachtungsweise in dem einschlägigen Baugebiet gebietsunverträglich, weil es den prägenden Charakter des Baugebiets konterkariert. Bei oberflächlicher Betrachtungsweise könnte man versucht sein, den Gebietsprägungserhaltungsanspruch mit der Regelung in § 15 I 1 BauNVO gleichzusetzen, die ebenfalls davon spricht, dass ein nach den §§ 2 ff. BauNVO grundsätzlich zulässiges Vorhaben im Einzelfall unzulässig ist, wenn es der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch muss aber auch zu § 15 I 1 BauNVO abgegrenzt werden, keinesfalls sind beide Regelungskomplexe gleichzusetzen. Während nämlich der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ein Vorhaben betrifft, dass bereits nach genereller und typisierender Betrachtungsweise in dem jeweiligen Baugebiet gebietsunverträglich ist, meint § 15 I 1 BauNVO den Fall, dass ein Bauvorhaben zwar nach abstrakt-typisierender Anschauung dem Gebietscharakter nicht widerspricht (deshalb greift der Gebietsprägungserhaltungsanspruch nicht ein!), aber dennoch im konkreten Einzelfall gebietsunverträglich ist. Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist der Regelung des § 15 I 1 BauNVO also logisch vorgeschaltet (sehr ausführlich z. B. Decker, JA 2007, 55).
2. Hinter dem „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ steht folgende Idee: Bei den in den Absätzen 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO aufgeführten Gebäuden und Anlagen handelt es sich um in hohem Maße unbestimmte Rechtsbegriffe. Z. B. umfasst der Begriff der „Anlage zu gesundheitlichen Zwecken“ in § 4 II Nr.3 BauNVO nach seinem Wortlaut sowohl die kleine Praxisgemeinschaft niedergelassener Ärzte als auch das Krankenhaus mit 100 Krankenhausbetten. Zudem wird der Begriff der „Anlage zu gesundheitlichen Zwecken“ auch noch in den Vorschriften anderer Baugebiete aufgegriffen (z. B. § 6 II Nr.5 für „Mischgebiete“ und § 8 III Nr.2 für „Gewerbegebiete“) und kann wegen der erheblichen Unterschiede zwischen den verschiedenen Baugebieten unmöglich überall im gleichen Sinne verstanden werden. Da allein der „Feinfilter“ des § 15 I 1 BauNVO, der immer erst bei einzelfallbezogener Gebietsunverträglichkeit eingreift, dem Interesse der Bewohner des Baugebiets an einer Wahrung des prägenden Gebietscharakters nicht gerecht wird, hat das BVerwG einen „Grobfilter“ in Form des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs vorgeschaltet.
Hierbei werden die in den Absätzen 2 und 3 der §§ 2 ff. BauNVO jeweils genannten Gebäude und Anlagen in Beziehung zu dem jeweiligen Absatz 1 der Vorschrift gesetzt, welcher eine allgemeine Charakterisierung bzw. Zweckrichtung des Baugebiets enthält. Beispielsweise dienen allgemeine Wohngebiete gem. § 4 I BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Bauvorhaben, die bereits nach generell-typisierender Betrachtungsweise geeignet sind, die Wohnruhe im allgemeinen Wohngebiet erheblich zu stören und deshalb gebietsunverträglich sind, können also mit dem Gebietsprägungserhaltungsanspruch von den Bewohnern dieses Baugebiets abgewehrt werden. Ein Dialysezentrum mit 33 Behandlungsplätzen, Zwei-Schicht-Betrieb und regem An- und Abfahrtsverkehr, welches eine erhebliche Unruhe in das Wohngebiet hineinträgt, ist deshalb beispielsweise in einem allgemeinen Wohngebiet (obwohl gem. § 4 II Nr.3 BauNVO grds. zulässig) gebietsunverträglich (BVerwG NVwZ 2008, 786).
c) § 15 I 1 BauNVO
§ 15 I 1 vermittelt allen Bewohnern eines Baugebiets einen Anspruch auf Erhalt des prägenden Gebietscharakters. Vorhaben, die zwar an sich nach den §§ 2 ff. BauNVO regelhaft oder ausnahmsweise zulässig sind, können von den Baugebietsnachbarn abgewehrt werden, wenn sie im Einzelfall nach Lage, Umfang, Anzahl oder Zweckbestimmung dem prägenden Gebietscharakter widersprechen. § 15 I 1 BauNVO ist insofern weiter als § 15 I 2 BauNVO, als er keine unzumutbare persönliche Betroffenheit voraussetzt. Er ist auf der anderen Seite enger, weil er nur die Bewohner des betroffenen Baugebiets schützt, nicht aber die Bewohner benachbarter Baugebiete (kein plangebietsübergreifender Nachbarschutz; vgl. Stuer, Der B.Plan, Rn. 917). § 15 I 1 BauNVO kommt aber erst zum Zuge, wenn das Vorhaben nicht bereits nach generell-typisierender Betrachtungsweise gebietsunverträglich ist (dann greift vorrangig der „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ ein, s. oben).

d) „faktisches Baugebiet“, § 34 II BauGB
Im „faktischen Baugebiet“ nach § 34 II BauGB besteht hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung genau derselbe Drittschutz wie im Bebauungsplangebiet (BVerwG NJW 1994, 1546). D. h. entspricht die nähere Umgebung eines Bauvorhabens im Innenbereich einem der Baugebiete nach der BauNVO, so stehen dem Nachbar ebenso wie im beplanten Innenbereich der „Gebietserhaltungsanspruch“, der „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ und § 15 I BauNVO zur Seite.
e) Maß der baulichen Nutzung, Bauweise, überbaubare Grundstücksflächen
Während es oben um die Festsetzungen des B-Plans über die Art der baulichen Nutzung ging, stellt sich die Frage, ob auch die Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 16 ff. BauNVO), die Bauweise und die überbaubaren Grundstücksflächen (§§ 22 ff. BauNVO) Drittschutz entfalten können.
1. Nach h. M. entfalten die Festsetzungen des B-Plans über das Maß der baulichen Nutzung grds. keine drittschützende Wirkung zugunsten des Nachbarn, da sie ausschließlich dem öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen sollen. Ausnahmsweise haben aber auch Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung drittschützende Wirkung, wenn der Drittschutz im B-Plan von der planenden Gemeinde ausdrücklich festgeschrieben wird (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 68 f.). Möglich ist eine Geltendmachung der drittschützenden Wirkung des Maßes der baulichen Nutzung – trotz Einhaltung der Abtsandsflächen nach § 6 BauO NW- auch in denjenigen Ausnahmefällen, in denen dem Bauvorhaben eine „erdrückende Wirkung“ zukommt und dem Nachbarn ein Gefühl des „Eingemauertseins“ vermittelt und ihm die „Luft zum Atmen nimmt“ (sog. „Gefängnishofsituation“; Thiel, AL 2012, 179). Diese sehr enge Ausnahme ist dann wiederum Ausdruck des Rücksichtnahmegebots. In derartigen Ausnahmefällen dient dann im Bebauungsplangebiet ausnahmsweise § 15 I 1 BauNVO (der an sich nur für die Art der baulichen Nutzung gilt!) als Einfallstor für das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. dort Merkmal „Umfang“ des Vorhabens). Denn die Rechtsprechung geht davon aus, dass in derartigen Fällen „Quantität in Qualität umschlägt“, d. h. dass ausnahmsweise die Größe einer Anlage die Art der baulichen Nutzung tangiert (vgl. zum Ganzen BVerwG, NVwZ 1995, 900). Im unbeplanten Innenbereich kann die „erdrückende Wirkung“ rücksichtsloser Vorhaben über § 34 I 1 BauGB („Einfügen“) im Außenbereich über § 35 III 1 (ungeschriebener „öffentlicher Belang“!) geltend gemacht werden.
2. Die Festsetzung einer offenen Bauweise wird überwiegend als drittschützend angesehen, der Festsetzung einer geschlossenen Bauweise wird Drittschutz hingegen überwiegend versagt (Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 70 f.). Die Festsetzungen über die überbaubaren Grundstücksflächen gem. § 23 BauNVO (Baulinien, Baugrenzen, Bautiefen) sind nur dann nachbarschützend, wenn sie (ähnlich wie die Abstandsflächenregelung des § 6 BauO NRW) die ausreichende Licht- und Luftzufuhr zum Nachbargrundstück bezwecken (Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 72). Allerdings sollte man hier Vorsicht walten lassen: Die Tatsache, dass z. B. seitliche und hintere Baugrenzen in rein tatsächlicher Hinsicht eine ähnliche Wirkung wie die Abstandsflächenregelungen in den Landesbauordnungen der Länder haben, lässt noch keinen Rückschluss auf deren nachbarschützende Wirkung zu. Insofern handelt es sich dann nämlich zunächst um einen reinen Rechtsreflex. Entscheidend ist, ob der Gesetzgeber diese tatsächlichen Wirkungen der Festsetzungen auch bezweckt hat.
f) Bauordnungsrecht: insbesondere Abstandsflächenregelung
Im Bauordnungsrecht entfalten insbesondere die Abstandsflächenregelungen in den jeweiligen Bauordnungen der Länder drittschützende Wirkung (z. B. § 6 BauO NRW). Die Abstandsflächenregelungen haben nämlich insbesondere den Zweck, das Nachbargrundstück vor einer Verschattung zu schützen und die Zufuhr mit Licht und Luft sicherzustellen. Zudem soll einem zu schnellen Übergreifen von Bränden auf Nachbarhäuser vorgebeugt werden (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 103. Ergänzungslieferung 2012, § 22 BauNVO Rn. 37). Die Abständsflächenregelungen schützen den Nachbarn wiederum unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchtigung. D. h. der Nachbar kann die Einhaltung der Abstandsflächen im Verhältnis zum Angrenzer unabhängig davon verlangen, ob es z. B. tatsächlich zu einer Verschattung seines Grundstücks kommt. Hintergrund ist hier aber nicht das nachbarschaftliche Austauschverhältnis und der Gedanke der Schicksalsgemeinschaft, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Gesetzgeber die abstrakte Gefahr eines Nutzungskonflikts der benachbarten Grundstücke im Rahmen einer generellen Interessenabwägung einer gesetzlichen Lösung zugeführt hat.
2. einzelfallbezogener Drittschutz
Es gibt des Weiteren drittschützende Normen des öffentlichen Baurechts, die immer erst dann tangiert sind, wenn der rechtsschutzsuchende Nachbar tatsächlich und unzumutbar in seinen Rechten betroffen ist. Derartiger einzelfallbezogener Drittschutz begegnet insbesondere in Form einfachgesetzlicher Ausprägungen des sog. „Rücksichtnahmegebots“.

a) Das Gebot der Rücksichtnahme
1. Auch das Rücksichtnahmegebot ist ein „Kind des Bundesverwaltungsgerichts“. Das Rücksichtnahmegebot ist dabei zunächst ein objektiv-rechtliches Rechtsinstitut. Als so verstandener objektiv-rechtlicher Rechtssatz ist das Rücksichtnahmegebot an sich eine Selbstverständlichkeit: Die Baufaufsichtsbehörde ist bei der Entscheidung über die Erteilung einer Bauerlaubnis verpflichtet, die Interessen des Bauherrn und des Nachbarn gerecht gegeneinander abzuwägen. Da die Exekutive im Verhältnis zum Bauherrn und zum Nachbarn an die Grundrechte gebunden ist (Art. 1 III GG, 20 III GG) und durch die Erteilung oder Versagung einer Bauerlaubnis in das Eigentumsgrundrecht des Nachbarn oder des Bauherrn aus Art. 14 I 1 GG eingegreift, muss die Bauaufsichtsbehörde diese widerstreitenden Interessen grundsätzlich zu einem möglichst schonenden Ausgleich bringen. Insofern ist das Rücksichtnahmegebot eine spezielle Ausprägung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. etwa Battis/Krautzberger/Löhr, § 1 Rn. 122).
2. Das Rücksichtnahmegebot hat aber auch eine subjektiv-rechtliche Komponente. Das Rücksichtnahmegebot darf dabei zunächst nicht als übergesetzliches, losgelöst von gesetzlichen Vorschriften existierendes Prinzip missverstanden werden. Es folgt insbesondere nicht aus Art. 14 I GG. Der Gesetzgeber hat in den §§ 29 ff. BauGB Inhalt und Schranken des Eigentums iSv Art. 14 I 2 GG abschließend festgelegt (Inhalts- und Schrankenbestimmung). Durch den Rückgriff des Tatrichters auf vermeintliche vor-rechtliche Prinzipien, würde die Werteentscheidung des Gesetzgebers unterlaufen und das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 III GG) verletzt. Das Gebot der Rücksichtnahme ist vielmehr immer nur insoweit von Bedeutung, als es Ausdruck in einer konkreten einfach-gesetzlichen Rechtsnorm gefunden hat.  Drittschutz folgt also nicht aus dem Rücksichtnahmegebot, sondern aus einer einfach-rechtlichen Norm, mag diese auch eine Ausprägung des Rücksichtnahmegebots sein. Insofern ist das Rücksichtnahmegebot eine Art „Einfallstor“ für den Drittschutz baurechtlicher Normen, vergleichbar den zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 134, 138 BGB. Hinter dem „Rücksichtnahmegebot“ verbirgt sich letztlich nichts anderes als eine Art „Auslegungshilfe“ bzw. „Auslegungsregel“ in Bezug auf einfach-gesetzliche Normen des Baurechts (vgl. zum Ganzen Gaentzsch, ZfBR 2009, 324). Auslegungshilfe ist es dabei sowohl im Hinblick auf das „Ob“ des Drittschutzes als auch hinsichtlich des „Wie“ des Drittschutzes:
– „Ob“ des Drittschutzes: Zunächst wird das Rücksichtnahmegebot für die Frage herangezogen, ob eine bestimmte Baurechtsvorschrift überhaupt Drittschutz vermittelt. Das BVerwG hat dabei mehrfach entschieden, dass eine Vorschrift des öffentlichen Baurechts nur dann drittschützende Wirkung entfaltet, wenn sie deutlich macht, „dass in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schützwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist“ (zuletzt etwa BVerwG JuS 2004, 173). Mit anderen Worten: Eine Norm ist dann drittschützend, wenn die Auslegung ergibt, dass auf einen abgrenzbaren Personenkreis in besonderer Weise Rücksicht genommen werden soll. In dieser Funktion ist das Rücksichtnahmegebot nichts anderes als eine spezielle Ausprägung der „Schutznormtheorie“ im Baurecht.
– „Wie“ des Drittschutzes: Sodann wird das Rücksichtnahmegebot weiterhin herangezogen, um das Maß des Drittschutzes zu ermitteln. Dabei reicht für die Verletzung von Baurechtsnormen, deren drittschützende Wirkung anhand der „Lehre vom Rücksichtnahmegebot“ festgestellt wurde, nicht bereits jede Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen, erforderlich ist vielmehr eine unzumutbare Beeinträchtigung. Das BVerwG hat das so formuliert: „Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung dessen ist, auf den Rücksicht zu nehmen ist, umso mehr kann an Rücksicht verlangt werden. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen“ (BVerwG NVwZ 1993, 1185).  Der Sache nach handelt es sich dabei um eine umfassende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Bauherrn an der Bebauung seines Grundstücks und den Interessen des Nachbarn an der ungestörten Nutzung seines Eigentums. Zu berücksichtigen sind bei der Interessenabwägung insbesondere bereits bestehende Vorbelastungen (z. B. bereits vorhandene Lärmquellen).
b) § 15 I 2 BauNVO
Eine wichtige einfachgesetzliche Ausprägung des Rücksichtnahmegebots ist die Regelung des § 15 I BauNVO (sog. „Feinfilter“). Hierbei sollte man grds. zwischen der Regelung des § 15 I 1 BauNVO (dazu bereits oben) und des § 15 I 2 BauNVO unterscheiden. Beide Regelungen setzen ein Bauvorhaben im Bebauungsplangebiet oder im faktischen Baugebiet (§ 34 II BauGB) voraus, welches an sich den §§ 2 ff. BauNVO entspricht, aber im Einzefall gebietsunverträglich ist. § 15 I 1 BauNVO greift wie bereits oben erläutert nicht erst bei unzumutbarer persönlicher Betroffenheit, sondern gibt den Bewohnern eines Baugebiets im Zusammenspiel mit dem sog. „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ einen allgemeinen Anspruch auf Erhalt des prägenden Charakters eines Baugebiets.
Durch das Tatbestandsmerkmal der „unzumutbaren Störungen und Belästigungen“ in § 15 I 2 BauNVO macht die Regelung deutlich, dass auf die Interessen der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet oder in benachbarten Baugebieten besondere Rücksicht zu nehmen ist. Unterscheiden muss man bei § 15 I 2 die 1. Alternative (= Bauvorhaben wird Störer) und die 2. Alternative (= Bauvorhaben wird störanfällig). Durch die Wendung „im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung“ macht das Gesetz deutlich, dass nicht nur die Grundstückseigentümer des betroffenen Baugebiets, sondern auch die Nachbarn benachbarter Baugebiete in den Schutzbereich des § 15 I 2 BauNVO einbezogen sind. § 15 I 2 BauNVO eröffnet damit insbesondere die Möglichkeit plangebietsübergreifenden Drittschutzes! Soweit die Störungen und Belästigungen des Vorhabens über das Baugebiet hinaus in benachbarte Baugebiete ausstrahlen, können sich auch die Plangebietsnachbarn zur Wehr setzen. Andererseits ist § 15 I 2 BauNVO erst dann verletzt, wenn die Belästigungen die Zumutbarkeitsschwelle überschreiten. Dies ist insbesondere anhand der Abwägungsformel des BVerwG zu bestimmen (vgl. oben). § 15 I 2 BauNVO stellt damit insgesamt recht hohe Hürden auf.
c) Dispens gem. § 31 II BauGB
Beim bauplanungsrechtlichen Dispens gem. § 31 II BauGB muss man unbedingt zwei Fälle unterscheiden. Bei einer Befreiung von nachbarschützenden Vorschriften, insbesondere von den Vorgaben für die Art der baulichen Nutzung gem. §§ 2 ff. BauNVO, vermittelt § 31 II BauGB immer und uneingeschränkt Drittschutz. Denn insbesondere bei einem Dispens von den §§ 2 ff. BauNVO wird der „Gebietserhaltungsanspruch“ des Nachbarn tangiert, der sich unabhängig von einer persönlichen Betroffenheit gegen jede artfremde Bebauung wehren kann.
Bei einem Dispens von nicht nachbarschützenden Vorschriften bietet § 31 II BauGB nur Drittschutz nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots. Das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ gem. § 31 II a. E. BauGB macht hierbei deutlich, dass die betroffenen Baugebietsnachbarn in besonderer Weise geschützt werden sollen. Eine Verletzung drittschützender Vorschriften ist in diesen Fällen erst gegeben, wenn die nachbarlichen Interessen in unzumtbarer Weise beeinträchtigt werden. Auch dies bemisst sich wiederum anhand der Abwägungsformel des BVerwG (s. oben.).
d) Merkmal „Einfügen“ iSv § 34 I 1 BauGB
Das BVerwG hat im Merkmal des „Einfügens“ iSv § 34 I 1 BauGB mithilfe der Auslegungsregel des Rücksichtnahmegebots die drittschützende Wirkung dieser Vorschrift erkannt. Ein Bauvorhaben „fügt“ sich danach nur dann in die vorhandene Umgebungsbebauung ein, wenn es die gebotene Rücksicht auf die bereits vorhandene Nachbarbebauung nimmt (Battis/Krautzberger/Löhr, § 34 Rn. 17). Das wird auch durch die Regelung über den Dispens von dem Erfordernis des „Einfügens“ in § 34 IIIa Nr.3 BauGB deutlich, der von der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ spricht.
e) „Schädliche Umwelteinwirkungen“ iSv § 35 III 1 Nr.3
Der drittschützende Charakter des § 35 BauGB kann mithilfe des Rücksichtnahmegebots insbesondere aus § 35 III 1 Nr.3 anhand des Merkmals der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ entnommen werden (Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 80). Denn gem. § 3 I BImschG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die geeignet sind, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen (Rechtsgedanke des § 3 BImschG). Früher hat das BVerwG das Rücksichtnahmegebot z. T. als ungeschriebenen „öffentlichen Belang“ iSv § 35 III 1 BauGB eingeordnet (BVerwG NJW 1978, 62; sog. „Schweinemäster-Fall“). Das ist aber zum einen missverständlich, weil das Rücksichtnahmegebot eben kein selbständiges rechtliches Prinzip ist, sondern eine bloße Auslegungshilfe für das „Ob“ und „Wie“ des drittschützenden Charakters baurechtlicher Normen. Zum anderen spricht der Wortlaut „öffentlich“ gerade eher gegen den drittschützenden Charakter und macht eine besondere Schutzbedürftigkeit eines abgrenzbaren Personenkreises gerade nicht deutlich.
Auch auf privilegierte Vorhaben iSv § 35 I BauGB ist in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen, weil die gesetzliche Systematik des § 35 I und II BauGB deutlich macht, dass privilegierte Vorhaben im Außenbereich in besonderem Maße schützenswert sind. Privilegierte Grundstückseigentümer können sich deshalb insbesondere gegen eine heranrückende störende Außenbereichsbebauung wehren (Battis/Krautzberger/Löhr, § 31 Rn. 80).
IV.Klausurtipps
Zum Abschluss noch ein paar Tipps für Klausuren, die häufig zu beobachtende Fehlerquellen betreffen.
1. Da das „Rücksichtnahmegebot“ kein eigenständiges, übergesetzliches Prinzip ist, darf im Rahmen der Klagebefugnis nach § 42 II VwGO und im Rahmen der Rechtsverletzung iSv § 113 I 1 VwGO nicht auf eine (mögliche) „Verletzung des Rücksichtnahmegebots“ abgestellt werden. Richtig ist vielmehr die Prüfung einer (möglichen) Verletzung einer drittschützenden einfachrechtlichen Norm in Verbindung mit dem Rücksichtnahmegebot (z. B.: „X kann geltend machen, möglicherweise in seinem subjektiven Recht aus dem Merkmal des „Einfügens“ iSv § 34 I 1 BauGB iVm dem Rücksichtnahmegebot verletzt zu sein.“).
2. Auch wenn § 113 I 1 VwGO eine zweistufige Prüfung nach objektiver Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung vorgibt, prüft man bei Baunachbarstreitigkeiten von vornherein nur, ob nachbarschützende Vorschriften verletzt sind. Die Baunachbaranfechtungsklage ist also begründet, „wenn der VA nachbarschützende Vorschriften verletzt“(!). Die Prüfung der objektiven Rechtswidrigkeit nicht nachbarschützender Normen ist nicht nur überflüssig, sondern sogar falsch. Es bietet sich deshalb an, im Rahmen der Klagebefugnis gem. § 42 II VwGO zu diskutieren, welche der gerügten Vorschriften nachbarschützend sind und welche nicht und sodann die mögliche Verletzung dieser drittschützenden Vorschriften festzustellen. In der Begründetheit wird dann nur noch die tatsächliche Verletzung der (übrig gebliebenen) nachbarschützenden Normen geprüft.

29.06.2012/9 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2012-06-29 08:00:462012-06-29 08:00:46Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht
Dr. Christoph Werkmeister

VGH Mannheim zur baurechtlichen Zulässigkeit von Bordellen im Gewerbegebiet

Baurecht, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?
Der VGH Mannheim hatte sich zuletzt mit einer baurechtlichen Fragestellung auseinanderzusetzen (Beschluss v. 05.03.2012, Az. 5 S 3239/11). Es ging um die baurechtlich interessante Frage, ob ein Bordellbetrieb, in dem keine Prostituierten wohnen, im Gewerbegebiet allgemein zulässig ist oder ob es eine dort nur ausnahmsweise zulässige Vergnügungsstätte darstellt. Verfahrensrechtlich war der Rechtsstreit eingekleidet in ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (eingeleitet durch einen Nachbarn), wobei der Bordellbetreiber Beigeladener (§ 65 Abs. 2 VwGO) im Verfahren war.
In materiellrechtlicher Hinsicht ging es schwerpunktmäßig um die Auslegung der bauplanungsrechtlichen Norm des § 8 BauNVO. Derartige Fragestellungen finden sehr sehr häufig Eingang in Examensklausuren, da bei den Bearbeitern in aller Regel keine Spezialkenntnisse zur Auslegung der Normen der BauNVO vorliegen (es sei denn, man hält sich über examensrelevante Urteile auf dem Laufenden, was in weiten Teilen durch die Lektüre von Juraexamen.info unterstützt durch eine Ausbildungszeitschrift zu bewerkstelligen ist).

Die Beigeladene betreibt in einem Gebäude in einem Karlsruher Gewerbegebiet ein Bordell mit elf “Arbeitsräumen“, zwei “VIP-Bereichen“, einer Sauna, einem Empfangsbereich und sanitären Einrichtungen, aber ohne Wohnungen für Prostituierte. Nach dem Bebauungsplan sind Gewerbebetriebe aller Art zulässig, Vergnügungsstätten aber nur ausnahmsweise. Der Antragsteller ist Eigentümer eines ca. 130 m entfernten Grundstücks im Gewerbegebiet, auf dem er mit seiner Familie wohnt. Er machte geltend, ein Bordell passe nicht in ein Gewerbegebiet. Es sei eine Vergnügungsstätte. Weil die dafür notwendige Ausnahme nicht erteilt worden sei, verletze die Baugenehmigung sein Nachbarrecht auf Erhaltung des Gewerbegebiets. Außerdem beeinträchtigte das Bordell die Wohnnutzung auf seinem Grundstück rücksichtslos. Dem ist der VGH nicht gefolgt.
Ein Bordell sei ein in einem Gewerbegebiet allgemein zulässiger Gewerbebetrieb und keine Vergnügungsstätte im Sinne des Städtebaurechts. Der Begriff Vergnügungsstätte sei gesetzlich nicht definiert. Üblicherweise sei darunter eine gewinnbringende Freizeitunterhaltung zu verstehen, die den Sexual-, Spiel- und/oder Geselligkeitstrieb anspreche oder ausnutze, wie etwa in Amüsierbetrieben, Diskotheken oder Spielhallen. Das Städtebaurecht ordne solche speziellen Betriebe typischerweise innerstädtischen Kerngebieten zu, mit ihrem urbanen Angebot an Gütern und Dienstleistungen für Besucher und die Wohnbevölkerung eines größeren Einzugsbereichs. Das gelte jedoch nicht für ein Bordell der hier gegebenen Art. Im Hinblick auf dessen allgemeine sozialethische Bewertung und die Begleiterscheinungen des “Rotlichtmilieus“ eigne sich dafür eher ein Standort außerhalb oder allenfalls am Rande des “Blickfeldes“ und der Treffpunkte einer größeren oder allgemeinen Öffentlichkeit und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen. Ein Gewerbegebiet bezwecke gerade, solchen Betrieben einen Standort zu bieten, die wegen ihrer spezifischen Standortanforderungen und ihrer Auswirkungen zu Unzuträglichkeiten in anderen Gebieten führen würden, in denen auch oder sogar vorwiegend gewohnt werde. Das gelte gerade auch für einen Bordellbetrieb. Dessen Auswirkungen seien mit einem Gewerbegebiet auch nicht von vornherein unvereinbar.
Für den Bordellbetrieb der Beigeladenen und das konkrete Gewerbegebiet in Karlsruhe gelte nichts Anderes. Auch störe dieser Betrieb die Wohnnutzung auf dem Grundstück des Antragstellers nicht rücksichtslos. Bewohner eines Gewerbegebiets könnten nicht denselben Schutz wie in einem Wohngebiet beanspruchen (Quelle: Pressemitteilung des VGH Mannheim).

24.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-24 10:09:592012-03-24 10:09:59VGH Mannheim zur baurechtlichen Zulässigkeit von Bordellen im Gewerbegebiet

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